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Wie ein Konversationslexikon gemacht wird

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Textdaten
Autor: R. K. [= Robert Koenig]
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Titel: Wie ein Konversationslexikon gemacht wird
Untertitel:
aus: Daheim, 15. Jahrgang, Nr. 48, S. 770–772
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1879
Verlag: Velhagen & Klasing
Drucker:
Erscheinungsort: Leipzig
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Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Commons
Kurzbeschreibung: Schilderung der Entstehung der 3. Auflage von Meyers Konversations-Lexikon
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Wie ein Konversationslexikon gemacht wird.

Gerade vierzig Jahre sind es her, daß Joseph Meyer von Hildburghausen die Reihe seiner buchhändlerischen Unternehmungen um eine neue vermehrte, und mit einem Konversationslexikon wider den damals alleinherrschenden „Brockhaus“ in die Schranken trat. Wol vermochte er es nicht, den Gegner aus dem Sattel zu heben, aber ein Erfolg war es immerhin zu nennen, daß er innerhalb sechzehn Jahren das unternommene Werk in zweiundfünfzig starken Bänden mit tausenden von Kupfern und Karten vollendete. Als dem unermüdlich thätigen Manne dann ein Jahr darauf durch den Tod die Feder aus der Hand gerissen wurde, trat sein Sohn, Hermann J. Meyer mit jugendlicher Energie das väterliche Erbe an. In des Vaters Lebensbeschreibung hat das Daheim bereits vor Jahren[1] erzählt, welch schwere Last damit auf seine Schultern fiel, wie es aber seiner rastlosen Thätigkeit, seiner selbstverleugnenden Rechtlichkeit, seinem intelligenten Geschäftsbetriebe gelang, die Firma des „Bibliographischen Instituts“ (seit 1874 in Leipzig) zu einer der namhaftesten und geachtetsten emporzuheben. Vor allem ist es ihm gelungen, innerhalb zweier Jahrzehnde das Hauptwerk seines Vaters wieder erstehen zu lassen und sein „Neues Konversationslexikon,“ wie er es 1857 beim Wiedererscheinen nannte, zu einer durchaus mustergiltigen Encyklopädie des allgemeinen Wissens zu machen.

Unzweifelhaft nimmt heute Meyers Konversationslexikon durch die Zweckmäßigkeit seiner Anlage, durch die abgerundete und gemeinverständliche Darstellung jeder einzelnen Wissenschaft, jedes Gewerbes, jeder Kunst, wie durch die meisterhafte Verwerthung des illustrativen Elementes den ersten Rang unter Deutschlands ähnlichartigen Werken ein. Wir können das um so unbefangener aussprechen, als wir uns mit ihm in seiner Behandlung politischer und kirchlicher Fragen keineswegs immer im Einklang wissen und es namentlich bedauern, daß es in allen theologischen Artikeln ganz im Banne der protestantenvereinlichen Anschauungen steht. Doch begegnen wir auch hier in manchen Stücken (z. B. in der Behandlung der äußeren und inneren Mission) einer, wenn auch kühlen, so doch gerechten Objektivität, während in allen nationalen Abschnitten uns ein warmer, patriotischer Hauch wohlthuend berührt.

Im einzelnen dies alles nachzuweisen, thut nicht noth. Die freudige Aufnahme der jetzt sechzehn stattliche Bände starken, in mehr als hunderttausend Exemplaren verbreiteten dritten Auflage spricht laut dafür, das der „Meyer“ unser Konversationslexikon geworden ist. Wol aber dürfte es interessant sein zu erfahren, wie er es geworden ist. An der Hand authentischer Notizen wollen wir deshalb unseren Lesern einen Blick in die Entstehungsgeschichte dieses trefflichen Werkes thun lassen.

Die erste Auflage des Neuen Konversationslexikons erschien innerhalb der Jahre 1857–60, die zweite 1862–69, die dritte, gänzlich umgearbeitete 1874–79. Auf diese letztere insbesondere beziehen sich unsere Mittheilungen.

Die erste Arbeit für die Ausführung einer neuen Auflage ist durchaus nicht literarischer Natur; sie wird vielmehr mit Scheere und Kleister ausgeführt. Da es unmöglich ist, jedem einzelnen der Mitarbeiter, die sich auf mehrere hunderte belaufen, ein vollständiges Exemplar der früheren Auflage zu übersenden und ihm zuzumuthen, das darin aufzusuchen, was er zu behandeln hat, so werden die sämtlichen einzelnen Artikel des Werkes – es sind deren beiläufig gegen siebzigtausend – herausgeschnitten und jeder einzeln auf Schreibpapier geklebt; viele große Artikel, an denen verschiedene Fachschriftsteller sich zu betheiligen haben, werden sorgfältig auch in eben so viele Theile zerlegt.

Mit diesem mechanischen Geschäfte, welches indessen viel Aufmerksamkeit erfordert, weil das Ausfallen einzelner Artikel für das Gelingen des ganzen Werkes höchst nachtheilig werden kann, verbringen einige Arbeiter eine ganze Reihe von Monaten.

Nachdem die eben beschriebene Thätigkeit der Buchbinder blattweise kontrollirt worden ist, liegt es einem durchaus kühlen und zuverlässigen Kopfe ob, die siebzigtausend Artikel Zeile für Zeile zu zählen, um danach feststellen zu können, welchen Umfang die nahezu hundert Fächer und Abtheilungen einnehmen dürfen, in welche das Gesamtgebiet der Wissenschaft für den vorliegenden Zweck zerlegt werden soll.

Auf meine Frage, was dieses Kleben und Zählen mit der Wissenschaft zu thun habe, antwortete mein Gewährsmann:

„Ich versichere Sie, es ist die Hauptsache. Denn ohne diese genaue Rechnung, ohne diese langweiligen Zahlen, ohne ganz bestimmte Gesetze über den Raum ist das Konversationslexikon nur dann eine Möglichkeit, wenn sich ein Publikum findet, das unbekümmert um die Zahl der Bände, erhaben über die Frage des Geldbeutels geduldig ausharrt, bis das Werk glücklich beim Z angelangt ist; möge es auch dreißig statt fünfzehn Bände haben. Was der Etat im Haushalt der Staaten, das ist der Raum beim Konversationslexikon. Wie bei jenem die einzelnen Positionen nicht überschritten werden dürfen, so muß auch hier jeder Mitarbeiter mit dem Raum auskommen, der ihm zugemessen ist. Dieses Maß aber zu bestimmen, und nach Wichtigkeit und Interesse des Gegenstandes im voraus auszumessen, ist ein Kunststück, zu dem nicht nur ein sicheres Urteil, sondern auch eine reiche Erfahrung gehört.“

Während diese doppelte Thätigkeit vor sich ging, haben auch der Herausgeber und sein Redaktionsstab keineswegs gefeiert. Die Grundsätze, nach welchen das Lexikon umzuarbeiten, zu erweitern und zu verbessern ist, sind in langwierigen Berathungen und oft sehr lebendigen Diskussionen besprochen und endlich festgestellt. Daran hat sich die Wahl der Mitarbeiter geschlossen, und an die besten unter den Empfohlenen sind Einladungen ergangen. Zur Antwort laufen abwechselnd bereitwillige Zusagen und kühle Ablehnungen ein; dazwischen auch freiwillige Anerbietungen von Unberufenen, die selten brauchbar sind.

Um die Gewähr einer sach- und fachgemäßen Ausführung des großen Unternehmens zu gewinnen und die Zersplitterung der Kräfte zu vermeiden, hat man die Errichtung von „Spezialredaktionen“ beschlossen. Die verwandten Fächer einer oder [771] mehrerer Wissenschaften werden nämlich der Leitung eines besonderen Spezialredakteurs, eines hervorragenden Vertreters seines Faches unterstellt und dieser trifft nun die definitive Auswahl der Mitarbeiter, ertheilt ihnen genaue Weisungen und Winke auf Grund eines gemeinsam entworfenen „Programmes“ über die inneren Fragen des Werkes, das nach sorgfältiger Berathung in der Hauptredaktion druckfertig geworden ist. Dieser Spezialredakteur ist natürlich für das übernommene Gebiet der Hauptleitung auch voll verantwortlich. Während die oberste Redaktion ihren Sitz bei dem Verleger hat und die Centralstelle des ganzen Werkes bildet, wohnen die Spezialredaktuere in verschiedenen Universitätsstädten und anderen Mittelpunkten des deutschen Bücherwesens.

Nun erst wandern die Ausschnitte alle wohlgeordnet, aufs genaueste verzeichnet, numerirt und kontrollirt in die Welt hinaus. Unter den Händen eines universell gebildeten Mannes, der Monate lang sich ausschließlich der Arbeit des Ordnens gewidmet hat, haben sie ihre bisherige alphabetische Ordnung mit einer streng wissenschaftlichen vertauscht, so daß z. B. alle naturwissenschaftlichen Artikel, alle Artikel des Gewerbes, der Kunst u. s. w. zusammenliegen; der Umfang des Ganzen und jeder einzelnen Disziplin ist bis ins Kleinste berechnet worden; manche von ihnen ist zu Gunsten einer anderen beschränkt worden und über das ganze Werk in allen seinen Theilen liegen nunmehr die genauesten statistischen Nachweise vor; sie bilden die Grundlage der prinzipiellen Disposition, deren Ausführung jetzt in fremde Hände gelegt wird.

Die Mitarbeiter, welche von den Spezialredakteuren ihre Aufgabe erhalten haben, prüfen zunächst, ob alles unter dem richtigen Stichwort verzeichnet ist, damit nicht eine und dieselbe Persönlichkeit etwa unter dreierlei Namen vorkommt, wie es z. B. irgendwo mit Cousin-Montauban-Palikao der Fall war, erwägen die innere und äußere Gleichmäßigkeit der Artikel, stellen sich die Fortschritte in ihren Wissenschaften zusammen und machen sich dann an die Umarbeitung der alten Artikel. Nur zu oft entdeckt da der betreffende Gelehrte, daß so ziemlich alles veraltet ist und von Grund aus verbessert werden muß; die Vertrauen erweckendste Angabe hat in den letzten Jahren durch die Veröffentlichung eines Augenzeugen oder durch das Ergebnis einer langwierigen Polemik ihre Giltigkeit verloren; eine vor Jahren mit größter Berechtigung ausgesprochene Meinung besteht nicht mehr vor der Kritik, jenes Datum hat sich längst als unrichtig erwiesen oder es stellt sich nach langem Suchen als ein unerklärlicher Druckfehler heraus, der aller Augen entgangen ist. Besondere Schwierigkeiten bereiten gewisse Disziplinen, wie Geschichte und Geographie in den letzten Jahrzehenden. Da sind ganze Königreiche verschwunden und in Provinzen umgewandelt, die Reichsgrenzen verrückt u. dgl. Nun muß in ungezählten Artikeln das Wörtchen: „lombardisch-venetianisch,“ „königlich hannöverisch,“ „kurhessisch“ oder „nassauisch“ gestrichen und alles was dazu gehört, in „italienisch“ oder „preußisch“ umgewandelt werden.

Schließlich ist das Ergebnis des mühsamsten Nachschlagens, Vergleichens und Nachdenkens nur zu oft: eine unscheinbare Zahl und wenige Zeilen. Unter wachsendem Erstaunen über die Unbeständigkeit und Wandelbarkeit seiner Wissenschaft nimmt der gelehrte Mitarbeiter den Stoß der kleinen Aufsätzchen noch einmal zur letzten Revision vor, er revidirt, streicht, stellt wieder her, schreibt neu und geht dann an die Reihe der großen Artikel, von denen er sich eine Erholung verspricht. Aber er hat sich getäuscht, mit dem Maß des Umfangs wächst auch das Maß des Fehlerhaften, Veralteten und der Anstrengung. Dazu kommt die Einhaltung des vorgeschriebenen Raumes; nach sorgfältiger Erledigung aller Vorarbeiten ist ein großer Artikel in Angriff genommen und ausgeführt, es ist ein wahres Kabinetstück von gewissenhafter Vollständigkeit und übersichtlicher Klarheit, aber o weh! er ist unbrauchbar, denn er hat unversehens die vorgeschriebene Länge um das Dreifache überschritten. Was thun? Der Gewissenhafte geht an eine mühsame Kürzung und nochmalige Umarbeitung – die meisten freilich senden ihr Elaborat unverändert an den Spezialredakteur ab, der oft auch nicht den Muth hat, daran etwas zu streichen, sondern es weiter schickt, wie er es erhalten hat. Seine Arbeit ist überhaupt keine ganz leichte. Viele der einlaufenden Artikel entsprechen allerdings den Erwartungen, andere sind mehr oder minder misverstanden und müssen an die Verfasser mit einer wiederholten Darlegung des eigentlichen Zieles zurückgehen, andere erweisen sich als ganz unbrauchbar und es muß ein Ersatz für sie gefunden werden.

Während solchergestalt die Spezialredakteure ihre Einsendungen vorbereiten, arbeiten auch noch manche andere Kräfte im Dienste des großen Werkes. So hat es der Herausgeber verstanden zur Richtigstellung der Städteartikel die Mitwirkung sämtliche Magistrate und anderer Behörden heranzuziehen. Auf die dankenswertheste Weise haben sich ausnahmslos die Stadtbehörden bereit finden lassen, die zuverlässigsten Nachrichten über ihre Gemeinden zu geben. Eine ähnliche Unterstützung ist den deutschen Handelskammern und den kaiserlich deutschen Konsulaten nachzurühmen. Auch aus Oesterreich liefen die gewünschten Notizen ein, nur eine Anzahl tschechischer Bürgermeister wies die Anfrage mit Protest zurück.

Ganz unerwartete Schwierigkeiten bietet die Herbeischaffung eines zuverlässigen biographischen Materials über die Persönlichkeiten, welche als Repräsentanten der Gegenwart in dem Lexikon auftreten sollen. „Am willfährigsten,“ erzählt unser Gewährsmann, „sind die jüngeren Zierden unserer Universitäten, die gewissenhaft von den Gymnasialstudien an berichten, bis zu dem, was sie noch zu leisten gedenken; bei weitem spröder zeigen sich die dramatischen Künstler und Künstlerinnen, namentlich verschweigen die letzteren nur zu häufig das Geburtsjahr. Auch wird viel über die Meister der bildenden Künste geklagt und behauptet, die Hand, die gewohnt sei stets den Pinsel oder den Meißel zu führen, ergreife nur mit Widerstreben die Feder. Wirkliche Geheime Räthe und andere Glieder der höheren Bureaukratie pflegen regelmäßig den Vornamen für etwas überflüssiges zu halten. Ein Misverständnis ist unter Umständen allen Kategorien gemeinsam, die Verwechselung der gewünschten kurzen Notizen mit ausführlichen Lebensbeschreibungen. Endlich fehlt es auch nicht an solchen, die sich unerbittlich weigern über ihren Lebenslauf das geringste Licht zu verbreiten.

Langsam gehen alle diese verschiedenen Beiträge bei dem Hauptredakteur ein. Mahnbrief auf Mahnbrief wird erlassen, auch der Telegraph in Thätigkeit gesetzt, um die Nachzügler herbeizuholen. Endlich ist alles beisammen, um die Arbeit des ersten Bandes in Angriff zu nehmen.

Wie alles Menschliche Stückwerk ist, so auch der Riesenhaufen von Manuskripten, der sich in dem Bureau der Hauptredaktion angesammelt hat und der letzten Prüfung harrt. Aus einem halben Hundert Zeitschriften, zu deren Lektüre und Verwerthung ein besonderer Notizensammler angestellt ist, aus sorgfältigster Verfolgung der deutschen und ausländischen Publikationen hat sich eine stattliche Menge von Miszellen und Notizen (z. B. über die neuesten Personalveränderungen, Beförderungen, wissenswerthen Lokalbegebenheiten u. dgl.) angesammelt, die – alle schon längst in der strengen Ordnung erhalten, in welcher sie Verwendung finden sollen, – Veranlassung geben zu Nachträgen aller Art. Die größte Schwierigkeit macht aber die Auseinandersetzung mit diesem und jenem Mitarbeiter, an dessen Manuskript sich die Spezialredakteure nicht getraut haben, Hand anzulegen. Da hält es der Dr. X. für durchaus nothwendig, irgend ein technisches Verfahren, das sich freilich gar nicht bewährt hat, so eingehend darzulegen, als wäre der Aufsatz für das Patentamt bestimmt und er ist tief gekränkt, als ihm auseinander gesetzt wird, daß seine Arbeit auf wenige Zeilen zusammenschrumpfen muß. Da beklagt sich der Professor Y., in dessen Beitrag einige kaum nennenswerthe Kleinigkeiten geändert worden sind, über diesen unerhörten Eingriff in die „berechtigten Eigentümlichkeiten des Autors.“ Um übrigens beiden Parteien gerecht zu werden, darf nicht vergessen werden, wie unendlich schwer es ist, sich in die von dem Konversationslexikon geforderte Kürze zu fügen und wie anerkennenswerth die Bereitwilligkeit derjenigen Gelehrten erscheint, die mit wahrer Selbstverleugnung vor dieser Zumuthung nicht zurückschrecken.

[772] Ferner werden von der Hauptredaktion auch die Geburts- und Todestage, namentlich in neueren Biographien, sorgfältig geprüft. Es ist dies keine so leichte Aufgabe wie mancher glaubt; oft finden sich in 11 verschiedenen Handbüchern und Lexiken von Ruf und Ansehen auch 11 verschiedene Angaben über den Todestag eines Mannes (so z. B. des Grafen Bentzel-Sternau) und es hält oft unglaublich schwer, das richtige Datum zu konstatiren.

Bis zur wirklichen Ablieferung an die Offizinen der Verlagshandlung hat nun das Manuskript noch verschiedene Stadien zu durchlaufen, die mit untrüglicher Regelmäßigkeit wiederkehren, von denen keines übersprungen werden darf, ohne daß dadurch ganze Reihen der dem Leser längst vertraut gewordenen äußeren Kennzeichen abhanden kommen würden. Denn jetzt beginnt die Thätigkeit des Mannes, der speziell den Beruf hat, dem Konversationslexikon im Aeußeren diejenigen Merkmale aufzudrücken, deren konsequente Durchführung gerade das Meyersche Werk so vortheilhaft von anderen unterscheidet und für den praktischen Gebrauch des Nichtgelehrten so werthvoll macht.

Da handelt es sich zunächst um die untrügliche Feststellung des Alphabets, um dem Leser das Aufsuchen zu vereinfachen und zu erleichtern, und spätere Aenderungen und Umstellungen in Satz und Schrift zu vermeiden. Da ist die Aussprache und Betonung hinter dem Stichwort fremder Zunge mit kleiner Schrift und in Klammern hinzuzufügen. Auch diese Arbeit stößt oft auf ganz unerwartete Schwierigkeiten, in manchen Fällen ist die wirkliche Aussprache fast unmöglich festzustellen. „Als wir unsern in Oxford lebenden Mitarbeiter,“ berichtet mein Gewährsmann, „wegen der unergründlichen Aussprache des englischen Dichter Aïdé zu Rathe zogen, ergab sich das Seltsame, daß dieser Name von vier auf der Oxforder Bibliothek anwesenden Engländern vierfach verschieden ausgesprochen wurde. Da war es doch besser, die Aussprache ganz wegfallen zu lassen und ähnlich geht es in so manchen anderen Fällen.“

Eine weitere Arbeit der Hauptredaktion ist auf die höchste bibliographische Genauigkeit gerichtet. Wenige ahnen, wie viel Anstrengung und Ausdauer das fortwährende Aufschlagen der Tausende von Büchertiteln in deutscher und fremder Sprache erheischt, die den gleichen Anspruch auf Korrektheit haben, wie jeder andere Gegenstand des Konversationslexikons.

Endlich ist eine scharfe Kontrole der „Verweisungen“ nothwendig, ehe das Manuskript in den Setzersaal wandert. Damit der Leser auch wirklich den Artikel findet, auf den er „verwiesen“ wurde, ist nun in der Hauptredaktion ein lebender Apparat erfunden worden, zu dessen Bedienung mindestens fünf Personen erforderlich sind, deren Thätigkeit es zu verdanken ist, wenn die Besitzer des Lexikons mit dem beliebten „(s. d.)“ nicht in die Irre geführt werden, und dessen Spürsystem bis unmittelbar vor den Druck reicht.

Gleichzeitig mit der Fertigstellung des Manuskriptes werden auch die Illustrationen besorgt, die theils als Beilagen, theils als Textbilder im „Meyer“ auftreten. Es sind das keine zusammengelesene Clichés aus anderen Werken, sondern durchweg eigens für das Konversationslexikon hergestellte Zeichnungen, auf deren Schnitt und Druck eine eben so sorgfältige Mühe verwandt wird, wie auf ihre Anfertigung.

„Auch hier drohen,“ erzählte u. a. mein Gewährsmann, „noch ganz unvorhergesehene Hindernisse den flotten Gang des Druckes zu unterbrechen. So wartete unser Freund B. in Berlin auf eine günstige Gelegenheit, eine einzige ihm noch fehlende Pflanze auf unserer Tafel „Giftpflanzen“ in Blüte zu sehen; denn so viel als möglich sind diese Tafeln nach der Natur gezeichnet. Ein Sonntagsausflug in den Grunewald gewährt ihm endlich das ersehnte Glück, und während der Buchbinder schon das Heft zurüstet, in welchem die Tafel erscheinen soll, zeichnet Herr B. noch seine Pflanze, worauf es noch der Arbeit des Holzschneiders bedarf, um die Platte rechtzeitig fertig zu stellen. Halten Sie es nicht für übertrieben, wenn ich Ihnen versichere, daß sich Erinnerungen ähnlicher Art an die Mehrzahl der Tafeln knüpfen, über die Sie sich so lobend aussprechen.“

Inzwischen hat ein Schwarm von Schriftsetzern, die sämtlich auf die vorgeschriebene „Hausorthographie“ eingeübt sind, den Satz so rasch gefördert, daß es möglich ist, das Werk mit der Pünktlichkeit einer Tageszeitung erscheinen zu lassen; auch nicht ein Erscheinungstermin ist bei den 256 Heften versäumt worden. Daß trotz aller Sorgfalt der wiederholten Revisionen und Korrekturen des Satzes dennoch dieser oder jener Druckfehler stehen bleibt, wird gewiß keinen verwundern, der mit dem schwersten Kreuz aller Leute von der Presse nur einigermaßen bekannt ist.

Doch genug der Andeutungen darüber, wie ein Konversationslexikon gemacht wird. Uns hat der Einblick in diesen trefflich gegliederten und meisterhaft beherrschten Organismus zu erneutem Danke angeregt gegen den trefflichen Herausgeber dieses nützlichen Werkes, wie gegen seine gelehrten Mitarbeiter, welche die großartige Summe unseres Wissens mit rastloser Mühe zu so bequemer Benutzung in handliche Münze ausgeprägt haben. R. K.




  1. Vergleiche IV. Jahrgang, Seite 491 ff.