Wie erkennt man zu Anfange des Winters, ob dieser zu den strengen zählen werde oder nicht?

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Titel: Wie erkennt man zu Anfange des Winters, ob dieser zu den strengen zählen werde oder nicht?
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aus: Die Gartenlaube, Heft 51, S. 627–628
Herausgeber: Ferdinand Stolle
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Erscheinungsdatum: 1854
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[627] Wie erkennt man zu Anfange des Winters, ob dieser zu den strengen zählen werde oder nicht? – Der große Einfluß, den das Wetter auf die Verrichtungen und, wie schon Hippocrates bemerkt, auf das Wohlbefinden des Menschen ausübt, erklärt uns das Verlangen, das Wetter vorherzusagen. Bis jetzt aber besitzen wir die Mittel nicht, um mit Erfolg prophezeihen zu können, denn das Wetter wird in weiter Ferne – unter den Tropen für den ganzen Erdkreis gebraut. Nichts desto weniger mangelt es nicht an Wetterpropheten, wenn auch die Vorherverkündigungen sehr hinken. Diese Bestrebungen fingen an, sobald man gelernt hatte den Lauf der Wandelsterne mit Genauigkeit im Voraus zu berechnen. Sie sollten es sein, welche durch ihre verschiedenen Stellungen zur Erde die Vereinbarungen des Wetters veranlaßten. Ein sorgfältiges Studium des Mondes, des nächsten Gestirnes, das demnach den größten Einfluß ausüben mußte, hat die Nichtigkeit dieses Glaubens dargethan. 17jährige Beobachtungen, die der bekannte Astronom Mädler angestellt hat, lehren, daß die Unterschiede am Thermometer und Barometer in den verschiedenen Perioden des Mondes viel geringer sind als die, welche man bei diesen Instrumenten an zwei ganz nahe gelegenen Orten beobachtet. Zeigt nun das uns nächste Gestirn keine Beeinträchtigung, so dürfen wir sie auch für die unendlich weit entfernten nicht annehmen.

Es fällt uns daher nicht ein, hier die Temperatur der einzelnen Tage vorhersagen zu wollen, sondern nur ganz allgemein den Verlauf des Winters überhaupt. Da der von Vielen nicht gern gesehene Gast nicht lange auf sich wird warten lassen, so theilen wir dem Leser die Regeln mit, die man aus einer Vergleichuug der letzten 18 Winter in Berlin gezogen hat, damit er selbst prüfen könne, ob sie sich bewähren oder nicht. Man brachte die zu bestimmten Stunden eines jeden Tagen beobachteten Temperaturen in jedem Winter sorgfältig und übersichtlich zu Papier, um zu sehen, ob sich die Vertheilung der hohen und niedrigen Temperatur in den strengen Wintern charakteristisch von der in den nicht strengen unterscheide. Nach Verlauf von sieben Jahren will man nun folgende Unterschiede gefunden haben: 1) die strengen Winter haben wenige, die nicht strengen viele Kälteperioden; d. h. in den ersteren finden sich wenige Zwischentage, an denen das Thermometer über Null steigt, während dies bei den letzteren häufiger der Fall ist. 2) In den strengen Wintern sind die Kälteperioden lange anhaltend, in den nicht strengen umfassen sie nur wenige Tage. 3) Ist die Dauer eines strengen Wintern eine kürzere als die der nicht strengen.

Diese Beobachtungen hat der Leser wohl selbst schon gemacht, aber nicht die, daß man aus ihnen zu Anfange eines Winters den Verlauf desselben vorhersagen könne, wenigstens soll dies nach jenen sieben Jahren regelmäßig geschehen sein. Wie man dies anzufangen habe, wollen wir in Nachstehendem mittheilen. Sobald man sich den Wintermonaten nähert, beobachte man fleißig das Thermometer; täglich drei Mal, um 7 Uhr Morgens, Mittags und 10 Uhr Abends, zähle die beobachteten Grade zusammen und dividire die Summe durch die Zahl der Beobachtungen, so hat man die mittlere Temperatur des Tages. Sobald ein Frosttag eintritt, d. h. wenn die mittlere Temperatur des Tages entschieden unter Null bleibt, da heißt es aufgepaßt. Nachtfröste allein entscheiden hier nichts. Man wird nun finden, daß die ersten Frosttage nur unbedeutend sind; stellt sich aber größere Kälte ein und treten bald nach dem Beginn derselben Tage auf, an denen das Thermometer wesentlich und selbst bis über Null steigt, so aber, daß die Zahl und die Summe der Temperatur der kalten Tage die Zahl und die Summe der Temperatur der warmen Tage übertrifft, und nimmt dann die Kälte bald wieder entschieden zu, so kann man sicher schließen, daß der Winter zu den strengen gehören werde.

Die Betrachtung einzelner Winter wird dies näher erläutern. 1834 trat die erste, sehr unbedeutende Kälte am 13. und 14. Novbr. ein, dann blieb die mittlere Temperatur den Tagen bis zum 26. über Null und mit dem 27. trat eine lange anhaltende Kälteperiode ein. Während dieser stieg das Thermometer von – 4° am 29. Novbr. bis auf – 1° am 4., 9 und 11. Decbr. sank dann wieder bedeutend, so daß man am 18. Dec. den strengen Winter ankündete. 1817 konnten die unbedeutenden Wintertage im Novbr. nichts entscheiden. Am 1. Decbr. dagegen trat entschiedener Frost ein, am 11. stieg die mittlere Temperatur auf wenig über Null, ebenso am 21., 22. und 23. und nun trat wieder Frost ein, der die Entscheidung abgab. Nicht immer sind die Resultate sogleich ganz entschieden. 1835 fanden nach dem ersten Frost am 1[ ]. Decbr. verschiedene Wechsel statt, bevor die große Kälteperiode eintrat. Im Ganzen zählte man vor dem 27. Decbr. 9 Tage mit 19° Kälte und 7 Tage mit nur 15° Wärme. Erstere überwog daher und als am 27. Kälte eintrat, entschied man sich für einen strengen Winter. Der Leser darf auch nicht verzagen, wenn die Erfüllung seiner Prophezeihung sollte lange auf sich warten lassen. Der Winter von 1845 lehrt, daß man sich zuweilen mit Geduld auszurüsten habe. Der 20. Decbr. war hier der Tag der Entscheidung, aber der Januar war in seinem ganzen Verlaufe verhältnißmäßig gelinde; Februar und März holten jedoch reichlich wieder ein, was der Januar versäumt hatte.

Anders ist es nun bei gelinden Wintern. Hier treten entweder die Wechsel zwischen Kälte und Wärme häufiger ein oder es folgt einer anhaltenden Kälteperiode eine anhaltende Wärmeperiode. In beiden Fällen übertrifft die Zahl und die Summe der Temperatur der warmen Tage die der kalten. 1852 folgten den ersten 9 Frosttagen, zusammen mit 15° Kälte, nur 7 Tage mit 3° Wärme; hier hätte man der folgenden Kälte wegen auf einen strengen Winter schließen können. Aber die Kälte der ersten Periode war nur geringe und der zweiten (drei Tage mit 3° Kälte) folgten 10 Tage mit 50° Wärme. Entscheidend war die dritte Periode [628] (12 Tage mit 19° Kälte und 17 Tage mit 78° Wärme). Am 16. Dec. verkündete man daher, daß in diesem Winter keine bedeutende und anhaltende Kälte weiter eintreten werde. 1837 stellte sich zwar eine entschiedene Kälteperiode ein (drei Tage mit 12° Kälte) aber die nun folgende Wärmeperiode war ebenso entscheidend (26 Tage mit 113° Wärme), so daß man sich schon zu Anfange derselben für einen nicht strengen Winter entscheiden konnte. Hier kann die Entscheidung mitunter zweifelhaft sein. So trat 1840 am 2. Decbr. zuerst entschiedener Frost ein. Die Kälteperiode dauerte 11 Tage mit 29°, dann folgten zwei Tage mit zusammen 41/2° Wärme; bei Eintritt der dritten Kälteperiode (6 Tage mit 26°) hätte man sich für einen strengen Winter entscheiden können, aber die beiden früheren unbedeutenden Frosttage am 29. Octbr. und 22. Novbr. deuteten einen so häufigen Wechsel zwischen Kälte und Wärme an, wie er nur den nicht strengen Wintern eigenthümlich ist.

Man versichert, daß auch bereits an anderen Orten das angegebene Verfahren Anklang und Nachahmung gefunden habe. Vielleicht findet auch Mancher unter den Lesern ein Vergnügen daran, den Wetterpropheten zu spielen. Er möge dann versuchen, ob die gegebenen Regeln sich bewähren.