Wüsten-Bilder

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Autor: unbekannt
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Titel: Wüsten-Bilder
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aus: Die Gartenlaube, Heft 45, S. 547
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1854
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[547] Wüsten-Bilder. Nr. 1. Ein Löwenpaar hatte vor einigen Wochen in der Nähe eines Lagerplatzes an den Grenzen von Algier große Verwüstungen unter den Heerden angerichtet. Die Löwin hatte Junge und diese sollten zuerst geraubt werden. Es ist das ein gefährliches Unternehmen. Sechzig Männer hatten sich versammelt, um das Wagniß auszuführen. Der Plan war verabredet und man wollte aufbrechen. Ein junger Mann von etwa sechszehn Jahren aber sollte nicht Theil nehmen. „Mein Sohn,“ sagte der alte Vater zu ihm, „Du weißt, daß ich nur Dich habe, daß ich betagt bin und vor Kummer sterben würde, wenn Dir ein Unglück begegnete.“

„Bin ich denn nicht ein Mann?“

„Ja, Du bist ein Mann,“ sagte der Vater lächelnd, „und ich bin stolz auf Dich, aber Dein Bruder war auch ein Mann und er mußte im vorigen Jahre hier sterben, ich war da bei ihm und konnte nichts thun, um ihn zu retten. Der Löwe ist schrecklich, mein Sohn, wenn er angreift; das Auge des Menschen kann seinen Blick nicht ertragen, seine Hand zittert, weil das Herz in ihm zu schnell schlägt, und wenn auch trotz dem Beben des Herzens seine Kugel trifft, so tödtet sie nicht, denn der Löwe braucht viele Kugeln, ehe er das Leben läßt.“

„Aber, Vater, wenn ich nicht mit kämpfen darf, warum ließest Du mich mit zur Berathung gehen? Es ist eine Schande für mich allein zurückzukehren.“

„Du solltest erst hören, mein Sohn, und lernen.

„So bleibe ich wenigstens hier, wenn Ihr weiter zieht; man würde sonst glauben, ich habe Furcht gehabt.“

Der Vater versuchte in anderer Weise den festen Willen des Sohnes zu erschüttern. „Lange schon,“ sagte er, „hast Du Dir ein Pferd gewünscht: morgen kaufe ich Dir eines.“

„Was nützt mir das Pferd,“ antwortete der Jüngling stolz, „wenn man sagt, so bald man mich sieht: schade, daß ein so furchtsamer Mann das schöne Thier reitet?“

„Nun, nebst dem Pferde,“ fuhr der Vater fort, „sollst Du das Mädchen zur Frau haben, nach dem Deine Seele verlangt.“

Diese Zusage erschütterte einen Augenblick den Willen des jungen Mannen, aber nur einen Augenblick; er richtete sich würdevoll auf und antwortete:

„Vater, Du weißt, daß bei uns die Frauen den verachten, der nur nach der Kleidung ein Mann ist. Die, welche ich liebe und die meine Frau sein soll, muß den achten, der alles für sie ist und stolz auf ihn sein. Höre mein letztes Wort, Vater: Wenn Du mir nicht erlaubst, bei dem Unternehmen zu sein, wenn Du mich nöthigest, vor den Augen Aller feig zu erscheinen, so nehme ich nicht nur das Pferd und die Frau nicht an, sondern ich verlasse auch Dein Zelt und wandere hinweg, um meine Schande vor den Augen meinen Stammes zu verbergen.“

Der Vater war besiegt. Der Sohn durfte bleiben.

Die sechszig Männer umstellten das Dickicht, in dem die Löwenhöhle war, schrien mehrmals, und da sie die Löwin nicht erscheinen sahen, drangen sie hinein und holten die zwei jungen Löwen heraus. Dann entfernten sie sich rasch; sie glaubten bereits Sieger zu snn.

Da plötzlich brach die Löwin aus dem Gebüsch heraus, gerade da, wo der alte Mann mit seinem Sohne sich befand. Der Vater war zu Pferd, der Sohn zu Fuß. Sie beachtete den Reiter nicht und kam in weiten Sätzen auf den Jüngling zu.

Er erwartete sie muthig und hielt sein Gewehr schußfertig, doch wollte er sie so nahe als möglich heran kommen lassen, damit die Kugel um so gewaltiger wirke. Endlich drückte er, das Pulver von der Pfanne brannte ab, der Schuß ging nicht los.

Rasch entschlossen warf er das Gewehr von sich, wickelte blitzesschnell den Burnuß um den linken Arm und hielt diesen der Löwin entgegen.

Sie packte ihn und zermalmte ihn mit einem Drucke ihrer Zähne, unterdeß aber faßte der Jüngling, ohne einen Schritt zurückzutreten, ohne einen Klagelaut hören zu lassen, das Pistol, das er unter seinem Burnuß trug, und jagte ihr zwei Kugeln in den Leib, so daß sie seinen Arm loslassen muhte.

Ein anderer der Jäger, war unterdeß herbeigekommen, und die Löwin packte ihn, ehe er schießen konnte, an beiden Achseln, riß ihn nieder und biß ihm ein Stück Fleisch aus der Hüfte.

Jetzt erst kamen Mehrere hinzu und sie machten der Löwin mit Dolchstößen ein Ende.

Der Jüngling, der letzte Sohn seines Vaters, starb nach vierundzwanzigtägigen Schmerzen, aber wohlgemuth, denn der ganze Stamm hatte seinen Muth bewundert.