Von den Teutschen Schulen in Nürnberg

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Autor: Anonym
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Titel: Von den Teutschen Schulen in Nürnberg
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aus: Journal von und für Franken, Band 1, S. 390–435
Herausgeber: Johann Caspar Bundschuh, Johann Christian Siebenkees
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Erscheinungsdatum: 1790
Verlag: Raw
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Erscheinungsort: Nürnberg
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Quelle: UB Bielefeld, Commons
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II.
Von den Teutschen Schulen in Nürnberg.
Die Teutschen Schulmeister, oder wie sie sonst auch schicklicher heissen, die Schreib- und Rechenmeister in Nürnberg haben eine so merkwürdige zunftmäßige Verfassung, daß dieselbe eine nähere Bekanntmachung verdient.[1]| Der Zunftgeist, der in unsern litterarischen Anstalten so sehr noch hervorsticht, hat sich auch hier eingedrungen, aber, wie ich glaube, nicht zum Vortheil der Sache.
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Teutsche Schulen, Schreib- und Rechenmeister, finde ich in Nürnberg schon zur Zeit der Kirchenreformation. Ältere Spuren derselben sind mir noch nicht bekannt geworden. Der älteste, dessen unsere Chroniken Meldung thun, war Conrad Glaser, ein Pfaff und Rechenmeister, der 1529 als Muttermörder in Inquisition kam. 1537 findet sich ein Teutscher Schreiber, der hinkende Hanns Ziese genannt, welcher wegen getriebener Unzucht mit seinen Schulmädchen mit dem Schwerd hingerichtet wurde. Unter die berühmtesten Schreib- und Rechenmeister im 16ten Jahrhundert gehört Johann Neudörfer, der ältere, (geb. 1497 gest. 1563) der manchen guten Schüler in der Schreib- | und Rechenkunst zog, von welchen einige nachher in Nürnberg selbst Rechenschulen eröffneten. Als Schriftsteller hat sich unter denselben am berühmtesten gemacht Sebastian Kurz in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts.[2]

Die eigentliche Zunftverfassung derselben scheint erst 1613 entstanden zu seyn, wie folgender Rathsverlaß beweiset:

Vf der Herrn Deputirten widerbrachtes bedenken, die teutschen Schulen betreffend, Ist befolen, die Zal derselben auf 48. zustellen, vnd in dieselbe auch Niclaus Zirlein aufzunemen, vnd Ime die Innwohnung auf zwey Jar zu vergönnen, die auffthailung aber diser Schulen dergestallt anzustellen, daß sie, so viel müglich, nit zu nahe und zu weit von ein ander zu wohnen, Jedoch in solcher auffthailung nit so eben vff die acht Virtel der Statt zusehen, weil dieselbe ein ander seer vngleich sein, und die vebrigen, so in dieser Zal der 48. nit begriffen, alle abzuschaffen, auß den Zugelassenen aber drey oder vier der Vornembsten zu vorgehern und Aufsehern zu verordnen, dergestallt, daß sie nit allein zu gewisen Zeiten die andern Schulen visitirn, sondern auch die Jenige, so in diese Zal aufzunemen, examinirn sollen, Auch diese alle die verfaste pflicht Järlich vor dem Amptbuch leisten zulassen, Doch alles mit ofner handt, Actum den 1. Novembris Anno 1613.

per Herren Deputirte.     


| Aus diesem Rathsverlaß erhellt, daß die Anzahl der Teutschen Schulen damahls sich über 48 belief, welche nun auf eine geschlossene Zahl gesetzt wurden. Daß sie nicht eher ein geschlossenes Collegium ausmachten, scheint auch daraus zu erhellen, weil sie erst seit 1613 in den geschriebenen Ämterbüchern vorkommen.

Es wurden ihnen auch damahls, so wie einer andern Zunft, einige Vorgeher und Aufseher aus ihrem eigenen Mittel geordnet, welche die übrigen zu Zeiten visitiren, alle halbe Jahre Examen anstellen und die neuen Mitglieder ihres Collegiums examiniren sollten.

Ob sie gleich eine Zunft ausmachten, so standen sie doch nie unter dem Rugsamt, unter welchem sonst die Handwerker stehen, sondern unter einer eigenen Deputation, welche aus zwey Rathsherren besteht, und einen Canzellisten zum Deputationsschreiber hat. In den Ämterbüchern finden sich solche Deputirte aus dem Rath erst seit 1663, es scheinen aber schon seit 1613 dergleichen zur Oberaufsicht über die Teutschen Schulen beständig geordnet gewesen zu seyn.

| Die Anzahl dieser Teutschen Schulen hat nach und nach stark abgenommen, so wie sich die Volksmenge in Nürnberg vermindert, und man mehrere Armenschulen errichtet hat. 1657 wurde dem Caspar Kiehl erlaubt eine französ. Schule zu eröffnen und eine Tafel auszuhängen. 1665 wurde die Anzahl auf 20 Rechenmeister und 8 Schulhalter gesetzt. Im J. 1701 ist ihre Anzahl auf 20 gesetzt worden, welche noch jetzt fortdauert, obgleich manchmahl einige Stellen unbesetzt waren. 1720 wurden in denselben 824 Knaben, und 897 Mädchen unterrichtet. Wahrscheinlich ist die Anzahl der Schüler jetzt nicht mehr so stark.
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Die ersten Inspectoren scheinen dieß Amt lebenslänglich geführt zu haben. Die Anzahl der Vorgeher war bis 1652. vier, welche bis 1642 vierundzwanzig Guldengroschen aus der Schau bekommen. Ein Paar dieser ersten Vorgeher waren Johann Heer der ältere,[3] und Augustin Wildsaw. Ich habe eine auf ein länglichtes Quadrat von Stahl künstlicheingegrabene Zierschrift gesehen, woauf es heißt: Augustin Wildsaw R. (Rechenmeister) Inspector und Visitator der teutschen Schulen. (Von diesem Manne,| daß ich dieß im Vorbeygehen bemerke, hat wahrscheinlich eine Gegend zwischen der Lorenzerkirche und der Findel noch jetzt den Namen bey der wilden Sau; eigentlich beym Wildsau, welcher daselbst gewohnt haben mag) 1652 verordnete ein Rathsverlaß, daß das Amt der Vorgeher künftig unter den Schulmeistern wechselweise herumgehen solle.

Jetzt sind dieser Vorgeher nur drey, von welchen jeder es drey Jahre bleibt, und zu welchem Amt auch einer öfter gelangen kann. Sie wählen dieselben selbst aus ihrem Mittel, und jeder gibt seine Stimme zur Wahl in einem verschlossenen Billet.[4]

Die Visitation und Inspection der Schulen ist nunmehr den Geistlichen übertragen, und den Vorgehern daher nur noch das Examen der Candidaten überlassen, und die Erlaubniß im Hause des ältesten Vorgehers im Frühjahr und Herbst einen Convent oder eine Versammlung anzustellen.

Seit 1692 sind die Diakonen der Kirchen zu St. Sebald, Lorenzen, Egydien, im Spital und St. Jacob als Visitatoren der Teutschen Schulen bestellt. Die Diakonen| in der Frauenkirche sind vermuthlich nicht dazu genommen worden, weil sie keine Beichtkinder haben. Jeder soll die ihm angewiesene Schule wenigstens monatlich einmahl besuchen, und darauf sehen, daß der Schulordnung von 1715 nachgelebet werde. Kein neues Buch soll in der Schule ohne sein Vorwissen gebraucht und eingeführt werden. Er soll insonderheit auf fleißiges Katechisiren dringen, und den Schulhaltern, welche hierin noch zurück sind, eine gute Methode beybringen. Jeder Visitator soll bey der Rathsdeputation alle Vierteljahre oder wenigstens alle halbe Jahre von der ihm untergebenen Schule Bericht erstatten, und von den Mängeln zeitlich Nachricht geben. Ein Diakonus erhält dafür jährlich 2 Gulden. In einem Rathsverlaß vom Decemb. des J. 1789 ist den Geistlichen dieses Geschäfft aufs neue nachdrücklich empfohlen worden. Die Senioren unter den Diakonen bey St. Sebald und St. Lorenzen dürfen in die in ihrem Pfarrdistrict liegenden Schulen kommen, wann sie wollen. Wenn ein Diakonus, der Visitator war, gestorben oder von seinem Amt abgekommen ist, so bereden sich seine Collegen mit einander, welcher künftig die Visitation übernehmen will. Derjenige, welcher nun die vacante Schule übernimmt,| zeigt dieß den Rathsdeputirten an. Wenn aber ein Diakonus in eine andere Kirche ist befördert worden, und seine bisherige Schule beybehält, so können daraus Unordnungen entstehen.

Der oben beygebrachte Rathsverlaß von 1613 hat schon befohlen, daß die Teutschen Schulmeister einander nicht zu nahe wohnen sollen. 1665 erfolgte eine neue Verordnung, daß dieselben wenigstens zwey Gassen weit auseinander ziehen sollen.[5] 1705. d. 29 Apr. wurde daher auch ein Schulmeister, welcher ein einer andern Schulmeisterin sehr nahe gelegenes Haus gekauft hatte, angewiesen, dasselbe zu vermiethen, oder wenigstens darin nicht Schule zu halten.

Die Pflichten der Schreib- und Rechenmeister werden jährlich am Sonnabend vor Pfingsten erneuert, welche unter andern folgende Puncte enthalten: Sie sollen einander ihre Schulkinder nicht abzuspannen suchen, noch um Kinder werben. Sie sollen ihre Schüler im Rechnen und Schreiben getreu und in der reinen Lehre des christlichen Glaubens fleißig unterrichten, sich nicht mit den Kindern gemein machen, nicht mit den Kindern an| einem gewissen Tag in Gärten oder sonst über Land gehen und so genannte Spieltage halten.

Das Zunftmäßige der Teutschen Schulmeister in Nürnberg besteht darin, daß derjenige, der eine solche Schule errichten will, als Lehrjunge lernen, als Gesell arbeiten, und endlich zum Meister gesprochen werden muß, auch das ganze Collegium einen Zunftzwang gegen Pfuscher in ihrem Metier ausübt.

Wer sich bey einem Schreib- und Rechenmeister in die Lehre begeben will, muß 18 Jahre alt seyn. Ehehin mußte er 6 Jahr in derselben ausharren, jetzt nur 4 Jahre. Während dieser Zeit heist er Schreiber. Im 22sten Jahr wird er also zum Examen zugelassen. Der Sohn eines Schreib- und Rechenmeisters kann seine Lehrzeit im 16ten Jahr anfangen, und im 20sten sich examiniren lassen.[6] Der Schreiber muß sich nach verflossener Lehrzeit durch ein Memorial bey den Herren Deputirten und mündlich bey den Vorgehern melden. Der älteste Vorgeher gibt ihm| nun die in der Beylage B befindlichen Fragen, um solche zu Hause schriftlich zu beantworten. Diese Fragen sind aus der Schreib- und Rechenkunst genommen, und sind ein Beweis, worin man vor 170 Jahren die Kenntnisse eines solchen Mannes gesetzt hat.
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Der Augenschein lehrt, daß einige darunter heutzutag unzweckmäßig sind, z. E. das, was von der Regel Coß, den Pronic- und Polygonal-Zahlen unter den abentheuerlichsten Namen darin vorkommt, so wie manches wichtigere fehlt. Z. E. Handels- und Wechselrechnungen, Kettenregel. Auf diese Fragen bezieht sich wahrscheinlich das Buch Johann Heers, des ältern, welches Doppelmaier[7] anführt: Arithmeticae et geometricae quaestiones für diejenigen, so sich ins Examen und folglich zu den teutschen Schulstand zu begeben gesinnet. 1616. – Nach erfolgter Beantwortung wird von den Vorgehern der Tag zum Examen bestimmt, welches im Hause des ältesten Vorgehers gehalten wird, und nicht länger als 6 Stunden dauern soll. Das Examen nehmen die 3 Vorgeher wechselweise vor, und es wohnt demselben derjenige Canzellist bey, welcher Deputations-Protokollist ist. Hier wird der| junge Schreiber aus der Schreib- und Rechenkunst examinirt und auch geprüft: ob und wie er die Fragstücke des Katechismus zergliedern und seinen Schulkindern deutlich erklären könne?[8] Die Kosten für das Examen und das Abendtractement belaufen sich auf 50 Gulden.

Nun muß der Schulcandidat warten, bis ein locus oder eine Schreib- und Rechenschule ledig wird, und kann unterdessen bey einer Schulmeisterswittwe als Schreiber dienen, oder auch Gehülfe eines andern Schulmeisters seyn. Will er eine ledige Schule übernehmen, so muß er sich mit Beystand der Vorgeher bey der Deputation um das Tafelschreiben melden.

Mit dem Tafelschreiben war ehehin folgender Unterschied zwischen den eigentlichen Rechenmeistern und den Schulmeistern. Die Rechenmeister hingen eine mit Gold geschriebene schwarze Tafel an ihrem Hause aus; die Schulmeister aber eine schwarz geschriebene weiße Tafel. Seit 1701 hat dieser Unterschied| aufgehört, und das Tafelschreiben und Aushängen ist durchaus einerley, und zwar verhält sichs also. Nach erhaltener Einwilligung zum Tafelschreiben wird ein Tag vestgesetzt, an welchem der Candidat in das Haus des ältesten Vorgehers kommen und auf einem großen Bogen Papier zeigen muß, ob er fähig ist, die Tafel zu schreiben, Dieß beweist er mit Aufzeichnung der Anfangsbuchstaben des Symbolums in großer Fractur, welches jeder Schulmeister oben auf seine ausgehängte Tafel setzt. Dieß ist das weiße Tafelschreiben, wobey jeder Vorgeher 30 Kr., der älteste einen Fl. bekommt. Dieß Symbolum hieß sonst: Patientia vincit omnia; jetzt ist es meist ein biblischer Spruch. Darunter steht der Name der Schreib- und Rechenschule. Dieses schreibt er zu Hause mit goldenen Buchstaben auf eine schwarze Tafel, und dieß heißt das schwarze Tafelschreiben. Eine solche Tafel hängt er künftig an seinem Hause aus. Ist er damit fertig, so sagt er es den Vorgehern an und bittet um die Schau, wofür jeder 1 fl. 30 Kr. erhält. Der älteste Vorgeher zeigt nun bey der Deputation an, daß die Tafel geschrieben sey, und der Candidat verpflichtet zu werden verlange. Hier haben wir also das Meisterstück,| wie bey den Handwerkern; dieß ist gleichsam die akademische Disputation pro gradu.
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Endlich üben sie auch gegen alle Winkelschulmeister, welche sie Kalmäuser nennen, und als Broddiebe ansehen, den Zunftzwang aus. Im Rathsmandat vom 11 Dec. 1715, das in der Beylage B zu lesen ist, verspricht der Rath selbst die Winkelschulen abzustellen, und warnt vor der Information der mehrmahls einschleichenden Vaganten, von denen die Jugend nichts gutes lernen kann, derselben vielmehr öfters, wider die reine Evangelische Lehr, (um deren Aufrechthaltung man damahls vorzüglich bekümmert war) allerhand Irrthum heimlich beygebracht, auch anstatt daß sie zu wahrer Gottesfurcht angewiesen werden sollte, zu Sünd und Lastern verleitet werde. In den ehemahligen Zeiten haben sie manchmahl angesucht, daß den theologischen Candidaten der Hausunterricht in den Sachen, welche sie treiben, untersagt werden möchte. – So lange man keine Änderung in solcher handwerksmäßigen Denkungsart macht, kann keine gute Bürgerschule für solche, die nicht studiren wollen, in Nürnberg entstehen. Bey der großen Anzahl von theol. Candidaten, welche Nürnberg hat, und die ohnehin größtentheils während ihrer| 10 bis 12jährigen Expectanzzeit sich vom Informiren ernähren müssen, wäre es wohl so schwer nicht, eine oder die andere Unterrichtsanstalt, die unsern Zeiten angemessen ist, zu Stand zu bringen, und dieselbe mit diesen Expectanten zu besetzen. Mancher derselben würde auch wohl statt eines Pfarramts diesen Stand auf immer wählen und sein pädagogisches Talent benutzen. Der Unterricht im Schreiben und Rechnen möchte den bisherigen Schreib- und Rechenmeistern überlassen bleiben, da sie in demselben noch am ersten Nutzen schaffen können, und noch jetzt gute Lehrmeister hierin unter ihnen sind. Wahre Geschicklichkeit würde aber allen Zunftzwang entbehrlich machen. Da die Lehrer in den Armenkinderschulen nicht zünftig sind, so gibt es manchmahl wegen des Privatunterrichts, welchen dieselben geben, mit ihnen Zunftstreitigkeiten. – Die Schreib- und Rechenmeister haben das Prädicat: Erbar, Wohlgelehrt, und Kunstberühmt.
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Der Unterricht, der in diesen Schulen ertheilt wird, betrifft das Lesen, Schreiben und Rechnen. Die Schüler und Schülerinnen sind in Abcschüler, Buchstabir- und Leseschüler abgetheilt. Zum Abclernen ist noch keine der bessern Fibeln eingeführt, an| denen wir doch jetzt großen Überfluß haben. Die sehr gute Fibel und das Lesebuch des Herrn Prof. Junge zu Altdorf wird, meines Wissens, noch von keinem gebraucht. Diesen Unterricht besorgt öfters die Frau des Schulmeisters. Zum Buchstabiren wird eines der trefflichsten biblischen Bücher, die Sprüche Salomons, die aber freylich meist für Kinder dieses Alters zu hohe Weisheit enthalten, gebraucht; welche auch zu dieser Absicht in Sylben abgetheilt besonders gedruckt sind. Dann werden die Psalmen, das N. Testament, und endlich die ganze Bibel gelesen, oder vielmehr in einem höchst ekelhaften Tone abgesungen. Denn Kinder so lesen zu lehren, wie es der jedesmahlige Inhalt und die darin herrschende Gedankenreihe oder Empfindung erfordert, daran wird gar nicht gedacht, ohngeachtet dieß doch in jeder Bürgerschule mit zu den wichtigsten Theilen des jugendlichen Unterrichts gerechnet werden sollte. Zur Katechisation gebrauchen einige die Gräfischen Katechismus-Tabellen. Auswendig gelernt wird Luthers kleiner und großer Katechismus, die in 52 Lectionen abgetheilte Nürnbergische Kinderlehe[9], die Psalmen, das Sonntagsevangelium, die Sprüche| und Reime, im Anhang der Kinderlehre, Verse aus Liedern, auch ganze Lieder. In manchen sind auch eigene Spruchbüchlein zu dieser Absicht eingeführt: z. E. Georg Arnold Bezzels Spruchbüchlein, wovon 1775 noch eine zweyte Auflage mit einer Vorrede des verstorbenen Prediger Degens erschienen ist, und wozu ein ehemahliger Geistlicher, Adam Rudolf Schedel, in Reime gefaßte Seufzer verfertigt hat. Rochows, Campens, Seilers Schriften sind meines Wissens noch in keiner dieser Schulen bekannt.

Der Unterricht im Schreiben ist noch erträglich: nur lernen sehr viele Schüler Canzley und Fractur schreiben, die es in ihren Verhältnissen nie brauchen, und nicht ganz orthographisch schreiben können. Aber desto zweckwidriger und ärgerlicher ist gewöhnlich der Inhalt der Vorschriften (Titel) und der Dictirpensen, ob wir gleich hiezu jetzt sehr gute Muster haben. Ich habe von diesen und jenen Proben aus verschiedenen Schulen vor mir, von welchen ich etliche zur Probe abdrucken lassen will.

N. 1. Quartan schreibt: Nach Christi Geburt 1542. ist ein Mägdlein gewesen, nicht weit von Speier in einem Dorf Rod genannt, welches sich etliche Jahre leiblicher Speise enthalten und doch wohlgestalt und gefärbt gewest. Daselbige hat| die Römische Königl. Majestät Ferdinandus zu Regenspurg auf demselben Reichstag durch seinen Arzt bewahren lassen. Aber man hat keinen Betrug gefunden, ist also wunderbar von Gott gespeiset und erhalten worden. Nach solcher Bewahrung hat es der Römische König schön bekleiden lassen, mit einen Geschenk begnadiget und wiederum ihren Eltern heimgeschikt.

N. 2. Zur Zeit Romuli hatten die Römer einen Tempel des Friedens erbaut. Da fragten sie ihre Götter, wie lange solcher Tempel stehen und dauern würde? Hierauf bekamen sie diese Antwort Donec virgo pariat biß eine Jungfrau gebähren wird. Welches, wie sie solches für ein unmögliches Ding hielten, also meinten sie solcher Tempel würde ewig stehen und zu keiner Zeit untergehen. Dahero sie auch über dessen Thüre diese Worte schreiben ließen Templum pacis aeternum. Das ist: der ewige Tempel des Friedens. Aber was geschah? In derselben Nacht, da Christus geboren war fiel dieser Tempel ein und gieng mit allen zu Grunde.

N. 3. Philippus König in Macedonien als er sich mit einem grosen Kriegsheere der Stadt Bizantium näherte, um selbige einzunehmen, gieng ihm Leo Bizantinus entgegen und sagte O du großer König warum wilst du unsere Stadt belagern? Philippus antwortete, Weil ich in dieselbe verliebt bin und weil ich derselben geniesen wollte. Allergnädigster König versezte Leo, die Liebhaber gehen zu ihren Geliebten nicht mit Kriegs- sondern mit musikalischen Instrumenten. Welche| scharfsinnige Antwort dem König so wohl gefiel, daß er von der Stadt sogleich abzog.


Nun auch einige Dictirpensen.


Nbg. d. 17 Juni 1790

 Monsieur

Ich bleibe Ihnen vor Ihr Wohlmeinen allezeit verbunden, absonderlich bedanke ich mich vor die vertraute Untreue meines gewesenen Liebsten, den ich in das künftige nicht mehr so nennen noch weniger des geringsten Andenkens ferner würdigen will. Vermeint er sein Glücke bei einer Schneiderstochter in N. besser als allhier bei mir zu machen, so beneide ich keines von ihnen darum, vielmehr danke ich Gott, daß ich seine Veränderung eben noch zu rechter Zeit von Ihnen erfahren und ihn selber verstoßen kan. Ich getraue mir doch noch einen Mann zu bekommen, wenn es gleich der niedrig denkende N. nicht ist. Erhalten Sie alsdann einen Hochzeitbrief von mir, so bleiben Sie ia nicht aus und verpflichten durch ihre Liebe noch ferner.

Ihre ergebenste Dienerin
N. N. 


 Mademoiselle

Dieweil Ihnen bei meinen Abschied in Naumburg mit Mund und Hand versprochen, daß ich melden wolle wie ich in Coburg angelangt: so belieben Sie nur dieses Blat mit gütigen Augen anzusehen, worauf sie meine ganze Reisebeschreibung| finden werden. Als ich zu Jena von der Kutsche stieg traf ich einen Bekannten an der daselbst studirte und mich auf seine Stube führte wo er mir in kurzer Zeit einen solchen Rausch anhieng daß ich biß diese Stunde noch nicht weiß wie ich von Jena weg kam. Zu Kahla ermunterte ich mich zwar wieder in etwas, aber da ich in Uhla guten Wein antraf und mir meine Reisegeführten zusprachen ergieng es mir wie zu Jena und ich stieg in Saalfeld noch zimlich taumelnd vom Waagen wo ich die Nacht über gar ausschlief. Als wir eben in den Thüringer Wald waren überfiel uns ein schreckliches Gewitter, deß wir uns alle des Todes versehen indem der grausame Wind die grösten Bäume niederriß und der Strahl in die Erde schlug und wir alle Augenblike unseres Untergangs gewärtig seyn mußten. Von da aus habe Ihnen diesen Bericht ertheilen und Sie zugleich aufrichtig versichern wollen, wie Ihnen vor alle Höflichkeiten lebenslang verbunden bleibe
Dero 
N. N. 


Zum Rechnen gebrauchen manche eines vor wenigen Jahren verstorbenen geschickten Rechenmeisters, Andreas Inspruckners, Rechenbüchlein, andere Andr. Schieners Rechenbüchlein, welche beyde fast nichts als Exempelsammlungen sind, ohne den nöthigen umständlichen Unterricht in den Regeln des| Rechnens selbst. Manche bedienen sich keines gedruckten Rechenbuchs, sondern ihrer eigenen gesammelten Exempel.

Die Zeit des öffentlichen Unterrichts ist Vormittags zwey Stunden, und Nachmittags zwey Stunden. Die Vormittagsstunden ändern sich nach der Jahrszeit, und dauern vom Chorläuten bis zum Todenläuten. Der Chor wird in den längsten Tagen um 8 Uhr, in den kürzesten um 9 Uhr geläutet, Das Todenläuten ist immer 2 Stunden später. Bey einigen dauren sie ohne Unterschied der Jahrszeit bis 11 Uhr. Die Nachmittagsstunden sind von 1 bis 3nbsp;Uhr. Ausser dieser Zeit wird von ihnen sowohl in ihrem eigenen Hause, als in fremden Häusern im Schreiben und Rechnen Privatunterricht ertheilt.

Für den Unterricht in den öffentlichen Stunden bezahlen die, welche noch nicht schreiben, wöchentlich 3 Kreuzer; die schreibenden 6 Kr. die Rechnenden 8 Kr. Vierteljährlich bezahlen die ersten 36 bis 48 Kr. die zweyten 1 fl. 12 Kr. die dritten 1 fl. 30 Kr. bis 2 fl. Der Privatunterricht wird meist vierteljährlich, bey solchen, die schreiben, mit 1 fl. 10 Kr. bey denen, die rechnen, wenigstens| mit 1 fl. 30 Kr. bezahlt: er hat aber keine allgemeine Taxe. Für Hausinformation wird monatlich 1 fl. 30 Kr. bis 2 fl. bezahlt; doch richtet sich dieß nach der Anzahl der Stunden und der Kinder, die zu unterweisen sind. Ausserdem fallen noch verschiedene Extraausgaben und Geschenke vor. Zum Einstand 24 bis 36 Kr. Ausstand eben so viel. Holzgeld 8 bis 12, auch 15 Kr. Neujahr, 24 bis 36 Kr. oder was so viel wehrt ist. Auskehrgeld an Weihnachten, Ostern und Pfingsten, jedesmahl 4 bis 6, auch 8 Kr. Angebinde 24 bis 36 Kr. oder etwas von gleichem Wehrt. Fürs Aufstehen in der Kirche, 24 bis 36 Kr. Von den beyden letztern Puncten muß ich noch nähere Erläuterung geben.

Für das Angebinde, welches dem Schulmeister an seinem Namenstag oder am Johannistag gebracht wird, gibt dieser den Kindern kleine Gegengeschenke, z. E. den kleinen Zuckerwerk, den größern Bleystifte und Federn. Dieß heißt der Spieltag, an welchem einige Schulmeister ihren Schulkindern im Hause oder in einem Garten eine kleine Ergötzlichkeit verschaffen.

Mit dem sogenannten Aufstehen in der Kirche hat es folgende Beschaffenheit. Es| ist eine Anstalt, welche bereits 1558 den 14 August ihren Anfang genommen, und den Namen davon bekommen hat, weil die Kinder, welche öffentlich in der Kirche gefragt werden, auf Bänken stehen, und die Fragenden gegen über auf der Erde. Vom Trinitatissonntag an soll jeder Schulmeister in der ihm angewiesenen Kirche an einem bestimmten Platz mit seinen Kindern erscheinen, und zwar Nachmittags um 2 Uhr, ehe die Vesperpredigt anfängt. Daselbst soll er in Gegenwart des Seniors von den Diakonen an jeder Kirche den kleinen Catechismus Luthers, einmahl von Knaben, das anderemahl von Mädchen hersagen lassen, so daß die Kinder selbst wechselseitig einander fragen und antworten. Zu diesem Ende kommt der Senior am Freytag vorher selbst in die Schule und probirt mit den Kindern das Stück. Dafür und für die Bemühung des Zuhörens wird dem Senior 12 fl.[WS 1] jährlich vom Stadtalmosamt bezahlt. Der Schulmeister erhält auch von den Eltern der Kinder dafür einige Belohnung. Dieses Führen der Kinder in die Kirche und Aufstehen ist ziemlich in Verfall gerathen; manche Schulmeister erscheinen gar nicht, manche nur einige Sonntage, so lange ihnen und den Kindern es beliebt. Es| soll aus folgenden Ursachen oft schwer halten, Kinder dazu zusammen zu bringen: weil es Rangstreitigkeiten gibt, keines das Vaterunser auf sein Pensum nehmen will, und der Aufwand auf den Sonntagsputz manche abhält. Ich sehe auch keinen besondern Nutzen ein, der aus dieser Einrichtung entspringt.

Die älteste gedruckte Nürnbergische Schulordnung ist von 1698, und erschien unter dem Titel: Eines Hoch Edlen, Fürsichtig und Hochweisen Raths des Heil. Röm. Reichs Freyen Stadt Nürnberg, Neue Verordnung für die Teutsche Schulhalter und Schulhalterinnen. Nürnberg, gedruckt bey Balthasar Joachim Endter. 1698. Sie ist vom 9 Jun. und 2 Bogen in Folio stark. Sie wurde auch in 8. gedruckt. Es wird sich darin einigemahl auf M. August Herm. Frankens zu Glaucha bey Halle Schulordnung berufen, welche damahls sehr berühmt gewesen seyn mag. Vor dieser Nürnbergischen Schulordnung gingen einige andere Stücke voraus, die zum Theil noch ungedruckt sind[10].

Oberherrlich erforderte Instruction Teutsche Schulen betr. d. d. 10 Nov. 1697. von| dem Prediger M. Tob. Winkler verfasset, welche vielleicht die Grundlage der gedruckten Ordnung ist, und die ich nicht gesehen habe.

Befindung der Schulmängel, sonderlich in puncto des lieben Catechismi,

steht in E. E. Hirschens Nürnberg. Catechismus-Historie (Nürnb. 1752. 8) S. 116.

Bedenken der Herren Prediger von Visitirung der teutschen Schulen,

Ebendas. S. 131.


Austheilung der teutschen Schulen, wie sie von denen Herren Diaconis zu visitiren übernommen werden,

Ebendas. S. 133. Es erhellt daraus, daß in der Stadt damahls noch 30 Schulen waren.


Die alte Verordnung von 1698 ist nachher beträchtlich erweitert und neu gedruckt worden, unter dem Titel:


Verneuerte Ordnung, für die teutsche Schulhalter und Schulhalterinnen, wie so wohl dieselbige als der Schul-Jugend Eltern in der Lehr und Zucht sich zu verhalten haben. Nürnberg, gedruckt bey Balthasar Joachim Endter. A. 1715. 3 Bogen in Folio.| Sie ist eingedruckt bey Hirsch in der Catech. Hist. S. 119.

Hiezu kommen noch:

Instruction für die Herren Diaconos, welche die teutsche Schulen visitiren sollen, 1 B in Fol. bey Hirsch. S. 134.

Anweisung zur Catechisation in Frag- und Antwort durch zwey Exempel. 1 B. in Fol. bey Hirsch, S. 139.

Ein Mandat in forma patente vom 11 Dec. 1715 die verneuerte teutsche Schulordnung betr. welches die Beylage C ausmacht.

Instruction für die Vorgehere bey den Schreib- und Rechenmeistern. 1 B. in Fol. welchen ich in der Beylage D abdrucken lasse.

Ob diese Gesetze nach 75 Jahren nicht eine Revision oder Untersuchung bedürften, ob das Nürnbergische Schulwesen in der Stadt und auf dem Land nicht große Verbesserungen brauche, mögen andere beurtheilen. Ich wollte auf diese Sache, die wahrlich wichtig ist, bloß Aufmerksamkeit erregen.




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Beylage A.
Ordnung der Nürnbergischen Schreib- und Rechenschulen A. 1665.

1) Erstlich sollen hinfüro mehr nicht, dan 20 Rechenmaister und 8 Schuhlhalter, ohne der Verwittibten Schuhlen in allhiesiger Stadt seyn, und mittler Zeit, biß die Schuhlen uf Jeztgedachte Zahl durch absterben verringert werden; anstatt zweyer abgestorbenen, nur einer eintretten, Alß dann über die Anzahl der 20 Rechenmaister, und 8 Schuhlhalter, kein Schuhl aufgerichtet werden;

Zum Andern, kein Rechenmaister, Er habe dann das Vorgeher Ambt würklich betretten, einigen Lehrjungen oder Diener (welchen er mit Vorwissen und in Beysein der 3 Vorgeher in der Canzley in das gewöhnliche Protocoll einzuschreiben hat) aufzunehmen macht haben soll, Maßen auch

Drittens Jeder aufgedingter Lehrjung, die Schreib- und Rechenkunst völlig zu lernen, Sich auf 6 Jahrlang zu dienen versprechen, auch nach Verfliessung seiner Bedingten Zeit, eher nicht zum Examen gelassen werden soll, biß entweder einer unter der Zahl der 20 Rechenmaister abgangen, oder unter den 8 Schulhaltern ein Stell vacirent seye, welche dann der älteste in der Canzley eingeschriebene Diener und Expectant, er seye gleich eines Rechenmaisters Sohn oder nicht, uf vorhergehendes Rechen Examen interims-Weiß annehmen| mag, biß er nechstens uf absterben eines Rechenmaisters, ohne alle Hindernuß in die Zahl der Rechenmaister eintretten kann. etc.

Viertens soll der Jenige, welchem von Einem Wohl-Edlen Gestreng und Hochweißem Rath ein Schuhl zu halten, vergünstigt werden, Sich alß ein Rechenmaister examiniren zu lassen, 6. Jahr zurückhstehen, alßdann uf einschreibung in das Protocoll, und mit vorbewust der Vorgeher 2 Jahr bey einem Rechenmaister die Prob und Kunstrechnung lernen und neben andern Expectanten des Vorgangs und Einstandtrechts gewertig seye.

Fünfftens, Soll alle Jahr von denen dreyen Oberherrlich verordneten Inspectoribus oder Vorgehern, der Elteste Ab- und durch eine ordentliche Wahl, Einer so vor allen die meiste Stimm oder Vota haben wird, an dessen stell an Kommen.

Sechstens, sollen sowohl die Rechenmaister, alß Schuhlhalter, alle vierteljahr 1. Orth eines Guldens in Ihre Laden legen, außgenommen die Inspectores, so lang Sie in dem Amt begriffen, befreyet seyn.

Zum Siebenden sollen alle und Jede Rechenmaistere und Schuhlhaltere bey denen Conventen und Abrechnungen der Einnahm und Ausgaben, (so alle halbe Jahr zugeschehen pflegen) in respect Ihrer Herrlichkeit der Herren Deputirten gehorsamlich erscheinen, und zu bestimbter Zeit demselben beywohnen, auch darwieder nicht handeln bey ernstlicher Straff.

| Zum Achten soll kein Schuhl oder Rechenmaister dem andern zunahe an die seithen ziehen, sondern Wenigstens ohngefehr zwo gaßen weit sein Schuhltaffell davon außzuhenckhen schuldig seyn, auch die Schuhlkinder, so einem andern anvertrauet, nicht abspannen, noch durch andere abpracticiren lassen, bey ernstlicher Straff, und gleichwie

Leztlichen ein zeithero unterschiedliche, sowohl Rechenmaistere, alß Schuhlhaltere Sich mit privat-Informationibus dermaßen beladen, daß Sie die wenigste Zeit über Ihre Jugendt versehen können, Also soll hinfüro bey ernstlicher Straff, ein Jeder Rechenmaister und Schuhlhalter verbunden sein, Vormittag umbs Rathleuten, oder ufs wenigste ein halbe Stund nach dem Bettleuthen biß wenigstens 11/2 Stund nach der Vesper, in seiner ordentlichen Schuhl, ausser ehehafften geschäften, Sich finden lassen.

Decretum in Senatu
31 Marty Ao. 1665. 


Auß Befehl der Herren Deputirten Wohl Edel Gestreng ist dieser Ordnung folgender Paß uf der Vorgeher vorherbeschehenes suppliciren beygerücket worden:

Daß Künfftighin kein Lehrjung entweder unter 18 Jahren seines Alters, eingeschrieben, oder so er ia Jünger auffgedingt werden sollte, doch ehender nicht, biß er nach Außgang seiner Lehrzeit, das 25te Jahr erreicht in das Examen genommen,| noch in die Anzahl der Rechenmaister Verpflichtet werde.

Actum 11 May Ao. 1676.

Item auß Befehl der Deputirten Herren Wohl Edel Gestreng ist den 13 April Ao. 1681. dieser Ordnung folgender Paß uf der Vorgeher suppliciren annectirt worden:

Daß hinfüro kein außgelernter Lehrjung zu den Examen gelassen werden solle, Er könne dann sobald in die Anzahl oder in den Numerum der Schreib- und Rechenmaister eintretten; Wie dann auch kein verpflichter Rechenmaister wann sein Lehrjung seine Zeit erstanden, alsobalden einen andern Lehriungen annehmen, sondern zum wenigsten 2 Jahr sich allein behelffen, Und keinen Schreiber haben solle.


Beylage B.

Fragen für diejenigen, so sich in das Schreib- und Rechen-Examen begeben wollen.

1. Frag: Was ist Orthographia?
2. Fr. Wie viel Buchstaben werden dazu gebraucht?
3. Fr. Was haben diese Buchstaben für ein Ansehen? und wie werden sie ausgesprochen?
4. Fr. Wie werden solche Buchstaben eingetheilet und unterschieden?
5. Fr. Was sind zweylautende Buchstaben?

6. Fr. Was hat es mit denen Buchtsaben b. und p, g, k und j, v, f, und ph für eine Beschaffenheit?| und was haben sie der Pronunciation nach für eine Verwandschaft miteinander?

7. Fr. Obwohlen zu mehrerer Ausführung der Orthographie noch viel Fragen und Lehr-Sätze könnten angesetzet werden, so wird (in Betrachtung daß es eine unter den Gelehrten selbst noch unausgemachte Sache ist/) dem Examinando für die 7. Frag proponirt: daß er einen teutschen Periodum mit denen dazu gehörigen Signis distinctionis vorstellig mache, und auch darinnen vor Augen lege, welche und was für Wörter mit Versal oder grossen Buchstaben geschrieben und wie die Wörter solches Periodi sylabizirt, oder recht abgetheilet werden müssen?


Von der Calligraphie- oder Zier-Schreibung.

8. Fr. Wie muß derjenige qualificirt seyn, der die Jugend oder andere Personen zier- und gründlich will schreiben lehren?
9. Fr. Was ist hierzu vonnöthen?
10. Fr. Wie soll eine wohl proportionirte Feder praeparirt und zum Gebrauch schicklich gefasset werden?
11. Fr. Wie vielerley Arten sind der teutschen Schriften?

12. Fr. Was haben die Buchstaben der teutschen Schrifften für ein Fundament, und worauf beruhet ihre Zierde und sonderlicher Wohlstand?
| 13. Fr. Wie werden die Buchstaben der teutschen Schriften ordentlich zergliedert oder zerstreuet?

14. Fr. Was für Buchstaben sollen in ihrer Vollkommenheit auf gerader Linie stehen? Welche sollen über der Linie gleich hoch? unter der Linie geich tief? ob und unter der Linie aber in gleicher Höhe und Tiefe seyn?
15. Fr. Wie vielerley Arten sind der teutschen Schriften? Was haben sie für eine Verwandlung? und mit was Veränderung können sie vorgestellt werden?
16. Fr. Kan man zu der Fractur und grossen Schrifften eine gewisse Mensur haben, die dazu gehörigen Buchstaben, jederzeit gleich proportionirt in rechter Höhe gegen der Feder-Breite fürzustellen und zu schreiben?
17. Fr. Hat es hiemit sein Verbleiben? oder muß ein Zier-Schreiber mehrere Wissenschaft haben, und noch andere Schrifften können?


Von Rechnen.

1. Fr. Was ist Arithmetica und was lehret sie?
2. Fr. Wie viel Zahl-Zeichen werden dazu gebraucht? Was haben sie für ein figürliches Ansehen? und wie werden sie ausgesprochen?
3. Fr. Was ist eine Zahl? Worzu wird das 1. angenommen und was für Eigenschafften hat das Null?

4. Fr. Wie werden die Zahlen eingetheilet und unterschieden? und wie viel Unterschied hat jeder Theil?
| 5. Fr. Was sind die fürnehmsten Eigenschaften der Zahlen? und wie werden sie zum Gebrauch gezogen?

6. Fr. Wie viel sind Species Arithmeticae? Was lehret jede? und wie werden sie probirt?
7. Fr. Was sind gebrochene Zahlen? Ists auch nüzlich darinnen zu laboriren, und sowohl die Jugend als andere in solchen zu informiren?
8. Fr. Wie vielerley Arten sind der Brüche oder gebrochenen Zahlen?
9. Wie kann man einen Bruch durch eine Mensur in seine kleinste Form oder Zahl bringen?
10. Fr. Wie werden die Brüche ungleiches Namens zu gleichen Nennern oder gleichnamig gemacht? und wie kann man unter 2. 3. 4. und mehr Brüchen erkennen, welcher unter ihnen dem Werth nach der grösseste sey?
11. Fr. Wir werden die Brüche nach ihren Werth resolvirt? und der Werth oder Geltung des Bruchs wieder zu einem Theil des Ganzen gemacht?
12. Fr. Wie werden die Brüche nach denen Speciebus auf das vortheilhafteste behandelt?
13. Fr. Worzu werden die Species Arithmeticae sowohl im Gemeinen Ganzen, als auch gebrochenen Zahlen applicirt?
14. Fr. Was ist und lehret Regula de Tri? Was hat sie für eine Ordnung und wie wird damit procedirt?

15. Fr. Müssen in der Regula de Tri alleweg drey Ding bekannt seyn?
| 16. Fr. Muß die Frag-Zahl jederzeit hinten zur rechten Hand stehen? und die vördern der hintern Zahl den Namen nach gleich seyn?

17. Fr. Warum multiplicirt man die mittlere und hintere Zahl mit einander, und dividirt das Product durch die erste oder vördere Zahl? Woher hat dieser Process seinen Grund und Demonstration?
18. Fr. Kan einer bey diesem bishero angeführten Arithmetischen Wissen für einen Rechenmeister passiren und erkannt werden? oder wird eine mehrere Wissenschaft von einem Arithmetico erfordert?
19. Fr. Was ist Progessio? und wie vielerley sind Progressiones?
20. Fr. Wie werden die Arithmetischen und Geometrischen Progressiones gegen einander unterschieden und erkannt? auch ihre Progressional-Zahlen vortheilhaftig in eine Summam gebracht?
21. Fr. Was ist Progessio Harmonica und deren Eigenschaft? Wie wird sie erkannt und gefunden?
22. Fr. Was sind Partes aliquotae? und wie werden sie gefunden?
23. Fr. Was sind Perfect- Excess- und Defect-Zahlen? und wie werden sie von einander erkannt und gefunden?
24. Fr. Was ist Algebra oder Coss? und was vor Signa oder Zahlen werden dazu gebraucht?

25. Fr. Was sind Radices? Quadrat- und Cubic-Zahlen? und wie werden sie generirt und formiret?
| 26. Fr. Wie extrahirt man radicem quadratam et cubicam? und worzu dient solche Extraction?

27. Fr. Was seynd Pronic-Zahlen? Wie werden sie gefunden? und ihre Wurzel extrahirt?
28. Fr. Weil in Cossischer Operation vielfältig mal solche Quantitates oder Potestates vorkommen, welche durch die Signa † und ÷ connectirt und in dem Algorithmo der Cossischen Specierum behandelt werden müßen, so fragt sichs: Was ist in jeder Species dabey zu obseruiren?
29. Fr. Was seynd Rational- Irrational oder Surdische Zahlen? auch Communicantes? und wie wird mit denenselben in denen Speciebus procedirt?
30. Fr. Was sind Binomia und Residua? und wie werden sie den Speciebus applicirt?
31. Fr. Kann man aus Binomiis und Residuis Radicem quadratam et cubicam extrahiren?
32. Was seynd Vniversal-Zahlen, und wie wird in denen Speciebus mit ihnen procedirt?
33. Fr. Was seynd Polygonal-Zahlen? und was ist dabey zu obseruiren?
34. Fr. Was ist die Diff. einer Chilioheptacosioheptacontatetragonal-Zahl? Wie wird solche generiret, und vom primo termino an, bis auf den Sechsten extendirt?
35. Fr. Wie wird besagte Chilioheptacosioheptacontatetragonal-Zahl, deren Latus 6. formirt und aus solcher gefundenen Polygonal-Zahl die Wurzel wieder extrahirt?


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Beylage C.
Nachdem der lieben Jugend zeitlich- und ewige Wolfahrt mehrern Theils an deme hanget, daß sie wohl und Christlich auferzogen, und von den Lastern ab- hingegen zur Gottesfurcht, Zucht und Erbarkeit angewöhnet werde: Als hat Ein Hoch-Edler und Hochweiser Rath, als eine Christliche Obrigkeit, welche auf das Heyl und Wolseyn der Ihrigen unermüdet bedacht ist, sich iederzeit sorgfältig angelegen seyn lassen, die Jugend mit öffentlichen und solchen Schulen zu versehen, in denen Sie nicht nur mit der Lehr, sondern auch in der Gottseeligkeit zu einem Gottgefälligen Leben und Wandel, wohl und Christlich unterwiesen werden mögen. Und wie, zu Abhelfung der etwan hierwider sich äussernden Mängel und Gebrechen, in den lateinischen Schulen, die gewöhnliche Examina und Visitationes angeordnet worden sind; Also hat auch Ein Hoch Edler Rath wegen der Teutschen Schulen, um welcher willen sich einige Klagen haben ereignen wollen, durch gewisse aus Dero Raths-Mitteln hierzu verordnete Herren Deputirte eine durchgehende Visitation vornehmen, und wie eines oder das andere zu verbessern wäre, reifflich überlegen, auch die Teutsche Schulordnung verneuern, und solche zu öffentlichem Kauf in den Druck geben lassen, damit die Eltern und Kinder daraus ersehen können, was darinnen Obrigkeitlich und mit gutem Bedacht veranstaltet worden ist, mithin um so mehr Anlaß nehmen möchten, die Winkel-Schulen (welche Ein Hoch-Edler und Hochweiser Rath abzustellen,| hingegen aber über dieser verneuerten Schul-Ordnung vest und beständig zu halten, entschlossen ist) zu meiden; Zumaln aber vor der Information der mehrmals einschleichenden Vaganten (von denen die Jugend nichts gutes erlernen kan, derselben vielmehr öfters, wider die reine Evangelische Lehr, allerhand Irrthum heimlich beygebracht, auch an statt sie zu wahrer Gottesfurcht angewiesen werden sollte, zu Sünd und Lastern verleitet wird) sich wol zu hüten, und wann sie neben der Information in den öffentlichen Schulen, ihren Kindern auch einige Informatores zu Haus halten wollen, hierzu Niemand anzunehmen, der nicht von denen Herren Geistlichen und Rectoribus der Schulen mit einem glaubwürdigen Attestato seiner Gelehrsamkeit und Erbarn Christlichen Wandels versehen seye. Nachdeme es aber nicht nur um die Unterrichtung und die Zucht in den öffentlichen Schulen, sondern vornehmlich auch um die Haus-Zucht, welche von Gott denen Eltern in ihren Gewissen anbefohlen ist, zu thun seyn will: Als werden alle Christliche Eltern, von Obrigkeitlichen Amts wegen, wolmeynend und ernstlich erinnert, sich solche ebenfalls eifrig angelegen seyn zu lassen, den Muthwillen, Eigensinnigkeit, Pracht und Übermuth, welcher bey der Jugend, anstatt Gott wolgefälliger Demut, fast durchgehengs einreissen will, mit Nachdruck abzustellen, den verordneten öffentlichen Schulhaltern in der Ihnen ohne diß vorgeschriebenen moderaten Zucht, ohne erhebliche Ursachen, bevorab in Gegenwart der Kinder, keinen Einhalt zu thun,| sondern die etwan vorkommende Beschwehrden dem zu ieder Schul verordneten Herrn Diacono zu eröffnen. Welches, daß es gehorsamlich geschehen, und den wolgemeinten Obrigkeitlichen Verordnungen gebührend werde nachgelebet werden, Ein Hoch-Edler und Hochweiser Rath sich zu Dero Bürgern, Schutzverwandten und Behörigen, gänzlich versehen will.
Decretum in Senatu,
den 11 Decembr. 1715.


Beylage D.
Instruction für die Vorgehere bey denen Schreib- und Rechenmeistern.
Es ist zwar in der erneuerten Teutschen Schulordnung schon so viel enthalten, daß, wo ein ieder unter den Schul- Schreib- und Rechenmeistern demselben getreulich und fleißig nachkäme, man ohne große Schwierigkeit und vieles deliberiren, allezeit tüchtige Vorgehere aus ihnen würde haben können. Jedoch, weilen es da auch, wie in andern Orten und Gelegenheiten mehr, Gebrechen und Fehler giebt; man auch bey Erwegung des Puncts: Ob beständige Vorgeher ins künftige solten gesetzt, oder iährlich neue erwählt und surrogirt werden? die von den Arithmeticis eingebrachte Difficultaeten, wider die erste Art, und die Rationes für die andere Art, von solcher Beschaffenheit zu seyn gefunden hat, daß man ferner mit Erwehlung neuer Vorgehere, zur gewöhnlichen| Zeit, ad interim fortzufahren, für gut ansieheet: Als lässt Ein Hoch-Edler und Hochweiser Rath allhier, denen iedesmaligen Vorgehern bey den Schul- Schreib- und Rechenmeistern, und auch ihrer Erwehlung wegen, folgendes anstatt einer nöthigen Instruction, darnach sie sich zu richten hätten, ernstlich anbefehlen.

Erstlich. Sollen die ermeldte Schul- Schreib- und Rechenmeistere selbst sich mit einander besser in Acht nehmen, damit sie bey der Wahl neuer Vorgehere, deßgleichen wann man einem das Meisterrecht zuerkennen will, nicht so handwerkerisch verfahren; nachdeme man ihnen vors künftige die Gunst erweisen wird, deß sie nicht mehr, wie bishero, vor dem Amts-Buch, sondern nach Art anderer, die freie Künste treiben, gewehlet werden möchten.

Zweytens. Sollen sie sich allen Fleisses hüten, daß nicht wider besser Wissen und Gewissen, untüchtige, ungeschickte, in moribus und Wissenschaften übel beschriebene, zänkische, hochmütige, oder gar zu iunge Subiecta, denen man nicht lang vorher erst eine Schul aufzuthun verstattet hat, gewehlet werden, oder sich einschleichen, und eintringen können. Derohalben auch allen Ernsts hiemit verbotten wird, daß sich von den Arithmeticis keiner unterfangen solle, weder um Geschenk und Gaben, noch um eines freyen Trunks und Essens, oder um anderer nichtsnützigen Ursachen willen, auch nicht aus Gunst und Freundschaft gegen den, welchen er vorschlägt, noch viel weniger| aus Feindseligkeit und Verbitterung wider den, welchen er gern abtreiben möchte, auf iemand zu votiren, und die Stimmen anderer an sich zu bringen; Für welchem leztern Griff sich auch derjenige namentlich hüten soll, der selbst gern Vorgeher zu werden gedenkt: damit nirgend ein unordentliches Mittel oder Absehen sich spüren lasse. Immassen sonst auf diesen unzulässigen Fall, der Herren Deputirten Hochadeliche Herrl. die Erwehlung eines neuen Vorgehers pro Autoritate fürzunehmen wissen werden.

Drittens. Dargegen soll ein ieder Schul- Schreib- und Rechen-Meister darauf bedacht seyn, wie er sein freyes Votum einem solchen gebe, von dem er weiß, daß er geschickt, bescheiden, gottseelig, vernünftig ist, und solche Qualitäten an sich hat, die bey einem Vorsteher ihres Ordinis erfordert werden, zumaln in denen Fällen, da er ihres ganzen Corporis Angelegenheiten öfters auch bey der Herren Deputirten Hochadel. Herrl. oder sonst an andern Orten zu tractiren, wie auch denen Examinibus der neu angehenden Schreib- und Rechenmeister bey und vorzustehen hat.

Viertens. Ist es, um dieser und dergl. Ursachen willen mehr, weder nöthig noch nüzlich, auch nicht practicable, daß man eben allezeit, so oft Vorgehere erwehlet werden sollen, in der Ordnung bleibe, wie die Schreib- und Rechen Meister sonst, nach den Annis receptionis, auf einander folgen, sondern daß man hauptsächlich darauf sehe, welche vor andern zu dem Vorgeher-Amt| sich qualificirt zu seyn weisen; Kurz nicht die Affecten und Passionen, nicht der Ehrgeitz, Eigennutz und Schlurf, auch nicht der Eigensinn, die feine Qualitäten, und die gute löbliche Aufführung, sollen hier den Ausschlag machen.
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Fünftens. Das Amt der erwehlten und confirmirten Vorgehere betreffend, wird hier vorausgesetzt, daß dieselbe vor andern mit aller Sorgfalt, der Oberherrlich- anbefohlenen erneuerten teutschen Schulordnung genau nachzuleben, und ihre Schul zu führen, um des Vorgangs, Exempels und Decori willen, verbunden seyn. Darnach sollen sie ihres Orts helffen vermitteln, so viel bey ihnen steht, daß auch die andern, nach gedachter Schul-Ordnung pünctlich leben; und wo sie merken, daß irgendwo ein notabler Mangel erscheinen wolle, so sollen sie deßwegen in Zeiten Erinnerung thun, auch wohl bey der Herren Deputirten Hoch Adel. Herrl. oder doch bey dem Hn. Diacono, der allda Visitator ordinarius ist. Ferner, ligt ihnen ob, daß sie des ganzen Corporis der Schul und Rechen Meister Bestes, nach Vermögen suchen und fördern; wo etwas zu stillen und zu schlichten ist, sich gern darinnen gebrauchen lassen, auch alsdann sanftmüthig verfahren; wo sie einen heilsamen Rath, zur Verbesserung des teutschen Schul-Wesens wissen, daß sie denselben, an gebührendem Ort, mit Bescheidenheit eröffnen, Hinwiederum wann sie Klagen bey der Herren Deputirten Hochadel. Herrl. zu führen gedenken, daß sie zuvor überlegen, ob solche auch erheblich, gründlich und erweißlich sind: alsdann können sie solche, iedoch mit geziemender| Bescheidenheit und guter Vernunft, vortragen, und ihrer Entscheidung gewärtig seyn. Geben sich Examinandi bey ihnen an, so sollen sie nichts an denselben nach Affecten thun, weder vor, noch in, noch nach dem Examine, sondern vor dem Examine sollen sie sich fleissig erkundigen, wie es um des Examinandi Mores und Wissenschaften stehe? Erfahren und wissen sie mit Grund, daß er liederlich und dabey noch ungeschickt sey, so sollen sie ihn nicht eher admittiren, bis er sich in beeden gebessert; auf den Fall aber eines ungestümmen Anhaltens des Candidati, oder seines gewesenen Lehr-Meisters, haben sie es vor der Herren Deputatorum Hochadel. Herrl. zu bringen, und deren Ausspruchs einzuhohlen. Hat aber der Examinandus einen guten Leumund, und wird von seinem bisherigen Lehrmeister, oder auch von andern, mit Wahrheit des Fleisses und der erlangten Wissenschaften halben, gelobt und commendirt; oder er ist sonst schon, seiner rühmlichen Aufführung wegen, bekannt; so sollen sie keinen Anstand nehmen, ihn ad Examen zu lassen, es sey dann, daß etwann wegen der Jahre, der Ordnung, und Vielheit der Subiectorum, u. s. f. etwas zu bedenken wäre. In dem Examine sollen sie vornemlich treu, liebreich, sanftmüthig und aufrichtig mit ihm verfahren, und solche Quaestiones oder Problemata ihm vorgeben, die da einem künftigen Schul- und Rechen-Meister zu wissen nöthig, nüzlich und practicable sind; ihre eigene Antworten und Solutiones aber selbst, wo sie dergl. vorzubringen veranlast werden, sollen sie vorhero wol überlegen, und in der Untersuchung dessen,| was der Examinandus gethan oder vorgebracht hat, bedächtlich zusehen, damit sie nicht das, was dieser recht gemacht hat, als falsch corrigiren, und was er unrecht gemacht hat, stehen lassen, auch nicht gar zu grütlend und grüblend seyn, wie es bey manchem in vorigen Zeiten, zu grosser Verbitterung der Gemüther, geschehen ist. Mit wenigem viel zu sagen. Sie sollen ihn im Lesen und Schreiben, in der Orthographie und Syllabization, in der Arithmetic, und ihrer manchfältigen Application, auf Elen, Maß, Gewicht, Münz, und allerley solche Fälle, die sich wahrhaftig begeben können, nach den Reguln der Kunst, auch in der Catechisation wol prüfen, ob er in einem ieden gewandt seye oder nicht; doch so, daß sie es zuvor weder mit ihm ablegen, oder durch andere ihm stecken lassen, was sie mit ihm fürnehmen wollen, noch auch in dem Actu Examinationis bitter, verächtlich und hochmüthig verfahren. Nicht minder sollen sie sich aller unnöthigen, unnützlichen, und schon veralteten Dinge enthalten. Nach dem Examine sollen sie bey der Herren Deputirten Hoch. Adel. Herrl. fideliter referiren, wie sie ihn gefunden; gegen andere aber des Austragens und des Verkleinerns sich enthalten; Hinwiederum, wo er tüchtig ist, ihm sein Vorhaben nicht schwer machen, sondern mit gutem Willen solches fördern.
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Sechstens. Wann hiernechst mit den so genannten Schreibern der Teutschen Schul und Rechen Meister öfters viel unordentliches vorgefallen, gleichwol der gemeinen Stadt auch daran gelegen ist, daß gute Schreib und Rechen Meister nachgezogen, die Zahl der Ignoranten aber vermindert| werde; so wird hiemit denen, welche für sich selbst nicht tüchtig sind, dergl. Leute grundrichtig anzuweisen, und zu perfectioniren, dieses Werk gar untersaget; Worüber doch zu erst die Vorgehere, hernacher das ganze Corpus Arithmeticorum zwar die Erkanntnus, der Herrn Deputatorum Hoch Adel. Herrl. aber die völlige Entscheidung haben sollen. Hinwiederum, wer unter den Schul und Rechen-Meistern die Geschicklichkeit und Gelegenheit hat, andere nachzuziehen, der soll anförderist darauf sehen, daß sein angehender Schreiber von ehrlichem Herkommen sey, und solche Leibs- und Gemüths-Gaben habe, die zur Bestreitung der Schularbeit zulänglich sind, damit er nicht, im widrigen Fall, der Jugend und andern Leuten ein Gespött werde. Es wäre auch wol gethan, wann ein solcher Mensch vorhero eine gute Lateinische Schul frequentiret, auch darinnen so viel profectus erlangt hätte, daß er nothdürftig mit den lateinischen Wörten, nach den vier Theilen der Grammatic, umgehen könnte; weilen die Erfahrung schon gewiesen hat, daß solche Subiecta, auch in den Teutschen Schulen, mit der Information viel mehr Nutzen schaffen können, als andere; indem sie nicht nur die Orthographie richtiger treiben, sondern auch in die Propositiones und Distinctiones sich besser finden. Wo nun iemand einen solchen Schreiber angenommen hat, so soll er denselben, mit aller Treue und Aufrichtigkeit anweisen, ihm keinen Vortheil in der Schul-Arbeit, namentlich im Catechisiren, neidischer Weiß verhalten, sondern dahin trachten, wie er an ihm| mit der Zeit ein tüchtiges Subjectum nachziehen möge. Und hierinnen sollen die Vorgehere gute Aufsicht haben, weilen sie ia wissen können, was für Leute hier und dar abgerichtet werden. Wie sie aber mit dergl. Personen umzugehen haben, wann sie nunmehr ihre Lehrzeit erstanden, das ist schon im vorigen Num. gemeldet worden; Nur wäre noch zu erinnern, daß die Lehr Meister selbst ihre Schreiber weder über die Wahrheit erheben, oder den Vorgehern aufdringen, noch auch wider die Wahrheit verachten, oder zu ihrem Nachtheil aus einem untüchtigen Absehen schänden oder hindern, im übrigen aber alle zusammen gleichwohl auch das verhüten helfen sollen, damit der Schreib- und Rechen-Meister, oder der Expectanten zu solchem Amt nicht zu viel werden.

Siebendens. Sollen auch alle Schul und Rechen Meister, fürnemlich die Vorgehere, daran seyn und hindern, daß kein Schul Meister ein Kind aus eines andern Schul in seine Schul annehme, ehe es ein Zeugnus habe, daß das verdiente Schulgeld, dem ehemaligen Schul Meister, wie sichs gebühret, entrichtet worden seye; damit man auf solche Weise denen Verdrüßlichkeiten begegne, welche dieses Puncts wegen bald da, bald dorten entstehen könnten.

Achtens. Wo endlich dieser Casus sich begibt, daß, durch Promotion oder Todes- und andere Fälle, eine Schul um ihren Hn. Diaconum Visitatorem käme; so soll derjenige, dessen die Schule ist, es bey den Vorgehern, und diese hernach bey| der Herren Deputatorum Hochadel. Herrl. anzeigen, welche dann weitere Sorge tragen werden, damit fördersamst ein neuer Herr Diaconus, in des vorigen Stelle, zu solcher Schul geordnet werde. Eben dergl. hätten die Vorgehere auch zu beobachten, wann ein neuer Schul und Rechen Meister seine berechtigte Schul aufthun wollte, damit auch dieser einen Hn. Diac. Visitatorem bekäme.
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Neundtens. Schließlichen, was den verbesserten und neuen Anhang der Kinderlehr betrift, der jezo einsweils allein gedruckt, bey künftiger neuen Auflag der Kinderlehr aber, an statt des alten Anhangs, von einem jeden Verleger wirklich soll beygefügt werden, haben sich die Vorgehere so wol, als die übrige Schul- und Rechenmeister dahin zu bescheiden, daß sie an statt eines beständigen Gesang- Gebet- und Fest-Spruch-Büchleins, auf die heil. Zeiten, in ihrer Schul ordentlich und täglich gebrauchen sollen, damit die Eltern nicht Noth haben, andere Gesangbücher denen Kindern zu verschaffen, die Praeceptores aber die Fest- und andere Sprüche oder Gebete ihren Discipuln nicht erst vor- und abschreiben dörffen, sondern sie nur mit Benennung des Blats anweisen können, was sie aufzuschlagen, zu beten, zu singen, zu lernen, oder zu lesen haben; weiln doch die meisten wo nicht alle Kinder, so da lesen können, auch eine Kinderlehr haben werden. Wobey noch zu erinnern ist, daß die Praeceptores aus solchem Anhang denen Kindern, zum auswendig lernen, nur die Bibl. Fest-Sprüche, und die Reimgebetlein,| manchmaln auch ein gutes Lied vorgeben sollen, doch auch dieses nach Beschaffenheit der Kinder und ihrer Capacität. Die übrigen Gebete aber, sonderlich die Festgebete, samt den ganzen Biblischen Capituln, wo solche angezeigt sind, gehören nur zum Lesen, welches man in der Ordnung, oder wie sichs sonst thun läst, herumgehen lassen kann.

Dieses wären nun die fürnehmsten Puncten, nach welchen so wol in genere, alle Schul- und Rechenmeister, als auch in specie diejenige sich zu achten haben, die da bey ihrem Ordine Vorgehere sind, und künftig werden wollen. Es versiehet sich also Ein HochEdler und Hochweiser Rath zu Ihnen samt und sonders, daß sie denselben mit aller Treu nachzukommen sich befleissigen werden.



  1. [391] Ich kenne nur noch einen Ort in Teutschland, wo eine ähnliche Einrichtung ist, nämlich zu Frankfurt am Mayn, wo auch die Teutschen Schulmeister ein geschlossenes Collegium ausmachen, der Candidat sich bey der Aufnahme einem Examen unterwerfen muß, und die Mitglieder dieses Collegiums alle Vierteljahre ihre Zusammenkünfte halten. Ich wünschte, daß ein Frankfurter die Geschichte und Verfassung derselben näher beschriebe.
  2. s. Herrn Prof. Wills Nürnb. gel. Lex.
  3. Doppelmaier von Nürnb. Künstl. S. 166.
  4. Bis 1715 wurden sie, wie andere Vorsteher der Handwerker, von dem Amtsbuch gewählt.
  5. s. Beylage A.
  6. Dieß geschieht öfters, daß Vater und Sohn einerley Metier treiben. Ein sonderbares Exempel sind der Schreib- und Rechenmeister Ulrich Hofmann und dessen Sohn Berthold Ulrich Hofmann, welche beyde von 1634 bis 1743, also 109 Jahre eine Schule gehabt haben.
  7. von Nürnb. Künstl. S. 166.
  8. Die Schulmeister wurden ehehin nur geprüft im Schreiben, in der Aussprache, und wie sie den Unterricht der Kinder anstellen wollten. Den Rechenmeistern hingegen wurden etliche schwere Exempel vorgegeben, die sie hernach als ein wichtiges Geheimniß bewahrten.
  9. Welche eben so alt ist, als das Fechthaus, nämlich vom J. 1628.
  10. Einige ungedruckte ältere Verordnungen sind in der Beylage A abgedruckt.

Anmerkungen (Wikisource)