Versuch einer Theorie der electrischen und optischen Erscheinungen in bewegten Körpern/Abschnitt VI

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Abschnitt V Versuch einer Theorie der electrischen und optischen Erscheinungen in bewegten Körpern (1895)
von Hendrik Antoon Lorentz
Bezeichnungen
[115]
ABSCHNITT VI.
VERSUCHE, DEREN ERGEBNISSE SICH NICHT OHNE WEITERES ERKLÄREN LASSEN.


Die Drehung der Polarisationsebene.

§ 84. Als Bewegungsgleichungen des Lichtes für einen isotropen Körper, der nicht dieselben Eigenschaften hat, wie sein Spiegelbild, haben wir nach den Betrachtungen des vierten Abschnittes anzunehmen:

worin unter und Mittelwerthe zu verstehen sind.

Wir wollen nun voraussetzen, dass die Geschwindigkeit die Richtung der x-Axe habe, und die Fortpflanzung von ebenen Wellen untersuchen, deren Normale gleichfalls mit dieser Axe zusammenfällt.

§ 85. Um eine solchen Wellen entsprechende particulare Lösung der Gleichungen zu finden, setzen wir

worin und m Constanten sind. Es ist hierdurch bereits die Bedingung () erfüllt.

[116] Der Gleichung () genügen wir jetzt, indem wir setzen

und es folgt dann aus (), () und () der Reihe nach

welche letzteren Werthe sich auch mit der Bedingung () vertragen.

Schliesslich leiten wir aus (X) ab

und haben dann nur noch der Bedingung (XI) zu genügen.

Die erste der hierin zusammengefassten Beziehungen ergibt nichts Neues, während die zweite und dritte lauten:

(110)

und

(111)

Da nun nach den mitgetheilten Formeln

und

ist, so lässt sich für (110) und (111) schreiben

und

Zunächst findet man also

[117] und dann weiter

(112)

Sind nun und n gegeben, so lässt sich aus dieser Gleichung m bestimmen, und zwar erhält man zwei Werthe, je nachdem man das obere, oder das untere Zeichen anwendet.

§ 86. Wir setzen

die Gleichung (112) verwandelt sich dadurch in

(113)

woraus sich für m' zwei reelle Werthe ergeben, die wir durch und bezeichnen wollen.

Für , wird nun

und für ,

Nimmt man nun schliesslich die reellen Theile, so gelangt man zu folgenden beiden particularen Lösungen

(114)
(115)

welche offenbar zwei entgegengesetzt circular polarisirte Lichtbündel mit den Fortpflanzungsgeschwindigkeiten und darstellen.

Die Zusammensetzung dieser Bewegungszustände führt in bekannter Weise zu einem Bündel linear polarisirten Lichtes, dessen Schwingungsrichtung gedreht wird. Addition der Werthe (114) und (115) ergibt nämlich die Lösung

Die auf die Längeneinheit bezogene Drehung der Polarisationsebene beträgt demnach

[118] § 87. Ersetzt man in der Gleichung (113) durch , und , durch , so wird

Da die Glieder mit und jedenfalls sehr klein sind, so lässt sich der hieraus folgende Werth von m' durch eine nach den Potenzen von und fortschreitende Reihe darstellen. Das erste, von diesen Grössen unabhängige Glied hat den Werth

und man findet dann weiter

wo wir die drei letzten Glieder nicht näher berechnet und alle höheren Potenzen von und , sowie alle Glieder, welche enthalten, vernachlässigt haben. Zu diesen letzteren gehören auch die Glieder mit und , da ist.

Man erhält nun , oder , je nachdem man , oder setzt. Die gesuchte Drehung der Polarisationsebene wird somit

oder, wenn man die Fortpflanzungsgeschwindigkeit durch W bezeichnet,

Die natürliche Drehung der Polarisationsebene im ruhenden Körper wäre hiernach

(116)

dürfte man und j als constant betrachten, so wäre sie, wie aus der Bedeutung von n' hervorgeht, dem Quadrat der Schwingungszeit umgekehrt proportional. Bekanntlich weichen alle [119] Körper mehr oder weniger von diesem Gesetze ab; wir wissen aber schon, dass sich mit der Schwingungsdauer ändert, und es dürfte j wohl gleichfalls von derselben abhängen.

Die Translation hat nun nach unserer Gleichung zweierlei Einfluss. Einmal ändert sie die bereits bestehende Drehung in dem Verhältnisse

(117)

und ferner bewirkt sie noch eine Drehung

(118)

Eine Beziehung zwischen diesem Werthe und (116) vermag die Theorie nicht anzugeben; vielleicht besteht eine solche gar nicht, und können Fälle vorkommen, in denen j sehr klein ist, während k dennoch einen merklichen Werth hat.

Es braucht übrigens wohl kaum bemerkt zu werden, dass die durch (118) dargestellte Erscheinung insofern der magnetischen Drehung der Polarisationsebene ähnlich ist, als auch sie nur durch einen äusseren Einfluss, nämlich durch die Translation, entsteht, und am stärksten hervortritt, wenn dieser Einfluss die Richtung der Lichtstrahlen hat.

§ 88. Versuche über die Drehung der Polarisationsebene bei verschiedener Orientirung der Apparate hat meines Wissens nur Hr. Mascart[1] vorgenommen. Derselbe vermochte beim Quarz keine Veränderung der Drehung zu constatiren, wenn die Lichtstrahlen einmal die Richtung der Erdbewegung, und zum anderen die entgegengesetzte hatten. Aus den Beobachtungen war zu schliessen, dass die Veränderung jedenfalls nicht den 20 000sten Theil der Rotation betrug, und dass also bei einer bestimmten Richtung der Lichtstrahlen die Drehung durch die Erdbewegung um weniger als 1/40 000 geändert wurde.

In Ermangelung einer für anisotrope Körper geltenden Theorie dürfen wir vielleicht die oben mitgetheilten Formeln auch auf den Quarz anwenden. Da nun der Brechungsexponent 1,55 ist, und , so wird der Werth des zweiten Gliedes in (117) [120] 0,000064. Die hierdurch bedingte Veränderung der Drehung hätte Hrn. Mascart nicht entgehen können, und es ist somit sein negatives Resultat nur durch die Annahme zu erklären, dass, in der Formel für einen mit vergleichbaren Werth und das entgegengesetzte Vorzeichen wie j habe.

Ob nun, für Quarz und andere Körper, die beiden enthaltenden Glieder in jener Formel sich völlig aufheben, oder ob am Ende ein nachweisbarer Einfluss der Erdbewegung übrig bleibt, werden weitere Untersuchungen zu entscheiden haben.




Der Interferenzversuch Michelsons.

§ 89. Wie zuerst von Maxwell bemerkt wurde und aus einer sehr einfachen Rechnung folgt, muss sich die Zeit, die ein Lichtstrahl braucht, um zwischen zwei Punkten A und B hin und zurück zu gehen, ändern, sobald diese Punkte, ohne den Aether mit sich fortzuführen, eine gemeinschaftliche Verschiebung erleiden. Die Veränderung ist zwar eine Grösse zweiter Ordnung; sie ist jedoch gross genug, um mittelst einer empfindlichen Interferenzmethode nachgewiesen werden zu können.

Der Versuch wurde im Jahre 1881 von Hrn. Michelson ausgeführt[2]. Sein Apparat, eine Art Interferentialrefractor, hatte zwei gleich lange, horizontale, zu einander senkrechte Arme P und Q, und von den beiden mit einander interferirenden Lichtbündeln ging das eine längs dem Arme P und das andere längs dem Arme Q hin und zurück. Das ganze Instrument, die Lichtquelle und die Beobachtungsvorrichtung miteinbegriffen, liess sich um eine verticale Axe drehen, und es kommen besonders die beiden Lagen in Betracht, bei denen der Arm P, oder der Arm Q so gut wie möglich die Richtung der Erdbewegung hatte. Es wurde nun, auf Grund der Fresnel’schen Theorie, eine Verschiebung der Interferenzstreifen bei der Rotation aus der einen jener „Hauptlagen“ in die andere erwartet.

[121] Von dieser durch die Aenderung der Fortpflanzungszeiten bedingten Verschiebung — wir wollen dieselbe der Kürze halber die Maxwell’sche Verschiebung nennen — wurde aber keine Spur gefunden, und so meinte Hr. Michelson denn schliessen zu dürfen, dass der Aether bei der Bewegung der Erde nicht in Ruhe bleibe, eine Folgerung freilich, deren Richtigkeit bald in Frage gestellt wurde. Durch ein Versehen hatte nämlich Hr. Michelson die nach der Theorie zu erwartende Veränderung der Phasendifferenzen auf das Doppelte des richtigen Werthes veranschlagt; verbessert man diesen Fehler, so gelangt man zu Verschiebungen, die durch Beobachtungsfehler gerade noch verdeckt werden konnten.

In Gemeinschaft mit Hrn. Morley hat dann später Hr. Michelson die Untersuchung wieder aufgenommen[3], wobei er, zur Erhöhung der Empfindlichkeit, jedes Lichtbündel durch einige Spiegel hin und her reflectiren liess. Dieser Kunstgriff gewährte denselben Vortheil, als wenn die Arme des früheren Apparates beträchtlich verlängert worden wären. Die Spiegel wurden von einer schweren, auf Quecksilber schwimmenden, und also leicht drehbaren Steinplatte getragen. Im ganzen hatte jetzt jedes Bündel einen Weg von 22 Metern zu durchlaufen, und war nach der Fresnel’schen Theorie, beim Uebergange von der einen Hauptlage zur anderen, eine Verschiebung von 0,4 der Streifendistanz zu erwarten. Nichtsdestoweniger ergaben sich bei der Rotation nur Verschiebungen von höchstens 0,02 der Streifendistanz; dieselben dürften wohl von Beobachtungsfehlern herrühren.

Darf man nun auf Grund dieses Resultates annehmen, dass der Aether an der Bewegung der Erde theilnehme, und also die Stokes’sche Aberrationstheorie die richtige sei? Die Schwierigkeiten, auf welche diese Theorie bei der Erklärung der Aberration stösst, scheinen mir zu gross zu sein, als dass ich dieser Meinung sein könnte, und nicht vielmehr versuchen sollte, den Widerspruch zwischen der Fresnel’schen Theorie und dem Michelson’schen Ergebniss zu beseitigen. In der That [122] gelingt das mittelst einer Hypothese, welche ich schon vor einiger Zeit ausgesprochen habe[4], und zu der, wie ich später erfahren, auch Hr. Fitzgerald[5] gelangt ist. Worin dieselbe besteht, soll der nächste § zeigen.

§ 90. Zur Vereinfachung wollen wir annehmen, dass man mit einem Instrumente wie dem bei den ersten Versuchen benutzten arbeite, und dass bei der einen Hauptlage der Arm P genau in die Richtung der Erdbewegung falle. Es sei die Geschwindigkeit dieser Bewegung, und L die Länge jedes Armes, mithin 2L der Weg der Lichtstrahlen. Nach der Theorie[6] bewirkt dann die Translation, dass die Zeit, in der das eine Lichtbündel an P entlang hin und zurück geht, um

länger ist als die Zeit, in der das andere Bündel seinen Weg vollendet. Eben diese Differenz würde auch bestehen, wenn, ohne dass die Translation einen Einfluss hätte, der Arm P um

länger wäre als der Arm Q. Aehnliches gilt von der zweiten Hauptlage.

Wir sehen also, dass die von der Theorie erwarteten Phasendifferenzen auch dadurch entstehen könnten, dass bei der Rotation des Apparates bald der eine, bald der andere Arm die grössere Länge hätte. Daraus folgt, dass dieselben durch [123] entgegengesetzte Veränderungen der Dimensionen compensirt werden können.

Nimmt man an, dass der in der Richtung der Erdbewegung liegende Arm um

kürzer sei als der andere, und zugleich die Translation den Einfluss habe, der sich aus der Fresnel’schen Theorie ergibt, so ist das Resultat des Michelson’schen Versuches vollständig erklärt.

Man hätte sich sonach vorzustellen, dass die Bewegung eines festen Körpers, etwa eines Messingstabes, oder der bei den späteren Versuchen benutzten Steinplatte, durch den ruhenden Aether hindurch einen Einfluss auf die Dimensionen habe, der, je nach der Orientirung des Körpers in Bezug auf die Richtung der Bewegung, verschieden ist. Würden z. B. die der Bewegungsrichtung parallelen Dimensionen im Verhältniss von 1 zu , und die zu derselben senkrechten im Verhältniss von 1 zu geändert, so müsste

(119)

sein.

Es bliebe hierbei der Werth einer der Grössen und unbestimmt. Es könnte sein, aber auch , oder , und .

§ 91. So befremdend die Hypothese auch auf den ersten Blick erscheinen mag, man wird dennoch zugeben müssen, dass sie gar nicht so fern liegt, sobald man annimmt, dass auch die Molecularkräfte, ähnlich wie wir es gegenwärtig von den electrischen und magnetischen Kräften bestimmt behaupten können, durch den Aether vermittelt werden. Ist dem so, so wird die Translation die Wirkung zwischen zwei Molecülen oder Atomen höchstwahrscheinlich in ähnlicher Weise ändern, wie die Anziehung oder Abstossung zwischen geladenen Theilchen. Da nun die Gestalt und die Dimensionen eines festen Körpers in letzter Instanz durch die Intensität der Molecularwirkungen bedingt [124] werden, so kann dann auch eine Aenderung der Dimensionen nicht ausbleiben.

In theoretischer Hinsicht wäre also nichts gegen die Hypothese einzuwenden. Was die experimentelle Prüfung derselben betrifft, so ist zunächst zu bemerken, dass die in Rede stehenden Verlängerungen und Verkürzungen ausserordentlich klein sind. Es ist , und somit würde, falls man setzt, die Verkürzung des einen Durchmessers der Erde etwa 6,5 c. M. betragen. Die Länge eines Meterstabes aber änderte sich, wenn man ihn aus der einen Hauptlage in die andere überführte, um 1/200 Mikron. Wollte man so kleine Grössen wahrnehmen, so könnte man sich wohl nur von einer Interferenzmethode Erfolg versprechen. Man hätte also mit zwei zu einander senkrechten Stäben zu arbeiten und von zwei mit einander interferirenden Lichtbündeln das eine an dem ersten und das andere an dem zweiten Stabe entlang hin- und hergehen zu lassen. Hierdurch gelangte man aber wieder zu dem Michelson’schen Versuch und würde bei der Rotation gar keine Verschiebung der Streifen wahrnehmen. Umgekehrt wie wir es früher ausdrückten, könnte man jetzt sagen, dass die aus den Längenänderungen hervorgehende Verschiebung durch die Maxwell’sche Verschiebung compensirt werde.

§ 92. Es ist beachtenswerth, dass man gerade zu den oben vorausgesetzten Veränderungen der Dimensionen geführt wird, wenn man erstens, ohne die Molecularbewegung zu berücksichtigen, annimmt, dass in einem sich selbst überlassenen festen Körper die auf ein beliebiges Molecül wirkenden Kräfte, Anziehungen oder Abstossungen, einander das Gleichgewicht halten, und zweitens — wozu freilich kein Grund vorliegt — auf diese Molecularkräfte das Gesetz anwendet, das wir im § 23 für die electrostatischen Wirkungen abgeleitet haben. Versteht man nämlich jetzt unter und nicht, wie in jenem Paragraphen, zwei Systeme geladener Theilchen, sondern zwei Systeme von Molecülen, — das zweite ruhend und das erste mit der Geschwindigkeit in der Richtung der x-Axe —, zwischen deren Dimensionen die früher angegebene Beziehung besteht, und nimmt man an, dass in beiden Systemen die x-Componenten der Kräfte dieselben seien, die y- und z-Componenten sich aber durch die [125] im § 23 angegebenen Factoren von einander unterscheiden, so ist es klar, dass sich die Kräfte in aufheben werden, sobald dies in geschieht. Ist demnach der Gleichgewichtszustand eines ruhenden festen Körpers, so haben in die Molecüle gerade diejenigen Lagen, in denen sie unter dem Einflusse der Translation verharren können. Die Verschiebung würde diese Lagerung natürlich von selbst herbeiführen und also nach (24) eine Verkürzung in der Bewegungsrichtung im Verhältniss von 1 zu bewirken. Dieses führt zu den Werthen

was mit (119) übereinstimmt.

In Wirklichkeit befinden sich die Molecüle eines Körpers nicht in Ruhe, sondern es besteht in jedem „Gleichgewichtszustände“ eine stationäre Bewegung. Inwiefern dieser Umstand bei der betrachteten Erscheinung von Einfluss ist, möge dahingestellt bleiben; jedenfalls lassen die Versuche der Hrn. Michelson und Morley wegen der unvermeidlichen Beobachtungsfehler einen ziemlich weiten Spielraum für die Werthe von und .




Die Polarisationsversuche Fizeaus.

§ 93. Beim schiefen Durchgange eines polarisirten Lichtbündels durch eine Glasplatte ändert sich im allgemeinen das Azimuth der Polarisation, und zwar ist diese Erscheinung abhängig von der Natur der Platte, sodass eine Vergrösserung oder Verkleinerung ihres Brechungsexponenten eine Drehung der Polarisationsebene des austretenden Lichtes zur Folge hat. Diese Thatsache war der Ausgangspunkt für die im Jahre 1859 von Hrn. Fizeau[7] mit Glassäulen ausgeführten Versuche, deren Resultat in hohem Maasse unsere Beachtung verdient. Der benutzte Apparat bestand aus einem polarisirenden Prisma, [126] einer Anzahl hinter einander gestellter Glassäulen und einem Analysator. Zur Zeit der Sonnenwende, meistens um die Mittagsstunde, wurde die Vorrichtung zuerst mit dem Polarisator nach Osten, und dem Analysator nach Westen gekehrt, und dann in die entgegengesetzte Richtung gebracht, während jedesmal ein Bündel Sonnenstrahlen mittelst zweckmässig gestellter Spiegel hindurchgeschickt wurde. Obgleich sich in den Einstellungen des Analysators mancherlei Unregelmässigkeiten zeigten, schien doch im ganzen eine constante Differenz zwischen den für die beiden Lagen erhaltenen Ablesungen zu bestehen.

Als ich die gegenwärtige Theorie entwickelte, hoffte ich anfangs, diese Differenzen erklären zu können, sah mich jedoch alsbald in meiner Erwartung getäuscht. Sind die von mir aufgestellten Gleichungen richtig, so kann ein Einfluss, wie der von Hrn. Fizeau erwartete, nicht bestehen. Den Beweis hierfür soll der nächste Paragraph erbringen.

§ 94. Da mit weissem Licht gearbeitet wurde und die Drehung der Polarisationsebene in den Glassäulen nicht für alle Farben dieselbe ist, so war es nöthig, die hieraus entspringende Dispersion zu compensiren. Es dienten dazu circularpolarisirende Flüssigkeiten, Citronenöl oder Terpentin, bisweilen auch dünne, senkrecht zur Axe geschliffene Quarzplatten. Zur Vereinfachung wollen wir indess annehmen, dass das Licht homogen sei, und dass also keine derartigen Stoffe im Apparat vorhanden sind. Der Satz, den wir im § 59 abgeleitet haben, ist dann ohne weiteres anwendbar, da er für jedes beliebige System einfach- oder doppelbrechender Körper gilt.

Es soll nun ein idealer Versuch bei ruhender Erde mit einem wirklichen Versuche verglichen werden, bei dem der Apparat in Bezug auf die Erdbewegung in beliebiger Weise orientirt ist. Im ersteren Falle soll der Polarisator Strahlen von der Richtung s und der Schwingungsdauer T empfangen; den Analysator denke man sich dabei so gestellt, dass er kein Licht durchlässt. Im zweitgenannten Falle soll der „correspondirende“ Bewegungszustand (§ 59) bestehen. Dazu muss das einfallende Licht die relative Schwingungsdauer T (§ 60, a), und noch immer die Strahlenrichtung s (§ 60, b) haben. Hinter dem Analysator [127] wird es wieder dunkel sein (§ 60, b), und man darf also schliessen:

Welche Richtung auch die Erdbewegung haben mag, ob vom Polarisator zum Analysator hin, oder umgekehrt, immer wird bei der vorausgesetzten Stellung des Analysators das Licht ausgelöscht werden, sofern nur an der relativen Schwingungsdauer und an der Richtung der Strahlen in Bezug auf den Apparat nichts geändert wird.

Diesen Bedingungen würden nun die Versuche offenbar entsprochen haben, wenn die Sonne homogenes Licht ausgestrahlt hätte. Die relative Schwingungsdauer wäre dann so gewesen, wie es das Doppler’sche Gesetz verlangt, und zwar bei jeder Stellung des Apparates. Was die Richtung der Strahlen in Beziehung auf die Glassäulen betrifft, so ist sie bei den verschiedenen Ablesungen wohl nicht genau dieselbe gewesen; einen Fehler hat das aber nicht herbeiführen können, da ein Einfluss einer kleinen Richtungsveränderung des einfallenden Lichtes dem Beobachter schwerlich entgangen wäre.

§ 95. Die Erscheinung, welche Hr. Fizeau erwartet hatte und wirklich beobachtet zu haben glaubte, hätte auch bei Anwendung homogenen Lichtes eintreten müssen. Wir stossen hier somit auf einen Widerspruch, den ich nicht zu lösen vermag. Eine Fehlerquelle, von der bestimmt behauptet werden könnte, dass sie die Differenzen in den Analysatorstellungen verursacht habe, konnte ich nicht entdecken. Die eingeschalteten circularpolarisirenden Stoffe hatten wohl eine viel zu geringe Dicke, um den im § 87 betrachteten Einfluss der Erdbewegung hervortreten zu lassen. Ebenso wenig ist an eine Wirkung des Erdmagnetismus zu denken. Das einzige wäre vielleicht noch, dass die beiden östlich und westlich vom Apparate aufgestellten Spiegel nicht immer Licht von derselben Beschaffenheit empfangen hätten. Um nämlich die Sonnenstrahlen bald nach dem einen, bald nach dem anderen Spiegel zu reflectiren, musste der Heliostat verschiedene Stellungen haben; zwischen den Winkeln, unter welchen er das Licht in beiden Fällen zurückwarf, bestand eine vom Stande der Sonne abhängige Differenz, und bekanntlich hat das von einer Metallfläche reflectirte Licht nicht bei allen Einfallsrichtungen [128] dieselbe Zusammensetzung. Da die gegenseitige Stellung der Spiegel mir nicht bekannt war, so habe ich den Einfluss dieses Fehlers nicht berechnen können; es war nur möglich, denselben ganz oberflächlich zu schätzen, indem ich über jene Stellung eine geeignete Annahme machte und die gewöhnlichen Formeln für die Metallreflexion anwandte. Auf diese Weise führte die Rechnung allerdings zu einer Verschiedenheit in den Analysatorstellungen bei den beiden Lagen des Apparates, die aber entschieden kleiner war als die von Hrn. Fizeau beobachteten Differenzen. Zu bemerken ist übrigens, dass bei einer der Versuchsreihen der Heliostatenspiegel durch ein totalreflectirendes Prisma ersetzt wurde und dass dieses ohne Einfluss auf die Ergebnisse gewesen zu sein scheint.

Alles zusammengenommen, drängt sich uns die Frage auf, ob es nicht möglich wäre, die Theorie den Beobachtungen anzupassen, ohne dass sie aufhörte, von den übrigen in dieser Arbeit behandelten Erscheinungen Rechenschaft zu geben. Mir hat das nicht gelingen wollen, und muss ich also die ganze Frage offen lassen, in der Hoffnung, dass vielleicht Andere die noch bestehenden Schwierigkeiten überwinden werden.

Dass die Verbesserung der Theorie aber nicht so ganz leicht sein wird, und dass sich bei den Versuchen Fizeau’s die Erscheinungen jedenfalls nicht so zugetragen haben, wie sie derselbe in seinen einleitenden Betrachtungen gedeutet hat, das möchte ich nun schliesslich noch darthun.

Es wird genügen, zu diesem Zwecke eine einzelne Glasplatte zu betrachten. Zerlegt man die Translationsgeschwindigkeit in zwei Componenten, die senkrecht zur Platte, resp. derselben parallel sind, so werden, falls man von Grössen zweiter Ordnung absieht, die Wirkungen dieser Componenten neben einander bestehen. Das Problem lässt sich somit auf zwei einfachere Fälle zurückführen. Es ist nun möglich, ohne specielle Annahmen über die Natur der Lichtschwingungen, nachzuweisen, dass eine Translation senkrecht zur Platte den von Hrn. Fizeau erwarteten Einfluss nicht haben kann; wir werden das aus gewissen allgemeinen Betrachtungen ableiten. Was die andere Richtung der Translation betrifft, so können wir nicht so bestimmt sprechen; es lässt sich nur zeigen, dass sich die [129] bewegte Platte gewiss nicht so verhält, wie eine ruhende von etwas anderem Brechungsexponenten.

§ 96. Wir betrachten zwei isotrope, durch eine Ebene von einander getrennte Medien, deren ponderable Theile entweder ruhen, oder sich mit einer gemeinschaftlichen Geschwindigkeit , in einer zur Grenzfläche senkrechten Richtung, verschieben. Wird von dieser Fläche ein Theil, dessen Dimensionen erheblich grösser als die Wellenlänge sind, von ebenen Wellen getroffen, die seitlich von einem an der Translation theilnehmenden Cylinder begrenzt sind, so geben die Spiegelung und Brechung zu zwei ähnlichen Lichtbündeln Anlass. Jede Theorie der Aberration hat nun anzunehmen, dass, unabhängig von der Translation, die beschreibenden Linien der cylindrischen Grenzflächen, die relativen Lichtstrahlen, den gewöhnlichen Gesetzen der Reflexion und Brechung unterliegen.

Demgemäss können wir uns ein für alle Mal vier Cylinder: 1, 2, 3, 4, wie die obengenannten, — wir wollen sagen „vier Lichtbahnen“ —, denken, von denen 1 und 2 in dem ersten, 3 und 4 in dem zweiten Medium liegen, und die folgendermaassen zusammengehören. Aus einer einfallenden Bewegung in 1 soll eine reflectirte in 2, und eine durchgelassene in 4 entstehen, während auch ein einfallendes Bündel in 3 zu Bewegungen in 2 und 4 Veranlassung gibt. Umgekehrt werden dann einfallende Schwingungen in 2 oder 4 Bewegungen in den Bahnen 1 und 3 erregen.

Zur Vereinfachung nehmen wir noch an[8], dass der vom Licht getroffene Theil der Grenzfläche zwei zu einander senkrechte Symmetrieaxen habe, deren eine in der Einfallsebene der Strahlen liegt. Die aus den vier Lichtbahnen bestehende Figur hat dann zwei durch je eine dieser Axen und die Normale der Grenzfläche gehende Symmetrieebenen. Die mit der Einfallsebene zusammenfallende möge die erste, die andere die zweite Symmetrieebene heissen.

§ 97. Von den das Licht constituirenden Abweichungen vom Gleichgewichtszustande soll angenommen werden, dass sie zu [130] den Vectorgrössen gehören. Kommen mehrere derartige Grössen in Betracht, wie z. B. in der electromagnetischen Lichttheorie die dielectrische Polarisation, die electrische Kraft, die magnetische Kraft, oder gar die früheren Vectoren und , so haben wir uns vorzustellen, dass für einen bestimmten Körper, bei gegebener Strahlenrichtung, relativer Schwingungszeit und Translation, diese Vectoren sämmtlich durch einen derselben bestimmt seien. Es wird deshalb genügen, einen der Vectoren zur Betrachtung auszuwählen. Wir nennen diesen den Lichtvector und führen folgende Voraussetzungen ein, in denen theils eine Hypothese über die Natur der Körper und des Lichtes, theils eine Beschränkung in der Wahl des Lichtvectors liegt.

1°. Besteht in einem System von Körpern ein Bewegungszustand, bei dem die Componenten des Lichtvectors gewisse Functionen der relativen Coordinaten und der Zeit t sind, so stellen auch die Functionen, die sich ergeben, wenn man t durch –t ersetzt, Werthe der Componenten dar, welche einer möglichen Bewegung entsprechen. Nur hat man bei dieser Umkehrung der Bewegungen auch die Geschwindigkeit umzukehren.

2°. Man gelangt gleichfalls zu einer möglichen Bewegung, wenn man das Spiegelbild einer beliebigen, gegebenen Bewegung in Bezug auf eine ruhende Ebene nimmt, und zwar in der Weise, dass man sowohl die Translationsgeschwindigkeit, als auch sämmtliche Lichtvectoren durch die Spiegelbilder ersetzt.

Haben wir es mit dem reinen Aether zu thun, so entsprechen wir diesen Voraussetzungen, wenn wir die dielectrische Verschiebung als Lichtvector wählen.

§ 98. In einem polarisirten Lichtbündel ist der Lichtvector an allen Stellen einer bestimmten Geraden parallel; er lässt sich in drei zu einander senkrechte Componenten zerlegen, deren erste die Richtung des Strahles hat, während die zweite in der Einfallsebene liegt und die dritte senkrecht auf derselben steht. Da nun die Eigenschaften eines polarisirten Bündels, ausser von der Intensität und Schwingungsdauer, nur noch von einer Grösse — etwa dem Azimuthe des Polarisators — abhängen, so müssen die Verhältnisse zwischen den genannten Componenten ganz bestimmte Werthe haben, sobald das Verhältniss zwischen der zweiten und dritten gegeben ist; dieses eine Verhältniss [131] muss aber jeden beliebigen Werth erhalten können. Es lässt sich dies auch so ausdrücken: Zerlegt man den Lichtvector in zwei Componenten, deren eine die Richtung des Strahls hat, während die andere senkrecht zu demselben steht, so lässt sich letztere beliebig um den Strahl herumdrehen, und ist bei jeder Richtung derselben das Verhältniss zwischen beiden bestimmt.

Der Bewegungszustand ist somit völlig bekannt, sobald die Natur des Körpers, die Translation, die relative Periode, die Strahlenrichtung und endlich die Richtung und Grösse der „transversalen“ Componente des Lichtvectors gegeben sind. Wo im weiteren von dem Lichtvector die Rede ist, werden wir darunter nur jene transversale Componente verstehen.

Steht nun dieser Vector in dem einfallenden Lichte senkrecht zur Einfallsebene, so muss er auch in dem reflectirten und durchgelassenen Bündel dieselbe Richtung haben; gleicherweise muss der Lichtvector in diesen Bündeln der Einfallsebene parallel sein, sobald der Lichtvector des einfallenden Lichtes in dieser Ebene liegt. Um diese Sätze zu begründen, hat man nur das Spiegelbild des ganzen Bewegungszustandes in Bezug auf die erste Symmetrieebene zu betrachten. Es habe z. B. der Lichtvector der einfallenden Wellen die erste der obengenannten Richtungen. Bei dem Uebergange zum Spiegelbilde erhält dieser Vector die entgegengesetzte Richtung, oder, wie man auch sagen kann, die entgegengesetzte Phase; der Lichtvector der beiden anderen Lichtbündel muss sich dann in derselben Weise ändern, woraus sich die Richtigkeit der obigen Behauptung unmittelbar ergibt.

Das Problem ist jetzt auf die beiden Hauptfälle zurückgeführt, dass die Lichtvectoren überall senkrecht zur Einfallsebene stehen, oder überall in derselben liegen. Bei der weiteren Untersuchung ist stets an einen dieser Fälle zu denken; sie gilt indessen für den einen Fall so gut wie für den anderen.

Bei jeder Lichtbahn nennen wir eine bestimmte Richtung des Lichtvectors positiv, und zwar soll diese Richtung in dem ersten Hauptfall für alle Lichtbahnen dieselbe sein, während in dem zweiten Hauptfall die für 2 und 4 gewählten positiven Richtungen die Spiegelbilder der für 1 und 3 angenommenen in Bezug auf die zweite Symmetrieebene sind.

Um schliesslich die Schwingungen bequem darstellen zu [132] können, fassen wir zwei Punkte P und Q ins Auge, welche diesseit und jenseit der Grenzfläche, in unveränderlicher Entfernung von derselben, auf der Schnittlinie der beiden Symmetrieebenen liegen.

Es gehöre P dem Räume an, in dem sich 1 und 2 überdecken. Ebenso liege Q gleichzeitig in 3 und 4. Es sollen immer nur die Werthe der Lichtvectoren in P und Q angegeben werden.

§ 99. Hat der Lichtvector in einer einfallenden Bewegung den Werth

so wird er für ein daraus entstehendes, reflectirtes oder durchgelassenes Bündel dargestellt werden können durch

worin a und b gewisse Constanten sind. Um die verschiedenen Fälle von einander zu unterscheiden, wollen wir jeder dieser Grössen zwei Indices anhängen, deren erster sich auf die Bahn des einfallenden Lichtes, und deren zweiter sich auf das daraus entstehende Bündel bezieht; ausserdem beziehen sich die ohne Strich gelassenen a und b auf den Fall, dass die Translation nach der Seite des einfallenden Lichtes gerichtet ist, während die mit einem Strich versehenen Buchstaben für eine gleiche und entgegengesetzte Verschiebung gelten.

Es bestehe nun, während das System nach der Seite des ersten Mediums fortschreitet, in der Lichtbahn 1 eine einfallende Bewegung, bei welcher der Lichtvector den Werth

hat. Daraus entstehen in 2 und 4 die durch

und

dargestellten Lichtbündel.

Sodann denken wir uns diesen Bewegungszustand umgekehrt. Erstens nehmen wir also an, dass die Translation von dem [133] ersten Medium abgewandt sei und zweitens ersetzen wir t durch –t. Wir finden dann, dass in 1 der Lichtvector

entsteht, wenn in den Bahnen 2 und 4 die einfallenden Bewegungen

(120)

und

(121)

bestehen.

Da aber der Lichtvector, den die Bewegung (120) in der ersten Bahn hervorbringt, den Werth

hat, und ebenso der aus (121) entstehende Lichtvector durch den Ausdruck

darzustellen ist, so muss

sein. Daraus folgt

(122)

und

(123)

§ 100. Zu einer einfachen Beziehung führt nun folgende Bemerkung. Geht man von einem Zustande aus, bei dem das einfallende Licht der Bahn 1 folgt, und nimmt man das Spiegelbild in Bezug auf die zweite Symmetrieebene (§ 96), so gelangt man zu einem Zustande, bei welchem das Licht in 2 einfällt. Es muss folglich

(124)

sein, und gleicherweise

(125)

[134] Für die in (123) eingehende Differenz darf man also setzen , was offenbar von der Ordnung ist, da sich die Grössen und nur dadurch von einander unterscheiden, dass sie sich auf verschiedene Translationsrichtungen beziehen.

Nach (123) muss nun auch von der Ordnung sein. Da man weiter, ohne etwas an der Sache zu ändern, um ein gerades Vielfaches von vergrössern oder verkleinern kann, und auch um ein ungerades Vielfaches von , wenn man nur zugleich das Vorzeichen von umkehrt, so darf man annehmen, dass auch der Winkel selbst von der Ordnung sei. Die beiden Cosinus in (122) differiren dann von der Einheit nur um Grössen zweiter Ordnung, sodass wir setzen dürfen

In derselben Weise ist

und unter Beachtung von (124) und (125) finden wir also

Gesetzt nun, es werde, ähnlich wie bei den Fizeau’schen Versuchen, eine planparallele Glasplatte, auf deren beiden Seiten sich der Aether befindet, in schiefer Richtung von einem Lichtbündel getroffen, dessen Lichtvector eine der oben unterschiedenen Richtungen hat, das also entweder in der Einfallsebene, oder senkrecht zu derselben polarisirt ist. Das Verhältniss, in dem die Amplitude bei dem Eintritt in das Glas verringert wird, lässt sich dann, je nach der Translationsrichtung, durch oder darstellen, und ebenso, wie man leicht sieht, das entsprechende Verhältniss bei dem Austritt aus der Platte durch oder . Im ganzen ändert sich also die Amplitude im Verhältniss von 1 zu oder . Da nun diese Producte denselben Werth haben, so ändert die Umkehrung der Translation nichts an der Intensität des austretenden Lichtes, die also bis auf Grössen zweiter Ordnung dieselbe sein muss, wie wenn die Platte stillstände. Dies gilt für die beiden Hauptlagen der Polarisationsebene; folglich muss, wenn die einfallenden Strahlen in beliebiger Weise linear polarisirt sind, [135] die Schwingungsrichtung des durchgelassenen Lichtes unabhängig von der Translation sein.

Hierbei ist zu bemerken, dass sowohl für die in der Einfallsebene, als auch für die senkrecht zur Einfallsebene polarisirte Componente der Fresnel’sche Fortführungscoefficient anzunehmen ist. Beide pflanzen sich daher mit derselben Geschwindigkeit fort, wodurch eine Phasendifferenz zwischen denselben und eine elliptische Polarisation des durchgelassenen Lichtes ausgeschlossen sind.

§ 101. Ist die Richtung der Translation nicht, wie es in dem letzten Paragraphen angenommen wurde, senkrecht zur Grenzfläche, sondern derselben parallel, so muss noch unterschieden werden, ob sie in der Einfallsebene liegt, oder senkrecht auf derselben steht. Wir wollen nur den ersten Fall betrachten und uns überdies auf in der Einfallsebene polarisirtes Licht beschränken.

Zunächst sei daran erinnert, wie man für solches Licht und für ruhende Körper zu dem Werth der reflectirten Amplitude gelangt. Wählt man die Grenzfläche zur y z-, und die Einfallsebene zur x z-Ebene, und stellt man sich auf den Boden der electromagnetischen Lichttheorie, so ist , und auch zu setzen, während die Grenzbedingungen in der Continuität von , und bestehen. Da nun in jedem der beiden Medien nach der Gleichung () (§ 52)

und

ist, so ist die Continuität von und gleichbedeutend mit der Continuität von und . Der erste dieser Differentialquotienten wird aber stetig sein, sobald selbst es ist, und man hat es also am Ende nur noch mit und zu thun.

In der That — und diese Bemerkung gilt für jede Lichttheorie — ergibt sich die bekannte Fresnel’sche Formel, sobald man annimmt, dass diese oder jene bei den Schwingungen in Betracht kommende Grösse, und gleichzeitig ihr Differentialquotient nach der Normale zur Grenzfläche, stetig sei.

Bei ebenen Wellen kommt eine Differentiation nach x auf dasselbe hinaus, als ob man nach t differenzirte und dann mit einem von der Richtung und der Geschwindigkeit der Wellen [136] abhängigen Factor m multiplicirte. Bezeichnen wir nun für das einfallende, reflectirte und durchgelassene Licht die Werthe der soeben erwähnten Grösse in der unmittelbaren Nähe der Grenzfläche durch

und

und die Werthe von m mit

und

so erhalten wir als Grenzbedingungen

und

Die letzte Formel führt — sofern man von additiven Constanten absieht — auf

und es ergibt sich dann weiter durch Elimination von

Dass nun, bei festgehaltener Richtung des einfallenden Lichtes, die Amplitude des reflectirten Bündels von dem Brechungsexponenten des zweiten Körpers abhängt, rührt daher, dass, wie man leicht erkennen wird, sich mit diesem Exponenten ändert.

Im nächsten Paragraphen soll nun aber gezeigt werden, dass dieses , so lange die Richtung der einfallenden relativen Strahlen dieselbe bleibt, von einer Translation in der Richtung der z-Axe nicht berührt wird. Dürften wir also annehmen, dass auch bei einer sich verschiebenden Platte die Grenzbedingungen in der Continuität einer gewissen Grösse und ihres Differentialquotienten bestehen, so hätten wir wenigstens für in der Einfallsebene polarisirtes Licht die Unmöglichkeit der von Hrn. Fizeau gesuchten Erscheinung dargethan. In Wirklichkeit ist jene Annahme über die Grenzbedingungen ohne nähere Untersuchungen allerdings nicht zulässig; das Angeführte zeigt aber immerhin, dass die bewegte Platte keineswegs wie eine ruhende von etwas anderem Brechungsexponenten wirkt.

[137] § 102. Es seien, in Bezug auf die oben eingeführten Axen,

die Richtungsconstanten der auf die Platte fallenden relativen Strahlen. Unter Vernachlässigung von Grössen zweiter Ordnung erhalten wir hieraus durch Anwendung des Grundgesetzes der Aberration die Richtung der Wellennormale; wir haben nämlich eine Geschwindigkeit V in der Richtung der Strahlen mit der Translationsgeschwindigkeit zusammenzusetzen. Ist nun letztere der z-Axe parallel, so werden die Richtungsconstanten der Wellennormale

worin

ist.

Die absolute Geschwindigkeit der Wellen ist V; die relative V' aber wird gefunden, wenn man V um die Componente von nach der Wellennormale vermindert. Werden unter x, y, z relative Coordinaten verstanden, so gelten mithin für das einfallende Licht Ausdrücke von der Form

oder

(126)

Andererseits haben wir für das Glas den Fresnel’schen Mitführungscoefficienten anzunehmen. Folglich ist, wenn wir die Fortpflanzungsgeschwindigkeit im ruhenden Glase durch W, und die Richtungsconstanten der Wellennormale in der Platte durch

bezeichnen, für die relative Geschwindigkeit der Wellen in Bezug auf das Glas, nach (82), zu setzen

(127)

Für das Licht in der Platte gelten jetzt Ausdrücke von der Form [138]

(128)

und diese werden sich nur dann in allen Punkten der Grenzfläche den einfallenden Schwingungen anschliessen, wenn der Coefficient von z derselbe ist wie in der Formel (126).

Wir haben demnach

oder, wenn wir den Brechungswinkel in der ruhenden Platte nennen, sodass

ist,

Hieraus folgt

(129)

Aus (128) ergibt sich aber für den Factor, den wir oben genannt haben, der Werth

und dieser ist, wie aus (127) und (129) hervorgeht, wirklich unabhängig von der Translation.


  1. Mascart. Ann. de l’école normale, 2e sér., T. l, pp. 210—214, 1872.
  2. Michelson. American Journal of Science, 3d Ser., Vol. 22, p. 120, 1881.
  3. Michelson and Morley. American Journal of Science, 3d Ser., Vol. 34, p. 333, 1887; Phil. Mag. 5th Ser., Vol 24, p. 449, 1887.
  4. Lorentz. Zittingsverslagen der Akad. v. Wet. te Amsterdam, 1892—93, p. 74.
  5. Wie Hr. Fitzgerald mir freundlichst mittheilte, hat er seine Hypothese schon seit längerer Zeit in seinen Vorlesungen behandelt. In der Literatur habe ich dieselbe nur bei Hrn. Lodge, in der Abhandlung „Aberration problems“ (London Phil. Trans, Vol. 184, A, p. 727, 1893) erwähnt gefunden.
    Ich erlaube mir, hier noch hinzuzufügen, dass diese Abhandlung, ausser manchen theoretischen Betrachtungen, die Beschreibung sehr interessanter Experimente enthält, bei welchen zwei senkrecht auf derselben Axe befestigte Stahlscheiben (Durchmesser 1 Yard) mit grosser Geschwindigkeit rotirt wurden. Mittelst eines gewissen Interferenzverfahrens wurde untersucht, ob der zwischen den Scheiben befindliche Aether mitrotire; das Resultat war negativ, obgleich die Zahl der Umdrehungen in der Secunde auf 20 oder mehr gesteigert wurde. Hr. Lodge schliesst, dass die Scheiben dem Aether nicht den 800sten Theil ihrer Geschwindigkeit mitgetheilt haben.
  6. Vgl. Lorentz, Arch. néerl., T. 21, pp. 168—176, 1887.
  7. Fizeau. Ann. de chim. et de phys., 3e sér., T. 58, p. 129. 1860; Pogg. Ann., Bd. 114, p. 554, 1861.
  8. Wir können diese Annahme nachträglich fallen lassen, da ja das Verhältniss der Intensitäten der Lichtbündel unabhängig von der Grösse und Gestalt der Querschnitte ist.
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