Vertrag zwischen dem Norddeutschen Bunde und Hessen, die Besteuerung des Branntweins und Biers in dem nicht zum Norddeutschen Bunde gehörigen Theile des Großherzogthums Hessen betreffend
[466]
(Nr. 143.) Vertrag zwischen dem Norddeutschen Bunde und Hessen, die Besteuerung des Branntweins und Biers in dem nicht zum Norddeutschen Bunde gehörigen Theile des Großherzogthums Hessen betreffend. Vom 9. April 1868.
Seine Majestät der König von Preußen, im Namen des Norddeutschen Bundes, und Seine Königliche Hoheit der Großherzog von Hessen und bei Rhein, von der Absicht geleitet, die Beschränkungen des freien Verkehrs zu beseitigen, welche daraus hervorgehen, daß im Großherzogthum Hessen der Branntwein und das Bier nicht derselben Besteuerung unterliegen, welche in Preußen, Sachsen, den Staaten des Thüringischen Zoll- und Handelsvereins, Braunschweig, Oldenburg und den mit Preußen im engeren Verein stehenden Ländern besteht, haben über die Besteuerung des inländischen Branntweins und Biers in dem nicht zum Norddeutschen Bunde gehörigen Theile des Großherzogthums Hessen Verhandlungen eröffnen lassen und zu Bevollmächtigten ernannt, und zwar:
- Seine Majestät der König von Preußen:
- Allerhöchstihren Geheimen Ober-Finanzrath Friedrich Leopold Henning und
- Allerhöchstihren Geheimen Ober-Finanzrath Friedrich Wilhelm Alexander Scheele,
- Seine Königliche Hoheit der Großherzog von Hessen und bei Rhein:
- Allerhöchstihren Geheimen Ober-Steuerrath Ludwig Wilhelm Ewald,
von welchen Bevollmächtigten, unter dem Vorbehalte der Ratifikation, folgender Vertrag abgeschlossen worden ist.
Artikel 1.
- In dem nicht zum Norddeutschen Bunde gehörigen Theile des Großherzogthums Hessen soll die Besteuerung des inländischen Branntweins nach Maaßgabe der Vorschriften, welche in den im Eingange genannten Staaten des Norddeutschen Bundes bestehen, sowohl den Steuersätzen, den Erhebungs- und Kontrolformen, als den administrativen Bestimmungen nach, von demselben Zeitpunkte ab – jedoch nicht vor dem 1. Juli 1868. – eintreten, von welchem an dieselbe in dem zum Norddeutschen Bunde gehörigen Theile des Großherzogthums Hessen eingeführt wird. [467]
Artikel 2.
- Abänderungen und Ergänzungen der hinsichtlich der Besteuerung des inländischen Branntweins in den im Eingange genannten Staaten bestehenden gesetzlichen und administrativen Vorschriften, welche nach Maaßgabe der Artikel 35. und 37. der Verfassung des Norddeutschen Bundes beschlossen werden möchten und demzufolge auch für die Großherzoglich Hessische Provinz Oberhessen, sowie für Castel und Costheim, in Wirksamkeit treten, werden gleichzeitig und gleichmäßig auch in den übrigen Theilen des Großherzogthums Hessen in Ausführung gebracht werden.
Artikel 3.
- Durch die Besteuerung der Branntweinfabrikation soll ein Steuerbetrag von 1 9/16 Silbergroschen für das Preußische Quart Branntwein von 50 Prozent Alkoholstärke nach Tralles gesichert bleiben,
Artikel 4.
- Mit der Einführung der im Artikel 1. bezeichneten Besteuerung in den nicht zum Norddeutschen Bunde gehörigen Theilen des Großherzogthums Hessen tritt zwischen diesen Theilen und den derselben Besteuerung unterliegenden Ländern des Norddeutschen Bundes völlige Freiheit des Verkehrs mit Branntwein, auch nach näherer Bestimmung des Artikels 6. eine Gemeinschaft der Einnahme aus der inneren Besteuerung des Branntweins ein.
Artikel 5.
- Hinsichtlich der Erhebung und Verwaltung sollen in Bezug auf die Branntweinsteuer die Bestimmungen des Artikels 36. der Verfassung des Norddeutschen Bundes auch für die nicht zum Norddeutschen Bunde gehörigen Großherzoglich Hessischen Landestheile maaßgebend sein.
- Nicht minder finden die Bestimmungen des Zollkartels vom 11. Mai 1833. auf die gemeinschaftliche Steuer vom inländischen Branntwein Anwendung.
- Die Einrichtung der Verwaltung und der Erlaß der administrativen Anordnungen wird zur Ausführung der Verabredungen im Artikel 1. durch beiderseits ernannte Kommissarien vorbereitet werden.
Artikel 6.
- Die Einnahmen, welche von der Besteuerung der Branntweinbereitung, sowie von den Abgaben, denen der aus anderen Zollvereinsstaaten übergehende Branntwein vertragsmäßig unterliegt, in denjenigen Theilen des Norddeutschen Bundes, in welchen der Branntwein der im Artikel 1. gedachten Besteuerung unterworfen ist, und in den nicht zum gedachten Bunde gehörigen Theilen des Großherzogthums Hessen aufkommen, sollen in ihrem Bruttoertrage nach Abzug:
- a) der Rückerstattungen für unrichtige Erhebungen,
- b) der auf Gesetzen und allgemeinen Verwaltungsvorschriften beruhenden Steuervergütungen und Ermäßigungen,
- c) von 15 Prozent für Erhebungs- und Verwaltungskosten [468]
- zwischen den vertragenden Theilen nach dem Verhältnisse der Bevölkerung der vorgedachten Theile des Norddeutschen Bundes und des Großherzogthums Hessen unter den Norddeutschen Bund und das Großherzogthum Hessen dergestalt vertheilt werden, daß der Betrag, welcher der Bevölkerung des Großherzogthums Hessen in den nicht zum Norddeutschen Bunde gehörigen Landestheilen entspricht, der Großherzoglich Hessischen Regierung zur Verfügung gestellt wird.
- Der Stand der Bevölkerung wird durch die im Zollverein von drei zu drei Jahren stattfindenden Zählungen festgestellt.
Artikel 7.
- Die Vertheilung der gemeinschaftlichen Einnahmen wird durch den Ausschuß des Bundesrathes des Norddeutschen Bundes für das Rechnungswesen bewirkt, welchem zu dem Zwecke auch aus den nicht zum Norddeutschen Bunde gehörigen Theilen des Großherzogthums Hessen die Erträge der gemeinschaftlichen Einnahmen nach den Bestimmungen des Artikels 39. der Verfassung des Norddeutschen Bundes anzuzeigen sind.
Artikel 8.
- In den nicht zum Norddeutschen Bunde gehörigen Theilen des Großherzogthums Hessen soll, wenn demnächst im Norddeutschen Bunde eine gemeinsame Bundesgesetzgebung für die innere Besteuerung des Biers zu Stande kommen wird, diese Besteuerung gleichzeitig mit ihrer Einführung in den zum Norddeutschen Bunde gehörigen Theil des Großherzogthums Hessen, gleichmäßig sowohl in den Steuersätzen, den Erhebungs- und Kontrolformen, als in den administrativen Bestimmungen in Wirksamkeit gesetzt werden. Von demselben Zeitpunkte ab tritt hinsichtlich des Biers eine Abgabengemeinschaft mit den in den Artikeln 6. und 7. wegen des Branntweins vereinbarten Maaßgaben ein. Abänderungen der die Besteuerung des Biers betreffenden Bestimmungen, welche künftig in den zum Norddeutschen Bunde gehörigen Theilen des Großherzogthums Hessen angeordnet werden möchten, sollen gleichzeitig und gleichmäßig auch in den nicht zum Norddeutschen Bunde gehörigen Großherzoglich Hessischen Landestheilen eintreten.
Artikel 9.
- Sobald zwischen denjenigen Theilen des Norddeutschen Bundes, zwischen welchen wegen des Biers ein freier Verkehr besteht, und demjenigen Theile des Großherzogthums Hessen, welcher zum Norddeutschen Bunde gehört, der freie Verkehr mit Bier hergestellt wird, soll dieser auch zwischen den vorgedachten Theilen des Norddeutschen Bundes und den nicht dazu gehörigen Theilen des Großherzogthums Hessen eintreten, dergestalt, daß gegenseitig beim Uebergange von Bier eine Abgabenerhebung oder Rückvergütung nicht stattfindet. Gleichzeitig soll rücksichtlich der Einnahme von den Abgaben, welche nach Maaßgabe der Zollvereinigungsverträge von dem aus anderen Zollvereinsstaaten übergehenden Bier erhoben werden, eine Gemeinschaft zwischen dem Norddeutschen Bunde und den dazu nicht gehörigen Theilen des Großherzogthums Hessen eintreten. Die in die Gemeinschaft fallenden, aus der Erhebung dieser Uebergangsabgaben erwachsenden Einnahmen werden in ihrem Bruttoertrage nach Abzug der Rückerstattungen für unrichtige Erhebungen und eines Abzugs von 15 Prozent für Erhebungs- und Verwaltungskosten nach dem Maaßstabe der Bevölkerung in der im Artikel 7. bezeichneten Weise vertheilt. [469]
- Während der Dauer des vorgedachten Verhältnisses kann in den nicht zum Norddeutschen Bunde gehörigen Theilen des Großherzogthums Hessen eine Herabsetzung der Steuer für Bier nur insoweit eintreten, als dies auch in dem zum Norddeutschen Bunde gehörigen Theile des Großherzogthums Hessen geschieht.
Artikel 10.
- Der gegenwärtige Vertrag, welcher mit der Ratifikation in Kraft tritt, soll vorläufig bis zum 31. Dezember 1877. gültig sein und, wenn er nicht vor dem 1. Januar 1876. von einem oder dem anderen Theile gekündigt wird, auf 12 Jahre und so fort von 12 zu 12 Jahren als verlängert angesehen werden. Er soll alsbald zur Ratifikation der vertragenden Theile vorgelegt und die Auswechselung der Ratifikations-Urkunden baldmöglichst in Berlin bewirkt werden.
- So geschehen Berlin, den 9. April 1868.
Henning. | Scheele. | Ewald. | |||
(L. S.) | (L. S.) | (L. S.) |
- Die Ratifikations-Urkunden des vorstehenden Vertrages sind zu Berlin ausgewechselt worden.