Vom Kaukasus zum Persischen Meerbusen/Das Land von Urmia. Persien und die persische Regierung

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Von Dschulfa nach Urmia Vom Kaukasus zum Persischen Meerbusen
von Paul Müller-Simonis
Die Missionen von Urmia. Die Umgebung der Stadt
{{{ANMERKUNG}}}
  Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Neuntes Kapitel.
Das Land von Urmia. Persien und die persische Regierung.
Urmia. Fruchtbarkeit des Landes. Der Myr-Ab und die Verteilung des Wassers. Das Gemüse und die Bäume; Bereitung der getrockneten Trauben. Der Wein von Urmia. Allgemeine Armut. Die Steuern. Art, die Beamten zu bezahlen. Die Unbeständigkeit der Amtsgeschäfte zieht das Verderben der ganzen Verwaltung nach sich und verhindert jede Besserung in den Zuständen des Landes. Fürstliche Rivalität und Schwäche der Regierung. Schwäche den Räubern gegenüber. Abhängigkeit von Rußland. Das Volk ist im allgemeinen ruhig; Redefreiheit. Seltenes Vorkommen des Geldes. Der wahre Perser ist unterdrückt. Die Dynastie der Kadscharen ist turkmenischen Ursprungs. Die Perser und ihr Charakter. Nahrung: Reis, Pilau, Kebab. Die Schafe der Perser mit den ungeheuren Schwänzen. Feldhühner. Yoghurt. Kaimak. Wohnungen. Reisen. Die Khane. Pferde, Maultiere, Esel, Kamele. Wie die Frauen reisen. Der Tschapar. Sicherheit bei der Reise in Persien.

Urmia liegt zwanzig Kilometer westlich von dem „Meer von Urmia“ in einer Höhe von ungefähr 1300 Metern. Die Stadt zählt ungefähr 32000 Einwohner, die der Mehrzahl noch Mohammedaner sind.

Urmia näher zu beschreiben ist überflüssig, da alle orientalische Städte sich gleichen; wo keine öffentlichen Bauten oder Baudenkmäler vorhanden sind, die das Interesse fesseln, ist die ganze Stadt nur ein Gemisch von schlecht gehaltenen Sträßchen, die mit hohen Mauern eingefaßt sind, hinter denen sich das ganze Leben abspielt.

Das Gebiet von Urmia erfreut sich mit Recht eines guten Rufes wegen seiner Fruchtbarkeit, da die Hauptbedingung derselben im Orient, das Wasser nämlich, in Menge vorhanden ist. Zu allen Zeiten haben die Persier ein außerordentliches Talent für die Bewässerung des Landes und die klügste Anwendung des im allgemeinen seltenen Wassers gezeigt. Indes scheint es, daß sie in der Umgebung der Stadt die kostspieligen unterirdischen Kanäle nicht zur Bewässerung anwenden, die man sonst antrifft; ohne Zweifel geschieht dies deshalb, weil wegen der genügenden Wassermenge keine Notwendigkeit dazu vorhanden ist.

Die Verteilung des Wassers geschieht durch einen besonderen Beamten, der Myr-Ab (zu deutsch: Großmeister des Wassers) genannt wird.

Dieser Beamte wird durch den Vorsteher des Ortes ernannt. Unter seiner Verwaltung steht der ganze Ort, wenn dieser wichtig genug ist, oder mehrere Weiler, die an demselben Wasserlaufe liegen. In dem Gebiete von Urmia ist der Verbrauch des Wassers bis zum Anfang des Monates Mai in das Belieben eines jeden gestellt; von da an aber bewässert der eine nach dem andern sein Land. Will einer außerhalb der Reihe sein Land bewässern, so verkauft ihm der Myr-Ab dieses Recht (d. h. für das überflüssige Wasser); dieser Verkauf darf aber nur gegen Vorzeigung einer vom Ortsvorsteher unterzeichneten Anweisung geschehen. Ohne Zweifel hängt auch bei einem solchen Geschäfte viel von der Übereinkunft ab. Zuweilen erwirbt auch ein ganzes Dorf von einem oberhalb gelegenen für eine bestimmte Zeit das Recht der Bewässerung.

In den Ortschaften mit gemischter Bevölkerung ist der Freitag, der Ruhetag der Mohammedaner, den Christen überlassen, während die Muselmanen am Sonntag ihr Land bewässern.

Das Land bringt viel schönes Gemüse hervor, und der elsässische Kohl würde neben dem von Urmia keine besondere Rolle spielen. Die ausgezeichneten Melonen werden in mehreren Arten gezogen. Eine der schmackhaftesten, der Germek, ist eine gelbe, die im Juni reif wird und sich bis zum Winter hält. Die Pasteke oder Kharpus (Wassermelone) erreicht zuweilen ein Gewicht von dreißig bis vierzig Pfund; sie reift im Sommer und hält sich das ganze Jahr hindurch. Der Geschmack ist nicht besonders angenehm, aber sie ist sehr erfrischend und gesund.

Der Schammam ist eine sehr kleine Melonenart, die zwar nicht eßbar ist, die aber wegen des köstlichen Wohlgeruchs halber angebaut wird. Ihr Name findet sich häufig in den persischen Dichtungen. Die Müßiggänger vertreiben sich die Zeit, indem sie den Duft des Schammams, der von einer Hand zur andern wandert, einatmen.

Gurken und Tomaten erreichen außerordentliche Größen. Mohn, Safran, Tabak, Baumwolle bilden wichtige Gegenstände für die Landwirtschaft. Das Öl wird hauptsächlich vom Wunderbaum, von Flachs und Raps gewonnen.

Das Getreide, das durch drei Arten vertreten ist, wird sehr schön. Hafer wird nicht angebaut, sondern durch Gerste ersetzt. Reis und Hirse spielen als Nahrungsmittel eine bedeutende Rolle.

Die Zucht der Seidenraupen ist für die Kultur des Maulbeerbaumes von großer Wichtigkeit geworden.

Platanen, Weiden, Pappeln, Mastixbäume (dieser besonders in dem Gebiet von Soldus), Mandelbäume und Kastanienbäume sind sehr verbreitet; aber keiner von diesen Bäumen wächst wild daselbst; dagegen findet sich die Galleiche wildwachsend in den Bergen.

Von Obstbäumen sind Aprikosenbäume, Granatbäume, Birnbäume, Apfelbäume, Quittenbäume, Pflaumenbäume und Pistazien nebst Brustbeerbäumen am meisten angepflanzt.

Urmia ist das klassische Land der getrockneten Weintrauben. In den Dörfern sahen wir überall ungeheure Mengen Weintrauben zum Trocknen aufgeschüttet. Die gewöhnlichen Weintrauben werden ohne besondere Umstände an der Sonne getrocknet. Aber für gewisse Arten tritt ein besonderes Verfahren ein, um denselben eine schönere Farbe zu geben. Diese läßt man längere Zeit mit der Asche von Weinreben oder gewissen Bergkräutern in Wasser kochen; die dadurch entstehende gelbe Flüssigkeit läßt man sich klären und gießt sie dann in einen neuen Kessel, wo sie ein zweites Mal zum Kochen erhitzt wird. In diese kochende Lösung taucht man nun die Trauben zum zweiten Mal aber nur einen Augenblick und breitet sie dann dünn aus, um sie an der Sonne zu trocknen. Dabei trägt man Sorge, daß alle ein gleiches Aussehen bekommen und bedeckt sie schließlich mit einer Mischung aus Erde und klein gehacktem Stroh.

Der Wein von Urmia ist wirklich vortrefflich; am meisten findet sich der weiße. Unglücklicherweise hält es sehr schwer, Wein zu bekommen, der älter als ein Jahr ist. Als Grund dafür geben die Eingeborenen zunächst die unzureichende Menge Wein an, die gezogen wird, dann aber auch die Schwierigkeiten, die sich dem Aufbewahren des Weines während der heißen Monate in den Häusern ohne Keller bieten. Diese Gründe haben zwar einige Berechtigung; aber der Hauptgrund liegt in dem unersättlichen Durste der Einwohner, die ohne Maß trinken, so lange der Vorrat eben reicht. Ist dieser aber endlich zur Neige gegangen, so trinken sie Branntwein, um „das durch die Bewässerung ungesund gewordene Wasser“ nicht trinken zu müssen. Dieser Branntwein ist ein ausgezeichnetes Getränk bei 35 Grad Wärme im Schatten!

Der allgemeine Gebrauch der Brennkuchen fügt selbstverständlich der Landwirtschaft durch das Entziehen des Düngers großen Nachteil zu; in der Umgebung der Städte sucht man sich durch den Gebrauch von Kompost, der aus verfaulten Pflanzen besteht, zu helfen. Diese werden sorgfältig gesammelt und dann mit Erde gemischt; nach zwei Jahren wird der Kompost dann in die Gärten gebracht. Ebenso wird die Asche als Düngmittel verwandt.

Ungeachtet aller seiner Reichtümer ist das Land dennoch arm.

Die erste Ursache dieses erbärmlichen Zustandes liegt in der Nachlässigkeit der Regierung, und dieses Laster selbst hat seinen Ursprung in den Grundlehren des Islams.

In alten Zeiten war Persien bevölkerter und auch fruchtbarer. Aber der jungfräuliche Boden ist in diesen Gegenden verschwunden; die jetzige Fruchtbarkeit ist nur ein durch den menschlichen Fleiß aufgehäufter Schatz. Eine Reihe von unglücklichen Kriegen und noch mehr eine Aufeinanderfolge schlechter Fürsten genügt, um ein Land zu entvölkern; in Persien wäre eine Entvölkerung aber gleichbedeutend mit einem Unfruchtbarwerden des Landes. Der europäische Einfluß auf die persische Regierung erstreckt sich nur auf oberflächliche Dinge, dringt aber nicht ein in die Lebensteile des gesamten Organismus, so daß alles nach der alten Manier gehandhabt wird.

Die Erhebung der Steuern geschieht durch gewissenlose Pächter. Die Steuereinnehmer werden gewöhnlich, namentlich in Kurdistan, von Soldaten des Schah begleitet. Diese quartieren sich in einem Dorfe ein und erheben dann, gleichsam als Kosten für Eintreibung der Steuern, die großartigsten Ansprüche. Dann beginnen nicht endenwollende Unterhandlungen. Während dieser Zeit erlauben sich die Steuereinnehmer und ihre Begleitung die willkürlichsten Handlungen und verzehren den Vorrat der armen Leute, die schließlich, um die Bande los zu werden, mehr bezahlen, als sie eigentlich verpflichtet sind.

Die Willkür ist dieselbe bei der Erhebung der herrschaftlichen Steuern. Mancher dieser Herren, die ich mit Namen anführen kann, erpreßt, um dem Schah 3000 Kran[1] abliefern zu können, von seinen Untergebenen deren wenigstens 10000. Die Ernteabgaben bieten auch Gelegenheit, die armen Leute auf unerhörte Weise zu belästigen. Oft muß das gedroschene Getreide wochenlang auf dem Felde bleiben, ehe der Einnehmer kommt, den Zehnten davon zu nehmen. Während dieser Zeit ist es auf das strengste verboten, auch nur das Geringste von dem Getreide wegzunehmen. Man kann leicht erraten, welche Unannehmlichkeiten damit für die armen Leute verbunden sind. Die Kopfsteuer besteht in einer Abgabe von ungefähr fünf Kran für jeden und in der Leistung von drei Tagen Frondienst.

Die königlichen Beamten werden nicht mit klingender Münze bezahlt, sondern mit Anweisungen auf die Provinzen. Unter diesen Anweisungen beziehen sich einige auf das Land, andere auf die Rechnungen der Dörfer oder der Bezirke. Die königlichen Verwalter stellen die Steuerbeträge für jedes Dorf und jede Art der Steuern fest, indem sie für jeden Gegenstand eine besondere Aufstellung in zwei Exemplaren anfertigen. Diese Aufstellungen werden endgültig festgesetzt durch die Reys oder Bürgermeister der Orte und von ihnen und den angesehensten Einwohnern unterschrieben, worauf sie sodann zur Rechnungskammer gesandt werden. Hier kommen sie wieder heraus als wirkliche Anweisungen, die an den Vorzeiger zu bezahlen sind. Den Inhabern liegt nun die Sorge ob, sich die angewiesene Summe von dem betreffenden Dorfe zu verschaffen. Was über das Einkommen der Beamten hinausgeht, wird an die königliche Schatzkammer abgeführt. Es ist leicht begreiflich, zu welch unerhörten Mißbräuchen ein solches System Veranlassung geben muß, wo jeder Beamte, mit seinem Billet ausgerüstet, sich selbst bezahlt machen muß. Es steht ihm völlig frei, zu seinem Einkommen noch mehr von den armen Leuten zu erpressen; denn weil jeder in der ganzen Stufenleiter der Verwaltung nach Möglichkeit viel zu erpressen sucht, kann keine Reklamation etwas helfen, sondern wird spurlos durch die gleichartigen Interessen der Beamten unterdrückt.

Ich glaube, daß dieses System, wie es schon Chardin (Band V. Kapt. 8) schildert, heute noch ohne nennenswerte Änderungen im Schwunge ist. Ich hatte Gelegenheit, diese Stelle einem Unterthan Sr. Majestät des Schah vorzulesen, der nichts an der Schilderung zu tadeln fand.

Die Unbeständigkeit der Verwaltungsbeamten, der vollständige Mangel jedweder Regierungstradition sind in erster Linie die Hauptquelle dieser angeführten Übelstände. Der höchste Beamte kann seinen Kopf verlieren oder doch wenigstens plötzlich ins Elend geschickt werden. Vor der Thronbesteigung wird der Schah gewöhnlich von seinem Vorgänger argwöhnisch bewacht, von den Regierungsangelegenheiten fern gehalten und ihm so keine Gelegenheit geboten, sich genügende Kenntnisse für seinen Beruf anzueignen. Ist er nun aber Herrscher geworden, so wird er leider seinen Lieblingsweibern zu sehr überlassen, deren zerbrechliches Glück stets eine Reihe von Ernennungen neuer Beamten im Gefolge hat. Oft genug haben diese neuen Beamten kein anderes Verdienst aufzuweisen als das, daß sie mit der Favoritin verwandt sind. Fällt die Favoritin in Ungnade, so verlieren diese Beamten ihre Stellungen ohne jedwede Entschädigung. Jeder sucht nun von seiner Glückszeit, deren Dauer oft sehr beschränkt ist, wenigstens so viel Gewinn zu ziehen, daß er sich ein Vermögen zusammenscharrt. Diese Sorge erklärt auch zugleich den Eifer, mit dem die Beamten überall, wo es geht, Trinkgelder zu erpressen suchen. Unsere Hindernisse bei dem Zollamt in Choï waren, wie schon erwähnt, derselben Art. Die hohen Beamten verkaufen alle Ämter; ein Sohn des Schah, der zur Zeit Kriegsminister war, trieb den Handel so weit, daß er die Stellen in der Armee an den Meistbietenden öffentlich verkaufte.

So geht es in gewöhnlichen Zeitläufen. Aber die Söhne des Schah, die von seinen verschiedenen Frauen und Kebsweibern herstammen, bilden ein neues Element der Zersetzung. Da ein jeder von ihnen hofft, entweder zum Throne oder doch zu einer einflußreichen Stellung zu gelangen, so benützen sie ihre Stellungen, um sich um jeden Preis einen großen Anhang zu verschaffen; daher kommt es auch, daß bei dem Tode des Schah die Thronfolge gewöhnlich erst durch blutige Kämpfe errungen werden muß. Das alte System, das darin bestand, die Prinzen der königlichen Familie beiseite zu schaffen, war zwar barbarisch, hatte aber für das Land doch eine praktische Seite.

Man merkt bald, daß kein bestimmter Grundsatz außer dem der Bereicherung die Verwaltung leitet. Jeder Beamte ist in irgend einer Weise in sein Amt eingedrungen ohne jede Vorbereitung, bloß durch Gunst. Von ernsthaften Verbesserungen im Lande kann deshalb gar keine Rede sein. Die schönsten Vorschläge überleben selten den, der sie entworfen hat, wenn man annehmen will, was aber selten zutrifft, daß sie im Ernste gemacht wurden und nicht, um im trüben zu fischen.

Nichts ist besser im stande die Schwäche der Regierung zu zeigen, als ihr Verhalten den Räubern gegenüber.

Ein kurdischer Brigant, Hasso, Anführer einer gut organisierten Räuberbande, hat vor einigen Jahren dem ganzen Gebiete von Urmia Brandschatzungen auferlegt. Die neunzehn Kanonen von Urmia waren in Kriegsbereitschaft, die ganze Armee von Aderbeidschan rückte vor; Hasso machte sich darüber lustig. Während seine Gesellen die Truppen des Schah schlugen, kam er ruhig nach Urmia, um seine Einkäufe zu machen. Als die persische Regierung des Kampfes müde war, gab sie diesem Hasso mit seiner gnädigen Einwilligung den Titel eines Oberst und eine jährliche Pension von 11000 Kran.

Kurze Zeit nachher verheerte ein anderer kurdischer Anführer, Scheikh Mohammed Abdullah[2] das ganze Gebiet von Urmia mit Feuer und Schwert und belagerte die Stadt. Mit ein wenig mehr Entschlossenheit wäre er Herr der Stadt geworden. Niemand war zum Widerstand vorbereitet und die Mutlosigkeit sehr groß. Ohne das mutige Vorgehen des Apostolischen Delegierten Clusel wäre die Stadt verloren gewesen. Aber Mohammedaner und Christen achteten den Delegierten wegen seiner Tugenden und seines Charakters so hoch, daß es ihm gelang, ihren Mut zu beleben, den Widerstand zu organisieren, wodurch den Truppen des Schah zur Ankunft Zeit genug zur Verfügung stand. Der Schah belohnte das Vorgehen Clusels, indem er ihn mit aller möglichen Pracht nach Teheran, der Residenz, schickte, worin bekanntlich die höchste persische Auszeichnung besteht.

Dergestalt ist die Schwäche der Regierung im Innern. Nach außen ist die politische Situation Persiens, aufgereizt durch die gegenteiligen Einflüsse Englands und Rußlands, sehr schwierig. Da England weiter entfernt ist als Rußland, ist es auch weniger zu fürchten. Gelingt es England aber, sich irgend ein Privilegium zu verschaffen, so zeigt gleich der russische Bär seine Tatzen, so daß es ihm gelingt, sich noch ein größeres anzueignen.

Zu der Zeit, als wir in Persien waren, war es England gelungen, den Karunfluß durch eine englische Schiffahrtgesellschaft befahren zu lassen. Darüber geriet Rußland in Zorn. Als 1889 der Schah den Zaren besuchte, wurde er wie ein Knecht empfangen, mit dem sein Herr unzufrieden ist. Das Ende vom Lied war, daß der Schah von dem Zaren gezwungen wurde, einen Vertrag zu unterzeichnen, wodurch Rußland der Besitz von Chorassan für die Zukunft zugesichert wurde. Wahrscheinlich hoffte Rußland auf Unruhen, die bei dem Tode Nafr-Eddins, der am 1. Mai 1896 durch die Kugel eines Meuchelmörders fiel, entstehen würden. Übrigens machen die Russen aus ihrem Vorhaben gar kein Geheimnis. Ein hoher Beamte sagte uns: „Wir müssen Chorassan haben als Operationszentrum gegen Indien; deshalb haben wir auch die Transkaspische Eisenbahn gegen die Grenze dieser Provinz hin gebaut; in vier Jahren werden wir Chorassan in Besitz nehmen.“ Im November 1890 wußten die Zeitungen zu melden, daß Rußland sich die Erlaubnis zu verschaffen gewußt habe, eine Eisenbahn von Rescht nach Teheran zu bauen. „Der Schah“, sagte uns derselbe Beamte, „ist nur noch ein Lieutenant des Zaren.“

Ungeachtet aller dieser Mißbrauche und trotz aller Schwächen der Regierung ist das Volk im allgemeinen ruhig. Eine lange Erfahrung hat ihm die Kenntnis verschafft, daß es nur seinen Tyrannen wechselt, wenn es unter eine andere Herrschaft kommt. Von dieser Seite hat die Regierung also nichts zu fürchten, weshalb sie sich auch um die Kritiken ihrer Thätigkeit nicht weiter kümmert. In den Kaffeehäusern werden alle möglichen Nachrichten verbreitet, und die Politiker beurteilen die Regierung mit dem größten Freimute. Vorausgesetzt, daß die Unterthanen sich ruhig ihre Steuern abzwicken lassen. kümmert sich die Regierung wenig um dieselben.

Das bare Geld ist selten, namentlich auf dem Lande. Der meiste Handel ist Tauschhandel, der durch die bekannte Zahlungsunfähigkeit hervorgerufen ist. Das wenige Bargeld geht nun auch noch ins Ausland, um die von dort eingeführten Waren zu bezahlen, da die Einfuhr die Ausfuhr bedeutend überwiegt.

Nun zu den Geldverleihern. Die Seltenheit des Bargeldes und die Unbeständigkeit der Bedingungen gestatten diesen Leuten, außerordentliche Zinsfüße zu verlangen. In dem Handel schwankt der Zinsfuß von 12 bis 24 Prozent, und über diese Bedingungen weiß kaum einer etwas zu sagen. Der eigentliche Wucher nach persischen Begriffen fängt erst bei dieser Grenze an und schwankt zwischen 24 und 60 Prozent, ohne die Zinseszinsen zu umfassen, die für sich allein mit größter Genauigkeit berechnet werden.

Wir haben kaum etwas von den eigentlichen Persern erzählt. In Aderbeidschan giebt es ihrer wenige, da die Einwohner mehr ein Mischvolk von Kurden, Türken, Chaldäern und Armeniern sind, wie ja auch die türkische Sprache daselbst mehr verbreitet ist als die persische. Man kann sagen, daß das persische Element im allgemeinen unterdrückt ist. Die Dynastie der Aftkaren (Nadir-Schah) wie auch die jetzt regierende Dynastie der Kadscharen sind turkmenischen Ursprunges; aber die persische Zivilisation hat diese fremden Elemente durchdrungen, obgleich die echten Perser nur in Farsistan wohnen.

Übrigens muß man sich an das gewöhnliche Volk halten, wenn man von einer bestimmten Rasse sprechen will. Die vornehmen und noch mehr die souveränen Häuser verlieren schnell ihre Rasse durch die Heiraten mit andern Stämmen. Da die Georgierinnen lange Zeit für die schönsten Sklavinnen gegolten haben, so findet sich kaum eine einzige fürstliche Familie, die kein georgisches Blut besitzt. Die Perser, wenn man diesen Ausdruck als gleichbedeutend mit den mohammedanischen Bewohnern Persiens nimmt, sind im allgemeinen tapfer und lebhaft und zeichnen sich durch eine fruchtbare Phantasie aus; sie sind wollüstig bis zum Übermaß, und die Ehe ist bei ihnen ein ziemlich verfallenes Institut.

Selbstverständlich sind sie Fatalisten, wenn auch nicht in dem Maße wie die Türken; aber der Aberglaube ist noch sehr groß bei ihnen, und die Sterndeuter genießen bei ihnen das höchste Ansehen. Sie sind sehr verschwenderisch, und zu derselben Zeit verstehen sie auch gut zu heucheln und zu betrügen; kurz, jedes Mittel ist ihnen recht zur Befriedigung ihres Luxus. Wenn sie eine Sache wünschen und sei es von den größten Herren, verlegen sie sich auf die eindringlichsten Schmeicheleien; haben sie die Sache aber erhalten, so würdigen sie den Geber keines Blickes mehr, vorausgesetzt, daß ihnen bekannt ist, daß er nichts Begehrenswertes mehr für sie hat. Es leuchtet wohl ein, daß bei solchen Hehlern die Großmütigkeit nicht die starke Seite im persischen Charakter ist. Aber sie sind höflich und für die Fremden zugänglicher als die Türken. Betreffs der Nahrung muß man ihnen das Zeugnis ausstellen, daß sie sich mehr nach ihren religiösen Vorschriften richten als die Türken; ein echter Perser wird niemals mit einem Christen gemeinschaftlich speisen; hat er ihm eine Schüssel leihen müssen, so zerbricht er sie. Aber im allgemeinen kann man nicht sagen, daß Haß oder Verachtung gegen Andersgläubige mit diesen religiösen Vorschriften verbunden sind. Wenngleich die Perser auch höflich sind, so wäre es doch nicht ratsam, auf diese Höflichkeit zu große Stücke zu halten. Im Gegensatz zu der Türkei giebt es in Persien noch viele ererbte Höflichkeit.[3]

Die persische Bevölkerung teilt sich in eine seßhafte und umherziehende. Der nomadische Teil des Volkes ist der stärkere und tapfere; unter ihnen bilden die Kadscharen den wichtigsten Stamm. Die bedeutendsten Ämter gehören ihnen wie von Rechtswegen, da die gegenwärtige Dynastie aus diesem Stamm hervorgegangen ist. Die Aftkaren, die auch eine Dynastie, die des Nadir-Schah, hervorgebracht haben, wohnen hauptsächlich in Aderbeidschan.

Indessen ist die Trennung zwischen den seßhaften Persern und den Nomaden nicht streng durchgeführt, da Heiraten zwischen beiden Arten vorkommen. Wenn der Landmann sehr zurückgegangen ist, verläßt er sein Land und wird Nomade; hat er später Hoffnungen auf eine bessere Zukunft, so nimmt er seine Arbeiten wieder auf.

Die Künstler in Persien sind geschickt, aber mehr Gewohnheitsarbeiter. Sie stellen ganz reizende Sachen mit unglaublich schlechten Werkzeugen her; aber wenn sie einmal ein Modell fertig haben, so wird es auch unzählige Male reproduziert.

Über die Lebensweise der eigentlichen Perser können wir aus eigener Erfahrung wenig berichten, da wir meistens bei Christen, Chaldäern oder Armeniern, logierten.

Die gewöhnlichen Speisen in Persien sind, wenn sie nicht zu oft auf den Tisch kommen, ausgezeichnet. Die Hauptrolle spielt der Reis; die Kurden ersetzen ihn oft durch die Hirse, was jedoch in bessern Häusern nicht geschieht. Man bereitet den Reis auf mancherlei verschiedene Weisen, die sich aber im allgemeinen durch die Farbe oder einige dazu gehörende Gewürze unterscheiden.

Die meist verbreitete Art den Reis zuzubereiten, ist der Pilau, dieses so ausgezeichnete und berühmte Gericht der Orientalen. Für meinen Teil kann ich versichern, daß ich keine Speise kenne, die zu derselben Zeit so einfach, so angenehm und so gut ist als gerade der Pilau. Man kann dazu nur sehr guten Reis verwenden, wie wir ihn in Europa nicht oder doch nur höchst selten zu sehen gewöhnt sind. Zunächst wird der Reis abgebrüht, um ihn zu erweichen; darauf wäscht man ihn kräftig in kaltem Wasser und läßt ihn trocknen. Auf dem Boden des Topfes, worin der Reis gekocht werden soll, liegt Fleisch, gewöhnlich Hammelfleisch. Darauf kommt nun der Reis. Auf den Reis gießt man die nötige Butter, die vorher geschmolzen worden ist. Der Topf wird gehörig geschlossen und auf ein schwaches Feuer, gewöhnlich auf glühende Kohlen gesetzt. Nachdem das Kochen beendet ist, kommen je nach den Umständen noch verschiedene Zuthaten dazu: getrocknete Aprikosen u. s. w.

Das Kochen des Pilau ist eine sehr kritische Sache, so daß der Ruf eines Koches von dem Umstande abhängt, wie er mit der Bereitung des Pilau fertig wird; unser Gegu verstand dieses Geschäft ausgezeichnet.

In dem türkischen Armenien und besonders in dem Bassin des Tigris haben wir oft den Pilau durch den Burgul ersetzt gefunden. Der Burgul wird auf dieselbe Weise bereitet wie der Pilau, nur daß man statt des Reises gewöhnlich Getreide dazu verwendet. Dieses wird zuerst abgebrüht und dann durch Stöße mit einer Holzkeule in einem Mörser geschält. Der Kebab oder Rostbraten von Hammelfleisch begleitet gewöhnlich das Gericht. Das Fleisch wird in kleine Stücke geschnitten und dann mit dem Bratspieß durchbohrt und am Feuer gebraten. Zuweilen wird das bestimmte Stück Fleisch auch ganz geröstet; aber dieses Verfahren ist deshalb selten, weil das Fleisch dann gewöhnlich nicht ordentlich gebraten auf den Tisch kommt; während es an einigen Stellen bereits verkohlt ist, sind andere noch halb roh.

Sowohl in Persien wie in Armenien giebt es ausgezeichnete Schafe. Das Fleisch derselben ist köstlich, und das tägliche Genießen desselben bringt weniger Abneigung gegen dasselbe hervor, als es bei uns mit dem Rindfleisch geschieht. Diese Schafe zeichnen sich durch ihren außerordentlich großen Schwanz oder vielmehr durch den großen Fettklumpen aus, in dem der Schwanz endigt. Dieser Fettklumpen wiegt oft 10 bis 12 Kilogramm.

Das Feldhuhn ist ebenfalls sehr häufig und sein Fleisch sehr geschätzt. Vor unseren Feldhühnern zeichnet es sich durch seine Größe aus. Auch wird viel Hühnerfleisch im täglichen Leben verzehrt; aber es ist nicht so schmackhaft wie das unserer Hühner, weshalb man seiner auch bald überdrüssig wird.

Der Yoghurt ist ein aus saurer Milch bereitetes Nahrungsmittel. Zunächst wird die Milch gekocht, und dann wird ihr, so lange sie noch lauwarm ist, ein Gärungsstoff zugesetzt, wodurch sie gerinnt und einen säuerlichen Geschmack annimmt. Im Sommer ist dies eines der gesündesten Nahrungsmittel und in der ärmsten Hütte zu haben. Der Kaymak ist eine Art Käse, der aber zu viel wohlriechende Kräuter enthält, um als wohlschmeckend gelten zu können.

Die Wohnungen sind im allgemeinen sehr einfach. Die Umfassungsmauern sind gewöhnlich aus Stampferde, die Häuser selbst meistens aus ungebrannten Ziegelsteinen errichtet. Das Hauptmaterial besteht also aus Erde, die zu der Baustelle getragen wird; das Material wird an der ersten besten Stelle gegraben. Die Maurer fügen der Erde eine gewisse Menge zerkleinertes Stroh bei, um ihr eine größere Festigkeit zu geben und die Ziegelsteine am Zerbrechen zu hindern. Die Erde wird gehörig angefeuchtet und von den Maurern mit den Füßen getreten. Darauf wird die Erde in dünne, hölzerne Formen gefüllt, die ungefähr 21 Centimeter lang, 16 Centimeter breit und 6 Centimeter hoch sind. Ist die Form gefüllt, so glättet der Maurer mit der Hand die Oberfläche und taucht dann das Ganze in einen Kübel Wasser. In diesem Wasser befindet sich zerkleinertes Stroh, das sich dann an die Oberfläche des Ziegels ansetzt. Darauf wird die Form geleert, und der Ziegel kann an der Sonne etwas trocknen. Darnach werden sie in Reihen aufgestellt, der eine gegen den andern, um völlig zu trocknen.

In der Mitte Persiens werden die Häuser oben meist durch ein Gewölbe abgeschlossen; in Aderbeidschan besteht die Decke des Hauses gewöhnlich aus einer ebenen Fläche, die von einem Gebälk aus Pappelholz getragen wird. Auf dieses Gebälk kommt ein dichtes Flechtwerk zu liegen, das dann mit einer dicken Schicht Stampferde bedeckt wird.

Die Errichtung dieser Terrassen ist die heikelste Arbeit bei dem ganzen Bau; zunächst darf sie nicht zu schwer gemacht werden, dann darf sie aber auch nicht zu viel Hang haben, weil sonst der Seitendruck auf die nicht soliden Mauern zu groß würde, und endlich müssen sie aber doch so viel Neigung haben, daß das Wasser ablaufen kann. Bei jedem stärkeren Regen muß natürlich die Terrasse leiden; auch ist sie in Wirklichkeit wohl der einzige Teil der Wohnung, der sich einer Unterhaltung zu erfreuen hat. Um das Holzwerk vor der Zerstörung durch Insektenlarven zu schützen und andere kleinere Tiere von dem Eindringen in das Dach fernzuhalten, streut man Salz auf das Gebälk und zwischen die verschiedenen Lagen der Stampferde. Wie sich dieses Schutzmittel bewährt, konnten wir nicht feststellen, wohl sahen wir es häufig in Kurdistan und Persien anwenden.

Von den Schlosserarbeiten kann nichts erzählt werden, da dieselben in den persischen Häusern unbekannt sind. Die Thüren sind sämtlich aus Holz und drehen sich um einen Zapfen, der in zwei gemachten Einschnitten befestigt ist. Der eine dieser Einschnitte befindet sich in der Thürschwelle, der andere in der Oberschwelle. Zum Schließen dient ein Drücker, der zu einem hölzernen Schlosse paßt, das zuweilen sehr erfinderisch und mit großer Überlegung angebracht ist. Während elegante Decken das erwähnte Flechtwerk verdecken, finden sich diese plumpen Thüren in den schönsten Häusern; man kann kühn sagen, daß sie allgemein im Gebrauch sind.

Die Einrichtung der Fenster ist sehr einfach; viereckige Stücke Papier, das mit Öl gedrängt ist, ersetzen überall die Scheiben.

Was das Mobiliar betrifft, so ist es sehr einfach; der ganze Luxus besteht aus Teppichen. In den Empfangssälen befindet sich an der Wand eine einfache Bank, die ungefähr fünfzehn bis fünfundzwanzig Centimeter höher ist als der Boden. Diese ziemlich breite Bank ist mit Kissen und prächtigen Teppichen bedeckt. Die Perser haben die Gewohnheit, an der Thüre stets ihre Fußbekleidung abzulegen; auf diesen Sitzen kauern sie mit gekreuzten Beinen und bringen den größten Teil des Tages dort zu. Die Gewohnheit, die Schuhe an der Thüre auszuziehen, ermöglicht es, die Teppiche lange Zeit zu erhalten; so sahen wir z. B. in einem Hause einen Teppich aus Chorassan, der zweihundert Jahre alt war. Es schien, als ob mit der Zeit die Farben desselben nur noch schöner geworden wären. Die Wände sind nur gekälkt und haben als Schmuck nur eine Art von viereckigen Nischen aufzuweisen. Die „modernen“ Häuser fügen noch dazu als Zierde schreckliche Bilder in der Art unserer bekannten bunten Bilderbogen. Die Rauchtische und Kaffeeservicen sind dagegen durchweg elegant.

Vom Reisen ist der Perser im allgemeinen kein Freund; und nur aus geschäftlichen oder religiösen Rücksichten unternimmt er zuweilen eine Reise. Von Vergnügungsreisen, ja sogar von einem einfachen Spaziergang hat die Mehrheit des Volkes gar keine Vorstellung. In den bessern Kreisen bringen die Reisen des Schah eine andere Anschauung in diesem Punkte hervor, doch wahrscheinlich ohne besondern Nutzen; denn die Perser suchen durch ihren Aufenthalt in Europa gewöhnlich nichts weiter, als ihren angeborenen Lastern noch neue üble Gewohnheiten hinzuzufügen; gute Erfahrungen aber bringen sie gewöhnlich von einer solchen Reise nicht mit.

Früher war das Reisen in Persien bedeutend erleichtert durch das Netz der Karawanen und Khane, die Persien bedeckten. Diese Khane waren oft großartige Gebäude (zum Übernachten), die entweder der Schah oder Privatleute errichten ließen und die durch Stiftungen unterhalten wurden. Heute ist von diesen Einrichtungen kaum mehr eine Spur zu sehen.

Der Perser reist gewöhnlich zu Pferde, deren man recht gute in Persien findet. Die Pferde der Karawanen dagegen sind gewöhnlich schlechte Gänger. Die Perser lassen sie zu viel und auch zu früh arbeiten. Maultiere und Esel sind auch sehr verbreitet; ein eigentümlicher Gebrauch der Perser besteht darin, diesen Tieren die Nüstern zu spalten, um das Atmen zu erleichtern. Eines der gewöhnlichsten Rachestücke, die sich ein Perser erlaubt, besteht darin, dem Esel seines Feindes die Ohren abzuschneiden. Nach der Zahl der ohrlosen Esel zu schließen, die wir sahen, muß man annehmen, daß der Perser sehr zur Rache neigt.

Die Beförderung der Waren geschieht lediglich durch Kamele, und auch die Frauen benutzen dieses Transportmittel bei etwaigen Reisen. Da diese nach den religiösen Vorschriften in der strengsten Zurückgezogenheit reisen müssen, so schließt man sie dabei in eine Art Nische ein, die Kadschawas genannt werden. Ein jedes Kamel trägt zwei solcher Nischen, die sich gegenseitig das Gleichgewicht halten. Damen der bessern Stände bedienen sich des Luxus einer Sänfte, die getragen wird. Diese Sänften, die aber auch aufs sorgfältigste vergittert sind, werden von zwei Maultieren getragen. Vornehme Männer bedienen sich zuweilen bei ihren Reisen auch solcher Sänften, wenn sie fürchten, durch das Reiten zu sehr zu ermüden.

Eine Begegnung mit einer hohen Dame ist auf der Reise gewöhnlich eine sehr unangenehme Sache, besonders wenn diese Dame zu dem Harem des Schah gehört. Ein Kurier, der vor der Karawane herreitet, verkündet den „Kuiruk“, d. h. den Befehl, die Stellen, wo die Karawane vorbeikommt gänzlich zu räumen. Dieser Befehl muß schleunigst ausgeführt werden; früher hatten Leute, die nicht rasch genug verschwanden, von der Brutalität dieser Kuriere viel zu leiden, die mit Knütteln die Ausführung ihres Befehls ins Werk setzten.

Gewöhnlich reist man in Karawanen, indem man sich je nach dem Belieben Pferde käuft oder mietet; selbstverständlich ist es angenehmer. selbst eine Karawane zu bilden, als sich einer Gesellschaft von Kaufleuten anzuschließen. Ein Reisender, der Eile hat, kann die Postpferde benutzen und im „Tschapar“ reisen. Persien besitzt wirklich den großen Vorteil vor der Türkei, daß es ein viel besser organisiertes Postwesen als diese besitzt; mittels einer entsprechenden Abgabe ist es möglich, an jedem Posthause neugesattelte Pferde zu finden. Selbstverständlich ist es dabei, daß der Postmeister den Reisenden über die Entfernung zu täuschen sucht. Auch ist es ganz natürlich, daß er sich die erforderliche Anzahl Pferde auf die sparsamste Weise zu verschaffen sucht. Die königlichen Kuriere dagegen betreiben im großen Maßstabe das Requirieren der Pferde, wobei sie aber gewöhnlich das Zurückbesorgen derselben vergessen. – Für den Reisenden, der Eile hat und nicht viel Gepäck mit sich herumschleppt, hat das Reisen auf diese Weise Vorteile; demjenigen aber, der gerne etwas von Land und Leuten sehen möchte, ist es entschieden abzuraten.

Die Grenze ausgenommen, die oft von den Raubzügen der Kurden heimgesucht wird, ist das Reisen in Persien ziemlich gefahrlos. Ein deutscher Offizier, der längere Zeit in Persien gereist war und das ganze Land kannte, versicherte uns, daß ein Europäer, wenn er nicht gerade mit seinem Reichtume prahle und im Besitze einer guten Flinte sei, die ihm die nötige Achtung verschafft, von einem Ende Persiens bis zum entgegengesetzten reisen könne, ohne irgend einen räuberischen Überfall fürchten zu müssen.

Kurdischer Schild mit Patronentasche.

  1. Ein Kran soll ein Frank wert sein, gilt gewöhnlich aber nur 70–80 Centimes.
  2. Die Expedition Abdullahs reicht bis 1880 hinauf. Er bewohnte eine unzugängliche Gegend in dem Lande von Soldus, wo die Wege derart waren, daß nach dem Volksglauben zwei Mann eine ganze Armee aufhalten konnten. Statt einen Raubzug in Eile zu unternehmen, belagerte er Urmia zwei Monate; dadurch gewannen die Perser Zeit, ihn zu schlagen.
  3. Die Bezeichnung Mirza, die sehr häufig angewandt wird, bedeutet, wenn sie vor dem Namen steht, den Vorzug der Geburt, weshalb sie in dieser Weise auch nur bei hochgestellten Personen angewandt wird. Steht sie aber nach dem Namen, so bedeutet sie nur eine einfache Qualifikation, die gesetzeskundige Leute oder auch Schreiber besitzen.