Vom Kaukasus zum Persischen Meerbusen/Mosul. Die Stadt. Die Christen des Orientes. Die Mission der Dominikaner

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Dschesireh. Von Dschesireh nach Mosul Vom Kaukasus zum Persischen Meerbusen
von Paul Müller-Simonis
Khorsabad. Rabban-Hormis. Verschiedene Bemerkungen
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Einundzwanzigstes Kapitel.
Mosul. Die Stadt. Die Christen des Orients. Die Mission der Dominikaner.
Der Schnee in Mosul. Die Stadt. Der Nagel von Mosul; die Brücke. Historisches über Mosul. Wichtigkeit seiner geographischen Lage. Ruinen von Ninive; Kujundschik; Nebi-Junes; die Ausgrabungen. Mosul in sozialer Hinsicht; der französische Konsul; Geschichte eines öffentlichen Gartens; der Wali; Monseigneur Benham Benin und die assyrische Kirche. Die chaldäische Kirche und ihre Geschichte. Das Schisma. Mellus. Die Christen des Orients; ihre Fehler und die Entschuldigungen dafür; unsere Ungerechtigkeit; Charakter der orientalischen Kirchen. Rolle des Patriarchen. Die Dominikaner-Mission; ihre Geschichte. Die Buchdruckerkunst; das Seminar; Besuch beim Wali. Die Iwans. Das Weihnachtsfest.

Seit unserer Ankunft nahmen Besuche und Spaziergänge unsere Zeit so in Anspruch, daß wir von der großen Mission der Dominikaner, wo wir so gastlich aufgenommen wurden, fast gar nichts zu sehen bekamen.

Mosul ist für den Europäer eine Königin der Wüste, die letzte Etappe zwischen den abstoßenden kurdischen Bergen und den arabischen Ebenen; gewöhnlich denkt er dabei nur an Palmen, an eine glühende Sonne, an eine heiße, in der Sonne vibrierende Atmosphäre, während wir nur Schnee dort fanden ; bald wird die Sonne wieder siegreich ihre Rechte behaupten, und wenn der Sommer kommt, ist die Hitze schrecklich. Aber trotz alledem haben wir Mosul mit Schnee bedeckt gefunden.[1]

Die Stadt, zerfallen und zerrüttet wie alle Städte des Orients, hat indes doch noch immer ein königliches Aussehen behalten. Die letzten Ausläufer des Sindschar, die langsam am Tigris auslaufen, bilden ein natürliches Amphitheater, auf dem sich die Häuser Mosuls malerisch gruppieren. Der orientalischen Tradition getreu, haben die Bewohner Mosuls ihre Häuser dicht zusammen gedrängt und die Straßen eingeengt, als ob sie fürchten mußten, Raum zu verlieren; dennoch nimmt die Stadt nur die Hälfte des Raumes ein, den die Wälle einschließen.

Die befestigte Umwallung, die beinahe zehn Kilometer Umfang hat, ist heute halb ruiniert; sie läuft zunächst dem Flusse entlang, auf den nur einige Thüren münden; dann erhebt sie sich bis zur Spitze des Amphitheaters und endigt im Norden der Stadt auf dem befestigten Plateau, das dem von Dschesireh kommenden Reisenden zuerst Mosul ankündigt.

Skizze von Mosul und Ninive.

Dies Plateau trägt die Ruinen des Palastes Lulu II.;[2] die Ruinen sind an sich unbedeutend; aber nahe dabei, zwischen dem Palaste und der Stadt erhebt sich über dem Flusse eine kleine Moschee, die früher eine Kirche gewesen sein soll. Der Stil ist einfach und zierlich zugleich, und die Fassade enthält noch einige Reste einer Verzierung aus Fayence, deren blaue Farbentone von einer bewundernswerten Tiefe sind.[3]

Von der Höhe der Terrasse des Palastes umfaßt der Blick sehr deutlich die Ruinen von Ninive, die Ebene und darüber hinaus die kühnen Umrisse des Dschebel-Maklub.

Der Bazar Mosuls scheint weniger gut ausgerüstet als der von Wan; aber dafür ist er auch mehr orientalisch und frei von dem halbeuropäischen Anstrich, der dem in Wan das Malerische nimmt; man stößt und drängt sich nach Herzenslust darin herum.

Nahe bei dem Fluß haben die Lohgerber ein ganzes Viertel in Beschlag genommen. Obgleich es Winter war, machte sich hier doch noch ein durchdringender Geruch bemerkbar; hier halten die Leute diese Beschäftigung für sehr gesund und tragen oft ihre Kranken hierher, damit diese die Luft daselbst einatmen sollen.

Es muß jetzt der „Nagel“ Mosuls, seine Brücke, erwähnt werden.

Eines schönen Tages wurde in dem Rate der Hohen Pforte entschieden, daß Mosul an Stelle der Schiffbrücke, die bis dahin die Stadt mit dem linken Ufer verband, eine steinerne Brücke haben sollte. Man begab sich ans Werk, und da der Tigris sehr starkes Hochwasser hat, begann man die Brücke an einer Stelle zu erbauen, die gewöhnlich trocken ist und die nur bei Hochwasser überschwemmt wird.

Brücke von Mosul.

Der Bau schritt ohne Schwierigkeiten voran, und die Brücke, die bereits eine sehr schöne Größe erreicht hatte, schien ein würdiges Denkmal der verjüngten Türkei zu werden. Das Werk war bereits bis zu dem eigentlichen Bette des Tigris gediehen; da wurde plötzlich die Arbeit eingestellt. Anstatt die Brücke weiter zu bauen in das Wasser des Tigris, hingen die Ingenieure an den letzten Bogen der Brücke eine schiefe Ebene, die die alte Schiffbrücke mit der neuen, festen Brücke verbindet. Damit ist alles fertig; die Brücke steht da, das Geld dafür ist wahrscheinlich ausgegeben, und niemand spricht noch davon.

So hat Mosul also auf dem Festlande eine herrliche Brücke und auf dem Fluß eine gebrechliche Schiffbrücke. Jedermann wird diesen Zustand nur als echt türkisch bezeichnen können.

Man wird die Sache wohl dahin erklären können, daß die zu Extraausgaben vergeudeten Gelder in dem kritischen Moment gefehlt haben.

Nichts schließt diese Annahme aus; indes hat mir eine sehr ernste Persönlichkeit versichert, daß man die Absicht gehabt hätte, die Brücke nur bis zu dem Bett des Flusses zu bauen, da diese Brücke nur bei Hochwasser dem Verkehr dienen sollte. In diesem Falle kann ich aus der ganzen Anlage nicht klug werden, denn bei Hochwasser wird der Strom reißend, und die Schiffbrücke wird zur Vorsicht an das Ufer gefahren. Dadurch wird aber auch die steinerne Brücke unnötig und steht wie ein verlorenes Überbleibsel inmitten der Überschwemmung. Übrigens reicht sie nicht einmal bis zur Grenze des gewöhnlichen Hochwassers, und sehr oft wird sie von dem Hochwasser vollständig eingeschlossen. Sie dient nur in dem kurzen Zeitraum, wo man die Schiffbrücke wiederherstellt und der Tigris in sein gewöhnliches Bett zurückkehrt.

Es braucht wohl kaum hinzugefügt zu werden, daß die aus schönem Mauerwerk und Ziegelsteinen aufgeführte Brücke durchaus nicht im Stande gehalten wird; sie ist vielleicht zwanzig Jahre alt und droht schon einzustürzen.

Zu den Zugängen der Brücke drängen sich Karawanen von Kamelen und zahlreiche Herden Hammel. wenn zu den Stößen der einen und der dummen Bestürzung der andern sich noch die Verwickelungen beim Entrichten des Brückengeldes gesellen, ist das Durcheinander unbeschreiblich; so bald man die Brücke verläßt, tritt man in die Geschäfts, und Handwerkerviertel, wo sich um die Bazars die Wohnungen der Künstler häufen; stets bewegt sich hier eine dichtgedrängte Menge.

Höher hinauf sind die Straßen ruhiger; oft erscheinen sie wie ausgestorben, denn die Häuser, die die Straßen einfassen, bieten nur große Mauern, die von Zeit zu Zeit durch ein Fenster unterbrochen sind, das aber stets mit einem Muscharabi versehen ist. Es ist dies das aristokratische Viertel. Hier findet man auch Gärten, in denen heiße Quellen sprudeln; aber dies sind Heiligtümer und dem gewöhnlichen Volke zu betreten untersagt.

Die Häuser machen ihr trauriges Aussehen wieder durch eine gewisse Großartigkeit gut, die sie der Schönheit ihres Materials verdanken. Beinahe alle sind aus „Mamor von Mosul“ erbaut. Dieser Marmor oder vielmehr Alabaster wird in den Steinbrüchen des Dschebel-Maklub gefunden. leider widersteht er dem Einflusse der Witterung nicht lange.

In geschichtlicher Hinsicht kann Mosul als eine Vorstadt von Ninive betrachtet werden und reicht bis in dieselbe Zeit wie auch diese Brigantenstadt und hat mit ihr auch wahrscheinlich die Zerstörung teilen müssen. Als besondere Stadt gilt Mosul erst seit jüngerer Zeit, da man ihrer zum ersten Mal unter der mohammedanischen Herrschaft Erwähnung thut. Dennoch muß sie älteren Datums sein; denn die geographischen Bedingungen, die so viel beigetragen haben, um der Hauptstadt der Assyrer zu einer so großen Blüte zu verhelfen, machen das Vorhandensein einer Stadt in der Nähe des alten Ninive zur Notwendigkeit. Der natürliche Weg, der von dem Mittelländischen Meere zum Euphrat führt, indem er die Wüste umgeht und dann an der südlichen Basis der Vorberge von Kurdistan vorbeigeht, erreicht den Tigris bei Mosul oder doch in der Nähe der Stadt und richtet sich dann nach Sagros, um das Plateau von Iran auf „dem königlichen Wege“ zu erreichen; sogar um von Haleb nach Baghdad zu reisen, nehmen die Karawanen den Weg über Mosul, um das von den räuberischen Wüstenvölkern besetzte Wüstengebiet zu vermeiden.[4]

Auch ist Mosul die einzige bedeutende Stadt an dem mittleren Laufe des Tigris.

Sie hatte ihre Glanzperiode unter dem seldschukidischen Fürsten Malek Schah, der von 1073 bis 1093 regierte; dieser wählte die Stadt als Operationsbasis bei seinen Kämpfen gegen Baghdad, das damals noch der Herrschaft der Abbasiden unterworfen war. Nachdem Mosul die Hauptstadt eines unabhängigen Königreiches geworden war, hatte die Stadt zweimal die Angriffe des Sultans Saladins (1182 und 1185) zu erdulden.

Als die Horden Hulagus in jene Gegenden einfielen, verstand es der Sultan Lulu, die Gunst des Eroberers zu erwerben, so daß er nicht sehr von ihm belästigt wurde; aber sein Sohn Malek Saleh, der sich 1261 gegen den schrecklichen Mogul empörte, verlor dadurch Königreich und Leben; Mosul wurde eingenommen, geplündert und niedergebrannt (1261).[5] Im 16. Jahrhunderte bemächtigten sich die Ottomanen der Stadt; im Anfange des 17. Jahrhunderts besetzten es die Iranier plötzlich, aber Murad IV. eroberte es wieder zurück. Im Anfange des vorigen Jahrhunderts mußte Mosul noch eine schreckliche Belagerung unter Nadir Schah aushalten (1743).

Ninive (Kujundschik), von der Moschee des Sultans Lulu gesehen.

Durch diese politischen Ereignisse hat Mosul seinen alten Glanz und seine Bedeutung in industrieller Hinsicht eingebüßt. Statt wie in den Zeiten der Khalifen und der Sultane den Musselin – ein Gewebe aus Gold oder Seide[6] – auszuführen, kauft es jetzt fast alle seine Stoffe im Auslande. Aber eine Bedeutung hat es behalten, die es auch nicht verlieren kann, nämlich die einer natürlichen Handelsstation.[7]

Auch ist Mosul noch ein bedeutender Platz für die Viehzucht. Gewisse Einwohner Mosuls sollen bis 25000 Schafe besitzen; manche Handelsleute besitzen aber gewiß deren 14000 bis 15000. Die Herden in Mosul zählen wenigstens eine Million Schafe, man spricht freilich auch von zwei und sogar von drei Millionen. Während der feuchten Jahreszeit befinden sie sich in der Wüste, und während des Sommers im Gebirge. Ein ausgewachsenes Mutterschaf kostet durchschnittlich sechszehn Mark; in zwei Jahren hat es sich durch seine Wolle u. dgl. bezahlt gemacht. Die Viehzucht würde für den Orientalen eine Quelle großen Reichtums sein, wenn er nur nicht von der Hand in den Mund lebte und in guten Jahren sich für Unglücksfälle vorsehen würde. Der plötzliche Schneefall verursacht zuweilen unter den Schafen eine sehr große Sterblichkeit.

Mosul gegenüber erheben sich auf dem linken Ufer des Flusses zwei große Erdhaufen: der eine ist Kujundschik. der andere der von Nebi-Junes, der das gleichnamige Dorf trägt. Beide lehnen sich an eine lange Erhöhung aus Erde an, die eine feste Umwallung von ungefähr fünfzehn Kilometer im Umfange hat. Es liegen hier die Ruinen Ninives oder vielmehr das Leichentuch, das sie bedeckt. Die gebrannten Ziegel, welche die Bekleidung der Paläste bildete, sind eingestürzt; die ungebrannten Ziegel, aus denen die Mauern aufgeführt waren, haben sich unter dem Einfluß der Witterung zersetzt, bedecken die Marmorplatten, welche als Zimmerschmuck dienten, und haben die geflügelten Ungeheuer, die den Eingang verwehrten, begraben und schützen so das wenige, was den räuberischen Horden des Cyaxares und Nabopolassar im Jahre 625 vor Christus entgangen ist.[8]

Diese beiden Erdhaufen trugen die Paläste der assyrischen Könige. Kujundschik, das von Botta und noch mehr von Layard, Smith und Rassam durchforscht worden ist, hat kostbare Ausbeuten geliefert. Man hat hier einen Plan eines königlichen Palastes bloßgelegt, eine Menge Inschriften entdeckt und besonders die berühmte Bibliothek Assurbanibals. Aber der Schutthaufen von Kujundschik besteht aus einer ungeheuren Masse von Ziegeln und Erde, die auf mehr als 14 000 000 Tonnen geschätzt wird. Man müßte ungefähr die Hälfte dieser Masse entfernen, um den Palast, der sich auf einer künstlichen Terrasse von rauhen Ziegeln erhob, vollständig bloßzulegen. Bis jetzt hat man nur teilweise Ausgrabungen gemacht und dies auch noch ohne besondern Plan. Aber das, was man gefunden hat, läßt noch auf große Reichtümer schließen.

Heute zieht der Arbeiter seinen Schiebkarren über die Ruinen der Paläste Sennacheribs und Assurbanibals.

Ich habe an gewissen Stellen in den halbverschütteten Durchstichen der Ausgrabungen eine sehr merkwürdige Thatsache beobachtet, nämlich eine dünne Schicht von abgerundeten Kieselsteinen und anderm Gerölle, die sich inmitten der eingefallenen Erdmassen befand. Wie soll man aber dieses Vorkommen erklären? Eine Überschwemmung, die dieses verursacht haben könnte, mußte bei einer solchen Höhe – ungefähr zwanzig Meter über dem Niveau des Tigris – eine kleine Sündflut gewesen sein. Andrerseits kann man aber auch kaum annehmen, daß diese zerreibbare Schicht durch irgend einen launenhaften Einfall ihre Stelle bei der Erbauung er halten habe, und wenn man dieses auch noch durchgehen läßt, so läßt es sich aber auch schlecht erklären, daß die horizontale Lage bei dem Einstürzen nicht beschädigt worden ist. Ich glaube, daß man am sichersten als Grund dieser Erscheinung eine Überschwemmung, eine wahre Sündflut, annimmt. Auf diese Weise finden wir auch einen Anhaltspunkt für die große Überschwemmung, die einen Teil der Wälle Ninives zerstörte und die Stadt den medischen und babylonischen Eroberern auslieferte.

Eine armselige, viereckige Festung, ohne irgend eine Thür, nimmt den Gipfel des Schutthaufens Kujundschik ein; es ist dies das britische Museum, das ohne Zweifel im Innern leer ist, aber in sofern von Bedeutung ist, als es gleichsam die Besitzergreifung des Landes durch die Engländer andeutet.

Von der Höhe Kujundschiks aus bietet Mosul einen sehr schönen Anblick.

Das „Dorf des Propheten Jonas“ – Nebi-Junes, zu türkisch Yumes Peïgamber – liegt auf dem zweiten erwähnten Erdhaufen und hat seine Häuser um die Moschee gruppiert, wo der Prophet begraben liegt (?). Ohne Zweifel ist diese Moschee eine alte, armenische Kirche.

Nebi-Junes, von Mosul aus gesehen.

„Die Einwohner“, so erzählte Mgr. Croupperie, „zeigten mir eine dicke Steinplatte aus rötlichem Granit und sagten mir ganz ernsthaft: Auf diesen Stein wurde Jonas durch den Fisch. der ihn verschlungen hatte, wieder ausgespieen, und seit jener Zeit besitzt dieser Stein die Kraft, Rheumatismusfälle jeder Art zu heilen. Es genügt, bloß das kranke Glied mit dem Stein in Berührung zu bringen, und sofort befindet sich der Kranke wohler. Diese Gunst verdanken wir dem heiligen Propheten, dessen Asche wir besitzen. Ich sagte zu ihnen: Ihr besitzt hier einen großen Schatz, hütet ihn gut, worauf sie mir antworteten: Alle Einwohner dieses Ortes würden lieber sterben als dulden, daß man den Stein wegnehme. Von allem diesem ist so viel wahr, daß im vierten Jahrhundert von Schülern des hl. Antonius hier ein Kloster errichtet wurde. Die frommen Mönche errichteten in Mesopotamien und Assyrien solche Einrichtungen, wie sie in Ägypten gesehen hatten, und der Gründer gab dem Kloster den Namen Jonas zu Ehren des hl. Propheten, der hier als besonderer Patron verehrt wird“.[9]

Was das Grab des Propheten betrifft, so wird es eifersüchtig von den Mohammedanern bewacht. Der Kawaß des französischen Konsuls begleitete uns, und so gelang es uns, ohne Schwierigkeit zu dem Grabe zu kommen, das übrigens nichts Bemerkenswertes besitzt. Es besteht nur aus einem Sarkophage, der mit orientalischen Teppichen bedeckt und, wenn ich mich richtig erinnere, mit dem unvermeidlichen Turban, der auf einer Stange prangt, geschmückt ist, während zu seiner Seite riesige Kerzen stehen.

Bis jetzt hat man in dem Schutt von Nebi-Junes keine ernstliche Nachgrabungen angestellt. Man hätte das Dorf etwas weiter transportieren können, wie dies ja auch in Khorsabad geschehen ist, aber die Moschee darf nicht angerührt werden.

Die türkische Regierung wollte selbst die Ausgrabungen vornehmen. Man fand mehrere geflügelte Stiere und Basreliefs; kaum hatte man sie aber zu Tage gefördert, als man sie auch schon wieder mit Erde bedeckte, da der Transport mit einigen Schwierigkeiten verbunden war. In dem letzten Jahre wurden noch andere geflügelte Stiere entdeckt, die jedoch sofort von den Einwohnern in Stücke geschlagen wurden, um Gips daraus zu machen. An verschiedenen Stellen haben wir noch die Spuren dieses Vandalismus gesehen. Der eigene Vorteil führt die Leute dazu, denn diese Marmorkolosse liefern ausgezeichneten Gips; auch der mohammedanische Fanatismus treibt sie zum Zerstören dieser alten Götzenbilder, die mit den Vorschriften des Korans direkt im Widerspruch stehen.

Mehrere Personen haben die Engländer angeklagt, eine gewisse Anzahl Statuen, die sie nicht wegbringen konnten, zerbrochen zu haben; aber andere stellen dies in Abrede und sagen, daß die Engländer ihren Fund, der zu schwer war, um augenblicklich weggeschafft zu werden, einfach wieder von neuem vergraben haben – dies ist wohl eher anzunehmen, und wahrscheinlich haben die Engländer sich den Ort auch ganz genau gemerkt.

Die Wälle, die Brücke und die Schutthaufen von Ninive sind ungefähr das Einzige, was man in Mosul interessant nennen kann.

Aber in sozialer Hinsicht ist Mosul sehr interessant, da hier die verschiedenartigsten Elemente zu treffen sind. Zur Zeit unserer Anwesenheit war Europa nur offiziell daselbst vertreten durch den französischen Konsul Sioufi. Dieser ist in Haleb (oder Damas?) geboren und begleitete Abd-el-Kader als Dolmetscher nach Frankreich, da der Emir Napoleon III. einen Besuch machte. Bei dieser Gelegenheit wurde Sioufi als Franzose naturalisiert, und nicht lange darnach wurde er französischer Konsul. Da er selbst Orientale ist und als solcher über eine genaue Kenntnis des Landes und des Volkes verfügt, so ist er imstande, Frankreich schätzbare Dienste zu leisten. Er sowohl als auch seine Frau waren uns gegenüber sehr liebenswürdig.

Sioufi erbat für uns beim Wali eine Audienz und war so freundlich, als uns diese gewährt war, uns selbst zum Wali zu führen.

Um unserem Besuche das Gepräge einer gewissen Würde und Wichtigkeit zu geben, die ihm ja auch zukamen, organisierten wir eine kleine Kavalkade und erreichten dann den Konak. Dieser ist ein sehr großes Gebäude außerhalb der Wälle, ziemlich hoch über dem Flusse und – wie es eben nicht anders sein kann – sehr zerfallen. Die Verwaltung des Vilayets, eine Kaserne, kurz alles ist hier zusammengedrängt. Hier treibt sich eine kompakte Menge Bittsteller umher, in deren Mitte der arme und ewig hungrige türkische Beamte wandelt.

In diesem baumarmen Lande hatte ein Ingenieur den glücklichen Einfall gehabt, den großen Raum zwischen den Wällen und dem Konak in eine Promenade zu verwandeln. Eine Allee von Bäumen faßte den Weg ein, und bereits begann ein öffentlicher Garten zu entstehen. Aber die Bevölkerung war für eine solche Neuerung noch nicht reif; die Blumen hatten kaum Wurzeln geschlagen, als auch schon die eine nach der andern verschwand, um in einem Privatgarten einen bessern Boden zu finden. So lange der Ingenieur in Mosul blieb, wurden die Bäume der Allee verschont; aber nach seiner Abreise begann auch bei diesen die Plünderung. Es war den Einwohnern Mosuls doch bequemer, sich gratis wärmen zu können, als das Holz teuer zu bezahlen, das auf den Kelleks weither gebracht werden muß.

Der Wali Fahid Pascha ist schon alt. Er ist ein Mann der „Alten Türkei“, von unbedeutendem Ansehen. Er empfing uns ganz freundlich; aber da er kein französisches Wort versteht, so geschah die ganze Unterhaltung durch die Vermittlung des Konsuls.

Da der Oberst der Gendarmerie sich auch bei dem Wali befand, so lenkte Sioufi das Gespräch auf den oder die Zabtiehs, die uns von Mosul nach Baghdad begleiten sollten. Da wir die Reise auf dem Kellek machten, so mußte der Zabtieh zu Fuß zurückkehren, also eine Reise von zehn Tagen zu machen haben. Da ihm kein Pferd zur Verfügung stand, war die Sache nach der Aussage des Oberst durchaus unmöglich. Nach verschiedenen Unterredungen, die nicht zu dem gewünschten Ziele führten, brachte der Konsul endlich ein großes Argument vor und sagte: „Nun, Sie werden also keine Begleitung geben, aber dann müssen Sie Bürge sein für die Sicherheit der Reise und alle Verantwortung für jeden Zufall, der diese Herren trifft, übernehmen.“ Diese Garantie konnte aber nicht gegeben werden, denn vor kurzem war noch ein Kellek geplündert worden. Um nicht feige die Waffen zu strecken, verlangte der Oberst die Vezirsbriefe Hyvernats zu sehen. Er durchlas sie langsam, erklärte jedes Wort und erkannte dann schließlich, daß die Briefe uns zu Persönlichkeiten stempelten, die wohl einen Zabtieh verdienten.

Nachdem die Angelegenheit beendet war, lud uns der Wali zum Diner sofort nach der Sitzung ein. „Sie können es nicht gut abschlagen,“ sagte Sioufi zu uns, und so begaben wir uns denn in den Speisesaal und dachten, eine improvisierte Mahlzeit anzutreffen; aber wir hatten uns getäuscht, ein wirkliches Festmahl wartete unser. Aber weshalb wurden wir erst im letzten Augenblick eingeladen? Vielleicht ist dies eine Eigentümlichkeit der türkischen Sitten. Das Essen war reichlich und bestand aus wenigstens zehn Gängen, bald süß, bald salzig, aber alle sehr gut zubereitet. Da Fahid Pascha ein strenggläubiger Mohammedaner ist, kam kein Tropfen Wein auf den Tisch. Es war ganz anders als in Wan, wo Khalil Pascha alle Weinhändler des Bazars aufs Trockene setzt, wenn er ein Mahl giebt.

Die natürlich sehr schläfrige Unterhaltung ließ uns das Diner schrecklich lang erscheinen. Um Mittag entfernten wir uns, damit der Wali sein Gebet verrichten konnte.

Mgr. Benham Benni, der syrisch-katholische Bischof, ist eine der bedeutendsten Persönlichkeiten in Mosul. Er ist sehr gläubig und gebildet und dazu auch ein angenehmer Gesellschafter.

Es mögen hier einige Notizen über diese Kirche folgen, von deren Bischöfen er der ausgezeichneteste ist. Die Monophysiten,[10] Gegner des Konzils von Chalcedon, hatten sich besonders auf Betreiben des Jakobus Baradai als Sekte in Syrien gebildet und sich von der römischen Kirche getrennt, aber dennoch eine vollständige Hierarchie von dem Patriarchen von Antiochia bis zu den niederen Stufen beibehalten. Diese Gemeinden erhielten sich trotz der offiziell anerkannten Kirchen (kaiserliche, melchitische), und besonders seit der mohammedanischen Einwanderung erreichten sie zuweilen eine gewisse Blüte. Sie bestehen noch heute in einer ziemlich großen Gegend in Syrien, in dem Gebirgsmassiv des Masius und in dem mittleren und unteren Becken des Euphrat und Tigris.

Von dem Ende des 18. Jahrhunderts an kehrte eine große Zahl der Monophysiten zum wahren Glauben zurück und verband sich mit der römischen Kirche; von da an zerfallen die Syrer in zwei Gruppen: die jakobitischen Syrer oder Monophysiten und die katholischen Syrer. Der katholisch-syrische Patriarch[11] Mgr. Schelhot residiert in Haleb (bez. Mardin). Seiner Kirche scheint eine glänzende Zukunft bevorzustehen.

Die Beziehungen zwischen katholischen und jakobitischen Syrern sind zuweilen gespannt. Eine Angelegenheit zwischen den beiden Kirchengemeinschaften – die allerdings sehr türkisch ist – kann davon eine Probe liefern.

Eine der syrischen Kirchen in Mosul ist simultan und wird im Innern durch eine Mauer in zwei Teile zerlegt, deren einen die Jakobiten, den andern die Katholiken besitzen. Eines schönen Tages rissen die Jakobiten die Scheidewand nieder und bemächtigten sich der ganzen Kirche. Mgr. Benni ging nach Konstantinopel und dank der Art und Weise, wie sich die Jakobiten in den Besitz der Kirche gesetzt hatten, erlangte er einen Firman, der ihm die ganze Kirche zusprach. Kaum war er mit diesem nach Mosul zurückgekehrt, als auch die Jakobiten nach Konstantinopel gingen und daselbst einen Firman auswirkten, welcher dem der Kathotholiken völlig widerspricht, weshalb sie die Katholiken von neuem austrieben. Bischof Benni will diesen Firman, wie ich glaube, annullieren lassen; aber das Schauspiel wird noch längere Zeit dauern, denn jeder Firman wird durch Backhschichs erkauft, und die Minister haben ein Interesse daran, aus dieser Angelegenheit so viel Kapital als möglich zu schlagen.

Die zahlreichste christliche Gemeinschaft ist die chaldäische.[12]

Die chaldäische Kirche existierte schon gegen das Ende des zweiten Jahrhunderts. Sie hatte das Evangelium von Antiochia empfangen, und ihr Oberhaupt, der in Seleucia wohnte, wurde infolgedessen als ein Vasall des Patriarchen von Antiochia betrachtet. Es war im übrigen eine wirkliche Nationalkirche, die Kirche der Christen des Königsreichs Persien. Etwas geduldet von den parthischen Königen, wurde sie oft von den Sassaniden verfolgt. Die Beziehungen zu Antiochia wurden darum auch immer schwieriger. Als gegen das Ende des fünften Jahrhunderts die Nestorianer geächtet und aus dem römischen Kaiserreiche vertrieben wurden, flüchteten sie bis über die persische Grenze. Da die Beziehungen zwischen Seleucia und Antiochia gelockert waren, hielt es für die Nestorianer nicht schwer, ihre Lehre innerhalb der chaldäischen Kirche zu verbreiten, und der Nestorianismus kam dazu, gleichsam die Nationalreligion für die Christen des Sassanidenreiches zu werden.

Dieser Umstand, der eine religiöse Scheidewand zwischen ihnen und Rom bildete, sicherte ihnen gleichzeitig seitens der persischen Könige eine größere Duldung; diese günstige Wendung benutzten sie und gründeten überall Kirchen, sogar bis nach China hin, wovon man heute noch hier und da einige Spuren findet. Ihre Gründungen in Malabar haben sich bis in unsere Zeit erhalten.

Als die türkische Einwanderung den Thron der Sassaniden zerstörte, zeigten sich die Khalifen zunächst den Nestorianern günstig.[13]

Aber die Einmischung der Khalifen in die inneren Angelegenheiten der Kirche, die Simonie, wodurch das Patriarchat an den Meistbietenden verkauft wird, die schrecklichen Kriege, die jene Gegenden verwüsteten, führten bald den Verfall herbei. Die Nestorianer mußten die Ebenen von Mesopotamien verlassen und ihren Mittelpunkt in die unzugänglichen Teile der Gebirge verlegen.

Da die nestorianische Kirche materiell und moralisch von der katholischen Gemeinschaft getrennt und auf sich allein angewiesen ist, droht ihr der völlige Ruin. Es scheint, daß ihre Patriarchen[14] die Notwendigkeit einsehen, zur katholischen Gemeinschaft zurückzukehren; denn die seltenen europäischen Reisenden, die während des Mittelalters in diese Gegenden eindrangen, Plan-Carpin, Rubruquis, Marco Polo und einige Ordensleute kamen dazu, den Anfang einer Union zwischen den Nestorianern und Rom herzustellen. Der Katholikos Jaballah III. schickte im Jahre 1304 sein Glaubensbekenntnis nach Rom. Aber in dieser Periode riß in der nestorianischen Kirche ein Mißbrauch ein, der für dieselbe verderblich wurde. Die Patriarchenwürde wurde erblich und ging von dem Oheim auf den Neffen über, wurde sogar unter verschiedene Kinder und Unwürdige verteilt.[15] Im Jahre 1551 wollten die Nestorianer diesem Unfug ein Ende machen und erwählten einen Patriarchen, den sie auch nach Rom schickten, damit er dort die Weihe empfange. Der Erwählte, Johann Sulaka mit Namen, wurde bald von seinen Gegnern ermordet; seine Nachfolger waren zuerst der Union mit Rom günstig, fielen aber schließlich in das Schisma zurück, und einer von ihnen stellte die Erblichkeit der Würde wieder her. Dieser Familie gehört noch Mar Schimun, der Patriarch der Nestorianer an, der in Kotschannes bei Dschulamerik (auch „Giulamork“ geschrieben) in dem Thale des Zab wohnt.

Unterdessen gab Rom die aufgenommene Verbindung mit den Chaldäern nicht daran; aber die Anstrengungen führten selten zu dem gewünschten Erfolg, und man befand sich bald einer Reihe von Patriarchen, teils unierten, teils schismatischen gegenüber. Am Ende des letzten Jahrhunderts gab es dreierlei Arten Chaldäer: Die eine, repräsentiert durch den Patriarchen von Dschulamerik, war ganz nestorianisch und besteht noch heute,[16] die zweite, zuerst katholisch, wurde dann schismatisch, es war der Anhang des Elias; die letzte endlich, die Anhänger Josephs, war im Augenblick des Schismas Elias gegründet worden. Im Jahre 1781 wurde der letzte Nachfolger des Elias, Mar Hanna, katholisch, so daß es also zwei katholische Patriarchen gab. Als der Nachfolger Josephs, Joseph VI. 1830 starb, wurde Mar Hanna als alleiniger katholischer Patriarch bezeichnet; er starb 1838, und von da an hörte die Erblichkeit dieser Patriarchenwürde endgültig auf.[17] Der damalige Patriarch, Elias Abolianan, wohnte in Mosul.

Ich habe Gelegenheit gehabt von den Nestorianern in Bezug auf die Lazaristen-Mission in Urmia zu reden.

In der Umgegend von Mosul giebt es heute keine mehr. Aber die chaldäische Kirche hat in den letzten Jahren eine schlimme Krisis zu bestehen gehabt. Papst Pius IX. modifizierte durch die Bulle „Reversurus“ in einem zentralisierenden Sinne die Gebräuche bei der Ernennung der Bischöfe; diese Bulle rief in der armenischen Kirche das Schisma des Coupelian und in der chaldäischen Kirche das Schisma des Mellus hervor. Man hofft, daß der Heilige Stuhl diese Angelegenheit für die chaldäische Kirche in derselben Weise erledigen wird, wie er es für die armenische Kirche auch gethan hat.[18] Alle diese Schismen, alle diese Streitigkeiten werfen ein ungünstigesLicht auf die Orientalen, und wir sind nur zu sehr geneigt, dieselben deswegen zu verurteilen.

Wir Abendländer sind stolz auf unsere Zivilisation, stolz auf unsern Charakter und die durch die christlichen Institutionen eingeführte, auf die Freiheit gestützte würde in unseren Sitten. Dieser Stolz ist ja berechtigt, so lange er nicht ein Hochmut des Vergleichens wird. Leider vergleichen wir die Christen des Orients zu oft mit uns und sehen sie von oben herab an. Wir müssen uns an das Unrecht erinnern, das die orientalischen Kirchen schon vor der mohammedanischen Ära betroffen hat, wir müssen uns ihre alte Neigung zum Schisma und zur Häresie vergegenwärtigen, um die Orientalen von heute richtig beurteilen zu können. Gewöhnlich aber vergessen wir, daß seit den Zeiten des Khalifen Omar dreizehn Jahrhunderte lang eine schwere, niederdrückende Hand auf dem Orient gelastet hat; wir vergessen ferner, daß die Schlacht zwischen Tours und Poitiers (wo der fränkische Major domus Karl Martell 732 die Araber schlug) Europa vor dem Islam zum ersten Mal gerettet hat, und daß die Mauern Wiens (1683) auch den letzten Anstoß der asiatischen Horden abgewehrt haben, der ganze Orient dagegen die bestimmte Beute der Eroberer wurde. Diese hatten dort ein gelobtes Land gefunden, wo sie ihre Begehrlichkeit stillen konnten; von dort aus suchten sie Europa zu unterjochen, aber ihr Anlauf wurde zurückgeschlagen; sie waren nicht mehr die wilden Horden, die geradenwegs aus der Wüste kamen; so schrecklich sie auch noch immerhin waren, so hatten sie sich doch schon mehr an ein ruhiges Leben gewöhnt und ihre erste Energie eingebüßt. Der Mut der Franken hat den Sieg über sie auf dem Schlachtfelde davongetragen; aber dies ist gerade für den Orient der Grund des Ruins geworden, weil sich hier seine Unterjocher behaupten konnten. So wurde der Orient der Sklave und Weideplatz des Mohammedanismus, gleichsam der Preis für die Freiheit Europas.

Die arabischen oder türkischen Eroberer erkannten oft die Nützlichkeit und selbst die Notwendigkeit eines toleranten Verhaltens gegen die Christen. Mit diesem Gedanken hängt die offizielle Anerkennung verschiedener christlichen Kirchen und die ihren Häuptern bewilligte Machtvollkommenheit zusammen.[19] Aber in allen mohammedanischen Ländern ist ein großer Unterschied zwischen dem Gesetz und der Ausführung desselben. Übrigens schützte diese Anerkennung der christlichen Gemeinschaften die Christen sehr wenig und war nicht im stande, das Brandmal, das sie in den Augen der Türken tragen, zu verwischen. Bis zum Frieden von Tanzimat (1839) oder besser gesagt, bis zum Berliner Vertrag (1878) wurde nicht einmal das Zeugnis eines Christen beim Gerichte angenommen.

War ein Christ vor Gericht geladen, so mußte er sich mohammedanische Zeugen kaufen; dieser Zustand ist zwar in der Theorie geändert worden, aber in der Praxis hängt auch heute noch sehr viel von dem Urteil der Richter ab. Vor fünfzig fahren konnte kein Christ ein schönes Kleid auf der Straße tragen, ohne Gefahr zu laufen, daß der erste beste Muselman ihm befahl, die Kleider auszuziehen und sie ihm einzuhändigen; den Christen war es verboten, Seide zu tragen oder bis in das Innere einer Stadt zu reiten. Machte ein Christ einen Einkauf im Bazar, so war es ihm verboten, irgend einen Gegenstand anzurühren, um ihn näher zu untersuchen, denn jeder von einem Christen berührte Gegenstand galt als unrein und mußte von dem Christen gekauft werden. Man begreift, zu welch schändlicher Ausbeutung diese gesetzliche Ächtung der Christen führen mußte. Viele Gewerbe waren den Christen, wenn auch nicht durch Vorschriften, so doch durch die Praxis verboten. Alle Ämter waren ihnen verschlossen. Schlug ein Muselman einen Christen, so mußte dieser es geduldig leiden, da es dem Christen verboten war, einen Türken zu schlagen, wenn er nicht die Strafe des Handabhauens erdulden wollte.

Was die Sicherheit des Lebens oder des Eigentums betrifft, so haben die Blutbäder vom Libanon und noch deutlicher die von Bulgarien und die armenischen Greuelthaten vom Jahre 1895 dem erschrockenen Europa gezeigt, wohin der aufgeweckte Fanatismus führt.

Die Metzeleien vom Libanon haben Europa durch ihre außerordentliche Ausdehnung und die Nähe des Schauplatzes aufgerüttelt; der letzte russisch-türkische Krieg war die Antwort auf die Blutbäder von Bulgarien. Aber ähnliche Ausschreitungen waren in dem Innern des Reiches keine Seltenheit. Muhamed, Bey von Revanduz, überfiel 1841 das Gebiet von Mosul, brannte und metzelte alles nieder, was christlich hieß, und zerstörte von Grund auf das Kloster von Rabban-Hormis. Die Hohe Pforte war gezwungen, die Paschas von Diarbekr und Baghdad gegen Muhamed zu schicken; aber wurde dieser auch geschlagen, so geschah es nicht wegen der Verfolgung, sondern weil er ein ungehorsamer Vasall war; die Christen konnten keinen Vorteil daraus ziehen. Die Mehrzahl der Gefangenen des Bey wechselte durch die Unterwerfung desselben bloß den Herrn, von Freilassung war keine Rede.[20] Anmerkung des Übersetzers: Zur Untersuchung der traurigen Vorgänge, die sich Ende des vorigen und Anfangs dieses Jahres im Norden und Nordosten des Vilajets Aleppo ereigneten, insbesondere der Nachrichten über zwangsweise Bekehrungen zum Islam und Umwandlung christlicher Kirchen in Moscheen, wurde auf Anregung der englischen Botschaft eine türkische Untersuchungs-Kommission an Ort und Stelle gesendet. In Folge einer von allerhöchster türkischer Stelle ergangenen Einladung hat die englische Notschaft ihren Konsularbeamten G. K. Fitzmaurice zu dieser Untersuchungskommission delegiert. Letzterer ist nun vor kurzem wieder in Konstantinopel eingetroffen, und es wurden allen Botschaften gedruckte Kopien seiner Berichte über Biredschik vom 5., Urfa vom 16., Adiaman vom 25. und 26., Behensni vom 27. März und Aleppo vom 9. April übergeben. Gleichzeitig hat, wie bereits gemeldet wurde, die englische Botschaft bei der Pforte entsprechende Schritte bezüglich der zwangsweisen Bekehrungen zum Islam unternommen, welche Aktion auch von allen übrigen Botschaften unterstützt worden ist.

Aus den Berichten des Konsuls Fitzmaurice wären folgende Angaben hervorzuheben:

In Biredschik (Mohammedaner 1400, Christen 240 Häuser) mußten die Armenier Anfang Dezember alle Waffen abliefern. Am 1. Januar 1896 erfolgte der Sturm des Pöbels auf das christliche Viertel, wobei über 150 Armenier getödtet, über 60 verwundet, die Häuser geplündert und niedergebrannt und alle Kirchen entweiht wurden. Gegen Abend wendete sich der Pöbel gegen die Häuser, wo die verfolgten Armenier bei barmherzigen Türken Schutz gefunden hatten. Die Bande zog erst ab, als auf einem Dache eine Armenierin erschien und erklärte, daß alle ihre Glaubensgenossen freiwillig zum Islam übertreten. Die Armenier verwandelten hierauf ihre Kirche in eine „Hamidieh Moschee“, und etwa 1500 Armenier sind so auf diese Weise Mohammedaner geworden. Die Christen von Surudsch flohen nach Urfa, die von Ehnesck (70 Häuser), von Dschibin (50 Häuser) und Nisib (40 Häuser) sind auch zum Islam übergetreten. Der in Biredschik angerichtete Schaden wird auf 10000 LT geschätzt.

Das Blutbad in Adiaman (11000 Mohammedaner, 4000 Christen) begann am 7. November und dauerte 3 Tage. Es wurden 410 Personen, zumeist Männer, niedergemacht. Bei der Plünderung und Brandstiftung wurden 100 Häuser verwüstet, 70 niedergebrannt und die Kirchen der Gregorianer, Katholiken, Syrer und Protestanten entweiht. Der Schaden beziffert sich auf 70000 LT. In Severek, Vilajet Diarbekr, wurden am 2. November von den 1500 erwachsenen Christen 800 ermordet und das Christenviertel geplündert.

Am fürchterlichsten aber hat der Fanatismus in Urfa gewütet. Die dortige Bevölkerung besteht aus etwa 40000 Mohammedanern und 25000 Christen. Den Anlaß zu den beiden Massacres vom 28.–29. Oktober und 28.–29. Dezember 1895 boten einige Armenier, die sich durch ihre Erbitterung über die Nichteinführung der zugesagten Reformen zu revolutionären Handlungen hinreißen ließen. Infolgedessen wurden alle Armenier zu Verrätern gestempelt. Am 27. Oktober v. J. forderte der Armenier Boghos den Mohammedaner Ismail in dessen Hause auf Begleichung einer Rechnung. Dieser wies ihm die Thür und stach ihn Tags darauf in der Nähe der Hauptkirche auf offener Straße nieder. Der Mörder wurde verhaftet und auf die nächste Wache geführt. Nach türkischer Version sollen nun die Armenier die Wache angegriffen und Ismail tötlich verwundet haben. Die Armenier dagegen behaupten, die Zabtiehs hätten beabsichtigt, den Mörder entwischen zu lassen, worauf ihre Glaubensgenossen in das Wachthaus gedrungen seien und seine Abführung in den Konak verlangt hätten. Bei dem hierauf erfolgten Handgemenge sei nun Ismail verwundet worden und auf dem Transport zum Konak gestorben. Ein armenischer Arzt, der Bajonnetwunden konstatierte, wurde vom Gendarmeriemajor niedergeschossen, seine Leiche durch die Straße geschleift, in Stücke gehauen und in einen Graben geworfen. Am 28. Oktober erfolgte im Bazar ein Überfall des Pöbels auf die Armenier und später ein Angriff auf das armenische Viertel, der aber zurückgewiesen wurde. Die Mohammedaner verloren hierbei 4–5, die Armenier 27 Tote. Darauf wurden 700 armenische Läden und 190 Häuser vom Pöbel geplündert und in Asche gelegt. Nach diesen Vorfällen wurden alle außerhalb des armenischen Viertels angetroffenen Armenier niedergemacht, das armenische Viertel aber zwei Monate lang vom Pöbel geradezu belagert. Der armenische Bischof, der hierüber telegraphisch nach Konstantinopel berichten wollte, wurde verhaftet, am 29. Oktober kehrte der Mutessarif Hassan Pascha von einer Inspektion zurück und verlangte die Auslieferung von 1800 Martinigewehren, die sich in den Händen der Armenier befänden, zugleich kleidete er 1000 Mann als Reservisten ein und schickte sie zum „Schutze der Armenier“ in das bedrohte Viertel. Die Truppen erpreßten von den Armeniern bedeutende Summen. Auf ihre Mitteilung, daß nur diejenigen Armenier, die sich zum Islam bekehrten, dem Tode entgehen könnten, erfolgten Massenübertritte. Da die Behörden auf der Auslieferung der Waffen (1800 Martinigewehre und 100 Revolver) und von 10 Männern, denen die Hauptschuld am Tode Ismails beigemessen wurde, bestanden, wurden die bezeichneten Personen ausgeliefert und 1200 Stück Waffen, zu diesem Zweck meist erst angekauft, im Konak niedergelegt. Am 28. Dezember wurde der armenischen National-Versammlung in der Hauptkirche bedeutet, es sei nichts zu befürchten, alsbald darauf begann jedoch das große Blutbad. Am Morgen dieses Tages sah man Mohammedaner auf den Minarets und Frauen auf den Dächern und Basteien der Festung, wo sie auf das bevorstehende Schauspiel warteten. Auf ein gegebenes Signal begann nun eine beispiellose Schlächterei. Die unglücklichen Armenier wurden wie Schlachtvieh herbeigeschleppt und niedergemacht. Ein Scheikh schlachtete neben der protestantischen Kirche gegen 100 Armenier, die gefesselt auf dem Rücken lagen, unter Absingung von Koranversen, indem er ihnen wie Schafen nach dem Ritus von Mekka die Gurgel durchschnitt.

Unterdessen plünderte der Pöbel und steckte die Häuser in Brand. Der darauffolgende Sonntag überbot aber an Scheußlichkeiten alles Vorangegangene. Die große Hauptkirche, wo 3000 Armenier beider Geschlechter und aller Lebensalter Zuflucht gesucht hatten, wurde gestürmt und geplündert, alle Männer sofort ermordet, dann die Zugänge zu den Gallerien, wo Frauen und Kinder Zuflucht gesucht hatten, mit petroleumgetränktem Bettzeug u. s. w. verbarrikadiert und das Gotteshaus mit allen darin Befindlichen niedergebrannt. Noch zur Zeit des Aufenthaltes des englischen Delegierten (5. März) war der furchtbare Geruch des verkohlten und verwesten Menschenfleisches unerträglich. Mindestens 8000 Armenier kamen in den beiden Tagen um, darunter 126 Familien, von denen weder Frauen noch Säuglinge verschont blieben. Der angerichtete Schaden wird auf 150,000 bis 200,000 LT. geschätzt. Die Leichen der Opfer wurden in den drei dem Gemetzel folgenden Tagen von Israeliten meist bei Seite geschafft und verscharrt.

Behesni ist die einzige Ortschaft, die von Blutvergießen und Plünderungen verschont blieb, was hauptsächlich der Haltung der türkischen Notabeln unter der Führung Jakob Paschas zu danken ist. Ein kurdischer Angriff am 10. November wurde von diesen abgewehrt, türkische Truppen, die später zur Hilfe kamen, schlugen einen späteren Angriff mit Blutvergießen zurück.

Die Anzahl der Armenier, die unter den erwähnten Umständen zum Islam übergetreten sind, wird folgendermaßen beziffert: im Bezirk Biredschik 4300, in Urfa 500, in Sewerek 200, in Adiaman und Umgegend 900; insgesammt 5900. Ferner erfuhr Herr Fitzmaurice in Morasch, daß 200 armenische Familien im District Anderin und eine Menge in den Dörfen um Marasch den Glauben gewechselt haben. Da nach dem Scheri die Rückkehr vom Islam zum alten Glauben mit dem Tode zu bestrafen ist, so ist kaum daran zu denken, daß die Betreffenden sich inmitten einer fanatischen Bevölkerung, die den Behörden über den Kopf gewachsen ist, den furchtbaren Folgen eines solchen Schrittes aussetzen würden.

Schließlich ist zu bemerken, daß der Consul Fitzmaurice ausdrücklich hervorhebt, er habe Informationen aus armenischen Quellen nur dann verwendet, wenn solche durch türkische Aussagen bestätigt erschienen. Im ganzen sind gegen 65000 Personen ermordet, 2500 Städte und Dörfer verwüstet worden. (Vergl. auch die ähnlichen Vorgänge auf Kreta und in Konstantinopel.) Eine Schmach ist es jedenfalls, daß das christliche Europa solchen Greueln nicht für immer ein Ende macht. (Der Übersetzer.)

Während einer gewissen Zeit war es den Christen in Mosul verboten, zum Thore der Stadt hinauszugehen. Der Pascha hielt sie in der Stadt gefangen, weil er befürchtete, daß sie die Flucht ergriffen oder wegen der Bedrückung freiwillig auswanderten.

Im Jahre 1844 demolierten und plünderten die von ihren Mollahs (Priestern) aufgestachelten Mohammedaner von Mosul die Häuser der Missionare. Der französische Konsul, Botta mit Namen, wäre beinahe dabei getötet worden. Der Pater Valerga, der später Patriarch von Jerusalem wurde, empfing dabei einen Dolchstich.[21]

Die türkische Regierung hat allerdings in den letzten hundert Jahren zuweilen versucht, gegen diese Zustände vorzugehen; aber der Fanatismus auf der einen Seite und auf der andern Seite die unheilbare Schwäche der Regierung und der Mangel an Ausdauer haben die Reformen gewöhnlich aufgehalten. Jedesmal war ein großer Weg zurückgelegt worden; aber unter den Greisen findet man heutzutage noch viele, welche die schlimmsten Tage in jener Unterdrückungszeit durchgemacht haben.

Braucht man da zu erstaunen, daß man so häufig im Orient solchen Charakterzügen begegnet, an denen wir Anstoß nehmen? Oft wirft man den Christen des Orients Lügenhaftigkeit, Verstellung, Furcht und selbst Feigheit vor, sowie Unehrlichkeit in Geldsachen und Gewandtheit im Erfinden von Ausreden. Diese Fehler finden sich leider in allen Klassen der Gesellschaft; man findet den schlagendsten Beweis der Unehrlichkeit bei dieser oder jener Persönlichkeit, die leicht zu nennen ist, und die doch durch ihren Charakter und ihre Stellung über eine solche Gemeinheit erhaben sein sollte. Dieses ist wahr und auch zugleich traurig. Aber hier geht es wie eben überall; das Böse wird gesehen, und das Gute bleibt unbemerkt. Die schlechten Wandlungen greifen wir auf und gehen unachtsam vorbei an Persönlichkeiten, die feststehen in einer so ungünstigen Umgebung, und an manchem Leben von Ergebenheit und Jugend. Und dann muß noch einmal bemerkt werden, wenn die Verfolgung Martyrer macht und die Charaktere erhebt und veredelt, so bricht und erniedrigt das politische Regime dieselben, wenn es Prias bildet.

Der Orientale hat seit Jahrhunderten seine soziale Würde eingebüßt, seine persönliche Würde ist während Jahrhunderte mit Füßen getreten worden und ist dadurch geknickt und vermindert. Er wird sich vielleicht unter dem Einflusse der Freiheit wieder erheben, aber die seiner menschlichen Würde geschlagenen Wunden erfordern eine lange Zeit zur Heilung.

Diese sind auch am schwierigsten zu behandeln, und die Abendländer, welche sich damit beschäftigen, wissen dies auch ganz gut. Ich spreche nicht von denen, die der Religion den Fehdehandschuh hingeworfen haben und dem Oriente aufhelfen wollen, wie sie es auch im Occidente zu thun beabsichtigen! Diese wollen das Abendland in den Schmutz ziehen; welches Los werden sie dann dem Morgenlande bereiten?

Ich will von denen reden, die von der Religion begeistert werden – sei es, daß sie in der streng sozialen Richtung arbeiten: diese sind leider selten – sei es, daß sie sich besonders der religiösen Richtung widmen. Das größte Hindernis, das diesem abendländischen Arbeiter begegnet ist, auch zugleich das am wenigsten faßbare, da es psychologisch begründet ist: es ist der Hochmut.

Der Hochmut wagt sich an beide Parteien. Der Abendländer, wenn er nicht stets mit sich selbst kämpft, entgeht kaum dem Hochmut einer Vergleichung. Er fühlt seinen höheren Stand und ist gezwungen, sich zusammenzunehmen, um eben seine Überlegenheit nicht merken zu lassen; instinktiv identifiziert er die Zivilisation mit dem Abendlande. Er wird[WS 1] nicht sagen: ein zivilisirter Mensch muß so und so handeln, sondern er wird sagen: ein Europäer würde so handeln.

Dieser Hochmut findet sich wieder bei dem Orientalen unter der Form der Eitelkeit. Die Bedrückungen, deren er so viele erduldet hat, haben in ihm viele Charakterzüge eines Kindes entwickelt, und einer dieser besteht darin, der Anerkennung eines moralischen Übergewichts Trotz zu bieten; natürlich ist diese Eitelkeit zu gleicher Zeit eifersüchtig und reizbar. Der Orientale nimmt alle Belehrungen und Ratschläge an, aber unter der Bedingung, daß die Nächstenliebe ihm gleichsam zu gesteht, daß er die Belehrungen erraten hat, daß er statt des Schülers sozusagen der Lehrer ist, und daß man die Ratschläge gleichsam bei ihm sucht, anstatt sie ihm zu erteilen. Da man in derselben Zeit aber auch fest und energisch gegen den Orientalen sein muß, so wird jeder begreifen, daß eine solche Methode sehr viele Schwierigkeiten bietet. Aber – die Sache ist sehr bezeichnend – dieselben Schwierigkeiten und vielleicht noch größere, finden sich auch bei einem andern Volke, das trotz der unerhörten Macht der Ausdehnung seiner inneren Kräfte einem Volke in der Kindheit ähnlich gemacht wird, nämlich bei den Japanesen. Auch mit dem Japanesen ist nichts auszurichten, wenn man diesen psychologischen Merkwürdigkeiten, die eben hier erwähnt wurden, keine Rechnung trägt.

Der Orientale hat noch einen Fehler, der ebenfalls eine Folge der Unterdrückung ist, nämlich er versteht sich durchaus nicht auf die rechte Verwendung des Geldes. Leute, die gewöhnt sind nach Belieben geplündert zu werden, haben bloß zwei Manieren, mit Geld umzugehen: entweder sie vergraben es, oder sie geben es so rasch als möglich wieder aus. Diese beiden Gewohnheiten sind ihnen in das Blut übergegangen und finden sich sowohl in dem Privat- als auch in dem öffentlichen Leben.

Da wo ein Abendländer, der über ein kleines Kapital verfügt, irgend ein solides Werk errichtet, z. B. eine Kirche baut, kommt der Orientale, und wenn er eine fünfmal größere Summe besitzt, höchstens damit aus, um die Fundamente zu legen – einzig aus dem Grunde, weil er, sobald er das Geld in den Fingern hat, es auch vergeudet, um etwas Großes zu errichten, das er freilich nicht bis zur Vollendung bringt.

Der Orientale kommt aber nicht so weit; die Ursache dieses Kontrastes ist in seinen eigenen Fehlern zu suchen. Gar leicht ist er geneigt anzunehmen, daß die Abendländer bei dem bessern Gelingen ihrer Unternehmungen über ungezählte Reichtümer verfügen. Diese Art bildet eine Gefahr; denn oft, wo der Orientale sich in seiner Eitelkeit verletzt fühlt, zieht er sich nicht zurück, sondern hält mit dem Abendländer und wahrt noch immer den Schein der Freundschaft, wo doch das Band der Zuneigung und des Vertrauens zerrissen ist; es bleibt dann nur mehr das Band des Interesses, das aber sorgfältig verheimlicht wird, und der Orientale sieht dann in dem Europäer nur mehr seinen „Bankier“, von dem er irgend welchen Nutzen zu haben hofft. Hierin liegt auch die Erklärung für so manchen schmerzlichen Abfall; es ist das auch ein Grund des schlechten Standes der protestantischen amerikanischen Mission, denn diese verfügt über zu große Geldmittel.

Wir Katholiken tadeln zuweilen an den Orientalen, daß sie nicht katholisch genug sind; dieser Tadel, den wir nicht genauer angeben und begründen, macht uns aber oft ungerecht.

In dem Maße, wie sich die Kirche entwickelte, schufen die geographischen, ethnographischen und historischen Verhältnisse besondere Zusammenstellungen. Rom blieb das Zentrum und der Papst der oberste Hirte; aber man hatte z. B. das Patriarchat von Alexandrien mit seiner bestimmten Sphäre, das Patriarchat von Antiochien mit der seinigen. In den weiter entfernten Ländern hatte man Nationalkirchen, die durch ihre liturgische Sprache isoliert waren und die mit dem einen oder andern großen Zentrum verbunden wurden. Endlich kam noch das Patriarchat von Konstantinopel, dessen gesetzliche Gründung sehr zweifelhaft ist; von Anfang an war es ein Nebenbuhler Roms, bald ein gefährlicher Separatist, und zuletzt wurde es schismatisch.

Überall im Orient war die Evangelisation ein Werk der verschiedenen Zentren. Der Christ verkehrte nur mittelbar (durch diese Zentren) mit Rom. Der Ritus, die liturgische Sprache, die gewöhnliche kirchliche Verwaltung, alles trug einen besondern eigentümlichen Charakter. Waren die Christen darum weniger gute Katholiken? Gewiß nicht; aber dieser Stand der Dinge barg doch mancherlei Gefahren in sich.

Im Abendlande ging die Bekehrung dagegen von Rom aus;[22] diese lokalen Gruppierungen existierten entweder gar nicht, oder wo sie existierten, wie in der fränkischen Kirche, wurden sie beständig modifiziert. Da wo diese Gruppierungen, wie in Spanien, solid waren, war die liturgische Sprache dieselbe wie in Rom und der Ritus (einige Eigentümlichkeiten abgerechnet) derselbe wie in Rom. Man kannte aber im Oriente kein wirklich mächtiges Zentrum, das als Vermittler zwischen den einzelnen Partikularkirchen und Rom dienen konnte. Der Papst war zugleich Oberhaupt der Kirche und Patriarch des Abendlandes, kam also auf zweifache Weise mit den abendländischen Völkern in Berührung; für die Abendländer gab es nicht nur keine Differenzen zwischen ihren Patriarchen und dem Oberhaupt der Kirche, sondern auch die liturgische Sprache, die Geschichte, der Ritus waren überall dieselben. Es gab deshalb im Abendlande nur eine Anhänglichkeit, nämlich die an Rom.

Dieser Sachverhalt hat einen mächtigen Einfluß auf das religiöse Leben der Abendländer ausgeübt; nicht allein hat er den dogmatischen Wert der Union mit dem Zentrum erhalten, er hat auch auf die Lebenskraft und die Glaubensbegeisterung der Europäer mächtig einwirken müssen.

Kann man, wenn man der Sache auf den Grund geht, von den Orientalen dieselbe Wärme, dieselben Formen in dem Ausdruck ihres Katholizismus verlangen? Billig nicht; dies hieße die Rolle der historischen Faktoren unterdrücken, um alles von dem doppelten orientalischen Loyalismus niederzureißen. Es wäre dies aber auch nicht ratsam, weil dadurch eben etwas Unmögliches erstrebt würde. Daß dieser doppelte Loyalismus seine Gefahren hat und in der Kirchengeschichte manche schmerzliche Seite angefüllt hat, wird niemand leugnen können; aber diese Geschichte hat beinahe auf jeder Seite traurige Erscheinungen zu verzeichnen.

Einer der merkwürdigsten Charakterzüge dieser Nationalkirchen war der Widerstand den mohammedanischen Eroberern gegenüber. Wenn auch die meisten im Augenblick der Eroberung schismatisch waren, so wurde aber ihr religiöses Leben gleichsam national. Die Besorgnis, der Streit um ihre Existenz gruppierte bald alle Kräfte um den Katholikos, den Patriarchen. Dieser wurde den Eroberern gegen über eine bedeutende Persönlichkeit, gleichsam das Oberhaupt des Stammes; er repräsentierte seine Nation. Die Eroberer hatten allen Grund, ihn innerhalb einer gewissen Grenze zu verschonen und sich so durch seine Vermittlung die Unterwerfung der Nation zu sichern. Sieger und Besiegte hatten also gleiches Interesse daran, die Macht der Patriarchen zu vermehren. Auf diese Weise wurden die Patriarchen sowohl politische als auch religiöse Oberhäupter ihrer Nationen, so daß ihnen in dem innern, sozialen Leben ihrer Völker nichts entgeht. Heiraten, Testamente, selbst Verträge unterstehen ihrer Jurisdiktion. Dieses erklärt auch die Macht dieses nationalen Loyalismus, den der Orientale so eifersüchtig hütet.

Dieser Stand der Dinge hat auch wohlthätig auf die Schwäche der Patriarchen in Hinsicht auf das religiöse Gebiet eingewirkt. Da sie eine so bedeutende Rolle in den bürgerlichen Angelegenheiten spielten, so mußten sie auch notwendigerweise den Großen ihrer Nation Rechnung tragen. Diese aber hatten durchaus keine Absicht, sich alles Mögliche vorschreiben zu lassen, und so entstanden bei den Chaldäern die Saura und bei den Armeniern die Eretsphokhan, große Inquisitoren-Institute der Laien.

Wenn auch dieses Übergewicht der Laien bei den Katholiken verdrängt ist, so spielt es doch heute noch eine sehr große Rolle. In Mosul bezeichnet die Volksstimme zwei große chaldäische Familien, die durch ihre Rivalität das Aufhören des Schismas Mellus’ verhindert haben.

Der Reisende, der durch den Orient kommt, bemerkt bald ein gewisses Mißtrauen zwischen Morgen- und Abendländern. Oft ist dieses ein Produkt der verletzten Eitelkeit; ich habe bereits erwähnt, wie diese Reibung im Oriente selbst entsteht. Im Abendlande, in Rom, haben die Bureaux – selbst die der päpstlichen Verwaltung sind davon nicht ausgenommen – die Gewohnheit, die Personen, mit denen sie verkehren, nicht sonderlich zu behandeln. Ein lateinischer Bischof wird sich gewöhnlich nichts daraus machen; aber ein orientalischer Bischof ist leicht gekränkt, da er überall die Absicht wittert, daß er gedemütigt werden soll. Daß er dadurch leicht mißtrauisch werden muß, liegt auf der Hand.

Zudem hat der Orientale Rom gegenüber sehr leicht die Besorgnis wegen der Disziplin. Inbezug auf die Dogmen macht der Orientale wenig Schwierigkeiten; aber sobald eine Frage der Disziplin entsteht, erwacht sein alter Instinkt; sein nationaler Loyalismus wird beunruhigt, und er fürchtet Eingriffe. Der weite Weg, die Sprache, die Sitten halten ihn von Rom entfernt; leicht kann ein Mißverständnis entstehen, das nur zu oft traurige Folgen hat. Zudem suchen die protestantischen Missionare in dem Volke die Meinung zu verbreiten, daß Rom nur einen Zweck hat: nämlich bis zum Ende der Zeiten alles zu verschlingen, zu absorbieren und einförmig zu machen. Zu diesem Zwecke zitieren sie irgend einen Text oder irgend eine Idee des einen oder andern lateinischen Zeloten, der mit den Verhältnissen des Orients unbekannt war. Es genügt dies, um den Samen der Zwietracht zu säen, und gegenwärtig besteht eine der schwierigsten und zugleich der wichtigsten Angelegenheiten darin, den Orientalen von der Redlichkeit des Heiligen Stuhles zu überzeugen.

Um die Union zwischen dem Orient und Rom zu befestigen, haben die Päpste seit langer Zeit das Kollegium der Propaganda den jungen orientalischen Seminaristen geöffnet. Ich habe das Resultat dieser Methode sehr verschieden beurteilen gehört. Viele Orientalen kehren von Rom zurück, mit wahrer Anhänglichkeit an den Heiligen Stuhl erfüllt; viele andere scheinen aus ihrem Aufenthalte in Rom nur den Nutzen gezogen zu haben, daß sie Mittel und Wege kennen lernten, um später ihren Ehrgeiz befriedigen zu können; noch andere endlich fühlten sich in ihrer Eitelkeit durch den Kontrast zwischen der blühenden lateinischen Kirche und dem armseligen Zustand ihrer Kirche verletzt und kehrten voll eifersüchtigen Verdrusses in den Orient zurück und wurden bei der ersten Gelegenheit unverbesserliche Dissidenten. Sehr gut unterrichtete Personen haben sich deshalb auch schon die Frage vorgelegt, ob es nicht besser sei, wenn man die Orientalen in Rom zurückhielte, anstatt sie wieder in ihre Heimat zurückzusenden, und ob man nicht auf eine andere Weise dem Orient die wohlthaten der Erziehung und des Unterrichtes verschaffen könne.

In dieser Gedankenreihe bildete die Mission der Dominikaner in Mosul eines der größten Hilfsmittel, die den Christen dieser Gegenden zur Verfügung standen.

Die Dominikanerpatres von Mosul.

Nachdem dieselbe durch Benedict XIV. im Jahre 1760 gegründet worden war, wurde sie zunächst den italienischen Dominikanern anvertraut. Diese waren die ersten, die wirklich in das Herz dieser stolzen Bergvölker eindrangen. Pater Soldini wurde nach einer neunzehnjährigen Thätigkeit in Sakho im Jahre 1779 getödtet.

Pater Garzoni, der bekannteste unter diesen Missionaren, blieb achtundzwanzig Jahre in Ahmediyah und war der erste, der eine kurdische Grammatik veröffentlichte. Er starb 1792.

Die Mission erhielt sich und entfaltete sich inmitten von tausenderlei Verfolgungen. Im Jahre 1859 wurde sie offiziell der Dominikanerprovinz von Frankreich übertragen, und Pater Besson übernahm die Leitung. Von dieser Zeit an hat sie sich immer weiter entwickelt; heute zählt sie in Mosul selbst zehn Dominikaner geistliche.

P. Duval ist der Suverior des Klosters; – er ist das stattliche Bild eines Missionars, den zweiunddreißig Jahre angestrengter Arbeit vor der Zeit haben altern gemacht; aber sein Geist hat die Frische vollständig behalten, wie auch seinem Willen die Energie durchaus noch nicht mangelt. Er spricht das Arabische sehr gut und ist ein gründlicher Kenner des Orients.

Sein Stellvertreter, ein geborener Holländer und ehemaliger päpstlicher Zuave, P. Dumini, ist ganz Eifer und Feuer. Er leitet die Buchdruckerei, eine der bedeutendsten Einrichtungen der Mission.

Knabensonntagsschule der Mission von Mosul.

Den Schulen mangelte es an jedem klassischen Buche, ebenso besaßen auch die Kirchen fast keine liturgischen Bücher. Diese Lücke mußte ausgefüllt werden, und Mgr. Amanton, der Apostolische Delegierte von Mesopotamien, machte sich im Jahre 1860 mutig an die Arbeit. Es erforderte Wunder an Geduld, um die Buchdruckerei so weit zu bringen, wie sie heute ist. Die Pressen mußten nach einem besonderen Modell gearbeitet werden, damit sie für den Transport durch die Wüste ganz zerlegt werden konnten, und der Transport selbst kostete eine große Summe Geldes. Das Gießen der Typen bot große Schwierigkeiten; man entschloß sich aber kühn, es am Platze selbst zu besorgen; mehrere nebensächliche Maschinen wurden in Mosul selbst gebaut. Heute umfaßt das Institut ein vollständiges Atelier der Buchdruckerei, der Stereotypie, der Galvanoplastik, der Holzschneiderei und der Binderei.

Man kann hier Werke in arabischer, türkischer, chaldäischer, syrischer und französischer Sprache drucken.[23] Die Buchdruckerei hat schon sehr große Dienste geleistet.

Neben der Druckerei ist das bedeutendste Werk das syrisch-chaldäische Seminar.

Da die Gläubigen über eine große Strecke zerstreut und arm sind, so ist es den Bischöfen, die selbst kaum etwas zum Leben haben, nicht möglich, etwas für die Heranziehung der Priester zu thun. Wenn früher der Bischof einen Priester notwendig hatte, so wählte er sich dazu einen verheirateten Handwerker, der einen guten Ruf hatte. Dieser wurde einige Wochen im Messelesen unterwiesen, dann geweiht und darnach sich selbst überlassen. Da er weiter kein Einkommen hatte, mußte er sehen, wie er durchkam.[24] Dieses System war außerordentlich reformbedürftig. Das Seminar, in dem bei unserer Anwesenheit zweiunddreißig junge Leute ihre Studien machten, ist auf dem besten Wege, diese Reform vorzunehmen und hat bis jetzt außerordentlich befriedigende Resultate zu verzeichnen.

Der chaldaische Patriarch hat seinerseits in Mosul ein ausschließlich chaldäisches Seminar gegründet, eine Nachahmung des Seminars der Missionare; die Studien daselbst sind aber beschränkter.

Ich übergehe verschiedene andere Werke; wer sich dafür interessiert, findet weitere Mitteilungen in dem Bericht des P. Duval.

Eine Mission ist nicht vollständig ohne eine Kongregation von Ordensschwestern, die sich für andere aufopfern und durch ihr Beispiel zu den Herzen der Mitmenschen sprechen. Die Schwestern der Darstellung von Tours erfüllen dieses Werk in Mosul. Waisenhaus, Mädchenschule, Spital, Kleinkinderschule, Apotheke, das ist so einiges, was die Thätigkeit der Schwestern in Anspruch nimmt.

Während unseres Aufenthaltes in Mosul sahen wir die Schulen der Mission in ihrem schönsten Festtagsstaat. Der Wali kam zum Besuch. Dieser Besuch ist ein Ereignis. Der Wali ist ein strenger Mohammedaner, und als solcher verachtet er die Christen; deshalb hatte er auch noch nie die Mission betreten. Aber vor einiger Zeit hatte eine Intrigue beim Hofe des Sultans die Entlassung des Wali veranlaßt; der französische Konsul bemühte sich zu Gunsten des Wali, und die Entlassung wurde rückgängig gemacht. Da der Wali dieses Glück einem Christen verdankte, glaubte er wohl daran zu thun, wenn er den Christen durch diesen Besuch ein öffentliches Zeugnis seiner Achtung gab.

Er wurde durch die Musik der Mission empfangen und besuchte alles, Druckerei und Schulen. Die Knaben und Mädchen lasen ihm nach einander eine Glückwunschadresse vor.

Fahid Pascha spricht sonst gewöhnlich die arabische Sprache; aber da die türkische Sprache die Amtssprache ist, so mußte er sich dieser in seiner Antwort bedienen. Freilich spricht er das Türkische ziemlich schlecht, und Sioufi mußte jeden Satz übersetzen.

In der Kleinkinderschule waren die Kleinen mit den buntesten Sachen bekleidet; die Mädchenschule war in sehr malerischen Gruppen aufgestellt. Alle trugen ihre schönsten Kolliers von Kleinodien oder einfache, alte Münzen zu einer Kette aufgereiht, ihre schönsten Armbänder und Diademe; sie konnten sich nicht rühren, ohne ein Konzert zu veranstalten, dessen Harmonie ich besingen würde, wenn ich poetische Anlagen hätte, das ich aber in Ermangelung dieser Gabe ganz prosaisch als ein Geräusch von altem Eisen bezeichne.

Die Schwestern haben auf ihrem Hofe sehr schöne Iwans. Der Iwan ist eine große, nach dem Hofe zu offene Ausbuchtung, die meistens die Mitte der Gebäude in ihrer ganzen Höhe einnimmt. Gewöhnlich endet der Iwan in Spitzbogen. Er dient bei schönem Wetter als Salon. Der Alabaster von Mosul liefert zu billigem Preise schöne Platten zur Verzierung der Wände. Der alte Thronsaal im Palaste der Sassaniden in Kiesiphon war nichts anderes als der größte Iwan, der jemals existiert hat.

Ein Iwan.

Der Weihnachtstag ist hier der große Empfangstag. Der Diwan der Mission genügte nicht mehr, und der große Gang wurde in einen Salon verwandelt. wo sich die Besucher ohne Unterbrechung folgten. Zu Weihnachten wird kein Kaffee angeboten, sondern derselbe wird durch Zuckersachen ersetzt; aber die Probe davon ist hart; wenn der Abend kommt und man alle Bedingungen der Höflichkeit erfüllt hat, hat man sich auch sicher den Magen verdorben. Seit einiger Zeit macht man auch am 1. Januar Besuche, aber ohne Nachteil für die Weihnachtsbesuche.

  1. Während die Winter im Durchschnitt denen von Rom entsprechen (mittlere Temperatur 8.27° – aber die geringste Temperatur ist 6,78°), ist der Temperaturdurchschnitt im Sommer höher, als man ihn sonst an den meisten durch die große Hitze bekannten Orten antrifft (die mittlere Wärme beträgt 32.73°, in den heißen Monaten 35.67°; die größte Hitze 54.44°). Madras, Maracaïbo und Singapore haben als Wärmedurchschnitt im Sommer bloß 30° zu verzeichnen. Aboukeher erreicht 33,30° und Massouah 33.8°. Mosul bietet also wie Eriwan hinsichtlich des Klimas außerordentliche Abstände, wie sie sonst vielleicht nirgends vorkommen, während die mittlere jährliche Temperatur nicht viel höher steht, als man es sonst in den Gegenden von derselben Breite (36.25° nördl. Breite) antrifft. Vergl. auch Tehihatcheff, Asie Mineure II, 277.
  2. Bedreddin Lulu war zuerst Beschützer eines jüngern Nachkommen der Atabegs, und nahm später (1222–1259) den Titel eines Sultans von Mosul an. Vergl. Oppert, Expéd. I. 74.
  3. Man kann diese Moschee auf der Photographie Binders gut unterscheiden (226); übrigens sind die Ansichten, die er von Mosul bietet, alle gut. Am Fuße der Terrasse und ganz nahe bei dem Flusse sprudelt eine schwefelhaltige Quelle.
  4. Reclus, Géogr. IX, 423.
  5. Oppert, Expedition I. 74 glaubt kaum, daß in der Plünderung unter Hulagu wohl noch alte Monumente erhalten geblieben sind.
  6. „Alle die Kleider aus Gold und Seide, die Musselin heißen, werden in dieser Gegend gemacht, und die großen Kaufleute, die auch Musselin heißen, die zum Verkaufe ganze Menge von Gewürzen und Perlen und Kleider aus Gold und Seide bringen, stammen auch aus diesem Königreich.“ Marco Polo bei Col. Yele I. 5. Kapt. Seite 37.
  7. Man zählt in Mosul allein 12095 männliche Mohammedaner und 4011 nicht mohammedanische männliche Einwohner. Die Gesamtbevölkerung dürfte wohl das Dreifache dieser Zahl erreichen.
  8. Siehe Lenormant et Babelon, Hist. auc. IX. 381.
  9. Mgr. Coupperie, Prop. de ia foi III. 126 und IV. 45. Da ein Mönch Jonas in derselben Zeit mehrere Klöster in Mesopotamien und Assyrien gründete, ist es möglich, daß er auch dieses hier gegründet hat und sein Grab mit dem des Propheten Jonas identifiziert wird.
  10. Als Gegner des Nestorius übertrieb Eutyches die Lehre von der Einheit Christi. Während Nestorius schließlich zwei Personen in Christus annahm, lehrte Eutyches die Verschmelzung der beiden Naturen zu einer bloß göttlichen, in der die menschliche völlig aufgeht. Besondere Wichtigkeit hat diese Irrlehre wegen ihrer Beziehung zum Erlösungswerk. Auf dem Konzil zu Chalcedon 451 wurde seine Lehre verdammt; aber Eutyches fand großen Anhang besonders in Syrien und Ägypten.
  11. Der wirkliche Nachfolger der alten Patriarchen von Antiochia ist der griechisch-melchitische Patriarch. Das syrische Patriarchat hat einen schismatischen Ursprung und ist deshalb ungesetzlich; aber als ein Theil der Syrer zur katholischen Kirche zurückkehrte, war es nicht gut möglich, dieselben einem melchitischen Patriarchat zu unterstellen, da sie so lange eine eigene Hierarchie und eigene liturgische Sprache gehabt hatten. Rom acceptierte also die vorhandene Thatsache und erkannte ein syrisch-katholisches Patriarchat an.
  12. Die syrische Bevölkerung Mosuls und seiner Umgebung verteilt sich ungefähr folgendermaßen:
    Mosul Umgegend Zusammen
    Katholische Syrer 2000 2150 4150
    Jakobitische Syrer 2000 1300 3300
    4000 3450 7450

    Die chaldäische Bevölkerung war bei unserer Reise folgendermaßen verteilt :

    Mosul Umgegend Zusammen
    Chaldäische Katholiken 2000 9400 11400
    Dissidenten (Schisma des Mellus) 250 1200 1450
    2250 10600 12850

    Die Dissidenten sind bald darauf alle zur katholischen Kirche zurückgekehrt.

  13. Die Nestorianer genossen einige Zeit bei den Khalifen große Gunst; dies hat vielleicht seinen Grund in dem Einfluß, den die nestorianischen Lehren auf Mohammed ausübten, als er den Koran verfaßte. (Boré, Corr. II. 219 ff).
  14. Der Chef der chaldäischen Kirche ist als Chef einer Nationalkirche ein Katholikos; aber er ist kein Patriarch, da er durchaus nicht der Nachfolger des Patriarchen von Antiochia ist, dessen Vasall er früher immer war. Der Gebrauch jedoch hat den Titel Patriarch eingeführt, und dieser Gebrauch ist allgemein angenommen worden.
  15. Ohne Zweifel verbreiteten in dieser Zeit die Patriarchen zu ihren Gunsten eine Legende die auch, trotzdem sie sehr absurd ist, nicht ohne Interesse ist.
    Petrus schreibt in seinem ersten Briefe (V. 13): „Es grüßt euch die miterwählte Kirche in Babylon.“ Dieses Babylon ist hier wie in der geheimen Offenbarung, wenn es eine Stadt bezeichnet, immer für Rom gesetzt worden. Von dem alten Babylon waren zur Zeit Petri nur mehr Schutthaufen übrig. Die Nestorianer bemächtigten sich des Textes und legten ihn folgendermaßen aus: Der hl. Petrus war verheiratet, und seine Familie, die in Jerusalem geblieben war, wurde durch die Verfolgung vertrieben. Sie floh nach Babylon, das heißt, nach Baghdad. Von da an wählte man aus ihrer Mitte immer den chaldäischen Patriarchen aus Verehrung des heiligen Petrus, so daß Mar Schimun ein direkter Nachkomme des heiligen Petrus ist. Wenn die patriarchalische Kirche auf einen Felsen gegründet ist, so muß auch von Mar Schimun das Versprechen des Heilandes gelten: „Auf diesen Felsen will ich meine Kirche bauen.“ Die ganze Legende hat bloß den Zweck, die Erblichkeit der Patriarchenwürde zu heiligen, eine Einrichtung, die aber jeder christlichen Tradition schnurstracks zuwider ist.
  16. In dem Augenblick, da das Buch gedruckt wurde, kam von verschiedenen Seiten die Nachricht einer großen Bewegung betr. Rückkehr der Nestorianer zu der katholischen Kirche. Es ist schwierig, ein Resultat hiervon vorherzusagen. Wenn die Motive aufrichtig sind und das Ganze nicht den Zweck hat, die nestorianische Lehre weiter zu verbreiten, so ist diese Bewegung nicht zu unterschätzen
  17. Siehe Martin, La Chadée.
  18. Dank dem geschickten Eifer Mgr. Abolianans wurde das chaldäische Schisma im Jahre 1890 beendet, und Mellus trat in die Gemeinschaft der römischen Kirche zurück.
    Papst Leo XIII. berief im Herbste 1894 die Patriarchen der orientalischen Riten nach Rom und hielt mit ihnen mehrere Konferenzen ab, die allem Anscheine nach dazu angethan sind, in der Entwickelung dieser Kirchen und in ihren Beziehungen zu Rom, als dem Sitze und dem Mittelpunkt der christlichen Einheit, eine neue Ära zu eröffnen. Der Zweck der Konferenzen war der, über eine einheitliche Aktion der verschiedenen Riten zu beraten, um die schismatischen Kirchen mit Rom zu vereinigen. Schon der früher in Jerusalem abgehaltene eucharistische Kongreß war gleichsam die Vorstufe zu diesem Werke, da auf demselben mehrere geistliche Würdenträger der Schismatiker mit katholischen Bischöfen in Berührung kamen. Dann erfolgte in dem Jahre 1894 die herrliche Encyklika Leos, worin der Papst den außerhalb der Kirche Stehenden die Hand zur Versöhnung reicht. Bekanntlich besitzen die mit Rom unierten Patriarchen kirchliche Befugnisse über die Bischöfe, Priester und Laien ihres Ritus, wie sie kein abendländischer Patriarch genießt, so daß sie in dieser Hinsicht sehr viel ausrichten können.
    Endlich ist ein Hauptgrund, weshalb sich die Schismatiker von Rom fern halten, der, daß sie glauben, sie müßten in der römischen Kirche aufgehen, ihren historischen Rang verlieren.
    Im Umfange des türkischen Reiches giebt es fünf Patriarchate der orientalischen Riten: Das armenische in Konstantinopel (mit dem Titel von Cilicien), das griechisch-melchitische in Damaskus (mit dem Titel von Antiochia), das syrische (ebenfalls mit dem Titel von Antiochia) in Mardin in Syrien, das maronitische (ebenfalls mit dem Titel von Antiochia) zu Bekerke-Diman auf dem Libanon, das chaldäische in Mosul (mit dem Titel von Babylon). Der maronitische Patriarch wurde nicht nach Rom berufen, weil alle Maroniten mit Rom vereinigt sind; das chaldäische Patriarchat war gerade verwaist, weil der chaldäische Patriarch Elias Abolianan 1894 gestorben war. (Während der Konferenz waren in Mosul die Bischöfe vom chaldäischen Ritus versammelt, um an Stelle ihres verstorbenen Patriarchen einen neuen zu wählen. Ihre Wahl fiel auf Georg Ebediesu Kayjak, bisheran Erzbischof von Amida, dessen Bestätigung in Rom erbeten wurde.
    Als Teilnehmer an den Konferenzen blieben somit noch übrig der armenische Patriarch Stephan Azarian, der griechisch-melchitische Patriarch Gregor Jussef und der syrische Patriarch Benham Benni.
    Unter dem armenischen Patriarchen stehen 17 Erzbischöfe und Bischöfe und ungefähr 150000 Gläubige. Außer diesen mit Rom vereinigten giebt es auch noch die schon angeführten nichtunierten armenischen Katholiken unter ihrem Katholikos.
    Die dem griechischen Ritus angehörenden Melchiten mit arabischer Liturgie in Syrien, Palästina und Ägypten haben außer dem Patriarchen 11 Erzbischöfe und Bischöfe und zählen ungefähr 60000 Seelen. (Der griechische Ritus weist mehrere Abzweigungen auf. Den griechischen Ritus mit griechischer Sprache haben die katholischen Griechen in Griechenland, Sicilien und Italien, ungefähr 100000 Seelen; dem griechischen Ritus mit altslawischer Liturgie gehören die katholischen Russen, Rutenen, Serben und Bulgaren an, ungefähr 3½ Millionen Seelen; den griechischen Ritus aber mit rumänischer Liturgie haben die Katholiken und Schismatiker in Rumänien; zu den unierten Rumänen gehören 1½ Million Seelen. — Ferner ist noch der koptische Ritus mit koptischer Liturgie in Ägypten zu erwähnen.)
    In mehreren Konferenzen wurde unter dem Vorsitz des Papstes Verschiedenes beschlossen. Zunächst wird eine besondere orientalische Kongregation gebildet, um dem heiligen Stuhl die direkte Entscheidung aller dogmatischen und kirchlichen Fragen vorzubehalten. Die von den orientalischen Bischofssynoden vorgenommene Wahl der Patriarchen wird in Zukunft dem Papste zur Genehmigung unterbreitet, wohingegen den orientalischen Kirchen, d. h. den unierten, ihre Riten und übrigen Privilegien ausdrücklich belassen und bestätigt werden, so daß jeder Verdacht einer „Latinisierung“ hinfällig wird. Ferner wurde die Gründung eines besonderen Organes für den Orient beschlossen, dessen Aufgabe es sein soll, die unter den Schismatikern verbreiteten Vorurteile gegen die katholische Kirche zu widerlegen und der letzteren die Sympathien des Hellenismus und der slawischen Kirche gewinnen zu helfen. Auch erwartet man das baldige Erscheinen einer Encyklika an die Orientalen, um die Schismatiker von neuem zur Rückkehr in die Mutterkirche einzuladen. (Anmerkung des Übersetzers.)
  19. „Was Heiraten, Erbfolge, testamentarische Bestimmungen, Streitigkeiten zwischen einzelnen betrifft, so können die Chaldäer dies alles ohne Dazwischentreten der türkischen Obrigkeit erledigen; sie machen solche Angelegenheiten vor ihren Priestern und einigen Ältesten ihrer Nation aus; sie nehmen Zeugen oder fertigen ein Schriftstück aus, unter das verschiedene Personen ihr Siegel setzen, und die Sache ist damit beendet. Im Falle der Notwendigkeit prüft das türkische Gouvernement diesen Vertrag, so daß es sich, wenn alles in Ordnung ist, aber auch nicht weiter darum kümmert; ist dieses aber nicht der Fall, so mischt sich die Regierung in die Sache und immer zum Schaden der beiden Parteien.“ (Mgr. Coupperie, Notice sur les Chaldéens, Prop. de la Foi V. 564)
  20. Brief des chaldäischen Patriarchen Mgr. Isaia, Prop. de la Foi XIV. 128.
  21. Prop. de la Foi XVI. 522
  22. Siehe Duchesne, Origines du cult chrétien.
  23. Siehe: La Mission Dominicaine de Môsoul Seite 16 ff.
  24. Mgr. Coupperie, Prop. de la Foi V 260.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: wir