Versuch einer Theorie der electrischen und optischen Erscheinungen in bewegten Körpern/Abschnitt V

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Abschnitt IV Versuch einer Theorie der electrischen und optischen Erscheinungen in bewegten Körpern (1895)
von Hendrik Antoon Lorentz
Abschnitt VI
[82]
ABSCHNITT V.
ANWENDUNG AUF DIE OPTISCHEN ERSCHEINUNGEN.


Zurückführung auf ein ruhendes System.

§ 56. Die Bestimmung des Einflusses, den eine Bewegung der ponderablen Körper auf die Lichterscheinungen ausüben kann, gelingt in sehr einfacher Weise, wenn man, wie es in diesem Abschnitte stets geschehen soll, die Circularpolarisation bei Seite lässt.

Wir wollen nämlich, wie wir das schon früher (§ 31) thaten, und unter fortwährender Vernachlässigung von Grössen zweiter Ordnung, an die Stelle von t die „Ortszeit“

als unabhängige Variable einführen; ausserdem wollen wir, statt , einen neuen Vector betrachten, den wir durch die Formel

(IX)

definiren.

Wird irgend eine Grösse als Function von x, y, z und t' betrachtet, so bezeichnen wir, wie früher (§ 31), die partiellen Differentialquotienten mit

Es soll weiter, dieser Schreibweise gemäss, unter

der Ausdruck [83]

und unter

ein Vector mit den Componenten

u. s. w.

verstanden werden.

Die Einführung von t' und gewährt den Vortheil, dass, wie ich jetzt zeigen werde, die Gleichungen () — () dieselbe Gestalt annehmen, wie die für geltenden Formeln.

§ 57. Zunächst erhält man, unter Berücksichtigung der Formeln (35),

oder nach (), wenn man in den mit multiplicirten Gliedern durch und Div durch Div' ersetzt,

Die Gleichung () wird somit

In ähnlicher Weise ist

d. h., nach (),

sodass sich für () schreiben lässt

()

Wenden wir uns jetzt der Formel () zu. In diese sind [84] drei Gleichungen zusammengefasst, und zwar steht in der ersten derselben links der Ausdruck

Hierfür lässt sich, mit Rücksicht auf (35), schreiben

und also für die Gleichung selbst

Die beiden anderen Gleichungen lassen eine ähnliche Umformung zu, und es wird demnach

Was ferner die erste der Gleichungen () betrifft, so geht diese, da

ist, über in

sodass () gleichbedeutend ist mit

Schliesslich folgt aus ()

§ 58. Um auch in die Grenzbedingungen die neuen Variablen einzuführen, fassen wir die Normale n für den betrachteten Punkt ins Auge, und ausserdem zwei zu einander und zu n senkrechte Richtungen h und k. Es soll dabei die Richtung n einer Rotation über einen rechten Winkel von h nach k entsprechen. Aus (IX) (§ 56) folgt sodann

Da nun und stetig sind, so muss auch es sein.

[85] In ähnlicher Weise schliessen wir aus der Continuität von und , mittelst der aus () abzuleitenden Beziehung

auf die Continuität von .

Beachtet man auch die übrigen Gleichungen (), so erhellt, dass sämmtliche Grenzbedingungen enthalten sind in den Formeln

worin jetzt h jede beliebige Richtung in der Grenzfläche sein kann.

§ 59. Die Gleichungen und () unterscheiden sich von den Gleichungen, welche nach § 52 für ruhende Körper gelten, nur dadurch, dass

und

an die Stelle von

und

getreten sind.

Diese Uebereinstimmung eröffnet uns einen Weg, Probleme über den Einfluss der Erdbewegung auf die optischen Erscheinungen sehr einfach zu behandeln.

Ist nämlich für ein System ruhender Körper ein Bewegungszustand bekannt, bei dem

(69)

gewisse Functionen von x, y, z und t sind, so kann in demselben System, falls es sich mit der Geschwindigkeit verschiebt, ein Bewegungszustand bestehen, bei welchem

(70)

eben dieselben Funktionen von x, y, z und t' [d. h. ] sind.

Obgleich wir in den vorstehenden Betrachtungen den Coordinatenaxen die Richtungen der Symmetrieaxen gegeben haben, gilt der gefundene Satz für jedes rechtwinklige Coordinatensystem. Man wird das leicht erkennen, wenn man bedenkt, dass sich für die Ortszeit t' auch schreiben lässt

wo r die vom Coordinatenursprunge nach dem Punkte (x, y, z) gezogene Linie bedeutet, und dass mithin t' unabhängig von der Richtung der Coordinatenaxen ist.

[86] Es mag übrigens daran erinnert werden, dass man bei dem beweglichen System unter x, y, z immer die Coordinaten in Bezug auf Axen, die an der Translation theilnehmen, zu verstehen hat.

Sind die Grössen (70) als Functionen von x, y, z und t' , also auch als Functionen von x, y, z und t, bekannt geworden, so lassen sich aus den Gleichungen (IX) und () berechnen.




Verschiedene Anwendungen.

§ 60. Wir wollen die beiden Bewegungszustände — im ruhenden und im bewegten System von Körpern —, von welchen soeben die Rede war, correspondirende Zustände nennen. Es sollen dieselben jetzt eingehender mit einander verglichen werden.

a. Sind in dem ruhenden System die Grössen (69) periodische Functionen von t mit der Periode T, so haben in dem anderen System die Grössen (70) dieselbe Periode in Bezug auf t' , also auch in Bezug auf t, wenn man x, y, z constant lässt. Bei der Deutung dieses Ergebnisses ist zu beachten, dass im Falle einer Translation zwei Perioden unterschieden werden müssen (vergl. §§ 37 und 38), die man füglich die absolute und die relative Periode nennen kann. Mit der absoluten hat man es zu thun, wenn man die zeitlichen Veränderungen in einem Punkte betrachtet, der eine feste Lage gegen den Aether hat, mit der relativen dagegen, wenn man einen Punkt ins Auge fasst, der sich mit der ponderablen Materie verschiebt. Das oben Gefundene lässt sich nun folgendermaassen ausdrücken:

Soll ein Schwingungszustand im bewegten System mit einem Zustande im ruhenden System correspondiren, so muss die relative Schwingungsdauer im erstgenannten Falle der Schwingungszeit im zweitgenannten Falle gleichkommen.

b. Es möge in dem ruhenden System an irgend einer Stelle keine Lichtbewegung stattfinden, d. h. es mögen daselbst und verschwinden. An der entsprechenden Stelle der bewegten Körper ist alsdann , somit auch , sodass dort die Lichtbewegung gleichfalls fehlt.

Es folgt hieraus unmittelbar, dass eine Fläche, die in einem ruhenden Körper die Begrenzung eines von Licht erfüllten Raumes bildet, [87] dieselbe Bedeutung haben kann, wenn sich der Körper verschiebt.

In einem ruhenden, homogenen Medium sind z. B. seitlich durch cylindrische Flächen begrenzte Lichtbündel möglich, vorausgesetzt nur, dass die Dimensionen der Querschnitte viel grösser als die Wellenlänge sind. Nach unserem Satze können auch in einem bewegten System derartige Bündel bestehen.

Die beschreibenden Linien der erwähnten cylindrischen Flächen nennen wir Lichtstrahlen, und im Falle einer Translation: relative Lichtstrahlen. Die Cylinder hat man sich nämlich als mit der ponderablen Materie fest verbunden zu denken; dieselben bilden somit die Bahnen für die Fortpflanzung des Lichtes, relativ zu jener Materie.

c. Es falle in dem ruhenden System ein cylindrisches Lichtbündel auf eine ebene Grenzfläche und werde dabei gespiegelt und gebrochen, — der Allgemeinheit halber wollen wir sagen: doppelt gebrochen. Die neuen Lichtbündel haben ebenfalls eine cylindrische Begrenzung. Wendet man nun das unter a und b Gesagte auf den correspondirenden Fall für das bewegte System an, so gelangt man zu dem Satze:

In dem bewegten System werden relative Lichtstrahlen von der relativen Schwingungsdauer T nach denselben Gesetzen gespiegelt und gebrochen, wie Strahlen von der Schwingungsdauer T im ruhenden System.

d. Es werde im ruhenden System ein beliebig gestalteter, durchsichtiger Körper von einem cylindrischen Lichtbündel getroffen, und es entstehe dadurch irgend eine Interferenz- oder Diffractionserscheinung. Treten hierbei dunkle Streifen auf, so müssen sich diese bei dem correspondirenden Zustande des bewegten Systems an genau denselben Stellen zeigen.

Ein extremer Fall einer Diffractionserscheinung ist die Vereinigung alles Lichtes in einem Brennpunkt. Nach obigem wird durch die Translation nichts geändert an den Gesetzen, nach welchen ein Lichtbündel von bestimmter cylindrischer Begrenzung durch ein Fernrohrobjectiv concentrirt wird.

e. Während bei correspondirenden Zuständen die seitliche Begrenzung der Lichtbündel dieselbe ist, haben die Wellennormalen verschiedene Richtungen. Gesetzt z. B., dass sich in dem ruhenden System ebene Wellen, deren Normale die Richtung () hat, mit der Geschwindigkeit W fortpflanzen, und dass [88] also hier die Abweichung vom Gleichgewichte eine Function von

ist, treten für das bewegte System ähnliche Functionen von

auf. Die Richtungsconstanten der Wellennormale werden also für dieses System bestimmt durch die Bedingung

oder, falls es sich um eine Fortpflanzung im reinen Aether handelt, durch

Aus dieser Gleichung ergibt sich umgekehrt

(71)




Die Aberration des Lichtes.

§ 61. Es seien die Richtungsconstanten der von einem ruhenden Himmelskörper nach der Erde gezogenen Linie, also auch die Richtungsconstanten der Normale zu den in der Nähe der Erde anlangenden ebenen Wellen. Wenn wir dann, um den weiteren Verlauf der Fortpflanzung zu untersuchen, die Lichtbewegung auf ein Coordinatensystem beziehen, das an der Bewegung der Erde theilnimmt, so bleiben natürlich die Richtungsconstanten der Wellennormale während als relative Schwingungsdauer T' (§ 37) die nach dem Doppler’schen Gesetze modificirte ins Spiel kommt. Wie wir sahen, wird nun die Bewegung, was die seitliche Begrenzung eines durch ein Diaphragma ausgeschnittenen Lichtbündels, die Concentration durch Linsen, und den Durchgang durch sonstige durchsichtige Körper betrifft, correspondiren mit einer Bewegung in einem ruhenden System, bei der die Schwingungszeit [89] T' ist, und die Normale zu den einfallenden Wellen die durch (71) bestimmten Richtungsconstanten hat.

Alle Erscheinungen gehen mithin gerade so vor sich, als ob die Erde ruhte, die Schwingungsdauer T’ wäre, und der Himmelskörper, von der Erde aus gesehen, sich nicht in der Richtung (), sondern in der Richtung () befände.

In diesem letzteren besteht nun eben die Aberration. Dass die Grösse und Richtung, welche wir für dieselbe finden, auch wirklich der bekannten, mit den Beobachtungen übereinstimmenden Regel entsprechen, ergibt sich sofort aus der Gleichung (71). Man erhält nämlich einen Vector von der Richtung (), wenn man einen Vector von der Richtung (), dessen Länge die Geschwindigkeit des Lichtes darstellt, mit einem zweiten zusammensetzt, welcher der Erdgeschwindigkeit gleich und entgegengesetzt ist.

Uebrigens liegt in unserem Satze auch die Erklärung dafür, dass sich bei der Beobachtung mit Linsensystemen immer die durch die soeben erwähnte Regel bestimmte Aberration herausstellt[1], ebenso die Erklärung für den bekannten Arago’schen Versuch[2] mit einem Prisma, und für das von Boscovich vorgeschlagene und von Airy[3] ausgeführte Experiment, bei welchem der Tubus eines Fernrohrs mit Wasser gefüllt war.




Beobachtungen mit Sonnenlicht.

§ 62. Die Bahn der Erde weicht so wenig von einem Kreise [90] ab, dass man, wenn es sich um Sonnenstrahlen handelt, die Geschwindigkeitscomponente , von welcher die Aenderung der Schwingungszeit abhängt (§ 37), vernachlässigen darf. Versuche mit diesen Strahlen müssen demnach so ausfallen, als ob die Erde ruhte, die Sonne sich in der durch die Aberration veränderten Richtung befände und dabei Lichtarten von derselben Schwingungsdauer aussendete, wie in Wirklichkeit[4].

Hieraus folgt unmittelbar, dass man in der für eine bestimmte Fraunhofer’sche Linie gemessenen Ablenkung bei der Brechung in einem Prisma, oder der Diffraction durch ein Gitter, keinen Einfluss der Erdbewegung verspüren wird, dass es also keinen Unterschied machen kann, ob die Richtung des auf das Prisma oder das Gitter fallenden Lichtes diesen oder jenen Winkel mit der Translation der Erde bildet. Was die Gitterspectra betrifft, so wurde dieses Resultat durch die sorgfältigen Versuche des Hrn. Mascart[5] bestätigt. Dieser Physiker hat überdies durch besondere Experimente[6] nachgewiesen, dass bei den genannten Spectra die Ablenkung für eine bestimmte Fraunhofer’sche Linie vollkommen übereinstimmt mit der Ablenkung für die entsprechenden Strahlen einer terrestrischen Lichtquelle[7].




Bewegte Lichtquellen.

§ 63. Oben, im § 61, wurde der Himmelskörper als ruhend vorausgesetzt. Indessen gelangt man auch für einen sich bewegenden Körper zu einem einfachen Resultat. Wir wissen bereits (§ 36), dass die Normale zu den die Erde erreichenden Wellen auf den Ort P hinweist, wo sich die Lichtquelle befand [91] in dem Augenblicke, da sie das Licht aussandte. Die Bewegung der Erde bewirkt nun, dass man den Stern nicht an dieser Stelle P, sondern in einer anderen Lage P' beobachtet, und zwar lässt sich die Verschiebung von P nach P' aus der gewöhnlichen Regel für die Aberration herleiten. Nach den Betrachtungen des § 61 liegt der Beweis auf der Hand.

Schliesslich zeigt eine einfache Figur, dass P' mit dem wahren Orte zur Beobachtungszeit zusammenfällt, sobald die Geschwindigkeit der Lichtquelle in Grösse und Richtung mit jener der Erde übereinstimmt.




Versuche mit irdischen Lichtquellen.

§ 64. Aus dem zuletzt gewonnenen Resultate folgt unmittelbar, dass man einen entfernten terrestrischen Gegenstand immer in der Richtung sehen wird, wo er sich wirklich befindet. Wir sahen auch schon, dass bei einer mit der Erde verbundenen Lichtquelle kein Unterschied zwischen der wahren und der beobachteten Schwingungszeit besteht.

Ueberhaupt wird nach unserer Theorie die Bewegung der Erde nie einen Einfluss erster Ordnung auf Versuche mit terrestrischen Lichtquellen haben.

Um diesen Satz zu begründen, wollen wir zunächst, unter Anwendung des Superpositionsprincips (§ 7), aus den Formeln des § 33 andere ableiten, welche für ein beliebiges System leuchtender Molecüle gelten. Wir nehmen dabei an, dass diese die gemeinschaftliche Translation haben, und wählen die durch (34) bestimmte Ortszeit t' und die relativen Coordinaten (§ 19) als unabhängige Variablen.

Es seien

u. s. w.

die Orte der Molecüle, und

(72)

oder [92]

(73)

die in denselben bestehenden electrischen Momente.

Der Zustand, den ein einzelnes Molecül in dem Punkte (x, y, z) des Aethers hervorruft, wird bestimmt durch die Gleichungen (39) und (40). Die letztere wollen wir, um später den Satz des § 59 bequemer anwenden zu können, noch dadurch umformen, dass wir auch für den Aether die Bezeichnungen und einführen. Für dieses Medium ist, wie wir wissen, gleichbedeutend mit , und also, nach (IX) (§ 56), gleichbedeutend mit

Vermöge der Gleichung () dürfen wir also in (40) durch ersetzen.

Bezeichnen wir nun weiter durch eine Summe von Gliedern, deren jedes von einem der leuchtenden Molecüle herrührt, so erhalten wir aus (39) und (40) folgende Formeln für den durch die Ionenschwingungen (72) in dem Aether hervorgerufenen Zustand:

(74)

Hierin bedeutet r die Entfernung des Punktes (x, y, z) von dem Orte () eines der leuchtenden Molecüle, während die Momente dieses Molecüls zur Ortszeit darstellen. Die beiden ersten Glieder der Summe

sind z. B. [93]

und

wenn und die Abstände zwischen (x, y, z) und den beiden ersten Molecülen sind.

§ 65. Aus den vorstehenden Formeln ergeben sich sofort andere, welche für eine ruhende Lichtquelle gelten, wenn man einfach alle Accente streicht. Bestehen in diesem Fall in den leuchtenden Molecülen die Momente

(75)

so hat man in dem Aether

(76)

worin jetzt die Momente eines Molecüls zur Zeit bedeuten, sodass z. B. die zwei ersten Glieder der Summe

die Werthe

und

haben.

Natürlich sind jetzt , x, y, z die auf ruhende Axen bezogenen Coordinaten.

§ 66. Es sollen die beiden in den §§ 64 und 65 betrachteten Fälle (mit und ohne Translation) mit einander verglichen werden. Dabei denken wir uns, dass in den beiden Fällen die räumliche Anordnung der leuchtenden Molecüle dieselbe sei, dass also alle dieselben Werthe haben; wir nehmen dieses letztere auch für x, y, z an, was darauf hinauskommt, dass wir den Zustand des Aethers in einem Punkte betrachten, [94] der eine bestimmte Lage in Bezug auf die Lichtquelle hat. Endlich verstehen wir unter , u. s. w. in beiden Fällen dieselben Functionszeichen.

Ein Blick auf die Formeln (74) und (76) lässt nun erkennen, dass wir es hier mit correspondirenden Zuständen zu thun haben, auf welche der Satz des § 59 anwendbar ist. Fällt also das Licht auf einen undurchsichtigen Schirm mit einer Oeffnung, so wird die Abgrenzung von Licht und Schatten, oder die Lage dunkler Diffractionsstreifen hinter demselben, in beiden Fällen dieselbe sein. Ebenso wenig wird sich ein Unterschied in der räumlichen Vertheilung von Licht und Dunkel zeigen, wenn die Strahlen an einem beliebigen durchsichtigen Körper gespiegelt oder gebrochen werden, eine Linse dieselben concentrirt, oder irgend eine Interferenzerscheinung auftritt. Kurz, alle optischen Versuche werden in beiden Fällen zu genau demselben Ergebniss führen.

Freilich sind die in der Lichtquelle selbst vorhandenen Bewegungen, die diese correspondirenden Zustände hervorbringen, nicht ganz dieselben. In dem einen Falle werden sie durch (73), und in dem anderen Falle durch (75) bestimmt. Setzt man

, u. s. w.,

so darf man also auch sagen:

Eine sich verschiebende Lichtquelle, in welcher die durch

(77)

dargestellten Ionenbewegungen stattfinden, bringt dieselben Erscheinungen hervor, wie eine ruhende Lichtquelle, für welche die Formeln

(78)

gelten.

Handelt es sich um Schwingungen, so reducirt sich der [95] Unterschied zwischen (77) und (78) auf eine Veränderung der Phasen, und zwar wird diese für ein beliebiges Molecül durch

bestimmt, ist demnach für die verschiedenen Molecüle nicht gleich.

Es ist nun zu beachten, dass die Molecüle einer Lichtquelle, z. B. einer Flamme, als gänzlich unabhängig von einander betrachtet werden müssen, sodass, wie man es gewöhnlich ausdrückt, die von zweien dieser Theilchen ausgesandten Strahlen nicht mit einander interferiren können. Daraus folgt, dass beliebige Aenderungen in den Phasen der einzelnen Molecüle keinen Einfluss auf die wahrnehmbaren Erscheinungen haben können. Die ruhende Lichtquelle mit den Bewegungen (78) wird nichts anderes ergeben als eine ebenfalls ruhende Quelle mit den Bewegungen (77), und so dürfen wir behaupten:

Ertheilt man einer Lichtquelle eine Translation, ohne etwas an den Schwingungen ihrer Ionen zu ändern, so bleiben die wahrnehmbaren Erscheinungen in fest mit derselben verbundenen Körpern so, wie sie waren.

§ 67. Zahlreiche Versuche haben bewiesen, dass bei Benutzung irdischer Lichtquellen die Erscheinungen in der That unabhängig von der Orientirung der Apparate in Bezug auf die Bewegungsrichtung der Erde sind. Es gehören hierher die Beobachtungen von Respighi[8], Hoek[9], Ketteler[10] und Mascart[11] über die Brechung, ebenso die Experimente der drei zuletzt genannten Physiker über Interferenzerscheinungen[12]. Hrn. Ketteler verdankt man auch eine Untersuchung über die innere Reflexion und die Refraction bei Kalkspathprismen[13], und [96] Hrn. Mascart eine Arbeit[14] über die Interferenzstreifen, die sich bei Kalkspathplatten im polarisirten Lichte zeigen.




Die Mitführung der Lichtwellen durch die ponderable Materie.

§ 68. In einem ruhenden, isotropen oder anisotropen Körper pflanze sich ein Bündel ebener Wellen fort, bei welchem sich die Componenten von und durch Ausdrücke von der Form

(79)

darstellen lassen; es ist alsdann W die Fortpflanzungsgeschwindigkeit. Diese Grösse kann von , und T abhängen. Nachdem man dem Körper eine Geschwindigkeit ertheilt hat, kann, wie wir sahen (§ 59), in demselben ein Bewegungszustand bestehen, für welchen Ausdrücke wie

oder

(80)

gelten. Die Richtungsconstanten der Wellennormale sind jetzt den Grössen

proportional. Setzen wir demgemäss

(81)

so wird (80)

woraus man ersieht, dass W' die Geschwindigkeit ist, mit der sich Wellen von der relativen Schwingungsdauer T nach der [97] Richtung () in dem bewegten Körper fortpflanzen.

Aus (81) findet man

und hierfür lässt sich auch, unter Vernachlässigung von Grössen zweiter Ordnung, schreiben

Es ist hier , die Componente der Geschwindigkeit nach der Richtung der Wellennormale, auf welche sich W' bezieht. Schliesslich wird

(82)

§ 69. So lange war die Untersuchung allgemein. Es soll jetzt angenommen werden, der Körper sei isotrop. Die Geschwindigkeit W ist dann unabhängig von der Richtung der Wellen, und auch das Verhältniss

der absolute Brechungsindex des ruhenden Körpers, hängt nur noch von T ab.

Bei der Deutung der Formel (82), die jetzt übergeht in

(83)

ist daran zu erinnern, dass wir der Beschreibung der Erscheinungen fortwährend ein Coordinatensystem zu Grunde gelegt haben, das sich mit der ponderablen Materie verschiebt. Es ist also (83) die Geschwindigkeit der Lichtwellen, relativ zu dieser Materie. Wünscht man die relative Geschwindigkeit W" in Beziehung auf den Aether zu kennen, so hat man die Geschwindigkeit (83), welche die Richtung der Wellennormale hat, zusammenzusetzen mit der in eben diese Richtung fallenden Componente der Translationsgeschwindigkeit. Man erhält hierdurch

(84)

was mit der bekannten Annahme Fresnel’s übereinstimmt.

[98] Es möge zu diesem Resultate noch zweierlei bemerkt werden. Erstens gilt die gegebene Ableitung für jeden Werth von T, also für jede Lichtart, und zweitens ist das so zu verstehen, dass die Substitution der Werthe von N und W, welche in dem ruhenden Körper zu einem bestimmten T gehören, den Werth von W" für die relative Schwingungsdauer T liefert[15].

§ 70. Ist der betrachtete Körper doppelbrechend, so darf nicht vergessen werden, dass sich W und W' in dar Gleichung (82) auf verschiedene Richtungen der Wellennormale beziehen, nämlich W auf die Richtung (), und W' auf die Richtung (). Ueber die Frage, wie sich für eine gegebene Richtung der Wellen die Geschwindigkeiten im ruhenden und im bewegten Körper von einander unterscheiden, gibt die Gleichung nicht unmittelbar Aufschluss. Zu einem einfachen Satze führt indessen die Einführung der Lichtstrahlen.

In einem ruhenden doppelbrechenden Körper gehört zu jeder Richtung der Wellennormale (sobald man eine der beiden möglichen Schwingungsrichtungen gewählt hat) eine bestimmte Richtung für die Lichtstrahlen, d. h. für die beschreibenden Linien einer cylindrischen Grenzfläche eines Lichtbündels. Für die Punkte einer solchen Linie ist nun, wenn die Richtungsconstanten sind, und s die Entfernung von einem festen Punkte () der Linie bedeutet,

(85)

Dadurch verwandelt sich, wenn man

setzt und unter B' eine neue Constante versteht, der Ausdruck (79) in

[99] Die Grösse U ist das, was man gewöhnlich die Geschwindigkeit des Lichtstrahls nennt.

Geht man jetzt zu der correspondirenden Bewegung in dem fortschreitenden Körper über, so bleibt (§ 60, b) die betrachtete Linie ein Lichtstrahl, und man erhält zur Bestimmung der Abweichungen vom Gleichgewichte in den verschiedenen Punkten desselben Ausdrücke wie

oder, nach (34) und (85),

(86)

worin die Componente von in der Richtung des Lichtstrahles ist, während die neue Constante B" den Werth

hat.

Der Ausdruck (86) geht über in

und es ist mithin U' die Geschwindigkeit des Lichtstrahls in dem bewegten Körper, wenn man

setzt.

Hieraus folgern wir

(87)

eine der Gestalt nach mit (82) übereinstimmende Formel, in der sich jetzt U und U' auf Lichtstrahlen von derselben Richtung beziehen.

§ 71. Die Formel (84) hat eine schöne Bestätigung gefunden durch die zuerst von Hrn. Fizeau ausgeführten und später [100] von den Herren Michelson und Morley[16] wiederholten Versuche über die Fortpflanzung des Lichtes in strömendem Wasser. Die Anordnung derselben dürfte wohl zur Genüge bekannt sein, sodass wir uns darauf beschränken können, die Ergebnisse noch etwas eingehender, als es gewöhnlich geschieht, mit der Theorie zu vergleichen.

Um die Formel (82) anzuwenden, hat man zunächst aus den Versuchsbedingungen die relative Periode abzuleiten, und sodann aus der Dispersionsformel für ruhendes Wasser den dieser Periode entsprechenden Brechungsexponenten N. Der auf diese Weise berechnete Werth von V/N ist dann schliesslich in (82) für W zu substituiren. Was nun aber jene relative Periode betrifft, so ist eine nähere Betrachtung erforderlich.

Bekanntlich kamen bei den Experimenten zwei neben einander liegende, mit Glasplatten verschlossene Röhren in Anwendung, durch welche das Wasser mit derselben Geschwindigkeit, aber in entgegengesetzter Richtung floss; da die zur Ein- und Ausführung des Stromes dienenden Ansatzröhren sich ganz nahe an den Enden befanden, so darf man annehmen, dass an allen Stellen, wenigstens in dem mittleren Theile des Querschnitts, dieselbe Geschwindigkeit bestanden habe[17]. Die beiden Lichtbündel, die mit einander interferiren sollten, durchliefen den Apparat nun so, dass sich das eine in den beiden Röhren in der Richtung des Wasserstromes, und das andere stets in entgegengesetzter Richtung fortpflanzte.

Wir fassen jetzt einen festen Punkt P im Innern einer der Röhren ins Auge. Die Bedingungen, unter denen sich das Licht von der Quelle zu diesem Punkte fortpflanzt, bleiben offenbar — wenn der Wasserstrom stationär ist — fortwährend dieselben, und zwar gilt das für die beiden Wege, auf welchen die Strahlen den Punkt P erreichen können. Impulse, die mit gewissen Zwischenzeiten von der Quelle ausgehen, werden mit denselben Zwischenzeiten in P anlangen, und wenn T die [101] Schwingungszeit der Lichtquelle ist, so ist dieses auch die absolute Schwingungsdauer in P.

Daraus folgt dann für die auf das Wasser bezogene relative Schwingungsdauer

(88)

worin eben W' die gesuchte Geschwindigkeit der Wellen ist, während, wie auch in den weitern Formeln, das obere oder das untere Zeichen anzuwenden ist, je nachdem sich das betrachtete Lichtbündel in der Richtung der Wasserbewegung, oder in der entgegengesetzten fortpflanzt.

Wir vernachlässigen stets Grössen zweiter Ordnung und dürfen somit statt (88) auch setzen

(89)

Unter dem W in der Gleichung (82) — und auch in diesem Ausdrucke (89) selbst — ist nun der Werth zu verstehen, der in dem ruhenden Körper zu der Periode (89) gehört. Der entsprechende Brechungsexponent ist

falls man den Brechungsexponenten für die Periode T durch n bezeichnet; es ist demnach zu substituiren

oder, wenn man in dem letzten Gliede W durch ersetzt,

Weiter ist in (82)

sodass man findet

und für die relative Geschwindigkeit in Bezug auf den Aether, also auch in Bezug auf die Schliessplatten der Röhren,

(90)

[102] § 72. Die genannten Physiker haben ihre Beobachtungen nicht mit dieser Formel verglichen, sondern mit einer anderen, in der das letzte Glied fehlt; es zeigte sich dabei eine sehr befriedigende Uebereinstimmung. Setzt man nämlich

so lässt sich der Coefficient aus den Versuchen ableiten. Während nun die Herrn Michelson und Morley auf diese Weise fanden

„with a possible error of “, hat für D-Licht den Werth 0,438.

Nach unserer Theorie sollte

sein, oder, wenn man n als Function der Wellenlänge in Luft betrachtet,

Dies wird für die Fraunhofer’sche Linie D

0,451.

Die Formel (90) entfernt sich also etwas weiter von den Beobachtungen als die einfachere Gleichung

(91)

indessen sind die Beobachtungen wohl nicht so genau gewesen, dass man auf diesen Umstand Gewicht legen dürfte.

Sollte es gelingen, was zwar schwierig, aber nicht unmöglich scheint, experimentell zwischen den Gleichungen (90) und (91) zu entscheiden, und sollte sich dabei die erstere bewähren, so hätte man gleichsam die Doppler’sche Veränderung der Schwingungsdauer für eine künstlich erzeugte Geschwindigkeit beobachtet. Es ist ja nur unter Berücksichtigung dieser Veränderung, dass wir die Gleichung (90) abgeleitet haben.

§ 73. Eine wie wichtige Rolle die Formel (84) in der Theorie der Aberration und der damit zusammenhängenden Erscheinungen [103] spielt, braucht hier wohl kaum in Erinnerung gebracht zu werden. Fresnel gründete seine Erklärung des Arago’schen Prismenversuchs auf den Werth des Fortführungscoefficienten. Spätere Forscher haben die Gleichung auf viele andere Fälle angewandt und aus derselben abgeleitet, dass die Bewegung der Erde bei den meisten Versuchen mit irdischen Lichtquellen ohne Einfluss ist, und dass Versuche mit dem Lichte eines Himmelskörpers so ausfallen müssen, als ob die durch die Aberration veränderte Richtung die wirkliche wäre. Wie einfach sich die theoretischen Betrachtungen gestalten, wenn man nicht die Richtung der Wellen, sondern den Gang der Lichtstrahlen ins Auge fasst, habe ich, nach dem Beispiele des Hrn. Veltmann[18] in meiner Abhandlung vom Jahre 1887 dargethan[19]. Ich beschränkte mich damals auf isotrope Körper, da es mir noch nicht bekannt war, wie das Fresnel’sche Gesetz für Krystalle zu erweitern sei. Jetzt, da es sich gezeigt hat, dass die Fortpflanzungsgeschwindigkeiten der Lichtstrahlen in diesen Körpern dem einfachen, in der Formel (87) ausgedrückten Gesetze gehorchen, ist es leicht nachzuweisen, dass auch die doppelte Brechung der Strahlen unabhängig von der Erdbewegung ist[20]. Man kann zu diesem Zwecke von einem einfachen, aus dem Huygens’schen Princip folgenden Satz ausgehen, den ich mir erlaube, hier noch kurz anzuführen.

Es seien A und B zwei beliebige, etwa in verschiedenen, an einander grenzenden Medien liegende Punkte. Von dem einen zum anderen kann im allgemeinen nur eine beschränkte Anzahl von Lichtstrahlen gehen. Bildet man nun für einen solchen Strahl, sowie für andere wenig davon abweichende Wege zwischen A und B, das Integral

in dem U die Geschwindigkeit für einen dem Linienelemente ds [104] folgenden Lichtstrahl bedeutet, so ist nach dem besagten Satze das Integral für den Lichtstrahl ein Minimum.

Ich will hier jedoch weder auf diese Betrachtungen, noch auf weitere Anwendungen der Formeln (82) und (87) näher eingehen, da wir die Frage nach dem Einfluss der Erdbewegung in verschiedenen Fällen bereits oben in viel einfacherer Weise erledigt haben.




Nähere Betrachtung von Lichtbündeln mit ebenen Wellen.

§ 74. In den Anwendungen des allgemeinen, im § 59 gefundenen Satzes habe ich mich immer möglichst kurz gefasst und bin nicht mehr ins einzelne gegangen, als es gerade nothwendig war. Zur weiteren Erläuterung scheint es jedoch angemessen, an einigen Beispielen zu zeigen, wie sich auch alle Einzelheiten der Lichtbewegungen aus jenem Satze ergeben.

Wir betrachten zunächst ein Lichtbündel mit ebenen Wellen, das sich im Aether fortpflanzt, nachdem es durch eine weitere Oeffnung in einem undurchsichtigen, mit der Erde verbundenen Schirme hindurchgegangen ist. Für einen Augenblick sehen wir noch von der Bewegung der Erde ab. Es seien:

l, m, n die Richtungsconstanten der Wellennormale,
q eine Constante,
f, g, h die Richtungsconstanten der dielectrischen Verschiebung,
a die „Amplitude“ dieser letzteren.

Es lässt sich sodann die Lichtbewegung darstellen durch die Gleichungen

(92)

(93)
(94)

[105] mit der Bedingung

(95)

Man sieht leicht, dass diese Werthe allen Bewegungsgleichungen genügen. Die Vectoren und stehen senkrecht auf einander und auf der Wellennormale; die Richtung der Lichtstrahlen (§ 60, b) fällt mit letzterer zusammen.

§ 75. Bewegt sich die Erde, so ist nach dem Satze des § 59 ein Zustand möglich, der, auf ein bewegliches Coordinatensystem bezogen, dargestellt wird durch

(96)

(97)
(98)

Unter ' ist hier der durch (IX) (§ 56) definirte Vector für den reinen Aether zu verstehen.

Während die Lichtstrahlen, welche die seitliche Begrenzung des Bündels bestimmen, noch immer die Richtung (l, m, n) haben, weicht die Wellennormale von derselben ab. Ihre Richtungsconstanten l', m', n' genügen, wie man aus (98) ersieht, den Bedingungen

Wir werden wieder alle Grössen zweiter Ordnung vernachlässigen. Dann wird, indem wir die Componente von in der Richtung der Strahlen durch bezeichnen,

, u. s. w., (99)

wodurch sich (98) verwandelt in

Während jetzt T die relative Schwingungsdauer ist, findet man für die absolute (§§ 60 und 37)

[106] Zur Bestimmung von und können die Formeln (IX) (§ 56) und () (§ 20) dienen, welche wir durch

und

ersetzen dürfen.

Es ergibt sich

, u. s. w., (100)
, u. s. w., (101)

oder, wenn man nach (99)

, u. s. w.

setzt und (95) berücksichtigt,

, u. s. w., (102)
, u. s. w.

Man ersieht hieraus, dass und beide senkrecht zur Wellennormale stehen, wie es auch nicht anders zu erwarten war. Ueberdies stehen die beiden Vectoren senkrecht auf einander, was man am einfachsten erkennt, wenn man (100) durch

, u. s. w.

ersetzt

Wir können nun weiter schliessen, dass der in dem Poynting’schen Theorem vorkommende Vector mit der Wellennormale zusammenfällt. Man überzeugt sich leicht, dass er die Richtung hat, in der die Wellen sich fortpflanzen, und findet für seine Grösse

Der Energiestrom durch eine den Wellen parallele Ebene beträgt also für die Flächen- und Zeiteinheit

(103)

§ 76. Aus einem Lichtbündel wie dem oben betrachteten können durch Brechung oder Spiegelung an ebenen Grenzflächen [107] andere derselben Art entstehen. Wir betrachten hier nur solche, die sich wiederum im Aether fortpflanzen, und stellen für den Fall, dass die Erde ruht, eines der Bündel, welche aus der im § 74 betrachteten einfallenden Bewegung hervorgehen, durch folgende Formeln dar

, u. s. w.,

§ 77. Mit dieser Bewegung wird nun diejenige correspondiren, welche, falls die Erde mitsammt dem reflectirenden oder brechenden Körper sich bewegt, aus dem durch (96)-(98) dargestellten Lichte hervorgeht. Für diesen neuen Bewegungszustand dürfen wir mithin schreiben

, u. s. w.,

woraus dann wieder folgt — vergl. (100) und (101) —

, u. s. w.,

, u. s. w.

In diesen Gleichungen bestimmen die Richtung der Strahlen, die wir auch durch bezeichnen wollen.

§ 78. Bei der Spiegelung oder Brechung wird nun im allgemeinen die absolute Periode geändert, während, wie sich fast von selbst versteht und auch in unseren Formeln ausgedrückt wird, die relative Periode für alle in Betracht kommenden Lichtbündel dieselbe ist. Die absolute Periode der einfallenden Bewegung ist (§ 75)

Desgleichen wird dieselbe für das im vorhergehenden Paragraphen betrachtete Bündel

[108] Sie hat sich mithin im Verhältniss von 1 zu geändert.

Fallen z. B. Strahlen senkrecht auf eine Platte, die in der Richtung ihrer Normale mit der Geschwindigkeit zurückweicht, so ist für das einfallende Licht , und für das reflectirte . Die Veränderung der absoluten Schwingungsdauer bei der Reflexion wird sonach durch die Verhältnisszahl bestimmt.

Auch in dem Verhältniss zwischen den Amplituden des einfallenden und des gespiegelten oder gebrochenen Lichtes zeigt sich ein Einfluss der Erdbewegung. Die Amplitude der dielectrischen Verschiebung ist nämlich bei den in den §§ 74, 75, 76 und 77 betrachteten Bewegungszuständen

Das soeben erwähnte Verhältniss ist

falls die Erde ruht, und

wenn sie sich bewegt.

In dem oben behandelten Fall, dass die Strahlen senkrecht auf eine zurückweichende Platte fallen, wird der letztere Ausdruck

das reflectirte Licht wird also durch die Bewegung der Platte geschwächt. Natürlich würde die entgegengesetzte Bewegung es verstärken.

Es entsteht nun die wichtige Frage, ob diese Intensitätsveränderungen mit dem Gesetze von der Erhaltung der Energie verträglich sind. Um hierüber zu entscheiden, hat man zu berücksichtigen, dass der Aether, infolge der Lichtbewegung, mit gewissen Kräften auf den spiegelnden oder brechenden Körper [109] wirkt (§ 17), und dass diese Kräfte eine Arbeit leisten, sobald sich der Körper mit der Geschwindigkeit verschiebt.

Man denke sich nun einen durchsichtigen, von ebenen Flächen begrenzten und rings vom Aether umgebenen Körper K, auf den ein System ebener Wellen fällt, und von dem also wieder reflectirte und gebrochene Lichtbündel ausgehen. Man lege um denselben eine feststehende, geschlossene Fläche , und berechne für ein Zeitintervall, das der relativen Periode T gleich ist,

1°. die Energiemenge A, die durch mehr ein- als auswandert,

2°. den Zuwachs B der innerhalb der Fläche befindlichen electrischen Energie, und

3°. die Arbeit C der obengenannten Kräfte.

Zur Vereinfachung nehme man dabei an, dass die Amplituden constant seien, und dass der Körper fortwährend in derselben Weise von den Strahlen getroffen werde, was der Fall ist, wenn die Lichtquelle, oder das zur Abgrenzung eines Bündels Sonnenlicht dienende Diaphragma an der Translation von K theilnimmt. Nach Ablauf der Zeit T hat dann die Energie in diesem Körper selbst wieder den anfänglichen Werth, und es würde sich sogar die in enthaltene Energie gar nicht geändert haben, wenn sich auch die Fläche mit der Geschwindigkeit verschoben hätte. Bei der Berechnung von B kommt demnach nur die Energie in gewissen, in der unmittelbaren Nähe von liegenden Raumtheilen in Betracht.

Man wird schliesslich finden

(104)

womit dann bewiesen ist, dass wir bei unseren Entwicklungen immer mit dem Energiegesetze in Uebereinstimmung geblieben sind.

Ich will mich mit der Verification der Gleichung (104) jedoch nicht aufhalten, da es vorzuziehen sein dürfte, die Frage allgemeiner zu behandeln.



[110]
Die Erhaltung der Energie in einem allgemeineren Falle.

§ 79. Ein beliebiger durchsichtiger Körper K werde von einer homogenen Lichtbewegung, deren Intensität constant bleibt, getroffen; in dem Körper und in dem Aether in dessen Nähe entsteht dann eine bestimmte Bewegung.

Dabei sind, wenn zunächst die Erde als ruhend gedacht wird, die Componenten von und im Aether gewisse Functionen von x, y, z, t, und zwar, was die letzte Variable betrifft, goniometrische Functionen mit der Periode T. Während einer vollen Periode, etwa in dem Zeitintervall von bis , müssen gleiche Quantitäten Energie durch eine beliebige, den Körper umschliessende Fläche aus- und einwandern, was sich nach dem Poynting’schen Theorem ausdrücken lässt durch

(105)

Indem wir annehmen, dass diese Bedingung erfüllt sei, wollen wir zeigen, dass auch der mit dem obigen correspondirende Bewegungszustand, der im Falle einer Translation bestehen kann, dem Energiegesetze genügt.

Ersetzt man in den Functionen, welche bei ruhender Erde für , u. s. w. gelten, die Zeit t durch die „Ortszeit“ t' (§ 31) und versteht in jenen Functionen unter x, y, z die Coordinaten in Bezug auf ein bewegliches System, so erhält man die Werthe von , u. s. w. für den neuen Zustand. Aus (105) folgt also unmittelbar, dass

(106)

ist, vorausgesetzt, dass man für eine Fläche wählt, die an der Bewegung des Körpers theilnimmt.

§ 80. Es soll nun aber die Wanderung der Energie durch eine feststehende Fläche betrachtet werden. Der auf die Einheit derselben bezogene Energiestrom ist

oder, wie man aus den Formeln (IX) und () (§§ 56 und 20), [111] unter fortwährender Vernachlässigung der Grössen zweiter Ordnung, findet

(107)

Wollen wir hieraus die Energie berechnen, welche zwischen den Zeiten und mehr aus- als einströmt, so haben wir zunächst über die Fläche , und sodann, indem wir letztere festhalten, nach der Zeit zu integriren. Was die beiden letzten Glieder betrifft, so könnte man freilich ebenso gut an eine Fläche denken, die mit der Geschwindigkeit fortschreitet.

§81. Um auch die Integration des ersten Gliedes in der Weise einzurichten, dass man es dabei mit einer solchen beweglichen Fläche zu thun hat, setzen wir zunächst für den Zuwachs, den das Integral , bei bestimmtem t, erleidet, wenn man die Fläche in der Richtung von um die unendlich kleine Strecke verschiebt, das Zeichen

worin natürlich eine ganz bestimmte Function von t ist. Wir denken uns weiter eine Fläche , welche zur Zeit mit zusammenfällt, aber mit der Erde verbunden ist. Zur Zeit t hat dann die „Entfernung“ von und den Werth , der als unendlich klein zu betrachten ist, und beträgt unser Integral für die feststehende Fläche

mehr als für . Das Zeitintegral, um das es sich schliesslich handelt, ist also um

(108)

grösser als das für genommene Zeitintegral, und, da letzteres nach (106) verschwindet, hat man es nur mit dem Werth (108) zu thun.

Uebrigens braucht man hier in die Grössen mit nicht zu berücksichtigen und darf also, da bei dieser Vernachlässigung [112]

der Energiestrom ist, unter

die für die Zeiteinheit, und unter

die für das Element dt berechnete Differenz der Energieströme durch zwei festliegende, um die Strecke von einander entfernte Flächen verstehen.

Es soll nun die Energie sein, die, zur Zeit t, von unserer Fläche in ihrer feststehenden Lage mehr umschlossen wird, als wenn diese Fläche um in der Richtung von verschoben wäre; man erkennt dann sofort, dass

sein muss.

Hierdurch, und weiter durch partielle Integration, verwandelt sich (108) in

oder

da, bis auf Grössen von der Ordnung , Q nach Ablauf der Zeit T wieder den anfänglichen Werth hat.

§ 82. Bis jetzt war nur vom ersten Gliede in (107) die Rede. Bezeichnen wir die beiden anderen Glieder durch A, so haben wir in

den vollständigen Werth der durch nach aussen gewanderten Energie. Addiren wir dann dazu die Vermehrung der Energie im Innern von , und die Arbeit der Kräfte, mit welchen der [113] Aether auf den ponderablen Körper wirkt, so müssen wir, soll sich das Energiegesetz bewähren, offenbar Null erhalten.

Die Zunahme der Energie in einer vollen Periode T wäre Null, wenn sich die Fläche mit dem Körper K über die Strecke verschoben und dabei etwa die Lage angenommen hätte; sie besteht also factisch in der Energiemenge, welche, zur Zeit , in ; mehr enthalten ist als in . Diese ist nun, wie aus der für gegebenen Definition hervorgeht, gerade

Die obenerwähnte Arbeit lässt sich, wie wir sogleich sehen werden, darstellen durch einen Ausdruck von der Form

das Energiegesetz erfordert also, dass

sei.

Gelingt es nun noch, Q darzustellen als ein Integral über , etwa in der Form

und zu zeigen, dass

(109)

ist, so haben wir unser Ziel erreicht.

§ 83. Aus der für gegebenen Definition leiten wir ab, dass unter der Energieinhalt des Raumes zu verstehen ist, den das Element bei der Verschiebung durchläuft, und zwar hat man, je nachdem die Verschiebung nach der Innen-, oder der Aussenseite von stattfindet, das positive, oder das negative Vorzeichen anzuwenden. Man hat also

und

[114] Was zweitens die Arbeit betrifft, so brauchen wir uns um das letzte Glied in der Gleichung (15) und den analogen Formeln nicht zu kümmern[21]. Nur die „Spannungen“ kommen in Betracht, und es ist

die Arbeit der auf entfallenden Spannung. Die Componenten dieser Spannung sind

, u. s. w.,

woraus folgt

Schliesslich bedeutet A die Summe der beiden letzten Glieder in (107).

Die angegebenen Werthe genügen nun wirklich der Bedingung (109).





  1. Dass dies auch bei der Beobachtung mit einem Spiegeltelescop der Fall ist, würde ebenfalls ohne weiteres aus unserem Satze folgen, wenn der Spiegel aus einem durchsichtigen Material bestände. Was aber die wirklichen, aus Metall verfertigten Spiegel betrifft, so kann man bemerken, dass die Richtung, in welcher Lichtstrahlen reflectirt werden, und die Lage des Vereinigungspunktes nur von der Krümmung, nicht aber von der stofflichen Natur des Spiegels abhängen können. Zur Bestimmung dieser Lage lässt sich auch, wie es von verschiedenen Physikern geschehen ist, das Huygens’sche Princip anwenden, (vgl. meine Abhandlung in den Arch. néerl., T. 21).
  2. Arago. OEuvres complètes, T. 1, p. 107; Biot. Traité élémentaire d’astronomie physique, 3e éd., T. 5, p. 364.
  3. Airy. Proc. Royal Society of London, Vol. 20, p. 35, 1871; Vol. 21, p. 121, 1873; Phil. Mag., 4th Ser., Vol. 43, p. 310, 1872.
  4. Wir sehen hier ab von der Rotation der Sonne und den Bewegungen an ihrer Oberfläche, welche bekanntlich eine dem Doppler’schen Gesetze entsprechende Verschiebung der Spectrallinien verursachen. Bei den gleich zu erwähnenden Versuchen wurde mit dem Lichte der ganzen Sonnenscheibe gearbeitet.
  5. Mascart. Ann. de l’école normale, 2e sér., T. 1, pp. 166—170, und p. 190, 1872.
  6. Mascart. L. c., pp. 170 und 189.
  7. Bei den Versuchen mit Sonnenlicht kamen natürlich metallene Spiegel in Anwendung. Man sieht aber leicht ein, dass dies nichts an unseren Betrachtungen ändert (vgl. die Anm. 1 zu p. 89).
  8. Respighi. Memor. di Bologna (2), II, p. 279. (Citirt in Ketteler. Astronomische Undulationstheorie, p. 66).
  9. Hoek. Astr. Nachr., Bd. 73, p. 193.
  10. Ketteler. Astr. Und.-Theorie, p. 66, 1873; Pogg. Ann., Bd. 144, p. 370, 1872.
  11. Mascart. Ann. de l’école normale, 2e sér., T. 3, p. 376, 1874.
  12. Hoek. Arch. néerl., T. 3, p. 180, 1868. Ketteler. Astr. Und.-Theorie, p. 67; Pogg. Ann., Bd. 144, p. 372. Mascart. L. c., pp. 390—416.
  13. Ketteler. Astr. Und.-Theorie, pp. 158 und 166; Pogg. Ann., Bd. 147, pp. 410 und 419, 1872.
  14. Mascart. Ann. de l’école normale, 2e sér., T. 1, pp. 191—196, 1872.
  15. Eine Ableitung der Gleichung (84) aus der electromagnetischen Lichttheorie wurde auch von Hrn. R. Reiff publicirt (Wied. Ann., Bd. 50, p. 361, 1893). Schon lange vor mir hat sich auch Hr. J. J. Thomson mit dem Gegenstande beschäftigt (Phil. Mag., 5th. Ser., Vol. 9, p. 284, 1880; Recent Researches in Electricity and Magnetism, p. 543), ohne jedoch zu dem Fresnel’schen Coefficienten zu gelangen.
  16. Michelson and Morley. American Journal of Science, 3d. Ser., Vol. 31, p. 377, 1886.
  17. In den weiteren Formeln dieses Paragraphen bedeutet einfach die Grösse der Geschwindigkeit.
  18. Veltmann. Pogg. Ann., Bd. 150, p. 497, 1873.
  19. Lorentz. Arch. néerl., T. 21.
  20. Eine Ableitung dieses Satzes aus der Formel (87) habe ich in den Zittingsverslagen der Akad. T. Wet. te Amsterdam, 1892—93, p. 149, publicirt.
  21. Um nämlich die Arbeit zu berechnen, kann man den Weg mit dem Mittelwerthe der in seiner Richtung wirkenden Kraft multipliciren. Dieser Mittelwert wäre für das letzte Glied in (15) Null, wenn sich die Fläche mit dem Körper verschöbe, woraus folgt, dass er in Wirklichkeit eine Grösse von der Ordnung ist.


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