Vom Kaukasus zum Persischen Meerbusen/Unsere Drangsale in Wan vom 7. Oktober bis zum 14. November

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Von Urmia nach Wan Vom Kaukasus zum Persischen Meerbusen
von Paul Müller-Simonis
Wan. Die Gärten. Die Menschen. Sonstiges
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Zwölftes Kapitel.
Unsere Drangsale in Wan vom 7. Oktober bis zum 14. November.
Die bedenkliche Lage. Hyvernat ruft den russischen Schulz durch die Vermittelung des französischen Gesandten an. Der russische Konsul nimmt uns unter seinen provisorischen Schutz. Unverschämte Depesche des Walis. Gleichgiltige Haltung des französischen Gesandten. Das Piano des russischen Konsuls. Der russische Konsul wird gezwungen, uns den Türken auszuliefern. Das Fest des Schahs von Persien. Ausflug nach Toprak-Kala und großes Diner im persischen Konsulat. Der Mektubdschi teilt uns die von Konstantinopel gekommenen ernsten Befehle mit. Alles beginnt wieder von neuem! Wir entscheiden uns, auf Persien zu verzichten, um unsere Aufgabe in Wan zu erfüllen und dann Kurdistan zu durchreisen. Ausflug mit Russell; dabei von den Polizisten überwacht. Unsere Geheimpolizei. Ausflug nach Deïrmankjöï. Joseph Grimaud. Abreise Kolubakins, seine Befürchtungen unsertwegen. Joseph Grimaud beinahe verhaftet. Scherifoff und der Abend bei ihm. Neue Schwierigkeiten. Nathanael wird in Baschkala zurückgehalten; sein Paß. Unser Gepäck ist in Gefahr. Abreise des englischen Konsuls. Ausflug nach Erdscheck. Nathanael wird verhaftet. Endlich erhalten wir unsere Briefe vom Vezir und russischen Schutz, aber dieser ist mehr eine Empfehlung, also kein amtlicher Schutz. Schwierigkeiten. die Keilschriften bei 10 Grad Kälte abzuschreiben. Rückkehr des Walis; die Schande bei seinem Empfange. Der Wali Kalil Pascha. Wir besuchen ihn; Lösung des Knotens durch die Zusammenkunft; eine harte Alternative; wir verzichten auf den russischen Schutz. Ausflug gen Keschik-Göl. Ankunft Nathanaels. Untersuchung des Gepäcks. Spiel des Walis. Langweilige Inventur im Polizeibureau. Trennung von Nathanael.

Wir befanden uns unleugbar vor großen Schwierigkeiten, die bedeutenden Umfang anzunehmen drohten. Die Verwaltung des türkischen Armenien wird von der hohen Pforte nicht ernstlich genug kontrolliert; seine Wali (Gouverneure) haben alle Gewalt in Händen und machen leider oft genug davon einen abscheulichen Gebrauch. In unserem Halle konnte der Wali uns viele Unannehmlichkeiten bereiten.

Hyvernat hatte im Anfange der Reise von der türkischen Regierung Briefe des Vezirs verlangt, die ihn, indem sie den Zweck seiner Reise erwähnten, zu gleicher Zeit den verschiedenen Gouverneuren empfehlen sollten. Bei unserer Anwesenheit in Konstantinopel hatten unsere Freunde daselbst uns solche Briefe als bloße Formalität geschildert; einige sogar warnten uns vor denselben, indem sie – die Briefe – mehr eine Gefahr als eine Hilfe bedeuteten, da dadurch zu sehr die Aufmerksamkeit der mißtrauischen türkischen Beamten geweckt würde. Deshalb hatte ich auch davon abgesehen und meine Freunde gebeten, mir einen Teskereh oder einen Paß zu verschaffen, der für eine Reise nach dem Innern der Türkei unerläßlich ist.

Hyvernat hatte seine Briefe durch den französischen Gesandten verlangt. Als wir Konstantinopel verließen, waren sie noch nicht fertig, und das eben begonnene Beïramsfest drohte, die Sache zu sehr in die Länge zu ziehen. Hyvernat entschloß sich deshalb abzureisen und glaubte dem Versprechen, daß man ohne Verzug die Briefe nach Tiflis schicken werde. Trotz der Dauer unseres Aufenthaltes in Rußland war nichts angelangt, und schon befanden wir uns auf türkischem Gebiete, ohne die Papiere zu besitzen. Im Grunde genommen waren sie also auch entbehrlich, da wir ja jeder mit einem Teskereh ausgerüstet waren.

Aber da wir es mit mißtrauischen Leuten zu thun hatten, gab der russische Konsul meinem Begleiter Hyvernat den Rat, dem Gesandten zu telegraphieren, ihm die Thatsachen auseinander zu setzen und den russischen Schutz zu verlangen.

Für mich war die Sache noch verwickelter. Ich konnte nicht daran denken, mich an den deutschen Gesandten zu wenden; bei unserm Aufenthalt in Konstantinopel hatte ich zwar versucht, ihn in seiner Residenz in Therapia zu besuchen, aber ihn niemals zu Hause getroffen. Er kannte mich also nicht. Um das Maß voll zu machen, hatte ich nicht einmal mehr meinen Paß. In dem Wirrwarr bei unserer Abreise von Tiflis war er liegen geblieben. Glücklicherweise hatte ich eine besondere Empfehlung des französischen Gesandten beim Heiligen Stuhl erhalten. Ich konnte mich darauf berufen und, indem ich so viel als möglich in den Hintergrund trat, als Sekretär der Sendung Hyvernats figurieren.

Gewöhnlich ist eine Sache oft nicht so schlimm, als es beim ersten Blick erscheint; hier aber lagen die Verhältnisse anders. Bei den gespannten Beziehungen zwischen Deutschland und Rußland würde der deutsche Gesandte ohne Zweifel die Protektion des englischen Konsuls der des russischen vorgezogen haben, was unter den obwaltenden Verhältnissen mit unserer Auslieferung an den Wali ziemlich gleichbedeutend war, denn kraft der Instruktionen seiner Regierung ist der Vertreter Ihrer Majestät der Königin von England in Wan nur der erste Diener des türkischen Gouverneurs. In persönlicher Einsicht ist der englische Konsul sehr liebenswürdig und scheint sich der erbärmlichen Rolle, die er infolge des Befehles des Auswärtigen Amtes spielen muß, zu schämen; aber er ist als Beamter gezwungen, sich zu beugen, und falls er sich irgendwie stolz zeigen würde, wäre eine Desavouierung ganz sicher.

Hyvernat telegraphierte also ohne Aufschub dem französischen Gesandten.

Der russische Konsul Kolubakin verbrachte den Abend bei uns. Seine Unterhaltung ist ebenso unterhaltend als belehrend; er ist lange Zeit hindurch Konsul an der chinesischen Grenze gewesen und war deshalb auch imstande, uns manche interessante Einzelheiten über die Bewohner des Himmlischen Reiches zu geben, dessen starke Ausdehnung sich durch eine friedliche Einwanderung in die Nachbarländer zeigt. Nach seiner Meinung bildet China für die Zukunft eine große Gefahr für die Nachbarstaaten (?).

9. Oktober.

An diesem Morgen erhielten die Patres eine Depesche des Walis, der damals gerade in der Provinz Hakkiari war. Diese Depesche kann als Muster einer frechen Dummheit gelten. Was uns angeht, warf Khalil Pascha den Patres vor, uns der türkischen Gerichtsbarkeit entzogen und uns verhindert zu haben, unsere Papiere zu zeigen.

Der französische Gesandte antwortete auf die Depesche Hyvernats und kündigte gleichzeitig an, daß die Briefe des Vezirs nach Tiflis gesandt worden seien; von dem russischen Schutz erwähnte er kein Wort. Auf die Veranlassung des Konsuls telegraphierte Hyvernat von neuem, denn die Sache schien für uns bedenklich zu werden. Angesichts der Gefahr, in der wir uns befanden, nahm uns Kolubakin aus eigenem Antrieb für zwei Tage unter seinen persönlichen Schutz und benachrichtigte die türkische Verwaltung von diesem Schritte; aber ohne Befehl von Konstantinopel kann er nicht mehr für uns thun. Nach Ablauf dieser Frist mußte er uns dem Gouverneur ausliefern.

Zum Glück für uns setzte er sich mit dem englischen Konsul in Verbindung, und beide gaben uns ihr Ehrenwort, daß sie selbst ohne Befehl zu unsern Gunsten eintreten würden, wenn der Wali in die Behausung der Dominikaner eindringen oder uns verhaften sollte.

Wir durften also glauben, für den Augenblick vor einer ernstlichen Gefahr geschützt zu sein, aber wir mußten doch noch manche Widerwärtigkeiten erfahren.

Des Abends speisten wir bei Kolubakin; es ist nicht zu beschreiben, welch gemütlichen Eindruck die von Frau Kolubakin auf dem Klavier gespielten Arien auf uns machten; das war ein Abend nach europäischer Art in dieser verlorenen Ecke der Erde.

Dieses Klavier hat sogar eine Geschichte. Als Konsul genießt Kolubakin Befreiung von den Zöllen; als das Piano in einer fest verschlossenen Kiste anlangte, hielten die Türken den Inhalt der Kiste für eine Kanone; eine andere Kiste mit Gemälden sollte die Kugeln enthalten. Da gab es kein Zögern mehr, das Reich war in Gefahr, und man schleppte die Sachen zum Zollamte. Hier wagte man zwar nicht, die Kisten zu öffnen, aber man verweigerte deren Auslieferung. Nach mehreren vergeblichen Aufforderungen brachte der Konsul seine Untergebenen alle auf die Beine und begab sich in Begleitung seines Kawassen zum Zollamte. Eine Menge armenischer Gaffer folgte ihm. Hier wiederholte er seine Aufforderung, welche wieder mit einer Weigerung beantwortet wurde. Darauf zog der Konsul seinen Revolver, legte ihn auf den Chef des Zollamtes an und erklärte, daß er ihm, dem Chef, sogleich eine Kugel durch den Kopf jagen werde, falls einer der Beamten nur eine Hand an die Kisten legen würde. Zu gleicher Zeit gab er den Gaffern, denen die Sache gefiel, ein Zeichen, worauf diese die Sachen zum Konsulat schleppten. Jetzt wandte sich die Sache; der Konsul zwang den Zollamtschef, ihm zu folgen, und ließ dann vor seinen Augen die Kanone auspacken. Dann rief er seine Frau und sagte zu den Beamten: „Sie haben die Kanone gesehen, hier ist der Artillerist!“ Der „Artillerist“ spielte sofort die russische Nationalhymne.

10. Oktober.

Da wir eine Haussuchung befürchten mußten, gab ich an demselben Abend mein Tagebuch und noch sonstige Papiere dem russischen Konsul in Verwahr.

Als immer noch keine Nachricht von Konstantinopel angelangt war, mußte uns der russische Konsnl das Ende seines Schutzes ankündigen, obwohl er gehört hatte, daß sein Gesandter bereit sei, zu unseren Gunsten einzutreten. Infolge dessen stellten wir uns dem Mektubdschi, dem Stellvertreter des Gouverneurs vor, als der Gouverneur gerade abwesend war. Er war gezwungen zu konstatieren, daß unsere Papiere vollständig in Ordnung waren.

11. Oktober.

Die nächste Depesche des französischen Gesandten erwähnte kein Wort von dem russischen Schutz, kündigte uns wohl die Absendung „ernstlicher Befehle“ von Konstantinopel aus an, woran wir indes nicht glaubten. Doch mußte der Mektubdschi irgend welche, wenn auch unbestimmte Weisungen erhalten haben, denn sonst würde er uns sicherlich nicht so höflich empfangen haben nach der unverschämten Depesche des Walis, da er uns doch früher hatte verhaften wollen.

12. Oktober.

Tags darauf war der Geburtstag des Schahs von Persien, weshalb wir mit den Patres zu dem persischen Konsul gingen, um ihm bei dieser Gelegenheit unsere Aufwartung zu machen. Der Konsul war mit einer voll buntem Flitter bedeckten Uniform bekleidet; er scheint sehr überzeugt zu sein von seiner Wichtigkeit und an einer unheilbaren Eitelkeit zu leiden. Er befand sich im Zustande des zurückgehaltenen Zornes, weil der Mektubdschi die Unverschämtheit gehabt hat, bei diesem Feste bei ihm vorzusprechen, ohne mit der Uniform bekleidet zu sein. Wenn ich mich recht erinnere, heißt der Konsul Mahmud Khan; übrigens sprach er ziemlich gut französisch.

Der russische und der englische Konsul hatten die Liebenswürdigkeit, uns Einladungen zu dem großen offiziellen Diner zu verschaffen, das des Abends auf dem persischen Konsulat stattfand. Ihr Zweck dabei war hauptsächlich der, unser Ansehen in Wan zu erhöhen.

Wir benützten die ersten Stunden des Nachmittags, um Toprak-Kala (zu deutsch: Staubschloß) zu besuchen.[1] Toprak-Kala ist eine alte Festung, die von den armenischen Königen zur Zeit ihrer Kämpfe mit den Assyrern errichtet wurde; sie beherrscht ein felsiges Plateau im Osten der Stadt. Nach assyrischem Gebrauche hatte man ungebrannte Ziegelsteine für die inneren Seiten der Mauer verwandt.

Der Einfluß der Zeit und des Regens haben diese Ziegelsteine aufgeweicht; nach und nach fällt alles zusammen. Die Ruinen von Toprak-Kala wie alle der alten Paläste der Thäler des Tigris und des Euphrat bilden nur mehr einen regelrechten Erdhaufen, wo nur ein geübtes Auge die Anwesenheit eines alten Baudenkmals erspähen kann. Hier wurden durch Chantre und Barry Ausgrabungen veranstaltet, desgleichen durch die Engländer. Gegenwärtig sind die Arbeiten zwar eingestellt, aber die Spuren derselben sind noch deutlich sichtbar.[2]

Von der Höhe von Toprak-Kala ist die Aussicht auf Wan und den See wunderbar.

Die Felsen, die den Ostabhang der Erhöhung bilden, sind sehr steil; in der südöstlichen Ecke öffnet sich ein in den Felsen ausgehöhlter stufenförmiger Gang, der zu einer weiten Grotte führt. Der Vorhof dieses Ganges hat kaum ein Meter im Durchmesser; drei stark beschädigte Fenster lassen das Tageslicht eindringen. Auch die Grotte ist nach meiner Ansicht von menschlicher Hand hergestellt.[3] Sie hat lange Zeit den Briganten als Zufluchtsort gedient, weshalb sie auch heute noch sich keines besonderen Rufes bei den dortigen Bewohnern zu erfreuen hat.

Wir kamen zu rechter Zeit noch zurück, um uns in das persische Konsulat zu begeben. Die Gesellschaft war schon in dem Diwan versammelt. Auf einem Buffet waren verschiedene Nebengerichte aufgestellt: Kaviar, Tomatensalat, Häringe etc. Diese Vorgerichte, durch reichliches Getränk gewürzt, z. B. durch Schnaps, Wudky oder Arak bilden den Zakuski. Der Zakuski wird in Rußland vor jeder Mahlzeit genommen, und dieser Gebrauch hat sich bis Persien und die Türkei verbreitet. Jeder bedient sich nach seinem Belieben. Gewöhnlich dauert bei dem persischen Konsul dieses Vorspiel sehr lange, so daß man sich erst zwei bis drei Stunden nachher zu Tische setzt. Wenn aber der russische Konsul anwesend ist, vollzieht sich die Sache viel rascher. Von der langen Dauer bei früheren Gelegenheiten ermüdet, hatte er erklärt, sich zurückzuziehen, wenn der Zakuski länger als eine Stunde dauere. Darum trug man Sorge, mit dem Fest schon vor der Ankunft des russischen Konsuls zu beginnen, und so war es möglich, daß man sich, nachdem der Zakuski anderthalb Stunden gedauert hatte, zum Essen setzen konnte. Bereits wurden die Köpfe warm. Selbstredend ist keine Rede mehr von dem alten persischen Tafelgeschirr; das Diner wird auf einem Tisch serviert, und die Gäste sitzen an demselben nach europäischer Art.

Ich habe mich vergeblich bemüht, das Menu genau zu behalten. Das Diner, nach französischer Art hergerichtet, war gut, aber zu reichlich; Suppe, Hammelfleisch, Hühnchen in Reis, ein süßes Gericht mit Gelee, Pilau folgen in der Weise auf einander, daß nach jedem Gang eine süße Schüssel eingeschoben wurde. Der gewöhnliche Wein war gut, aber der besondere war der reinste Fabrikwein.

Die offiziellen Toaste konnten kaum angebracht werden; denn ein Armenier, der bestellt war, die Toaste auszubringen, und besonders der Telegraphenmudir waren beide schon betrunken und daher in ihren Reden unerschöpflich; es braucht deshalb auch kaum erwähnt zu werden, daß ihre Toaste absolut stupid waren und nur den Zweck hatten, um jeden Preis zum Trinken zu veranlassen. Der russische Konsul beherrschte die Situation. Als der persische Konsul die schlimme Laune seines Amtsgenossen sah, suchte er, so gut es ging, die schlechten Toaste zu entschuldigen. Schließlich kam man dazu, auf das Wohlsein des Universums zu trinken.

Der charakteristische Zug dieses Diners schien mir, außer einer gemeinen Bestialität bei mehreren Gästen, in dem gänzlichen Mangel an einer allgemeinen Unterhaltung zu liegen. Solchergestalt dreht sich alles um Intriguen, und die Köpfe waren so wenig über irgend etwas unterrichtet, daß, nachdem die gewöhnlichen Zoten vorbei waren, niemand etwas Rechtes zu sagen wußte.

Toprak-Kala.

13. Oktober.

Wir wurden von dem Mektubdschi eingeladen, um die Mitteilung der berühmten „ernstlichen Ordres“ entgegenzunehmen, die von Konstantinopel angelangt waren. Wie es recht war, begann die Sitzung durch eine vorbereitende Stille, Zigaretten und Kaffee. Endlich wollte uns der Mektubdschi die Depesche vorlesen, aber es war ihm unmöglich, dieselbe irgendwo zu finden. Nun entspann sich eine hochdramatische Szene zwischen dem Mektubdschi und seinen Beamten, die wohl eine halbe Stunde dauerte. Endlich war die Depesche gefunden. Sie schrieb vor, uns anständig zu behandeln und sich überhaupt an die Briefe vom 28. August zu halten. Damit sind die Briefe des Vezirs gemeint, die sich damals gerade, Gott weiß wo, befanden. Wie es auch nicht anders sein konnte, hatte man in der Depesche gar keine Anspielung auf den Inhalt der Briefe gemacht, und der Mektubdschi hatte von demselben auch keine Ahnung. Er behandelte uns anständig, aber für Hyvernat war es unmöglich, den Hauptzweck seiner Reise auszuführen, nämlich die Keilinschriften zu kopieren oder zu photographieren.

Die Sache mußte wieder von vorne beginnen, es mußte abermals nach Konstantinopel telegraphiert werden. Schöne Aussichten!

Ein Besuch bei Munir Pascha, dem militärischen Kommandanten von Wan, brachte uns wieder in bessere Laune. Er war mit den Patres befreundet und empfing uns deshalb an der Kaserne auf angenehme Weise: er ließ uns zu Ehren die Regimentsmusik spielen. Ein Kritiker hätte vielleicht manches an der Musik zu tadeln gehabt. Aber in Wan kamen uns die von den Kurden gespielten Weisen herrlich vor. Man muß eben mit den Verhältnissen rechnen. Munir Pascha wird von seinen Soldaten fast angebetet.

14. Oktober.

Angesichts der Schwierigkeiten, die uns in Wan zurückhielten und die unüberwindlich zu werden schienen, berieten wir über die Möglichkeit, auf unsere Reise durch Persien zu verzichten; denn unsere Reise, die an sich schon beschwerlich genug war, ließ keinen weitern Aufschub zu. Der unfreiwillige Aufenthalt in Wan brachte uns schließlich dahin, daß wir mitten im Winter auf den Hochplateaus Persiens reisen mußten. Sollte es nicht besser sein, nachdem die verschiedenen Schwierigkeiten aus dem Wege geräumt sind, wenn wir unsere Geschäfte in Wan besorgen und dann durch die kurdischen Berge Mosul zu erreichen suchen? In diesem Falle würde Kascha Isaak nach Khosrawa zurückkehren und Nathanael mit unserm sämtlichen Gepäck zu uns senden. Da eine Karawane persischer Kaufleute nach Salmas zurückkehrte, wurden wir bald dahin einig, daß Kascha Isaak die Karawane begleiten sollte, während wir auf Persien verzichteten.

15. Oktober.

Der gestrige Tag, ein Sonntag, verlief ganz mit dem Abstatten von Besuchen; es ist unglaublich, wie viel Kaffee wir dabei trinken mußten. Heute morgen haben die Kaufleute die Reise angetreten, und wir haben unsern diensteifrigen und praktischen Kascha verloren, der uns ein sehr angenehmer Reisegefährte gewesen war.

18. Oktober.

Drei Tage verbrachten wir mit völligem Nichtsthun. Auf die Depeschen Hyvernats antwortete der französische Gesandte, daß er uns keinen bessern Rat geben könne als den, die Briefe des Vezirs abzuwarten; von der russischen Protektion schwieg er wieder.

Der englische Konsul, Mr. Russell, lud uns zu einer Jagdpartie in der Richtung nach dem Erdscheck-See ein; das Ziel war ein großer Sumpf, der ungefähr zwei Wegestunden von Wan entfernt liegt. Hier wimmelt es von Enten, aber ohne Kähne und Hunde ist es unmöglich, ihnen beizukommen. Bei dem Essen stieß Kolubakin zu uns; nach einem vergnügt verbrachten Tag erreichten wir Wan bei dem schönsten Mondenschein.

15. Oktober.

Während dieses Ausfluges folgten uns stets Polizisten, die sich hinter den Felsen verborgen hielten. Wir erfuhren es durch ein Mitglied dieser ehrenwerten Gesellschaft, der – echt türkisch – es übernahm, im Auftrag der türkischen Verwaltung uns auszuspionieren und auch auf unsere Rechnung die türkische Verwaltung auszukundschaften. Ich muß sagen, so seltsam es auch klingen mag, daß er uns stets nett von den Anschlägen, die gegen uns geschmiedet wurden, unterrichtet hat. Er riet uns auch, auf unserer Hut zu sein, denn da Tabur Agassi von seinen Polizisten über unsern gestrigen Ausflug keinen günstigen Bericht (für sich) erhalten hatte, klagte er sie der Verräterei an und wird wahrscheinlich das nächste Mal die Sorge unserer Überwachung besser geschulten Leuten anvertrauen.

21. Oktober.

Ein armenischer Renegat, Simon Ferdschulian, hatte uns von Keilinschriften, die sich in der Umgebung von Wan befinden, gesprochen. Wir durften gar nicht daran denken, sie zu photographieren; aber wir suchten uns über ihre Existenz zu unterrichten, ohne die Sicherheit des ottomanischen Reiches zu gefährden. Wir veranstalteten deshalb eine kleine Expedition in der Gesellschaft Joseph Grimauds, des Aufsehers der Brücken und Straßen.[4]

Anstatt die Expedition zu Pferde zu unternehmen, ließen wir uns bereden, ein Vehikel zu gebrauchen, das den Namen Coupi trägt und uns ein Bild des Zustandes der Wagenfabrikation in Wan gab. In der Form erinnert es zwar an ein europäisches Coupe, besitzt aber nicht einmal Fenster; diese sind durch kleine Bretter ersetzt, die nicht einmal gerade sind. Auch ist keine einzige Thüre in richtigem Zustande. Zu einem uns unbekannten Zwecke hat man auch abschüssige Sitze an gebracht. Die Federn haben alle erdenklichen Formen und bestehen mehr aus Kordel als aus Metall. Aber dies ist noch nichts gegen das Pferd auf der rechten Seite. Schon seit der Abfahrt zeigte es seine Unzufriedenheit durch heftige Hufschläge; trotzdem erreichten wir, so gut es eben ging, das Dorf Sirket (Sigke). Dort fanden wir zwei Reste von Keilinschriften am untern Ende zweier Gesimse an der Thüre, die zu der Vorhalle der Kirche führt. In der Vorhalle selbst findet sich noch ein Rest zu ebener Erde. Alle drei sind gut erhalten und zeigen schöne Züge. Der Hintergrund einer Nische zur rechten Seite der Thüre trägt ebenfalls eine Inschrift, die leider sehr verstümmelt ist. Die Kirche selbst ist alt.

Am Ausgang des Dorfes beherrscht der Weg eine kleine Schlucht. Unser berühmtes Pferd, das gerade solche Plätze wählte, um seine Widerspenstigkeit zu zeigen, zwang uns mehrere Male, aus dem Wagen zu steigen, so daß wir es schließlich vorzogen, unser Gefähr im Stich zu lassen und uns auf einer Büffel-Arabah einzunisten, die sich gerade in unserem Bereich befand; auf diese Weise kamen wir zwar langsamer voran, aber doch wenigstens sicher.

Die Arabah ist ein zweiräderiger Wagen von der denkbar einfachsten Beschaffenheit; die zwei Räder sind hölzerne Scheiben und bilden ein Ganzes mit einer schweren hölzernen Achse; das Rahmengestell der Arabah liegt auf der Achse ohne irgend eine Unterlage als Äste von Weiden, die sich durch das Reiben abnutzen.

In dem Maße, wie wir höher kamen, gab die dunkle, felsige Masse des Warak, der sich an unserer rechten Seite erhob, der Landschaft ein sehr wildes Aussehen. Das Dorf Tschorawantz oder Tsorawank blieb zu unserer Rechten liegen. Ehe wir in Deïrmankjöï ankamen, packten wir unsern Mundvorrat bei einer Quelle mit gutem, frischem Wasser aus. In Deïrmankjöï fanden wir in dem kleinen Hofe eines Bauernhauses auf einem runden Stein, der früher wahrscheinlich als Fuß einer alten Säule gedient hat, eine zweireihige Inschrift, deren Text sich zweimal wiederholte. Wir kehrten zu Fuß nach Tschorawantz zurück, wo in dem Hügel, der das Dorf beherrscht, einige oberflächliche Ausgrabungen veranstaltet worden sind. Unter anderen Altertümern hat man dort auch einige Pfeilspitzen gefunden, die sich in dem Besitz des genannten Reynolds befinden, sowie zwei Säulenschäfte, die wir in dem Hause Ferdschulians sahen.

Unser abscheulicher Wagen nahm uns wieder auf; Grimaud setzte sich auf den Bock; aber ungeachtet dreier Knüttel, die er auf dem Rücken des widerspenstigen Pferdes entzweischlug, war es unmöglich, voran zu kommen. Wir überließen das Coupé von neuem seinem traurigen Schicksal und kehrten beim Mondenschein zurück, nebenbei bemerkt, in der besten Stimmung.

Die Gegend, die wir bereist hatten, ist sehr merkwürdig durch die Mischung verschiedener Kalksteinarten mit vulkanischen Produkten.

Eine schlechte Nachricht! Unser Gönner Kolubakin war genötigt, in amtlichen Geschäften eine Reise nach Kars zu unternehmen. Er ist ein außerordentlich beschäftigter Mensch wie auch sein Stellvertreter Scherifoff. Was sie eigentlich auf solchen Reisen machen, weiß ich nicht genau. In jedem Falle machen sie überall Rußlands Übergewicht bemerkbar, hören die Klagen der einen und andern, schüchtern auch zuweilen die stets zu Erpressungen geneigten türkischen Beamten ein und breiten nach und nach das Ansehen und den moralischen Einfluß Rußlands in jenen Gegenden aus, die es sicher eines Tages zu annektieren hofft.

Während unseres Abschiedsbesuches bei dem Konsul verhehlte uns dieser seine Unruhe durchaus nicht, die er unsertwegen hatte. Er fürchtete sogar sehr, daß der türkische Gouverneur nach unserer Abreise von Wan uns ausplündern ließe. Dies ist nichts Außergewöhnliches in jener Gegend; denn als sich der englische Konsul von Mosul nach Wan begab, wurde er auf die Veranlassung eines Pascha hin aus, geplündert; ein gleicher Versuch, der aber glücklicherweise aufgespürt worden war, war vor kurzer Zeit gegen Kolubakin von den Kurden unternommen worden, die, wie man versichert, im Dienste des Walis von Wan standen.

22. Oktober.

Wie schon erwähnt, hatte Grimaud uns auf unserem Ausflug nach Deïrmankjöï begleitet. Der Tabur Agassi ließ ihn rufen und begehrte zu wissen, warum er bei uns gewesen sei. Grimaud gab zur Antwort, daß es sein gutes Recht gewesen sei, seine Landsleute zu begleiten. Darauf wurde Tabur Agassi zornig und befahl, Grimaud zu verhaften. Grimaud ließ sich nicht einschüchtern und beendete in seiner Geistesgegenwart dadurch die Szene, indem er das Polizeibureau verließ. Eine Stunde später ließ ihn der Mektubdschi rufen, empfing ihn mit Grobheiten und eröffnete ihm, daß er andern Tages Wan zu verlassen habe, um seinen neuen Posten in Baschkala zu übernehmen; aber Grimaud erklärte ihm, daß er nicht eher abreisen werde, als bis er den rückständigen Teil seines Gehaltes empfangen haben werde.

23. Oktober.

So lagen die Sachen. Aber da Grimaud fürchten mußte, verhaftet zu werden und in Baschkala weitere Verrätereien fürchtete, brachte er alle seine Papiere zu dem russischen Konsulat und richtete, für den Fall irgend eines Unglücks, an den russischen Konsul die Bitte um Schutz. So verhielt es sich mit der Sicherheit, deren wir uns erfreuten. Wir verstanden nun auch die Worte des französischen Gesandten, der auf die Reklamation Hyvernats folgendermaßen antwortete: „Ich kann gar nicht erklären, wie sehr Ihre Sicherheit bedroht ist; geben Sie telegraphisch Aufklärung!“ Als ob bei dieser scharfen Beobachtung, der wir unablässig ausgesetzt waren, Hyvernat genaue Einzelheiten angeben könnte, ohne fürchten zu müssen, daß seine Depesche verstümmelt oder unterschlagen würde, und daß durch seine Angabe sofort eine Menge lügnerischer Gegenberichte von seiten der Türken hervorgerufen würde, und als ob ein Gesandter das Recht hätte, einen von seiner Regierung beauftragten Reisenden ohne Schutz zu lassen, der ihn zum vierten Male versichert, daß seine Sicherheit bedroht ist, was der Gesandte aber auch selbst weiß!

Wir verbrachten einen angenehmen Abend bei Scherifoff, dem Stellvertreter des russischen Konsuls; er ist ein mohammedanischer Kaukasier, aber nach europäischer Art erzogen. Er ist jung, tapfer, großmütig, von aufbrausendem Charakter, ein glühender Anhänger Rußlands; durch sein Wohlverhalten zeichnete er sich in Turkestan aus, wohin er mit dem Auftrage geschickt worden war, die Sklaverei zu unterdrücken. Zum Lohn verlieh ihm der Kaiser den Orden des heiligen Wladimir. Scherifoff aber erbat sich als Lohn für sein Verhalten nur eine Gunst des Zaren, nämlich eine junge Russin heiraten zu dürfen, die er seit seiner Kindheit liebte. Der Zar erfüllte die Bitte unter der Bedingung, daß die Kinder in der orthodoxen Religion erzogen würden.

Nach dem Diner sahen wir mehre Proben von Tänzen: russische, georgische, armenische und kurdische. Die beiden ersten waren anmutig; der kurdische Tanz besaß durch die in ihm bekundete Wildheit einen gewissen Zauber; dagegen glich der armenische Tanz mehr dem Tanz eines Bären, wobei kein wesentlicher Moment fehlte, weder der graziöse Rhythmus in den Bewegungen noch das Grunzen des Tieres, denn die Begleitung verdiente keinen anderen Namen. Vier oder fünf Tänzer halten sich gegenseitig an der Schulter; die am weitesten von einander entfernt stehenden halten ein Tuch in den Händen. Der ganze Tanz besteht darin, daß die einzelnen Paare nach einander so langsam als möglich von einem Fuße auf den andern fortschreiten ohne irgend welche Figur zu bilden, bloß das Tuch bewegend und dabei grunzend. Die Tänzer selbst scheinen übrigens an diesen sehr wenig ästhetischen Übungen großen Gefallen zu finden.

24. Oktober.

Da Grimaud sich nach den erwähnten Vorsichtsmaßregeln stärker fühlte, erklärte er dem Tabur Agassi, Derwisch Agha, daß er ihn wegen der Beleidigungen verklagen würde.

Das Conto Derwisch Aghas war schon stark belastet; ungeachtet mehrerer Verbrechen, für die er eigentlich gehenkt werden müßte, hatte er sich lediglich dank der Unterstützung des Walis auf seiner Stelle zu behaupten gewußt. Für den Wali war er eine unschätzbare Hilfe, wenn irgend eine schmierige Geschichte zu erledigen war; aber man hatte gut begründete Beschwerden über ihn in Konstantinopel angebracht. Derwisch Agha bekam Furcht bei der Drohung Grimauds; er machte ihm Besuche und suchte sich zu entschuldigen, wobei er freilich so weit ging, daß er behauptete, er habe Grimaud nur aus Sorge für dessen Wohlergehen verhaften lassen wollen.

Es ist dies das gewöhnliche Verfahren der Türken, wobei es ihnen zuweilen gelingt, den harmlosen Europäer zu erwischen: sie ergehen sich in tausend Entschuldigungen, die ja nichts kosten, und setzen dann von einer andern Seite ihre Ränke fort.

Inmitten all der Widerwärtigkeiten gewährte uns die Herrlichkeit der Natur eine gute Abwechselung. Das herbstliche Aussehen der Bäume, die frische, belebende Luft erinnerten mich lebhaft an das Elsaß und weckten Heimweh in mir.

25. Oktober.

Der Schnee, der bereits den Warak bedeckte, kündigte das Herannahen der kalten Jahreszeiten an; von einer Abreise unsererseits konnte aber noch keine Rede sein.

Nun noch neue Schwierigkeiten! Nathanael, den wir von einem Tage zum andern erwarteten, telegraphierte uns von Baschkala: Unser Gepäck ist durchwühlt worden; Pulver, Patronen und Bücher sind mit Beschlag belegt worden; mein Reisepaß wurde konfisziert.

Was soll all dies bedeuten? Die Erwähnung des Passes beunruhigte uns am meisten; denn als wir Khosrawa verließen, um uns nach Wan zu begeben, hatte Kascha Isaak keinen türkischen Passierschein; in Urmia verlangten wir einen solchen für ihn von dem türkischen Vizekonsul. Dieser erklärte uns, daß diese Formalität gänzlich überflüssig sei, und daß der Passierschein Nathanaels sehr gut für Sascha Isaak gelten könne, weshalb er ihn auch beglaubigte. In Baschkala hatte der Vekil des Mutessarif die Worte: „gekommen vom Hakkiari und abgereist nach Wan“ hinzugesetzt. Dieser Paß konnte in den jetzigen Umständen Nathanael nicht mehr dienen und besonders nicht nach einer Zwischenzeit von vierzehn Tagen. Wir hatten ihm sagen lassen, er solle sich als persischer Unterthan einen persischen Paß oder als Reisender einen französischen Paß durch den französischen Konsul in Tebris verschaffen. Sollte er vielleicht unsern Instruktionen keine Rechnung getragen haben. In diesem Falle würde sich unsere Lage vielleicht noch verschlimmern, und man könnte den Verdacht der Schmuggelei gegen uns aufkommen lassen.

In jedem Falle mußte nun gehandelt werden. Scherifoff veranlaßte uns, ihm eine Erklärung zu überreichen, wodurch wir seinen Schutz anriefen.

30. Oktober.

Eine neue Depesche von Nathanael! Das Gepäck war alle in Baschkala untersucht und nach Wan transportiert, eine der Kisten amtlich versiegelt worden. Er selbst wurde in Baschkala wegen seines Passes noch zurückgehalten. Es war sicher, er hat sich anführen lassen und unsere Weisungen nicht beachtet.

31. Oktober.

Endlich erhielten wir einige nähere Auskunft über die Angelegenheiten von Baschkala durch den angekommenen Mudir der Tabaksregie.

Schon unsere Reise nach Baschkala hatte unangenehme Folgen; Iskender Effendi wäre beinahe verhaftet worden, und man hatte ihm gedroht, seine Wohnung von dem Dach bis zum Keller zu durchwühlen.

Was die gegenwärtigen Schwierigkeiten betraf, so schien es, daß das Gepäck von Baschkala unmittelbar hinter der Grenze festgehalten wurde. Es wurde in Baschkala untersucht, trotzdem Nathanael und Iskender Effendi dagegen protestierten und behaupteten, daß das Gepäck erst in Wan untersucht werden dürfe, da es uns gehöre. Alle photographischen Platten waren dem Anscheine nach verloren. Was Nathanael angeht, so hatte er wirklich seinen türkischen Passierschein vorgezeigt, den vierzehn Tage vorher der Mutessarif von Baschkala visiert hatte; er dachte sich aus der Affaire ziehen zu können, indem er seine Beziehungen zum Groß-Vezir erwähnte; aber vom Bureau des Groß-Vezirs bis Baschkala ist ein weiter Weg.

Iskender Effendi war so in Verlegenheit, so daß er es nicht mehr wagte, Nathanael ein Obdach zu gewähren.

2. November.

Am Allerseelentage lasen wir zunächst die hl. Messe und setzten uns dann in Marsch, um den englischen Konsul Russell bis zum Erdscheck zu begleiten. Russell verließ Wan und nahm den Posten bei den Dardanellen ein. Sein Nachfolger, Davy, war vor einigen Tagen angekommen; er befand sich bei der Gesellschaft mit Scherifoff, Michel Kowadenski und Pater Duplan nebst einer Anzahl Notabeln, allen Kawassen und den Dienstboten; das Ganze bildete eine schöne Kavalkade.

Es wurde eine kleine Sumpfjagd veranstaltet, nach der Scherifoff das Frühstück auf denselben Felsen servieren ließ, wo wir bei unserer frühern Partie mit Russell den Imbiß genommen hatten. Dann machten wir uns auf den Weg nach dem Erdschecksee.

Das Frühstück war gut begossen worden, so daß sich bald eine fröhliche Stimmung bemerkbar machte; nach und nach wurde der Gang der Pferde beschleunigt; auf einen gegebenen Moment ging es im Galopp weiter und bald begann eine wahre Hetzjagd. An einem schlammigen Graben angekommen, machte mein Pferd einen schlechten Sprung, stürzte mit dem Kopf voran, streckte den Schweif in die Höhe und wir beide lagen auf dem Boden, d. h. mein Pferd auf mir. Glücklicherweise blieb mein Pferd vor Bestürzung ruhig, so daß ich mich ohne Verletzung, aber nicht ohne beschmutzt zu sein, wieder frei machen konnte; das Pferd hatte ebenfalls keinen Schaden gelitten.

Wir erreichten Erdscheck erst bei dunkler Nacht, nachdem wir vorher noch an einem Feuer reisender Kaufleute Halt gemacht hatten. Es war dies ein gut brennendes Holzfeuer und machte einen andern Eindruck als die im Orient gebräuchlichen Feuer von Kuhmist und Dornen. Ein Teil von uns wohnte bei dem Pfarrer, der andere in einem benachbarten Hause. Das Diner, das Russell uns servieren ließ, war ganz nach orientalischer Art, wobei auch nach alter Etikette die Finger die Hauptrolle spielten. Ein ganz gebratener Hammel bot den Zähnen viel Widerstand, was leicht begreiflich ist. Am andern Morgen nahmen wir Abschied von Russell, der seine Reise nach Bayasid fortsetzte, während wir nach Wan zurückkehrten.

Der See von Erdscheck, an dem der Weg nach Wan vorbeiführt, bietet in seinem Umrisse durchaus kein anmutiges Bild; sein Wasser ist noch salziger als das des Wansees. Früher war der See durch eine niedrige Sandbank in zwei Teile geteilt. Er liegt in einer Höhe von ungefähr 1800 Metern.

4. November.

Nach einem aufregenden Warten von drei Tagen kam wenigstens endlich ein Teil unserer Leute. Gegu kam und führte Huschannah und Lazarus bei sich; letzterer ist ein überzähliger Reisender, es ist der kleine Sakristan von Khosrawa. Er soll sich in das syrisch-chaldäische Seminar in Mosul begeben, weshalb ihn die Missionare uns anvertraut hatten. Huschannah ist eine junge Chaldäerin von Giey-Tapeh, die ich nach Europa bringen sollte, damit sie eine Beschäftigung erlernt.

Was unser Gepäck betrifft, so langte dieses auch an, ausgenommen die zwei Kisten, die in Baschkala mit einer Menge anderer Gegenstände zurückgehalten wurden.

Die kleine Karawane war drei Stunden hinter Baschkala festgehalten und das Gepäck auf der Stelle untersucht worden. Beim Anblick unserer Patronen wurden die Zollbeamten von Schrecken ergriffen. Nathanael wurde mit einem Ordonnanzposten in einem Zimmer eingeschlossen. Ein wenig später wurde die ganze Gesellschaft mit Gewalt nach Baschkala geführt, das gar nicht in ihrem Wege lag. Nathanael hatte unsern Rat befolgt und sich einen persischen Paß besorgt, aber im kritischen Augenblick beging er die Dummheit, seinen schlechten Paß zu zeigen. Von da an datieren auch all die schlimmen Geschichten, die er erdulden mußte. In Baschkala wurde das Gepäck von neuem untersucht. Es scheint, daß die klugen Zollbeamten bloß drei Packete mit photographischen Platten geöffnet haben; mein „Star-mill“ wurde auch für etwas Ähnliches angesehen und gab Veranlassung zu langen und tiefsinnigen Besprechungen.

Hywernat telegraphierte von neuem dem französischen Gesandten. Da wir erfahren hatten, daß der Gesandte einen Urlaub antreten würde, schöpften wir die Hoffnung, daß sein Vertreter die Sache weniger leicht nehmen würde.

5. November.

Bald meldete uns eine Depesche Nathanaels, daß er Tags vorher fünf Stunden im Gefängnis zugebracht hatte, und daß er nach seiner vorläufigen Entlassung den ganzen Tag Verhöre bestehen mußte. Als wir zum Telegraphenamt gehen wollten, um den Gesandten von dieser neuen Schandthat in Kenntnis zu setzen, fanden wir eine Depesche von dem Vertreter des Gesandten während dessen Urlaub. Der Vertreter, Herr Imbert, kündigte uns darin endlich den russichen Schutz an. Unsere Ahnungen hatten sich erfüllt. In derselben Zeit telegraphierte der russische Gesandte Nelidoff an das russische Konsulat, und Tags vorher soll der türkische Minister dem Wali telegraphiert haben.

Leider wurde ohne Zweifel die russische Gesandtschaft, die sich uns zu Anfang unseres Aufenthaltes in Wan so geneigt gezeigt hatte, durch den Undank, den sie von der französischen Gesandtschaft zu erdulden hatte, gekränkt; auch sie gab uns nur einen offiziösen Schutz.[5] Die Depesche war an den Konsul gerichtet. Sein Vertreter Scherifoff kam kaum dazu, sich die Depesche von Frau Kolubakin aushändigen zu lassen. Dies beunruhigte uns sehr, weil wir sahen, daß zwischen Scherifoff und dem Konsulat gespannte Beziehungen herrschten. In diesem Vorgehen erblickten wir ein Zeichen des Mißtrauens gegen Scherifoff und für uns eine Benachrichtigung. Wir wußten auch, daß er schon öfters einen Verweis erhalten und selbst gemaßregelt worden war, weil er der türkischen Regierung gegenüber zu viel Energie gezeigt hatte. Wird alles widerrufen werden, wenn er noch einmal kräftig interveniert?

Allmählich fingen wir an zu fürchten, daß diese offiziöse Protektion sich nur zu bald in eitel Dunst auflösen würde; Scherifoff selbst, der im Anfang viel Eifer für uns gezeigt hatte, schien aufgeregt und beunruhigt.[6]

Endlich erhielten wir, nach einem Warten von einem Monate, die Vezirsbriefe! Sie hatten die Reise von Konstantinopel nach Tiflis gemacht, und von da aus hatten sie Wan erreicht über Batum, Odessa, Konstantinopel, Trapezunt!

Da Hyvernat leidend war, gingen Pater Duplan und ich zum Mektubdschi, um ihm die Briefe zu zeigen. Dieser schien die Depesche des Ministers erhalten zu haben, denn er empfing uns ganz nett und erbat sich bloß einen schriftlichen Bericht über unsere geplanten Unternehmungen. Wir ließen ihm den Bericht denselben Abend noch zugehen und erbaten uns zu gleicher Zeit Zabtiehs zu unserer Begleitung. Scherifoff verpflichtete sich, seine ganze Autorität anzuwenden, um innerhalb vier Tage die noch in Baschkala zurückgehaltenen Gepäckstücke zu besorgen.

Gegen Abend empfingen wir eine Depesche Nathanaels, die uns meldete, daß seine persönliche Angelegenheiten beendet seien, aber daß man übermäßigen Zoll für das Pulver und die Patronen verlange. Es ist auffallend, daß man auch in Baschkala nachgab; es handelte sich jetzt nur noch um die Zollfrage oder vielmehr um das Backhschich.

7. November.

Es war nun ein Monat seit unserer Ankunft in Wan verflossen. Gestützt auf die Briefe des Vezirs, begaben wir uns hinaus um photographische Aufnahmen zu machen. Ein ganzer Monat mußte verfließen unter Streitigkeiten und aufregendem Warten für uns, um zu dem harmlosen Resultat zu kommen, die Keilinschriften photographieren zu dürfen.

Da Hyvernat einen besonderen Bericht über diese Arbeiten liefern will, so können die Einzelheiten hier übergangen werden. Wir suchten nach Möglichkeit die verlorene Zeit wieder zu gewinnen, doch dies hielt schwer. Viele Inschriften müssen kopiert werden, da ihre ungünstige Lage ein erfolgreiches Photographieren nicht zuläßt; zum wenigstens muß der Text, da wo er veröffentlicht ist, durchgesehen werden, um die zahlreichen Hehler der Übersetzung verbessern zu können. Aber bei zehn Grad Kälte, im vollen Winter des Gebirges Keilinschriften kopieren, die oft mehrere hundert Zeilen umfassen! Nach einer Viertelstunde ist man starr vor Kälte, so daß man nicht mehr imstande ist, den Bleistift zu halten und jede Anstrengung zur Aufmerksamkeit einfach unmöglich wird.

An demselben Tage erhielten wir von Baschkala die Briefe, die von Europa nach Tebris und Khosrawa geschickt worden waren. Der Kurier war von einem Klagebrief Nathanaels begleitet. Der Vekil des Mutessarif hatte ihm inbezug auf uns die häßlichsten Lügen erzählt; wir seien während der Nacht von Baschkala geflohen und hätten die gröbsten Vergehen auf uns geladen; die Verhaftung Nathanaels sei lediglich aus dem Grunde erfolgt, weil er in Beziehung zu Leuten gestanden, die bei einer ordentlichen Justizpflege einfach verdient hatten, gehängt zu werden, deren Angelegenheiten übrigens so schlecht waren, daß der französische Gesandte, der sonst die Interessen seiner Landsleute mit wahrer Eifersucht vertrat, sich nicht hineinmischen wollte. Es war nicht zum Verwundern, daß diese Lügen Eindruck auf Nathanael machten und er ihnen teilweise Glauben schenkte.

Trotz alledem kann ich nicht umhin, die Berechnung zu bewundern, auf die der Vekil seine Schurkerei gründete. Durch seine Brutalität wollte er Nathanael einschüchtern und ihn durch seine Erzählung gegen uns aufhetzen, und durch die Verbindung dieser beiden Eindrücke wollte er ihn dann veranlassen, irgend etwas von uns zu erzählen, auf Grund dessen man gegen uns vorgehen konnte. Und sehr wahrscheinlich war es für uns ein großes Glück, daß der Vekil bei Nathanael keinen Erfolg erzielte, denn die Türken haben nicht viel Beweise nötig, um die schlimmsten Konsequenzen zu ziehen.

8. November.

Heute kehrte der Wali von Wan von seiner Reise in der Provinz Hakkiari zurück. Sein Empfang entsprach der armenischen Geschmacklosigkeit; was aber noch schändlicher war, ist der Umstand, daß der englische Konsul, der den Wali nicht einmal persönlich kannte, auf den Befehl seiner Regierung sich unter die Menge mischen und außerhalb der Stadt zwei Stunden im Schnee warten mußte, um imstande zu sein, im Namen seiner Regierung, die er vertrat, die Ehre seines Landes zu den Füßen eines einfachen türkischen Gouverneurs herabzuwürdigen, anstatt eine Gelegenheit abzuwarten, bei der er dem Wali seinen ersten Besuch machen konnte.

An demselben Morgen ließ Hyvernat seine Karte zum Wali tragen und ihn anfragen, zu welcher Stunde er uns empfangen wollte. Der Wali gab zur Antwort, daß er uns um ein Uhr im Konak, dem Bureau des Gouvernements, erwarte. Hywernat hatte aber fragen lassen, zu welcher Zeit er uns in seiner Wohnung empfangen wolle. Als wir im Konak ankamen, fanden wir den persischen Konsul daselbst, der uns einer langen Unterhaltung über nichtssagende Dinge würdigte.

Der Wali, Khalil Pascha, ist ein Mann von mittlerem Alter, von kleiner, untersetzter Statur; er sieht eher einem Europäer als einem Türken ähnlich, hat einen blonden Bart und blonde Haare, aber ein gemeines und falsches Aussehen. Er trägt einen sehr großen Fez, der ihm bis über die Ohren reicht, wodurch sein scheinheiliges Aussehen nur vermehrt wird. Khalil Pascha ist Gesandtschaftsattaché in Europa gewesen und spricht sehr gut französisch.

Es ist schwer, einen genauen Bericht über unsere Unterhaltung mit ihm zu geben, denn die Konversation bewegte sich nur stückweise. Der Wali entfaltete dabei die größte Unverschämtheit des Lügens mit der Brutalität eines schlecht erzogenen Menschen, der sich materiell stark fühlt und zu schaden sucht. Zuerst fragte er uns, ob unsere Reise fortfahre, gut zu sein. Wir erwiderten ihm darauf, daß wir die verlängerte Abwesenheit seiner werten Person bedauerten, da uns andernfalls manche Unannehmlichkeiten erspart worden wären.

Dann begann der Wali alle Abgeschmacktheiten des Vekils des Mutessarifs von Baschkala zu wiederholen. Als wir ihm entgegneten, daß wir auch noch bereit seien, die Photographie von Baschkala gegen eine Empfangsbescheinigung auszuliefern, erwiderte er uns, daß wir keinen Anspruch auf eine solche Quittung hätten; er behauptete, es bestehe gar kein Gesetz oder eine Vorschrift, die verbiete, photographische Aufnahmen von Städten zu machen, aber die Wali hätten besondere Instruktionen, und daß die Wichtigkeit der Grenzlage Baschkalas (die nicht einmal Festung ist) und die gegenwärtige politische Lage ihm besondere strenge Maßregeln vorschrieben. Wir antworteten ihm darauf: „Sehr gut,“ fügten aber hinzu, daß wir die geheime Instruktion, deren sich die Wali erfreuten, doch nicht hätten ahnen können, und daß wir folglich uns auch nicht schuldig erachten könnten, diese Instruktion vielleicht übertreten zu haben. Er sagt uns weiter: „Wenn man Sie auch die Photographie von Baschkala hat nehmen lassen, das in Wirklichkeit ein Punkt ohne jede Bedeutung ist, so ist damit aber noch nicht bewiesen, daß Sie keine Photographie von wichtigen Punkten haben“. Dann wiederholte er die Mär von unserer nächtlichen Flucht aus Baschkala und behauptete, daß der Vekil uns befohlen hätte, zurückzukommen und ihn aufzusuchen – nachdem dieser unsere Pässe mit dem Vermerk visiert hatte: „Abgereist nach Wan“, und nachdem wir Zabtiehs für den folgenden Morgen verlangt hatten, und wir an dem Morgen unserer Abreise die Zabtiehs, die zu Fuß waren, zurückgeschickt hatten, weil wir voraussetzten, dadurch unnötigerweise aufgehalten zu werden!

Ein neues Verbrechen! Wir hatten Pater Rhetorius telegraphiert, zu einer Zusammenkunft vor die Stadt zu kommen, in der Depesche hieß es „vor die Stadt zu schicken“. Dies galt als ein heimlicher Anschlag, als eine Verschwörung. Es war uns unmöglich, dem Wali begreiflich zu machen, daß wir dies nur allein zu dem Zweck gethan hatten, um einen Führer durch die Gärten von Wan zu haben, damit wir uns nicht verirrten, wie es dem Reisenden Binder begegnet war.

Drittes Verbrechen: Nachdem das Gouvernement mit großer Aufmerksamkeit vier Zabtiehs und einen Sergeanten geschickt hatte, um uns zu dem Wachtposten zu führen, leisteten wir Widerstand. Wir bemühten uns, dem Wali zu erklären, daß es in zivilisierten Ländern nicht gebräuchlich ist, einem Reisenden, der ordentliche Papiere besitzt und noch dazu im Auftrage seiner Regierung reist, fünf Gendarmen vor die Stadt entgegenzuschicken, um ihn zum Gouvernement oder zur Wache zu führen, bevor der Reisende sich ein Unterkommen gesucht hat; hätte uns ein Zabtieh erwartet und uns in unsere Wohnung begleitet und uns dann eröffnet, daß wir uns auf dem Gouvernement vorstellen sollten, so wäre alles gut gewesen.

Endlich kam dann noch die Rede auf den russischen Schutz.

Nun wußte der Wali von keinem Maß mehr beim Sprechen und redete drauf los wie ein Besessener. Da alle in Wan ankommenden Depeschen ihm mitgeteilt werden, wußte er auch, daß wir nur einen offiziösen Schutz hatten; auch war er mehr oder weniger über das gespannte Verhältnis zwischen dem Konsul und Scherifoff unterrichtet. Alles dies kam ihm zu gute, er konnte daraus für seine Absichten nur Nutzen ziehen.

Die Patres klagte er der Rebellion an und drohte, sie in Zukunft seinen Zorn fühlen zu lassen. „Wenn Sie fortfahren,“ sagte er zu uns, „mir gegenüber eine beleidigende Haltung zu bewahren, werde ich mich rächen; und was ich Sie nicht entgelten lassen kann, werden die Patres für Sie bezahlen.“ Diese Phrase erfüllte uns mit großer Angst; denn die Patres haben bisher schon alle möglichen Mißhandlungen ausgehalten, und wenn sie nun noch etwas entgelten sollen, so kann dies nur eine Vertreibung oder noch etwas Schlimmeres sein.[7]

„Sie hatten keinen Konsul hier; darum hatten Sie aber auch kein Recht, den Schutz eines fremden Konsuls anzurufen; das türkische Gouvernement ist Ihr „Beschützer“. Was die russische Protektion angeht, die Ihnen bewilligt worden ist, so habe ich davon noch keine Nachricht; und übrigens könnte Ihnen diese Protektion nur auf meine vorherige Anzeige (?) bewilligt werden; und selbst wenn ich Nachrichten davon hätte, so bin ich der Mann, der sich schließlich nicht daran stört. Ihr Gesandter hatte durchaus kein Recht, Sie unter russischen Schutz zu stellen.“

Dann fügte er, im Widerspruch mit seinen gerade vorher gesprochenen Worten, hinzu: „Wenn man Sie unter den Schutz eines anderen Konsulates (vermutlich des englischen) gestellt hätte, wäre ich eher in der Lage gewesen, dies anzuerkennen. Was das russische Konsulat betrifft, so ist der Konsul abwesend, mit dem ich übrigens nicht auf gutem Fuße stehe; und dieser Scherifoff ist ein Mensch, der sich im Streite mit seinem eigenen Konsul befindet. Niemals werde ich jenem Menschen eine Antwort geben oder ihm das Recht zuerkennen, sich um russische Angelegenheiten zu bekümmern, viel weniger aber um die ihrigen. Ich nehme seine Intervention nicht an, und wenn Sie fortfahren, sich an ihn zu wenden, werde ich es zu bewerkstelligen wissen, nicht bloß Ihre Mission zu vereiteln, sondern Sie zu verhindern, das Haus zu verlassen und abzureisen. Und wenn Sie vielleicht doch Wan gegen meinen Willen verlassen könnten, so werde ich dann doch noch Ihre Reise vereiteln, und wenn Sie verhaftet werden, wissen Sie, wem Sie es zu verdanken haben. (wie schon erwähnt worden ist, hat Khalil Pascha in diesem Geschäft bereits einige Übung.) Wenn Scherifoff einen Kawaß nach Baschkala schickt, um Ihr Gepäck zu holen, werde ich denselben arretieren lassen, und Sie bekommen Ihr Gepäck dann gar nicht. Und wenn Sie mit einem Kawaß von Wan abreisen, werde ich Sie auf der Reise verhaften lassen. Entweder Sie vertrauen mir gänzlich und verzichten auf den russischen Schutz, oder ich bereite Ihnen alle möglichen Schwierigkeiten und Gefahren!“

Unsere Lage war schwierig; wenn auch von den Drohungen mindestens die Hälfte bloßes Geschwätz war, so war das Übrigbleibende doch noch immer so ernsthaft, daß es ein reifliches Überlegen erforderte.

Die Drohungen gegen die Patres waren nur der Ausdruck der schlechten Gesinnung, die die Patres leider nur zu häufig schon erprobt hatten. Es schien uns deshalb auch nicht ratsam, uns auf diesen Menschen zu verlassen, der durch seine geringe Zuverlässigkeit sowie durch seine Abneigung gegen die Fremden bekannt war, zumal derselbe unsertwegen von Konstantinopel aus verschiedene Verweise erhalten hatte. Andrerseits schien es aber auch wieder gewagt, uns allein auf Scherifoff zu verlassen; er, als der Vertreter des orthodoxen Rußland, hätte in diesem Falle für uns katholische Priester einen erbitterten Kampf gegen den Wali führen müssen; zudem enthielt das Wort von dem offiziösen Schutz eine so weite Instruktion, die uns bei der erschütterten Stellung Scherifoffs gewagt vorkam; wahrscheinlich liefen wir Gefahr, im kritischen Augenblick zwischen zwei Stühlen zu sitzen.

In dieser Verwirrung leistete Hyvernat auf die russische Protektion mit dem Vorbehalt Verzicht, die Genehmigung des Gesandten zuerst nachzusuchen. Aber davon wollte der Wali nichts hören: alles oder nichts, und zwar sollten wir uns sofort entscheiden.

Ich trieb Hyvernat an, einfach auf den russischen Schutz zu verzichten. Wir hatten ja die Briefe des Vezirs, und dem Wali waren Anweisungen von Konstantinopel zugegangen; von Amts wegen konnte er uns keine Hindernisse mehr in den Weg legen, und wenn er an uns zum Verräter werden wollte, konnte er dies auch dem russischen Schutz zum Trotz. Ich sagte mir weiter, daß es dem Wali im Grunde genommen nur darum zu thun sein konnte, dem russischen Konsulat Schach zu bieten; und da der russische Gesandte uns nur einen offiziösen Schutz angedeihen ließ, so sah ich auch keinen Grund, ihm dieses Schach zu ersparen. Es schien mir das klügste, uns auf den Wali zu verlassen; unsere Köpfe verhalfen Khalil Pascha zur Befriedigung seines Hochmutes. Die Folge wird zeigen, daß meine Berechnung richtig war. Wir verzichteten also auf den russischen Schutz.

Nachdem dieser große Entschluß gefaßt war, bot uns der Wali auf unsere Bitte um Zabtiehs einen Offizier seines Hauses als „Führer“ an und verlangte die Liste der Orte, die wir zu besuchen beabsichtigten. „Wenn Sie gesagt hätten, daß Ihr Zweck der sei, die Keilinschriften zu photographieren, würde niemand Sie daran verhindert haben,“ fügte er hinzu. Ist es bald genug, Schurke? Wie oft hatten wir es gesagt und wiederholt!

Überhaupt wollte der Wali den russischen Konsul bei Seite schieben und sich an uns durch seine Drohungen und Grobheiten rächen für die Verweise, die er von Konstantinopel erhalten hatte. Seinen Zweck hatte er erreicht; es blieb uns jetzt noch übrig zu erfahren, wie er seine Versprechungen halten würde.

Was die Angelegenheit des Passes unseres Reisegefährten Nathanael betrifft, so erklärten wir dem Wali ohne Umschweife den Sachverhalt, wobei wir unsere Verantwortlichkeit erfüllten, da wir dazu berechtigt waren. wenn Nathanaels Paß auch von Sascha Isaak benutzt worden war, so lag das Vergehen auf der Seite des türkischen Vizekonsuls und nicht auf der unsrigen.

Bei der Erwähnung unserer Gepäckangelegenheit versichert uns der Wali, daß er auf vier Depeschen hin stets die Antwort bekommen habe, daß wir mehr als 12 Kilo Pulver in dem Gepäck hätten, ferner eine große Anzahl Patronen und viele photographische Apparate. Wir hatten aber nur 2500 Gramm Pulver, das zu Geschenken für die kurdischen Häuptlinge bestimmt war, die uns Gastfreundschaft gewährten. Entweder mußten die Zollbeamten schauderhafte Lügner sein oder große Dummköpfe, die unsere Konservenbüchsen für Pulverdosen ansahen, oder aber, was ja auch möglich war, sie hatten wirklich diese Menge Pulver in unser Gepäck gestopft. Vielleicht – und dies auch nicht ausgeschlossen – war die ganze Geschichte nur eine ungeschickte Erfindung des Wali, der dadurch die gegen uns getroffenen Maßregeln zu rechtfertigen suchte. Wir erklärten dem Wali, daß wir nur 2500 Gramm Pulver und einige Hundert Patronen in unserem Gepäck hätten, was mehr an Pulver darin gefunden würde, gehöre nicht uns. Er teilte uns darauf mit, daß er sofort nach Baschkala telegraphieren werde, damit unser Gepäck in der Begleitung Nathanaels nach Wan geschafft werde. Auf diese Weise endigte die ungeheuer aufregende Sitzung.

Unterdessen war zwei Uhr vorbei; wir waren von Scherifoff um 1½ Uhr zum Mittagessen eingeladen worden. Unser Wirt hatte aber die Liebenswürdigkeit gehabt, uns bis drei Uhr zu erwarten. Der englische Konsul, der Scherifoff einen Besuch abstattete, wurde ebenfalls zum Diner eingeladen. In seiner Gegenwart konnten wir Scherifoff nicht gut über unsere Entscheidung aufklären, weshalb uns das Diner kein Ende zu nehmen schien. Nach dem Weggange des englischen Konsuls erklärten wir Scherifoff unsere Sache. Es schien uns, als ob er durchaus nicht unangenehm davon berührt sei, den Schwierigkeiten einer aktiven Intervention so enthoben worden zu sein; er behielt sich nur vor, im Falle, daß wir von neuem in Unannehmlichkeiten verwickelt würden, dazwischen zu treten.

9. November.

Derwisch Agha,[8] der Offizier, den der Wali zu unserem „Ehrengeleite“ bestimmt hatte, kam Tags darauf frühzeitig an: er schien ein rechtschaffener Mensch zu sein, was übrigens im allgemeinen ein charakteristisches Unterscheidungsmerkmal des türkischen Soldaten von dem Zivilbeamten ist. Wir bestellten ihn zum Zusammentreffen in Tebris-Kapu, um die Kirchen von Wan zu besuchen; während des ganzen Tages zogen wir ihn von einer Inschrift zur anderen bei einer intensiven Kälte.

10. November.

Da man uns benachrichtigt hatte, daß sich in dem Thale des Keschik-Göl Keilinschriften befänden, und daß Nathanael noch nicht ankommen könne, setzten wir uns in Bewegung, begleitet von unserem Offizier und drei Zabtiehs. Wir nahmen zunächst den weg über Coschab bis zum Fuße des hohen Warak; dort schlugen wir den Weg durch das Thal ein, das zur linken Seite des Berges hinaufsteigt, und umgingen auf diese Weise die Hauptspitze der Warakkette. Von dem Augenblicke an wateten wir beständig durch den Schnee.

Bald nahm die Landschaft einen wilden Charakter an und zwar hauptsächlich durch die Masse der phantastisch geformten Berge, die sich in ihrem dunklen Aussehen über den frischen Schnee neigen: es ist eine vollständige Einsamkeit. So stiegen wir weiter bis zu einem etwas ebeneren Teile des Thales; dort haben die Bewohner Wans ein Wehr angelegt, um das Wasser für die Bewässerungsanlagen zurückzuhalten. Das Wehr ist schon ziemlich weit von Wan entfernt. Es selbst dient nur zum Auffangen des Wassers, das durch eine ganze Reihe von Kanälen, die schon viel höher beginnen, ihm zugeleitet wird. Diese Kanäle, die oft an den gefährlichsten Abhängen vorbeiführen, zeugen häufig von einer ernsthaften Arbeit; aber leider ist alles zu sehr türkisch, und diese Kanäle, die so viel Arbeit erfordert haben, werden schlecht im Stand gehalten.

Nach einem dreistündigen Marsche erreichten wir Toni, ein kleines in einem Schlupfwinkel des Gebirges verborgenes Dorf. Hier richtete man das Haus eines Notabeln für uns ein; es bestand aber nur aus einem einzigen Zimmer, d. h. aus einem gemauerten Wall, der sich an der Seite eines großen Pferdestalles hinzog und von diesem durch ein Geländer getrennt war.

Während des Essens verlangten wir weiteren Aufschluß; die Keilinschrift ist da, das steht fest, aber wo ist sie zu finden? Den Ort genau anzugeben sowie die zur Erreichung desselben notwendige Zeit vermag niemand; der eine schätzt die Entfernung auf Schußweite, während der andere zwei Stunden nötig zu haben glaubt, um die Inschrift zu erreichen. Ein dritter behauptet, daß man den Ausflug noch an demselben Nachmittag unternehmen könne, wogegen ein vierter einen ganzen Tag dafür beanspruchen zu müssen glaubt. Alle stimmen aber darin überein, daß ein Teil der Inschrift mit Schutt bedeckt ist. Der Boden war gefroren und mit Schnee bedeckt. Den Schutt wegzuräumen, war unmöglich, da niemand eine Hacke bei sich hatte. Indem wir aus all den sich widersprechenden Angaben das Fazit zogen, kamen wir zu der Annahme, daß die Hin- und Rückreise zu der Inschrift von Toni etwa einen halben Tag beanspruchen werde. Da wir nicht die erforderliche Kleidung bei uns hatten, um dort zu übernachten und das Wetter noch dazu sehr drohend aussah, entschieden wir uns, nach Wan zurückzukehren. Nachdem wir unterwegs noch ein heftiges Schneegestöber bestanden hatten, kamen wir also unverrichteter Sache wieder in Wan an.

Für solche Schneestürme bietet die tscherkessische Burka, deren ich eine in Wladikawkas erstanden hatte, ein gutes Schutzmittel. Es ist dies eine Art großer Mütze aus langhaarigem Filz, die bis zur Erde hinabgeht; man dreht sie immer so, daß sich die Öffnung an der dem winde entgegengesetzten Seite befindet und ist auf diese Weise vollständig geschützt.

11. November.

Andern Tags kam endlich Nathanael mit dem Reste unseres Gepäcks. Der Wali ließ uns rufen, während wir in dem Bazar waren. Er bestand darauf, daß unsere zwei Kisten in seiner Gegenwart geöffnet würden in dem großen Saale des Konaks, da er der Meinung war, nicht bloß die zwölf Kilo Pulver darin zu finden, sondern auch noch einen großen Sack mit „weißem Pulver von höchst gefährlichem Aussehen; dieses Pulver entzündet sich nicht an einer Flamme, ist also wahrscheinlich Nitroglyzerin.“ Den Beamten, die mit dem Öffnen der Kisten betraut waren, konnte man die Angst auf den Gesichtern ablesen; auf allen Antlitzen lagerte die größte Aufmerksamkeit. Alle Packete wurden mit der größten Vorsicht neben einander gelegt; kurz, die Szene versprach sehr komisch zu werden.

Als nun nichts mehr in den Kisten war, schrie der Wali: „wo sind die zwölf Kilo Pulver?“ „Jock, Effendi!“ „Es ist nichts mehr da,“ antwortete man ihm. Und wirklich, wir besaßen nicht einmal ganz die von uns angegebene Menge Pulver. Aber das Nitroglyzerin! Das war … ein kleiner Sack mit weißem Mehl, das man uns von Khosrawa aus geschickt hatte. Die Zollbeamten, die nur das bräunliche Mehl der dortigen Gegend gewöhnt waren, hatten sich bereits in den gewagtesten Vermutungen über die Natur dieses furchtbaren Produktes ergangen. Der Wali schien außer sich zu sein; er nahm eine wütende Miene an und schrie: „Man hat mich so getäuscht; diese Sache werde ich mit meinen Beamten in Baschkala abmachen. Man führe die Reisenden zur Polizei, daß ein genaues Verzeichnis ihrer Sachen aufgenommen wird, und hernach werde ich handeln!“ – Hernach wird er handeln? Ich glaubte dies einfach nicht. Ich bin fest überzeugt, daß der Wali, wenn er nicht selbst die Schwierigkeiten, die dazu ein sehr dummes Gepräge trugen, veranlaßt hat, er doch wenigstens bestrebt war, sie auszubeuten; was er in unserer Gegenwart aufführte, war nur eine Komödie, die den Zweck hatte, uns hinter das Licht zu führen und in uns den Glauben an seine absolute Unschuld zu erwecken.

Wir begaben uns zum Polizeibureau; da gab es wieder eine neue und langweilige Formalität. Alles wurde genau untersucht, geprüft und gewägt; der Tabur Agassi betrachtete alle unsere Papiere sorgfältig nach einander. Die linkische Manier, mit der er gewisse türkische Schriftstücke handhabte, ließ uns dem Gerücht zustimmen, daß der ehrenwerte Beamte nicht einmal der edlen Kunst des Lesens mächtig sei.

Übrigens fehlte uns eine Masse Gegenstände, die wohl auf der Reise einen neuen Herrn gefunden hatten.

Nachdem die Verhandlung beendet und unsere Tiere wieder mit ihrer Last beladen waren, verließen wir die Bude Tabur Agassis. Wir mußten durch eine Menge Gaffer gehen, die durch unsern „Fall“ sich versammelt hatten. Ungeachtet der Garantie, gewährt durch so viele Untersuchungen, schien unser Gepäck dem Volke noch im höchsten Grade verdächtig, was daraus hervorgeht, daß sich alle beeilten, so weit als möglich von dem Gepäck weg zu kommen. Das Gerücht von unsern gefährlichen Sachen hatte also Glauben gefunden.

Nathanael erzählte uns nun all seinen Verdruß, den er hatte ausstehen müssen; eine türkische Zugabe verdient indes doch noch erwähnt zu werden. wir hatten in unserem Gepäck 75 Revolverpatronen; diese Sache war bedenklich. Bei der ersten Revision unserer Bagage beeilte sich der Chef des Zollamtes seinen Vorgesetzten dies zu telegraphieren; aber da er dem Anscheine nach ein sehr sparsamer Mann war, wollte er ein Wort in der Depesche ersparen und dachte, die Auslassung des Wortes Patrone sei nicht schlimm; anstatt nun seinen Vorgesetzten die Entdeckung der 75 Revolverpatronen zu melden (jetmisch besch revolver fischenk) setzt er denselben von den gefundenen 75 Revolvern in Kenntnis (jetmisch besch revolver!), und dieses that er, so viel wir erfahren konnten, zweimal. Damit der Leser nicht auf den Gedanken komme, die Erzählung sei aus dem Jägerlatein übersetzt, wiederhole ich, daß die Geschichte durchaus wahr ist.

Der Wali ließ uns noch einmal rufen und teilte uns mit, daß die Nathanael betreffenden Schwierigkeiten beendet seien, wobei er voraussetzte, daß Hyvernat und ich die Garantie für die Ehrenhaftigkeit Nathanaels übernähmen, was wir selbstverständlich zu thun uns beeilten.

Nichtsdestoweniger rieten uns unsere Freunde in Wan zu der größten Vorsicht, ja sie verleiteten uns sogar zu einigem Mißtrauen. „Diese Garantie ist eine Falle; Nathanael ist ein Chaldäer und Missionar, weshalb er in den augenblicklichen Verhältnissen doppelt verdächtig ist. Läßt er sich die geringste, wenn auch noch so unschuldige Abweichung von den Vorschriften oder Gebräuchen zu Schulden kommen, so ist es mit seiner Ehrenhaftigkeit in den Augen der Türkei vorbei, und die Folge davon ist, daß Sie von neuem Gefahr laufen.“ Diese Erwägungen veranlaßten uns zum Nachdenken. Wir standen im Begriff, in Gegenden vorzudringen, die gänzlich außerhalb des Machtbereichs europäischer Konsuln stehen, und die selbst nach der Herrschaft des Sultans nicht viel fragen; wer konnte die Schwierigkeiten vorhersagen, die unser noch warteten? Da Nathanael den Hauptzweck seiner Reise, nämlich Khosrawa wiederzusehen, erreicht hatte, entschlossen wir uns endlich, uns von ihm zu trennen und unser Heil allein in den kurdischen Bergen zu versuchen. Er sollte durch Persien und Rußland nach Konstantinopel zurückkehren. In achtundvierzig Stunden wird er außerhalb des Bereiches der türkischen Beamten von Wan sein.

Unser guter Freund verließ uns also; seine Rückkehr nach Konstantinopel verlief ganz friedlich; er konnte sogar in Tiflis bei seiner Schwester noch längere Zeit bleiben unter den Augen der russischen Beamten.

Kurdische Flinte und Pulverhorn.

  1. Toprak-Kala ist auf einem Ausläufer des Zemzem-Dagh erbaut. Auf einem der Wege dahin befindet sich die berühmte Inschrift des Agh-Keuprü.
  2. Mr. Rennolds von der amerikanischen Mission hat uns in freundlicher Weise die Photographie verschiedener Bronzegegenstände vermittelt, die durch die Ausgrabungen zu Tage gefördert worden sein sollen; einige Tage später konnte Hyvernat ein Bruchstück eines bronzenen Brustschildes kaufen, das ebenfalls daher rührt. Elisée Reclus behauptet in seiner Geographie, daß Chantre Ausgrabungen dort veranstaltet hat. Wann dies gewesen sein soll, kann hier nicht untersucht werden, da Chantre in seiner Reisebeschreibung (Tour du Monde LVIII, 288) ausdrücklich sagt: „Ich konnte wegen Mangels an Zeit keine Ausgrabungen veranstalten.“
  3. Texier, der diese Grotte das Zenzem nennt, findet, daß „nichts darin die Arbeit eines Menschen erkennen läßt“. Ich habe diese Stelle erst nach unserer Rückkehr gelesen, aber sie stimmt mit meinen bestimmten Erinnerungen nicht überein. (Texier. Arménie II. 17).
  4. Joseph Grimaud war aus der Provence gebürtig. Er verbrachte seine Zeit in Wan als Aufseher der Brücken, die nicht existierten, und der Straßen, die noch nicht da waren. Nachdem er sich mit einer Dame aus Konstantinopel verlobt hatte, wollte er sie im Jahre 1889 in Trapezunt abholen. Nachdem er hier angekommen war, starb er am 11. August plötzlich an einem Blutsturz. Am Tage nach seinem Begräbnis kam seine Braut an.
  5. Der offiziöse Schutz darf nicht mit dem amtlichen Schutz verwechselt werden, er ist gleichsam nur eine Empfehlung, ohne viel wert im Ernstfalle.
  6. Ich hatte richtig vermutet, als ich annahm, die Stellung Scherifoffs sei erschüttert. Kurze Zeit nach unserer Abreise war der Riß zwischen ihm und dem Konsul offen. Er fiel in Ungnade, und ich konnte niemals erfahren, wohin er geschickt worden ist. Der Gedanke, daß vielleicht sein guter Wille für uns zu seinem Falle beigetragen hat, ist für uns wirklich schmerzlich.
  7. Nach unserer Reise hat sich die Lage der Missionare gebessert, weil der Wali die Ungerechtigkeit seines Mißtrauens gegen sie eingesehen hat, wie man sagt.
  8. Nicht zu verwechseln mit seinem Namensvetter, dem Tabur-Agassi.