Wenn die Schakale feiern/Wenn die Schakale feiern

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Welwale singt Wenn die Schakale feiern
von Hermann Sternbach
Jewrejski Kozak
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Wenn die Schakale feiern.

Von den Bewohnern der Stadt wagt keiner, aus dem Haus zu treten. Denn der Tod geht durch die Gassen und Schakale geben ihm das Geleite. Auf den Straßen lungert lautes Bauerngesindel. Es hat mit den Kosaken Brüderschaft geschlossen und ist ihnen stets zur Seite auf allen ihren Mord- und Raubgängen. Sie erbrechen Kästen und Schränke, durchwühlen sie und werfen den ganzen Inhalt auf die Diele. Gierige Hände greifen nach Nahrungsmitteln und Kleidungsstücken. Die Bauern stehen mit ihren Wagen vor jedem heimgesuchten Haus und warten auf ihren Teil. Was den Plünderern nicht gefällt oder nicht nützt, schleudern sie durchs Fenster auf die Straße hinaus, zerfetzen es in Stücke und Scherben, mit Äxten, Säbeln und Messern.

Federn fliegen in der Luft herum und vermengen sich zu grauen Wölkchen mit in der Luft schwebenden Fäden, Strohhalmen, Schnüren und Papierschnitzeln und Blättern, an denen nicht mehr zu erkennen ist, ob sie in den Eingeweiden von Sesseln und Divans oder in Büchern, Akten und in rosigen Schleifen sorgsam bewahrt geruht haben. Diese Wölkchen senken sich dann zur Erde nieder und versinken in Lachen von Kot oder [24] in Bächen, deren Flüssigkeit sich aus Petroleum, Wein, Essig, Himbeersaft und Milch zusammensetzt und straßab in bunten Linien sich schlängelt. Hier und da wird der Lauf gehindert durch aufgeworfene Zuckerwürfel, Mehl und hundert andere nahrhafte Dämme, die man draußen hat liegen lassen, weil Fuhren, Säcke, Kisten und Taschen alles nicht mehr fassen konnten.

Jeder Wagen – eine Alpe voll Segen. Säcke voll Mehl, die man aus den Läden geraubt hat, Kisten voll Zucker, Seife, Schokolade und tausend ähnlicher Dinge; darüber Kleidungsstücke, Polster, Decken, Tücher, Hemden, Spiegel, Wanduhren, Sofas; obenauf Klaviere.

Die Bauern sind von so viel Reichtum berauscht; sie umarmen einander, umarmen die Kosaken und während in den geleerten Winkeln verwüsteter Häuser und eingeäscherter Höfe Stille, demütige Armut und zermalmender Jammer sich einnisten, hört man von der Straße her trunkene und heisere Zurufe: „Bratschyku! holubtschyku! serdenjko!“

Mit dem Rauben wächst die Raublust. Aber das Rauben und Plündern allein bietet bald keinen Reiz mehr; die Angst der Beraubten hat immer ein und dasselbe Gesicht, an dem sie kein Interesse mehr finden. Ihre Instinkte lodern und gieren nach Grausamkeiten, gieren nach Spott, Schande und Blut.

In den ausgeplünderten Wohnungen und Gewölben hausen Pferde auf Polstern und Seidenstoffen gebettet; sie stehen vor Krippen, die aus kostbaren Möbelstücken hergestellt wurden. Bewohner [25] und Besitzer aber werden aus ihren Häusern auf die Gasse, in die Wälder, ins Elend gejagt und sind froh, daß man ihnen das Leben gelassen und an ihren Schädeln und Rippen die Kolben nicht versucht hatte.

Rauchwolken und Feuersäulen steigen in die Höhe. Dächer brechen zusammen; Mauern gehen krachend auseinander; Schlote ragen gespenstisch aus Schutt und Asche empor. Frisches, warmes Blut dampft in den Häusern, rieselt auf das Pflaster und mischt sich mit den Straßentümpeln und färbt sie purpurn. Die kahlen, winterlichen Äste der Bäume, die den Ringplatz wie treue, wortlose Wächter umgeben, werden von einem Schauer geschüttert.

In der Mitte des Tages hängen zwei Leichen. Ossyp Leschko, der Stadtrat mit dem Mördergesicht und den Gelüsten Iwans des Grausamen, geht an ihnen vorbei und er fühlt eine Sonne in sein Herz quillen. Er hatte ausgesagt, daß jene zwei Gehenkten Spione seien. Es sind Vater und Sohn. Er war ihnen eine Kleinigkeit schuldig und braucht jetzt nicht mehr zu zahlen. Er zeigt ihnen die Zunge und brüstet sich: „Eh, eh! mudraheli! Philosophen –“.

Hunde winseln irgendwo. Dazwischen fällt das Teck-Teck eines Gewehres.

Gewaltige, riesenhohe, dichtschwarze Rauchwolken steigen auf und senken sich und verdecken den Tag, daß er wie in Wolken schwarzer Watte spurlos verschwindet.

Das sind die Naphthareservoirs, die sie angezündet haben. Der Tag ist zur Nacht geworden, es [26] erhellen ihn nur die Rufe: „Bratschyku! holubtschyku! serdenjko!“

Der gute Jakym ist es, dessen Herz die Dankbarkeit schwellen macht. Er wohnt in Mendels Haus, das eine rote Tür und einen Adler hat und ein Schindeldach dazu. Er taumelt vor Freude, umarmt ein Dutzend Kosaken nacheinander und ruft: „Bratschyku luby!, holubtschyku! serdenjko!“

„Das goldene Herz –“ meint der Ingenieur Lawecki, als er den übersprudelnden Bauer sieht und hängt sich fester in den Arm des Popen Zenobius....