Vom lustigen Fritz

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Autor: Max Ring
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Titel: Vom lustigen Fritz
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aus: Die Gartenlaube, Heft 44, S. 689–691
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1866
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung: zum Tode Fritz Beckmanns
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[689]
Vom lustigen Fritz.

„Wo nur der verdunnerte Bengel stecken mag?“ fragte der würdige Altgeselle des ehrsamen Töpfergewerks, Herr Beckmann in Breslau.

Fritz Beckmann.

„Gewiß wieder in der ‚kalten Asche‘, im Theater,“ entgegnete seine Frau.

„Na, ich will ihn betheatern und ihm die kalte Asche auf seinem Buckel zu kosten geben, wenn er erst nach Hause kommt.“

In diesem verhängnißvollen Augenblick erschien der Gegenstand dieser elterlichen Auseinandersetzungen, ein untersetzter, frischer Bursche von fünfzehn bis sechszehn Jahren, mit einem schalkhaften, rosigen Gesicht und vor Lust lachenden Augen, daß man ihm im Ernste nicht böse sein konnte.

„Wo bist Du gewesen?“ fragte der Vater, indem er nach dem Stock im Winkel einen bedeutsamen Blick warf.

„In guter Gesellschaft,“ versetzte der lustige Fritz, „am dänischen Hofe, unter lauter Königen, Fürsten und noblen Herren.“

„Lauter Lumpengesindel!“ brummte der Alte. „Diesmal will ich Dir noch verzeihen, aber wenn Du noch einmal nach der kalten Asche gehst, so sollst Du die Bekanntschaft mit dieser ungebrannten Asche von gutem Birkenholz machen.“

Damit deutete der Vater auf den bewußten Stock in der Ecke, vor dem der lustige Fritz einen großen Abscheu hatte. Aber trotz dieser Drohung schlich er schon am nächsten Abend wieder nach dem Theater in der Taschenstraße, wohin ihn eine unwiderstehliche Sehnsucht zog. Glücklich, für einen geleisteten Dienst eine Freikarte für das Paradies zu erlangen, saß er auf der höchsten Galerie und starrte mit athemloser Aufmerksamkeit auf die Bühne. Bald war der anstellige Junge mit sämmtlichen Schauspielern bekannt und half ihnen bei der Garderobe. Nebenbei benutzte ihn der Regisseur, wenn Noth am Manne war, als „Statistiker“, wie Fritz sich selbst zu bezeichnen pflegte. Freilich mußte er häufig ein solch’ unerwartetes Glück theuer bezahlen, da der Alte noch ein unüberwindliches Vorurtheil gegen das „Kummediantenpack“ hatte und ihm wiederholt erklärte, er würde die Schande nicht überleben, den Namen seines Sohnes auf dem Theaterzettel gedruckt zu sehen.

Die Liebe zur Kunst war jedoch stärker als seine kindliche Pietät, und am 30. August 1820 erschien wirklich der Name Beckmann und zwar in der Rolle des stummen Dänenkönigs „Harald“ in Kotzebue’s „Schutzgeist“ auf dem Theaterzettel, ohne daß den Alten der Schlag rührte. Ja, er söhnte sich sogar mit dem neuen Beruf seines Sohnes nach und nach aus, als dieser ihm die erste Gage von vier Thalern monatlich in’s Haus brachte, obgleich er selbst das Theater nie betrat. Der lustige Fritz blieb im Anfang seiner Laufbahn ziemlich unbemerkt und wurde mit seinem Freunde Peschke hauptsächlich zu Bedientenrollen und zum Heraustragen von Stühlen benutzt, weshalb er scherzend von sich und seinem Leidensgenossen [690] später sagte: „Wir Beide sind die ersten tragischen Künstler in Breslau gewesen.“

Ein scherzhafter Vorfall zog zuerst die Aufmerksamkeit des Publicums auf den jungen Kunstnovizen und entschied über Beckmann’s komischen Beruf. Bei der Vorstellung des „Macbeth“ war durch das Versehen des Theatermeisters die große Schlange aus der „Hexenküche“ auf der Bühne liegen geblieben. Die Verlegenheit war groß, da Lady Macbeth unmöglich die folgende Scene in Gesellschaft dieses Ungeheuers spielen konnte, ohne lautes Lachen zu erregen. Niemand wußte Rath, da erschien unerwartet der lustige Beckmann, der als Knappe hinter den Coulissen stand, und bekämpfte als improvisirter Ritter St. Georg den furchtbaren Drachen, indem er tapfer mit seinem Schwerte darauf losschlug und das getödtete Ungeheuer im Triumphe und unter dem schallenden Gelächter des Publicums mit sich forttrug. Der erste jubelnde Hervorruf belohnte seine kühne That; bescheiden erschien der Sieger mit dem Opfer seiner Thätigkeit, das er als die Ursache seines Glückes dankbar zärtlich an sein Herz drückte. Zwar wurde diese kühne Improvisation ihm von der Direction und manchen Collegen verdacht, aber der berühmte Anschütz, damals noch Mitglied des Breslauer Theaters, nahm ihn in Schutz und machte auf sein bei dieser Gelegenheit gezeigtes Talent zum Komiker wiederholt und dringend aufmerksam.

Trotzdem fand Beckmann in seiner Vaterstadt Breslau weder die gewünschte Beschäftigung, noch genügende Anerkennung. Er suchte beide in Berlin, wo er auf Empfehlung des bekannten Komikers Schmelka ein bescheidenes Engagement erhalten hatte. Aber auch hier sollte noch einige Zeit vergehen, ehe er zur Geltung kam. Trotzdem verlor er nicht den Muth und die Liebe zu seiner Kunst. Mit dem größten Fleiße benutzte er seine unfreiwillige Muße zum Studium der besten Vorbilder, unter denen besonders Schmelka und der unvergeßliche Spitzeder seine Muster wurden. Seine harmlose Gemüthlichkeit und unversiechliche Laune erwarben ihm bald zahlreiche Freunde, von denen namentlich der damalige Theatersecretair der Königsstädtischen Bühne, der Dichter Holtei, zuerst das Talent seines Landsmannes erkannte und der „siebenköpfigen“ Direction empfahl. Holtei selbst hatte gerade damals eine kleine Posse „der Kalkbrenner“ geschrieben, worin er mit vielem Glück das moderne Virtuosenthum verspottete. Die Hauptrolle spielte ein „schlesischer Kalkbrenner“, der fälschlich in einer kleinen Stadt für den berühmten Clavierspieler „Kalkbrenner“ gehalten wird. Da Beckmann als geborner Schlesier die schlesische Mundart des gemeinen Volkes vortrefflich sprach, so vertraute ihm der Dichter diese Rolle an und Fritz rechtfertigte dies Vertrauen in der glänzendsten Weise, so daß er von diesem Abend an der Liebling des Berliner Publicums und zugleich auch des Hofes wurde. Mit jedem Tage steigerte sich der Beifall und erreichte seinen höchsten Grad, als Beckmann in seinem „Eckensteher Nante“ eine echt Berliner Volksfigur schuf und mit unwiderstehlicher Komik ausstattete. Von nun an feierte der bescheidene Künstler eine Reihe von Triumphen, die er sich in Breslau nicht träumen ließ; er war unstreitig der populärste Schauspieler der Residenz und unter dem Namen „der lustige Fritz“ allgemein bekannt.

Zugleich wurde er durch sein angeborenes Improvisationstalent und durch seine geselligen Gaben der Mittelpunkt eines auserwählten Kreises von Schriftstellern, Dichtern, Journalisten und Künstlern, welche sich nach der Theatervorstellung gewöhnlich in einer Weinstube zu versammeln pflegten und unter dem seltsamen Namen „Duslebimbam“ eine Gesellschaft bildeten, die bald eine große Berühmtheit erlangte. Die Seele des Ganzen war Freund Beckmann, der mit dem witzigen Glaßbrenner in tollen Geschichten und lustigen Streichen sich überbot. Es war ein Raketenfeuer von Witz, Humor und guter Laune, das in ununterbrochener Weise Feuer sprühte. Die meisten dieser Scherze flogen sogleich von Mund zu Mund bis in die höchsten Regionen, wo sie besonders bei dem geistreichen Kronprinzen Anklang und Wiederhall fanden. Aus dieser Gesellschaft entwickelte sich zum größten Theil der specifische Berliner Witz, und in ihr sind die wahren Väter des späteren Kladderadatsch und der neueren Posse zu suchen. Unzählige dieser Schwänke und Einfälle kommen auf Rechnung des lustigen Fritz,[WS 1] der in der That unerschöpflich war. So sagte er, als ihm eines Tages bei Tische ein Sitz zwischen den beiden schönen Schwestern Auguste und Charlotte von Hagn angewiesen wurde: „Das ist prächtig! Zwischen A. Hagn und C. Hagn kann ich nur mit B. Hagn (Behagen) sitzen.“ Ein andermal wurde er wegen Beleidigung eines bekannten Berliner Bankiers, Namens Fränkel, gerichtlich verurtheilt, denselben vor Zeugen um Verzeihung zu bitten. Zur bestimmten Stunde erschien Beckmann in der Wohnung des Beleidigten, der zu diesem Zweck eine große Gesellschaft eingeladen hatte, die der ihm zu gebenden Satisfaction beiwohnen sollte. Der arme Sünder steckte den Kopf durch die Thür und sagte mit anscheinender Harmlosigkeit: „Ich habe mich wohl geirrt, hier wohnt Herr Maier?“ – „Nicht doch,“ entgegnete Herr Fränkel, „der wohnt daneben.“ – „Ah! da bitte ich um Verzeihung!“ rief Beckmann sich schnell wieder entfernend, indem er auf diese Weise wörtlich den Ausspruch des Gerichts befolgte.

Auch ein Hofschauspieler, der sich auf sein Talent übermäßig viel einbildete und auf Beckmann herabsah, obgleich er selbst nur ein sehr mittelmäßiger Künstler war, sollte Beckmann’s Witz kennen lernen. „Denkt Euch nur,“ erzählte einmal Beckmann in Gegenwart seines Collegen, den wir Grünberger nennen wollen, obgleich sein Name anders lautete – „denkt Euch nur, mir träumte, daß ich gestorben sei. Bescheiden klopfte ich an das Himmelsthor und begehrte Einlaß. ‚Wer ist Er denn?‘ fragte mich Petrus mit himmlischer Grobheit. ‚Der Schauspieler Beckmann,‘ antwortete ich mit gewohnter Bescheidenheit. ‚Weiß Er denn nicht, daß kein Schauspieler in den Himmel kommt?‘ sagte Petrus und schlug mir die halbgeöffnete Pforte vor der Nase zu. Während ich mich auf’s Bitten legte, kommt unser Freund Grünberger ganz gemüthlich angewackelt. Ohne Umstände läßt ihn Petrus in den Himmel, nachdem jener nur leise bei ihm angeklopft. Empört über eine derartige Ungerechtigkeit stelle ich den Heiligen zu Rede, indem ich ihn darauf aufmerksam mache, daß Grünberger während seines Lebens ebenfalls der Bühne angehört habe. ‚Das weiß ich besser!‘ sagte Petrus und schlug dabei ein lautes Gelächter auf. ‚Der Grünberger ist sein Lebtag kein Schauspieler gewesen!‘“

Am meisten aber hatte der bekannte Director des alten Königsstädtischen Theaters, Commissionsrath Cerf, von Beckmann’s Witz zu leiden. Dieser originelle Bühnenleiter in der berühmten Hauptstadt der Intelligenz war, so unglaublich dies auch klingen mag, des Lesens und Schreibens unkundig. Beckmann selbst, der bei ihm außerdem noch das Amt eines Theatersecretairs bekleidete, erzählte von seinem Principal die schnurrigsten Geschichten. In einer Gesellschaft, worin sich der Herr Director und sein Secretair befanden, wurde eine schriftliche Abstimmung vorgenommen. Unter den eingelaufenen Stimmzetteln befand sich einer, der nicht beschrieben war und deshalb für ungültig erklärt werden sollte. „Das geht nicht,“ sagte Beckmann, „denn ich kann bezeugen, daß ihn Herr Commissionsrath Cerf geschrieben hat.“

Friedrich Wilhelm der Dritte war bekanntlich ein großer Theaterfreund und besonderer Gönner Beckmann’s, der vielfache Beweise der königlichen Gnade erhielt und häufig neben den Hofschauspielern in den Privatvorstellungen in Potsdam und Charlottenburg mitwirkte. In dem kleinen Lustspiele U. A. W. G. extemporirte Beckmann so glänzend, indem er immer neue Erklärungen für die genannten vier Buchstaben fand, daß der König ihm nach der Aufführung eine Ananas und eine Börse mit Gold gefüllt zukommen ließ, mit der eigenhändigen Zuschrift: „Und Ananasse werden gegessen“ und – „Und Abends wird geschmaust.“ Auch unter Friedrich Wilhelm dem Vierten fehlte es Beckmann nicht an vielfachen Auszeichnungen, und so oft Kaiser Nicolaus nach Berlin kam, mußte der berühmte Komiker und Repräsentant des Berliner Witzes, für den merkwürdiger Weise der ernste absolute Herrscher eine große Vorliebe zeigte, vor ihm erscheinen. Selbst als Beckmann bei einem Besuche des Kaisers in Berlin an heftigem Rheumatismus litt, trat er unter Stöhnen und Aechzen vor seinem hohen Gönner auf, um die Vorstellung nicht zu stören, indem er witzig dem Regisseur bemerkte: „Der Beherrscher aller Reußen wird wohl auch mein Reißen beherrschen.“

Trotz aller dieser Auszeichnungen hatte der lustige Fritz seine trüben Stunden. An seinem Herzen nagte der Ehrgeiz; er wollte Hofschauspieler werden und einen Orden wie einst Iffland tragen. Die Erfüllung beider Wünsche wurde ihm jedoch versagt, obgleich er die Rettungsmedaille dafür erhielt, daß er einen Menschen aus dem Wasser herauszog. Leider aber wurde ihm ursprünglich [691] die gewiß bescheidene Bitte abgeschlagen, dieselbe am Bande zu tragen, was dem lustigen Fritz einen großen Kummer verursachte, da er einmal diese kleine Schwäche besaß.

Dafür feierte er in seiner Vaterstadt, wo er nach langjähriger Abwesenheit ein erfolgreiches Gastspiel eröffnete, die glänzendsten Triumphe. Natürlich mußte „der Alte“ Zeuge seines Ruhmes sein und erhielt von dem Sohne zu diesem Zweck den besten Sitz in der Orchesterloge. Der Beifall und das Herausrufen wollte kein Ende nehmen, als aber Beckmann nach der Vorstellung den Vater in seiner Wohnung aufsuchte, hörte er von ihm zu seinem Erstaunen, daß derselbe gleich nach dem ersten Act das Theater verlassen habe. Auf sein Befragen nach dem Grund erklärte der Alte, welcher nie zuvor ein Theater besucht hatte: „Die Leute haben immerzu ‚Beckmann ‘raus!‘ geschrieen, da bin ich lieber fortgegangen, weil sie mich sonst gewiß ‘rausgeschmissen hätten.“ Nach seiner Rückkehr führte Beckmann in Berlin mit seinen Collegen Gern, Rüthling und Schneider, dem jetzigen Geheimen Hofrath und königlichen Vorleser, einen lustigen Schwank mit dem Kutscher eines Thorwagens auf. Das fröhliche Quartett und vierblätterige Kleeblatt der Berliner Komik wollte nach Treptow fahren und bestieg zu diesem Zwecke einen sogenannten „Kremser“, der jedoch nicht eher abzufahren erklärte, bevor er nicht die volle Zahl von zwölf Passagieren hätte. Schnell wurde ein Plan ausgesonnen, um den obstinaten Rosselenker mit Hülfe der bereits eingetretenen Dämmerung zu täuschen. Leise verließ Einer nach dem Andern unbemerkt den bereits eingenommenen Sitz und kehrte immer in neuer Gestalt wieder, seinen früheren Platz einnehmend, Beckmann als Berliner Rentier, Schneider als jüdischer Banquier, Rüthling als Handwerker und Gern als geschäftiger Barbier, dann wieder Schneider und Beckmann als zwei Benebelte, hin- und herschwankend. Bald glaubte der Kutscher seinen Wagen ganz besetzt zu haben, als Gern noch einmal in neuer Gestalt erschien und mitgenommen zu werden verlangte. Nur mit Mühe und auf vieles Bitten seiner Freunde wurde ihm gestattet, als dreizehnter Passagier die Fahrt mitzumachen. Wer beschreibt aber das Erschrecken des Kutschers, als er bei der Ankunft in Treptow nur die vier Freunde erblickte, so daß er an Hexerei glauben mußte. Indeß beruhigte er sich, als er das Geld für „dreizehn lumpische Personen“ unter schallendem Gelächter ausgezahlt erhielt. Aber auch der Ernst des Lebens berührte den lustigen Fritz, als eine gefährliche Krankheit ihn auf das Lager warf. Die geschickte Operation von Gräfe rettete ihm das Leben und erhielt ihn noch lange Jahre. Die Theilnahme der Berliner war allgemein, die Freude über Beckmann’s Genesung so groß, daß diese durch ein solennes Fest gefeiert wurde, wobei Holtei dem Freunde eines seiner schönsten Gedichte in schlesischer Mundart sang.

Trotzdem wurde dem lustigen Fritz der Berliner Aufenthalt durch seine Zerwürfnisse mit dem Director Cerf verleidet, dem er seinen Absagebrief mit den charakteristischen Worten schrieb: „Sie sind Ritter des rothen Adlerordens dritter Classe, Besitzer eines Theaters zweiter Classe, aber ein Rindvieh erster Classe.“ Sein Entschluß, Berlin zu verlassen und nach Wien zu gehen, wo er ebenfalls trotz seiner specifisch norddeutschen Komik neben einem Nestroy und Wenzel Scholz den größten Beifall fand, wurde jedoch durch ein zwar loyales, aber etwas tactloses Impromptu auf das Attentat des Königsmörders Tschech herbeigeführt. Beckmann fürchtete die daraus ihm erwachsenden Unannehmlichkeiten und zog es vor, ihnen aus dem Wege zu gehen. Er trat in Wien unter dem nicht minder originellen Director Pokorny auf und wurde auch in der Kaiserstadt der erklärte Liebling des Publicums und des Hofes. Trotz seiner großen Erfolge sehnte sich der fleißige Künstler nach einem andern Wirkungskreise, da Pokorny die Oper zu sehr bevorzugte und, als Beckmann auf ein geregeltes Repertoire drang, ihm die bezeichnende Antwort in seinem böhmischen Dialekte gab: „Na, wann ist Marra (die damalige erste Sängerin) gesund, ist Oper, wann Marra krank, ist Beckmann – da haben’s Repertoire!“

Endlich wurde Beckmann’s sehnlichster Wunsch erfüllt, indem er hauptsächlich auf Wunsch seines hohen Gönners, des Erzherzogs Franz Carl, Vater des jetzt regierenden Kaisers, an dem Burgtheater engagirt wurde, wo er mit so großem Beifall debutirte, daß ihn der damalige Oberstkämmerer und Intendant der Hofbühne, Graf Moritz Dietrichstein, nach der Vorstellung im Beisein seiner neuen Collegen öffentlich umarmte und küßte. Seitdem gehörte er dieser deutschen Musterbühne bis zu seinem Tode an und füllte seine Stellung nicht nur als Komiker, sondern auch als Charakterdarsteller vollkommen aus. Im Jahre 1859 kam er wieder zu einem Gastspiel, und zwar auf dem Wallnertheater, nach Berlin, wo er, wie nicht anders zu erwarten, sich neue Lorbeeren errang. Beim Abschied hinterließ er dem Director Wallner sein wohlgetroffenes Portrait mit der ihn charakterisirenden Unterschrift:

„O liebster, ach bester Director mein,
Ein schönes Geld nahm ich bei Dir ein.
Auch konnt’ ich viel Ruhmes mich bei Dir erfreu’n,
Drum sei mein Dank dafür nicht bloßer Schein;
Laß mich zur Erinnerung Dir eine Frage weih’n:
‚Wann werden wir wieder beisammen sein?‘“

Nach diesem Portrait, das Herr Wallner freundlich mittheilte, ist das Bildniß hergestellt, das die Redaction unserer Skizze beigegeben hat.

Leider wurden die letzten Jahre von Beckmann’s Leben durch schwere körperliche Leiden verbittert, die er mit anerkennenswerther Geduld ertrug, ohne seinen Humor zu verlieren. Noch bei seiner letzten Anwesenheit in Karlsbad, wo er Linderung seiner oft furchtbaren Schmerzen suchte, war ich täglich Zeuge seines unerschöpflichen Humors und sprudelnden Witzes, so daß die Morgenstunden mit Beckmann am Brunnen zu meinen angenehmsten und heitersten Erinnerungen zählen. Durch die letzten kriegerischen Ereignisse wurde er verhindert, Karlsbad wieder aufzusuchen, weil ihm „Sprudel mit preußischem Zündnadelfeuer“ nicht ganz zuträglich für seine Gesundheit erschien. Er zog es vor, in Gmunden seine Ferien an der Seite seines alten Freundes La Roche zu verleben. Hier erkrankte er indeß so heftig, daß er unter unsäglichen Leiden sich nach Wien bringen ließ, wo er sich, leider vergebens, einer schmerzhaften Operation unterzog. Ein sanfter Tod erlöste am 6. September Nachmittags vier Uhr Beckmann von seinen Qualen und schloß für immer die Lippen des lustigen Fritz.

Beckmann war der geborene Komiker, der verkörperte Humor auf der Bühne, der Witz und die Heiterkeit in eigener Person. Seine bloße Erscheinung reichte schon hin, ein schallendes Gelächter zu erregen, und noch ehe er den Mund öffnete, wurde er oft mit Jubel empfangen, ohne daß man eigentlich sich der Ursache bewußt war, ein Beweis seiner echten und ursprünglichen „vis comica“. Dabei war er nichts weniger als ein Farceur oder Possenreißer, sondern stets bemüht, der Wahrheit und Natur so treu als möglich zu bleiben. Aber er besaß im reichsten Maße die Gabe und Empfänglichkeit für alle Lächerlichkeiten des Lebens, die er mit bewunderungswürdiger Kunst wiederzugeben wußte. Rollen wie der „Liborius“ in der „Reise auf gemeinschaftliche Kosten“, „der pensionirte Fleischsteuercassenschreiber Mengler“, „der Vater der Debutantin“ übten eine wahrhaft hinreißende komische Gewalt über die Zuschauer und zwangen den eingefleischtesten Hypochonder zum Lachen. Diese Wirkung wurde noch durch seine angeborne Harmlosigkeit gesteigert, mit der er die größten Tollheiten des höheren Blödsinns vorbrachte. Wer konnte noch ernsthaft bleiben, wenn er in der „Reise nach Spanien“ voll Todesangst vor den Räubern in der Finsterniß herumtappend plötzlich ausruft: „Da liegt etwas Hartes am Boden – eine Waffe? – nein, es ist ein Taschentuch,“ oder wenn er als Theater-Director in „Richard’s Wanderleben“ auf die Forderung des Künstlers, für eine Gastrolle zwei Drittheile der Einnahme zu erhalten, mit dem größten Ernste und den heiligsten Eiden versichert, daß er jetzt „in den heißen Sommermonaten selbst nur ein Drittel einnehme“! Nicht minder komisch erzählte er in des „Uhrmachers Hut“, daß er nach vieler Mühe künstliche Hühneraugen erfunden habe, die genau eben so sehr schmerzten, wie die natürlichen, während er als Liborius, wenn ihm seine Reisegefährtin das für ihn bestimmte Abendbrod wegißt, plötzlich heftig zu husten anfängt, „weil ihm sein Essen in die unrechte Kehle gekommen sei“. Zahllose dieser Impromptus sind bereits sprüchwörtlich geworden, ebenso wie einige der oben erzählten charakteristischen Anekdoten wohl schon bekannt sein mögen, und sichern Beckmann’s Andenken im Munde des Volkes.

Mit Recht rief daher Director Laube dem Dahingeschiedenen an seinem Grabe nach: „Fritz Beckmann, unser fröhlicher Fritz, verläßt uns auf immer! Zum ersten Male weinen wir schmerzliche Thränen über Dich und nichts bleibt uns, als Dein lieblich-fröhliches Gedächtniß in unserer Seele. Beckmann, fahre wohl für diese Welt!“
Max Ring.



Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Feitz