Walpurgisnacht (Die Gartenlaube 1876/18)

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Autor: Moritz Busch
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Titel: Walpurgisnacht
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aus: Die Gartenlaube, Heft 18, S. 301–303
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1876
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Walpurgisnacht.


Von Moritz Busch.


Während bei dem Aberglauben, der sich an eine Anzahl von Tagen des deutschen Jahres knüpft, sich fast immer Nachklänge aus dem germanischen Heidenthume mit christlichen Vorstellungen mischen, ist die Fülle abergläubischer Meinungen, die sich früher allenthalben an den ersten Mai knüpfte und ihn noch heute in Mancher Augen bedeutungsvoll, unheimlich und zauberhaft erscheinen läßt, von rein heidnischem Charakter. Der „Walperntag“, jetzt der heftigen Walpurgis geweiht, ist mit dem gesammten Brauch, Glauben und Spuk, der sich auf ihn gehäuft hat, nichts Anderes als der Rest eines dem Donar, dem Gewittergotte unserer Urväter, gewidmeten Frühlingsfestes. Er ist darum reich an Zauber und Zukunftsdeutung theils guter, theils schlimmer Art. In Holstein sagt man: Thau an diesem Morgen bewirkt ein reiches Butterjahr. In der Oberpfalz galt und gilt wohl hier und da noch jetzt dieser Thau als Sympathiemittel. In ihm sich unbekleidet wälzen, schützt in Niedersachsen vor Ungeziefer und gewissen Hautkrankheiten, und mit ihm sich waschen, vertreibt die Sommersprossen. In Westphalen pflegt man zu Walpurgis bei Sonnenaufgang einen Zweig von einer Eberesche (die dem Donar heilig war) zu schneiden und die Kühe damit auf’s Kreuz zu schlagen, denn damit werden sie milchreich gemacht. Linsen, an diesem Tage gesäet, gedeihen besonders gut; ein Kranz von Epheu, von einem Mädchen an ihm aufgesetzt, lockt Liebhaber und Freier an; ein Kranz von Gundermann, an ihm getragen, läßt seinen Träger in der Kirche alle Hexen erkennen, indem sie sich von den andern Weibern der Gemeinde dadurch unterscheiden, daß sie Melkkübel auf den Köpfen haben. Regnet es am ersten Mai, so giebt es nach den mecklenburgischen Bauernregeln eine schlechte Ernte; dagegen sichert sich zu Stockach in Tirol der, welcher sich mit solchem Regen die Stirn wäscht, auf das ganze folgende Jahr vor Kopfweh. In Schlesien weiß man, daß Kinder, an diesem Tage geboren, ungeschickt und blöde werden, in Ostpreußen, daß Gänse, die an ihm auskommen, nicht gerathen.

Noch bedeutungsvoller als der Walpurgistag ist die ihm vorhergehende Nacht, in welcher alle Zaubermächte losgebunden sind; denn in ihr feiert der Teufel mit den Hexen auf dem oder jenem Berge ein großes Fest, nach dessen Beendigung die bösen Weiber sich nach allen Richtungen hin zerstreuen, um den Menschen mit ihrer Kunst allerlei Schabernack anzuthun. Um sich dagegen zu schützen, hat man in Norddeutschland verschiedene Mittel, welche der Vorsichtige und Altgläubige nicht ungebraucht läßt. Das gewöhnlichste ist, daß man am Abende vor dem Walperntage an alle Thüren ein Kreuz oder einen Trudenfuß malt. An einigen Orten nimmt man drei Häufchen Salz, streut sie dem Vieh schweigend zwischen die Hörner und geht dann rücklings aus dem Stalle fort. Gleichfalls für ein gutes Recept gegen Behexung und gegen den bösen Blick gilt, daß man in der Walpurgisnacht Zweige von Erlen und Drachenblutbäumen über die Stallthüren hängt. Anderswo schützt man die Thiere dadurch vor den Unholdinnen, daß man jenen am Abende des 30. April ein Gemenge von wildem Knoblauch, Dill, Mehl und Honig zu fressen giebt. Wieder anderwärts genügt es, wenn man eine Sense oder ein Beil vor die Stallthür legt, um die Hexen fern zu halten, und in manchen Dörfern thut es ein bloßer Besen. Die Saat wird dadurch vor Schaden bewahrt, daß man am Walpurgisabende mit Gewehren darüber hinschießt oder eine Weile die Kirchenglocken läutet.

Hexen waren dem Aberglauben (und sind ihm in manchen Gegenden noch heute) Weiber, die sich dem Teufel verschreiben und mit seiner Hülfe allerlei Unfug treiben. Oft vererbte sich die Hexerei von der Mutter auf die Tochter. Gewöhnlich aber wurde sie jungen Mädchen, bisweilen schon kleinen Kindern, durch alte Frauen gelehrt. Vorher hatten die Betreffenden Gott, der Taufe und der Kirche zu entsagen und „dem Meisterlein“ zu huldigen. Sie traten dazu auf einen Kreuzweg oder auf den ersten besten Düngerhaufen, legten die Hand auf einen ihnen von der Verführerin hingehaltenen abgeschälten Stab und sprachen:

„Ich greif’ an diesen weißen Stock
Und verleugne unsern Herrn Gott
Und seine zehn Gebot.“

Damit war der Bund für alle Ewigkeit geschlossen. Besiegelt [302] aber wurde er auf dem großen, jährlich einmal stattfindenden Hexenconvente oder Hexensabbathe, der in Norddeutschland in der Walpurgisnacht und auf dem Blocksberge, in Süddeutschland auch zu anderen Zeiten und an anderen Orten abgehalten wurde. In Schwaben feiern die Hexen ihre Feste vorzüglich auf dem Heuberge bei Rotenburg. In Tirol gelten als Hexentanzplätze u. A. die Marlingerwiesen bei Meran, die Scharnitzer Klause und der Axelkopf bei Innsbruck.

Kam der Tag des Festes heran, so bereitete sich die norddeutsche Hexe mit gewissen Zaubermitteln auf die Fahrt nach dem Blocksberge vor; sie entkleidete sich und bestrich sich mit einer Salbe, die sie einschlafen ließ. Wir sehen sie dann, auf einer Katze oder auf einem Bocke, einem Besen oder einer Ofengabel mit fliegenden Haaren zum Schornsteine hinausfahren und durch die Luft reiten. Von allen Seiten kommen andere alte und junge Zauberschwestern, Teufel und Kobolde, gespenstige Thiere, Drachen, Kröten, Eulen, Fledermäuse, Menschen ohne Kopf und andere Spukgestalten herzugeflogen, bis die Versammlung vollzählig ist. Dann erscheint in Gestalt eines Bocks mit Menschenantlitz der Fürst der Hölle und ermahnt von einer Felsenkanzel seine Gemeinde zur Treue gegen sich, wofür er ihr Reichthum, Ehre und langes Leben verspricht. Darauf werden ihm von den älteren Hexen die Neuangeworbenen vorgestellt; es erfolgt eine kurze Prüfung, und findet er die Novizen willig, den Glauben endgültig zu verleugnen, so haben sie ihm eine Formel nachzusprechen, in der sie Gott und der „dicken Frau“ (so heißt in der Sprache der Hölle die heilige Jungfrau), den Geboten und Sacramenten entsagen, dem Vater der Lüge und Sünde unter Handschlag Treue und Gehorsam geloben und versprechen, ihm so viel neue Diener wie möglich zuzuführen.

Der Teufel beschenkt nun die Hexen mit einer Kleinigkeit, die ärmeren mit etwas Butter, Käse und Speck, die reicheren wohl auch mit einer Rose, einem Ringe, einer Spange oder einem Halstuche. Er tauft sie mit „garstigem Wasser“, versieht sie mit dem Trudenzeichen und weist jeder einen Leibteufel zu, der ihr Liebhaber und zugleich ihr dienstbarer Geist ist. Die Hexen erhalten eine Bohne oder eine Nuß, an welche ihr Leibteufel gebunden ist. Derselbe führt bisweilen einen christlichen, gewöhnlich aber einen nicht im Kalender zu findenden Namen. Er heißt manchmal Caspar, Kunz, Martin oder Hinz, häufiger aber Blaustrumpf, Weißfeder, Grünwedel, Federwisch, Spiegelglanz, Breitfuß, Hurlebusch, Kränzlein, Rautenstrauch, Dickbauch, Kapaun, Auerhahn oder Kuhhörnchen. Er ist immer um die Hexe und erscheint, so oft sie ihn ruft, aber auch ungerufen, auf dem Felde, beim Spinnen, während des Kirchganges, wo er aber selbstverständlich an der Kirchthür stehen bleibt; er macht seiner Gebieterin und Geliebten oft kleine Geschenke und treibt allerlei Kurzweil mit ihr. Die jungen Hexen werden in der Zauberkunst unterwiesen und zu allen bösen Streichen angeleitet. Sie bekommen Hexenpulver, und man zeigt ihnen die Bereitung der Hexensalbe. Sie lernen, wie man Gewitter und Hagelschlag zum Verderb der Saaten hervorbringt, wie man Kinder krank macht, wie man bewirkt, daß die Kühe statt der Milch Blut geben, wie man den Leuten Alpdrücken verursacht oder sie den Veitstanz tanzen läßt und dergleichen. Die alten Hexen aber haben vor ihrem Herrn und Meister ein Verhör zu bestehen und anzugeben, was sie im Laufe des Jahres Böses gethan haben, worauf sie entweder als fleißig belobt oder als träg gezüchtigt werden.

Inzwischen hat sich der Schauplatz mit Volk aus aller Herren Ländern, Männern und Weibern, Weltlichen und Geistlichen, Fürstinnen, Bauernweibern und Bettlerinnen, Verhüllten und Unverhüllten gefüllt. Allerlei Trachten, Stände und Altersstufen tummeln sich durcheinander. Unanständige Lieder werden gesungen, unsaubere Späße gemacht. Dann beginnt die Anbetung des Teufels, indem die Anwesenden sich, ihrem Meister die Kehrseite zudrehend, bei den Händen fassen und einen großen Ring um ihn bilden, der sich dann hüpfend um ihn herumbewegt und sich schließlich wieder auflöst, um jenem dadurch seine Huldigung darzubringen, daß man den Actus vollzieht, zu welchem Götz von Berlichingen, zur Uebergabe seiner Burg aufgefordert, den kaiserlichen Hauptmann einladen läßt. Wilde Tänze und ein reichliches Schmausen folgen. Dann giebt es eine Parodie des Abendmahles. Die höllische Hostie ist schwarz und zäh wie eine Schuhsohle, und der Trank, statt in einem Kelche in einer Kuhpfote gereicht, schmeckt wie Jauche. Zum Schluß verbrennt sich der Teufel zu Asche, die dann an die Hexen vertheilt wird, auf daß sie damit Schaden stiften, und nachdem die Höllengeister mit den Hexen bei ausgelöschten Lichtern noch eine Weile sich vergnügt, geht die gräuelvolle Gesellschaft aus einander. Die Hexen besteigen ihre Böcke und Ofengabeln wieder und fliegen nach allen Richtungen davon. Verspätet sich eine, kommt sie nicht vor der morgenlichen Betglocke heim, oder wird sie auf ihrer Luftfahrt von Jemand, der nicht zur höllischen Gemeinde gehört, gesehen, so stürzt sie herab und bricht den Hals.

Dergleichen Thorheit wurde in der „guten alten Zeit“ so ziemlich von aller Welt geglaubt, von Bürgern und Bauern nicht blos, sondern auch von den Gelehrten und Obrigkeiten. Und – was schlimmer war – die „gute alte Zeit“ bestrafte die Betreffenden, nachdem sie dieselben mit der Folter überführt, bestrafte sie mit nichts Geringerem, als mit dem Feuertode. Die Walpurgisnacht erinnert uns an eine der schrecklichsten Krankheiten, von welcher die Phantasie und das Rechtsgefühl der europäischen Menschheit je heimgesucht worden sind. Die Evangelischen waren nicht weniger bethört und nicht weniger unbarmherzig als die Katholiken dieser entsetzlichen Zeit, die sich über drei Jahrhunderte ausdehnte, in Deutschland kurz vor und kurz nach dem dreißigjährigen Kriege ihre grimmigsten Perioden hatte und in Spanien, in der Schweiz und in Polen bis in Tage hereinreichte, die einige von den ältesten Lesern dieses Blattes noch gesehen haben können.

Ein paar Zahlen mögen zeigen, daß hiermit eher zu wenig als zu viel gesagt wurde. Ich spreche dabei nur von Deutschland, obwohl es in anderen Ländern, vorzüglich in Italien und Spanien, nicht im Mindesten milder zuging und allein in Sicilien binnen anderthalb Jahrhunderten gegen dreißigtausend der Zauberei Beschuldigte den Scheiterhaufen bestiegen, in Schottland in einem einzigen Jahre sechshundert solche Unglückliche den Feuertod erlitten und in der einen Stadt Genf im Jahre 1515 nicht weniger als fünfhundert angebliche Hexen hingerichtet wurden. Mit besonderer Wuth raste diese schreckliche Geisteskrankheit, wenn wir uns nach Deutschland wenden, in einigen Theilen Frankens, in verschiedenen Gegenden Schwabens, in Schlesien und im braunschweiger Lande. Im Bisthum Bamberg wurden von 1627–30 bei einer Bevölkerung von etwa hunderttausend Seelen zweihundertfünfundachtzig, und im Bisthum Würzburg binnen drei Jahren hundertsiebenundfünfzig Hexen „eingeäschert“, im Ganzen aber ließ der damals dort gebietende Unhold, Bischof Adolph, während seiner Regierung zweihundertneunzehn des Umgangs mit dem Teufel Angeklagte verbrennen. Auch Bischof Johann von Trier zeigte großen Eifer; er sandte 1585 in seinem Gebiet so viele Weiber auf den Scheiterhaufen, daß an zwei Orten nicht mehr als zwei am Leben blieben. In der kleinen Reichsstadt Nördlingen wurden von 1590–94 zweiunddreißig Zauberer und Hexen verbrannt. Noch gräßlicher wütheten die Hexenrichter in Schlesien. Im Fürstenthum Neiße sollen in dem zuletzt erwähnten Zeitraum gegen tausend Hexen verurtheilt worden sein, über zweihundert Brände liegen Urkunden vor, und unter den Hingerichteten finden wir Kinder von ein bis sechs Jahren. In Braunschweig wurden zwischen 1590 und 1600 so viele Hexen hingerichtet, daß die Stelle, wo die Scheiterhaufen gestanden, wie die Stätte eines Waldbrandes aussah. Den furchtbaren Ruhm, das größte Autodafé in Deutschland gefeiert zu haben, hat die Stadt Quedlinburg, wo 1589 an einem einzigen Tage hundertdreiunddreißig Hexen verbrannt wurden. Die nicht beneidenswerthe Ehre, das letzte Autodafé innerhalb der Grenzen des damaligen deutschen Reiches veranstaltet zu haben, gebührt einem Erzbischof von Salzburg, der, 1678 dem Aberglauben, von dem wir hier reden ein Brandopfer von siebenundneunzig Menschen darbrachte. In Spanien starb 1781, im Canton Glarus 1783 die letzte Hexe den Feuertod. Am längsten hielt sich dieser wüste Spuk in Polen, wo in einem Orte an der preußischen Grenze noch im Jahre 1793 zwei Hexen den Scheiterhaufen bestiegen, nachdem kurz vorher ein ganzes Dorf sich der Wasserprobe hatte unterziehen müssen – auch eine von den Segnungen, welche ein langes Jesuitenregiment für das Land im Gefolge gehabt hatte.

Die Hexenrichter sind wir los, der Hexenglaube aber lebt [303] in einem guten Theile des Volkes fort, nur sind ihm die Nägel beschnitten, sodaß er ein ziemlich harmloser Aberglaube geworden ist, der gewöhnlich nur üble Nachrede und Meidung des Umgangs mit den Verdächtigen, sowie Verweisung derselben aus Haus und Stall zur Folge hat. Indeß kommen nach den Zeitungen doch gelegentlich Fälle vor, wo der Wahn weiter geht und sich zu Mißhandlungen und Peinigungen der Betreffenden versteigt, und gar nicht selten sind die Fälle, wo eine Magd, die eine Hexe sein soll, aus dem Dienste gejagt, oder eine Familie, in welcher die Mutter oder Großmutter in den Ruf gekommen ist, Vieh oder Menschen „etwas anthun“ zu können, durch allerhand Unbill genöthigt wird, ihren Wohnort zu wechseln. Die Schule hat hier noch manche Aufgabe.

In Ostfriesland nennt man die Hexen „dat roode Volk“ oder „de lichte Lüe“, die leichten Leute, weil sie auf Kuhrippen über das Land hinschweben. Es giebt dort ganze Familien, in denen die Hexerei forterben soll, und in welche deshalb Andere nicht gern hineinheirathen.

In Tirol wird nach I. Zingerle das Hexenhandwerk von alten Weibern gelehrt, und erst wenn die Schülerin sich in allen ihren Künsten dreimal sieben Jahre bewährt hat, erhält sie vom Teufel das „Siegel“, indem er ihr einen Bocksfuß auf das Kreuz einbrennt, womit die volle Zaubermacht und der „böse Blick“ verbunden ist, der Alles, was er trifft, beschädigt, krank macht und verdirbt. Die Hexen werden hier, wie anderwärts, an rothen Triefaugen, aber zugleich an verschiedenen anderen Zeichen erkannt. Wenn im Innthale ein altes Weib weiße Schnecken sucht, ist es eine Wetterhexe, die Gewitter und Wirbelwinde machen kann. Die Hexen können die Bergwiesen vergilben und verdorren lassen, bei verschlossener Thür ein Stück Vieh aus dem Stalle entführen, den Kühen die Milch nehmen, aus Nägeln, die im Stalle sind, melken, das Buttern hindern; sie können sich in Katzen und Hasen verwandeln, auch stehlen sie sich in Gestalt von Schmetterlingen durch offen gelassene Fenster in die Stuben und Kammern, wo sie dann des Nachts den Leuten Alpdrücken verursachen und die Kinder würgen, bis sie blau werden. Zum Glück giebt es allerlei Mittel, mit denen man sich gegen ihre Bosheit schützen kann. Wenn ein von Hexen verursachtes Ungewitter im Anzuge ist, so vertreibt man es durch Verbrennen von Kräutern, die am Tage Mariä Himmelfahrt geweiht worden sind. Schießt man gegen die heraufsteigende Wolke, so wird die Hexe getroffen. Die Ställe verwahrt man gegen die Unholdinnen dadurch, daß man einen Benedictus-Pfennig oder ein kleines Rad, dessen Speichen ein Kreuz bilden, daran befestigt, was man in den Gebirgsdörfern Truden, Aldein, Raditsch und Radein fast in jedem Gehöfte beobachten kann. Gekreuzte Eisenstangen vor den Fenstern halten in Passeier die Hexen fern. Will beim Buttern die Milch nicht brechen, so nimmt man eine Bratspieß, macht ihn glühend und stößt ihn in das Butterfaß, dann wird die Hexe, die das Mißlingen verursacht, gebrannt und ihr Zauber zerstört. Oft geschah es bei Stockach, daß Leute, die in einer Quatemberzeit nach dem abendlichen Gebetläuten vor die Thür gingen, von Hexen geholt, auf einen hohen Berg getragen und in zwei Stücke zerrissen wurden. In Meran, wo das auch befürchtet wird, schützt sich der, welcher nach dem Läuten noch ausgehen muß, vor aller Gefahr dadurch, daß er in den Wagengleisen hinschreitet. Wer in Absam und Zirl von der „Trude“, das heißt der Hexe als Alp, gedrückt wird, schafft sie sich vom Leibe, wenn er das nächste Mal sich eine Hechel so auf die Brust legt, daß die Stacheln aufwärts stehen.

Auch in Schwaben scheint nach E. Meier der Glaube an Hexen noch sehr verbreitet zu sein. Berüchtigt und gefürchtet sind die Weiber mancher Orte, z. B. die von Gomaringen und Pfrondorf bei Tübingen. Saulgau in Oberschwaben heißt in der ganzen Nachbarschaft wegen seiner viele Hexen das „Hexenstädtle“; das Wiesenstieger Thal wird das „Hexenthäle“ genannt, und von Möhringen auf den Fildern sagt man, es seien dort sechs Hexen mehr als Milchhäfen im ganzen Orte. Die Hexen reiten auf Katzen zu ihren nächtlichen Festen. Solche Thiere werden davon oft mager und krank. Schneidet man ihnen aber ein Stück vom Ohre oder dem Schwanze ab, so sind sie zu ferneren Ritten untauglich und erholen sich wieder. Wenn eine Hexe Jemand drücken oder „reiten“ will, so verläßt ihre Seele des Nachts ihren Körper und schlüpft als Maus zum Munde heraus. Der Leib liegt dann mit offenem Munde wie todt auf dem Rücken, und wollte man ihn umkehren und mit dem Gesichte auf’s Kissen legen, so würde er todt bleiben, da die Seele nicht wieder hinein könnte. Die Hexen können ein Kind durch bloßes Anblicken krank machen und Milch aus einem Handtuche melken. Sie stehlen ungetaufte Kinder und bringen sie um, worauf sie ihnen die Hände abschneiden, die dann zu einem Zauberbrei zerkocht werden. Erkannt werden sie daran, daß sie am Sonnabend spinnen, daß sie mit den Augen blinzeln, daß ihnen die Augenbrauen in der Mitte zusammen gewachsen sind etc. Sieht man ihnen in die Augen, so blickt das Bild verkehrt heraus.

Schutzmittel gegen die Hexen sind folgende. Man malt mit Kreide drei Trudenfüße an die Thür; man bringt dasselbe Zeichen an Krippen und Kornsäcken an; man nagelt einen Pferdefuß über die Stallthür; man wirft etwas Salz in den Melkkübel und das Butterfaß. Auch Messer mit drei Kreuzen auf der Klinge schützen gegen Hexen. In den Ställen muß man das Spinnengewebe sitzen lassen, sonst beschädigen Einen „die bösen Leute“. Legt man „Neunfingerleskraut“ unter sein Kopfkissen, trägt man Asche von Erlen- und Wachholderzweigen bei sich, so können Einem die Unholdinnen nichts anthun. Hat eine Hexe ein Stück Vieh beschädigt oder umgebracht, so kann man sie zur Strafe ziehen. Man stecke in das Herz des todten Thieres drei Nägel und drücke dieselben täglich etwas tiefer hinein. Dann muß die betreffende Person sterben, wenn sie nicht kommt und um Erbarmen bittet, und man die Nägel herauszieht. Ebenso stirbt sie an der Schwindsucht, wenn man ihre Fußstapfen ausschneidet und in den Rauch des Schornsteins hängt.

Norddeutscher Hexenglaube ist unter Anderm die Meinung, daß die Hexen aus einem Stücke Holz, einem Stricke oder Besenstiele melken, daß sie sich in dreibeinige Hasen verwandeln, daß sie an Mauern hinauflaufen und in der Luft schweben können. In der Mark und gewissen Theilen Mecklenburgs kann man den Hexenzug nach dem Blocksberge sehen, wenn man sich unter eine Erbegge setzt, deren Zähne nach oben stehen, oder wenn man eine Furche um das Dorf zieht, dann den Pflug in die Höhe richtet und daselbst bis zur Dunkelheit wartet, oder wenn man sich auf einen Kreuzweg stellt und sich ein ausgeschnittenes Stück Rasen auf den Kopf legt. Ebendaselbst erkennt man die Hexen in der Kirche, wenn man das erste Ei einer schwarzen Henne in der Tasche trägt. Im Harze leistet ein Gründonnerstagsei dieselben Dienste. Im Elsaß wieder muß es ein Charfreitagsei sein, und man sieht die Hexen mit einem Stücke Speck statt des Gesangbuches in der Hand.

Die Moral von unserer Betrachtung ist eine doppelköpfige: Die „gute“ alte Zeit war in Wahrheit nach verschiedenen Richtungen hin eine sehr „schlimme“, eine recht dumme alte Zeit, und wir sind besser daran als unsere Großväter und Urgroßväter, aber so gut und gescheidt wir vergleichsweise auch sein mögen, noch leben wir keineswegs überall im neunzehnten Jahrhundert.