Vierzehnter Jahresbericht des deutschen Erzieherinnenheims zu Paris 1898/1899
Im deutschen Erzieherinnenheim wohnten im oben erwähnten Zeitraum des letzten Verwaltungsjahres 197 Damen in 4003 Nächten. Davon waren 170 Erzieherinnen, 4 Malerinnen, 3 Krankenpflegerinnen, 3 Sängerinnen, 2 Buchhalterinnen, 1 Bildhauerin und 14 hatten keinen bestimmten Beruf. Von diesen Damen gehörten 194 der evangelischen, 39 der katholischen Kirche an, 3 waren Israeliten. Der Nationalität nach zählten wir 160 Deutsche, 15 Oesterreicherinnen, 4 Französinnen, 5 Schweizerinnen, 3 Engländerinnen, je 2 Amerikanerinnen, Holländerinnen, Däninnen und Ungarinnen, je 1 Spanierin und Norwegerin. Aus Frankreich kamen 186, aus Deutschland 58, aus England 16, aus der Schweiz 6, aus Holland und Belgien je 3, aus Portugal und Italien je 2, aus Amerika 1. Die Dauer des Aufenthaltes erhellt aus folgenden Angaben: 6 wohnten über 3 Monate und wiederum 6 über 2 Monate im Heim. Bei 41 überstieg sie 1 Monat, die übrigen 144 blieben noch kürzere Zeit.
Die Zahl der Posteingänge betrug für das Doppelheim: 2225.
Das sind trockene Zahlen und doch haben sie uns viel zu erzählen. Sie berichten von einem harten Existenzkampf, den viele unserer jungen Landsmänninnen hier in der Fremde führen müssen, viele bis zum endlichen Gelingen, viele aber auch bis zur bittersten [2] Enttäuschung. Wir freuen uns, ihnen dabei auch im letzten Jahre haben zur Seite treten zu können, einesteils mit materieller Erleichterung, andererseits mit Ermutigung der Gemüter durch unsern christlichen Glauben, welcher den Bewohnerinnen des Doppelheims in den stiftungsgemäßen Abendandachten durch die Leiterin und einmal wöchentlich abwechselnd durch die beiden deutschen Pastoren Anthes und Streng dargeboten wurde. – Es ist nicht unsere Absicht bei längerem Aufenthalt einen Ersatz zu bieten für Hotel und Pension, wir wollen in den ersten Wochen der Unkenntnis hiesiger Verhältnisse, in kurzen Zeiten der Arbeitslosigkeit, ein Heim bieten, um vor Ausbeutung zu bewahren. Aus diesem Grunde haben wir im letzten Jahre die Bestimmungen über die Dauer des Aufenthalts im Heim revidiert, und festgesetzt, daß Erzieherinnen in der Regel nur bis zu 2 Monaten im Heim verbleiben können. Ausnahmen werden nur nach Genehmigung des Aufsichtsrats resp. dessen Vorsitzenden gemacht. Die erteilte Erlaubnis aber wird in dem Falle wieder hinfällig, wenn neu Ankommenden Platz beschafft werden muß. Die obigen statistischen Angaben beweisen, daß diese Bestimmungen den Verhältnissen und dem Zweck entsprechend sind.
Die Leitung des Hauses lag auch in diesem Jahre in den bewährten Händen von Schwester Anna v. Rosen. Sie hat dieselbe mit alter Erfahrung und stets neuem Eifer geführt und es gebührt ihr dafür unsere aufrichtige Anerkennung. Ihr zur Seite stand seit etwa 5 Jahren Frl. Anna Nötzel aus Wiesbaden, sonderlich den Bureau-Arbeiten sich widmend. Sie hat uns am 26. Januar 1899 verlassen, um ihre schwerkranke Mutter zu pflegen; unser aufrichtiger Dank für alles, was sie in dieser Zeit zum Besten des Heims und seiner Bewohnerinnen geleistet hat, folgt ihr nach. Gott geleite sie freundlich auf ihrem künftigen Lebensweg. Fräulein Frida Vaupel aus Dresden ist an ihre Stelle getreten. Sie hat sich schnell in ihrer Arbeit heimisch gemacht und das Zutrauen des Komitees erworben.
Über unsere Finanzlage im Allgemeinen sei hier folgendes erwähnt. Schon in dem vorigen Bericht ist angedeutet, daß wir [3] unseren kleinen Reservefonds angreifen mußten, um die restierende Bauschuld zu decken. Trotz größter Sparsamkeit konnten wir noch nichts auf die erhobenen 4500 Fr. zurückzahlen. Dem Magistrat der Haupt- und Residenzstadt Berlin sprechen wir unseren wärmsten Dank aus für die bewilligte abermalige Spende von 1000 ℳ, sowie dem Gustav-Adolf-Verein für die uns überwiesenen kleineren Gaben. Diesen Unterstützungen danken wir es, daß wir wenigstens nicht in der Notlage waren mit einem neuen größeren Deficit abzuschließen und bitten wir deshalb freundlich, uns diese Zuwendungen auch ferner zu gewähren.
Der hohen Protektorin unseres Hauses, Ihrer Majestät der Kaiserin Friedrich, bezeugen wir auch am Schlusse dieses Berichtsjahres unsere Ehrfurcht, der hochverehrten Ehrenpräsidentin des Komitees, Gräfin Maria zu Münster, sowie Sr. Excellenz dem Kaiserlichen Herrn Botschafter, Grafen zu Münster, bringen wir unseren aufrichtigen Dank dar für das unseren Bestrebungen erwiesene lebendige Interesse.
Herr und Frau Konsul von Faber du Faur, die beide unserem Komitee angehörten und stets mit Rat und That unser Work förderten, haben zu unserem großen Bedauern Paris verlassen. Der Vorsitzende zollte ihnen in der Generalversammlung gebührenden Dank, Die Herren Doktoren Meyer, Pfeiffer und Weber, sowie Herr Vigneraut haben sich unserer Kranken, deren Zahl gottlob nur eine geringe war, in freundlicher Weise angenommen. Ihnen, sowie schließlich allen übrigen, welche an unserer Arbeit sich beteiligten, sei an dieser Stelle herzlich gedankt.
Wir wollen auch ferner uns nach Kräften alle bestreben, ein „Heim“ zu bieten den deutschen Erzieherinnen in Paris.
Möge Gottes Segen ruhen auf solchem Streben in alle Zukunft.
Paris, im Mai 1899.
[4] Das Gesamtkomitee des deutschen Erzieherinnenheims besteht am Schlusse dieses Verwaltungsjahres aus folgenden Persönlichkeiten:
Gräfin Marie zu Münster, Ehrenpräsidentin; Kirchenrat Frisius, London, Ehrenmitglied; Pastor Anthes, Vorsitzender; Herr Klattenhoff, Schatzmeister; Andrée, Schriftführer; Grub und Lüdert, Kassenrevisoren; Legationsrat v. Below, Hamel, Tillmanns, Pastor Streng, den Damen: Frau Barop, Eckhardt, Grub, Fräulein von Harbon, Frau Joest, Gräfin Ketzler, Fürstin zu Lynar, Frau Klattenhoff, Fräulein Schliemann, Frau Tillmanns,
die alle gern bereit sind, Gaben für die Anstalt entgegen zu nehmen,
Der Verwaltungsrat besteht aus folgenden Mitgliedern:
Den Damen: Frau Pastor Anthes, Barop, Eckhardt, Grub, von Harbon, Schliemann, den Herren: Andrée, Klattenhoff, Tillmanns, Pastor Anthes.
Anfragen und Meldungen sind frankiert (20 Pfg.) an die
Vorsteherin des deutschen Heims (Home allemand) 21, rue
Brochant, Paris, zu richten.
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Einnahmen. | Ausgaben. | ||||
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Fr. Cts. | Fr. Cts. | ||||
1. Eingegangene Gaben im verflossenen Jahre vom 1. April 1898 bis 31. März 1899. | 1 396 95 | Saldo, Fehlbetrag am 31. März 1898 | 5 333 10 | ||
2. Zinsen auf die Frankfurt a/M. ruhenden Wertpapiere und Reservefonds | 379 70 | 1. Zinsen auf die Frankfurt a/M. ruhenden Wertpapiere – dort noch stehend | 379 70 | ||
3. Einnahmen in der Kasse des Doppelheims vom 1. April 1898 bis 31. März 1899: | 2. Haushaltungskonto: | ||||
A. Pension der Erzieherinnnen | Fr. 10 374 30 | Neue Anschaffung an Mobiliar und Hausgeräten | Fr. 210 95 | ||
B. | " " Mädchen" | 13 705 20Anschaffung von Wein, Kaffee und Thee | " | 1 478 90||
C. Mahlzeiten ohne Pension | " | 469 30Fleischerrechnung | " | 7 405 10||
D. Wein | " | 463 2525 012 05 | Krämer | " | 1 276 90|
4. Gaben von Damen bei Nachweis von Mädchen | Fr. | 110 10Bäckerrechnung | " | 2 096 35||
Gaben von Mädchen für Stellenvermittlung | " | 955 –1 060 10 – | Milch | " | 941 65|
5. Bäder | 41 40 | Sonstige Nahrungsmittel | " | 4 159 60||
6. Diverse | 40 – | Wäsche | " | 1 042 –||
7. Saldo, Fehlbetrag am 31. März 1898 | 3 712 40 | Heizung, Licht und Wasser | " | 1 784 25||
Diverse | " | 24 8520 420 55 | |||
3. Gehälter, Löhne und Reisevergütung | Fr. 2 206 70 | ||||
4. Für Stellenvermittelung an den deutschen Lehrerinnenverein | " | 65 –||||
5. Steuern, Assekuranz und Enregistrement | " | 927 60||||
6. Bücher, Drucksachen, Porti und Diverse | " | 794 90||||
7. Kosten für Unterhaltung der Gebäude | " | 1 520 055 514 25 | |||
31 647 60 | 31 647 60 |
Fr. C. | |||
Beitrag der Königlichen Haupt- und Residenzstadt Berlin | |||
ℳ 1000 | 1 231 — | ||
Gaben durch den Centralvorstand der Gustav-Adolf-Stiftung zu Leipzig | 165 95 | ||
1 396 95 |
Als Reservefonds bei der Mitteldeutschen Creditbank in Frankfurt stiftungsgemäß angelegt:
ℳ 3 800 – | 4 % Meininger Hyp.-Pfdbr. | ||
zum ungef. Kurse von 97 ℳ | ℳ 3 686 — | ||
" | 2 000 –4 % Frankfurter Hyp.-Pfdbr. | ||
zum ungef. Kurse von 100.20 ℳ | " | 2 004 —||
" | 2 500 –3½ % Frankfurter Hyp.-Pfdbr. | ||
zum ungef. Kurse von 97.50 ℳ | " | 2 438 —||
" | 500 –3 % Karlsruher Stadtanleihe | ||
zum ungef. Kurse von 92 ℳ | " | 460 —||
ℳ 8 588 — | |||
à 123 = Fr. 10 573 25 |