Wie erzeugt die Sonne ihre Wärme?

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Autor: Carus Sterne
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Titel: Wie erzeugt die Sonne ihre Wärme?
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aus: Die Gartenlaube, Heft 51, S. 846–848
Herausgeber: Ernst Ziel
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Erscheinungsdatum: 1882
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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[846]

Wie erzeugt die Sonne ihre Wärme?

Ein Bericht über neuere Erklärungen und Vermuthungen.
Von Carus Sterne.


Von allen Vorgängen im Weltenraume, die das Erdleben und den Menschen als höchsten Inbegriff desselben näher angehen, trägt wohl keiner mehr den Charakter einer „brennenden Frage“ als der Ursprung der ungeheuren Wärmemenge, welche die Sonne Tag und Nacht, ohne jede Unterbrechung in den weiten Weltenraum hinausstrahlt. Wir dürfen die Sonne nicht etwa blos als eine Art von Central-Heizungs-Einrichtung unseres Planetensystems betrachten, sondern müssen sie uns vielmehr wie eine ungeheure Kraftmaschine vorstellen, von der die Erde, ebenso wie die andern Planeten, ihren gesammten Kraftbedarf bezieht und seit undenklichen Zeiten bezogen hat.

Nicht blos im gegenwärtigen Pflanzen- und Thierleben oder in den Strömungen der Luft und des Wassers, welche unsere Segelschiffe, Mühlen und Turbinen treiben, sondern auch in unsern Dampfmaschinen und elektrischen Apparaten wirkt die Sonnenkraft mittel- oder unmittelbar; denn alle Brennstoffe, mit denen wir die letztere in Betrieb setzen, mögen sie nun Holz, Steinkohle, Petroleum oder wie sonst heißen, sind organischen Ursprungs und von der Sonne erzeugt. Nur ganz vereinzelte und für das Gesammtleben wenig in Betracht kommende Kraftentfaltungen auf unserem Erdball, wie z. B. die Ebbe und Fluth, sind von dem großen Kraftübertragungsmittel der Sonnenstrahlen unabhängig.

Aber trotz des ungeheuren Kraftbetrages, der uns täglich und stündlich mit dem Sonnenlichte zuströmt, ist die von der Erde bezogene Licht- und Wärmemenge natürlich doch nur ein fast verschwindender Bruchtheil der von der Sonne im Ganzen und nach allen Richtungen des Weltraumes ausgestrahlten Kraftsumme, die man auf jährlich dreitausend Quintillionen Wärme-Einheiten[1], oder auf achtzehn Millionen Wärme-Einheiten für jede Stunde und jeden Quadratfuß ihrer Oberfläche berechnet hat.

Woher stammt diese unfaßbare Gluthmenge? Dürfen wir uns mit Stokes, W. Thomson und andern englischen Physikern die Sonne als einen unerschöpflichen Feuerbrunnen vorstellen, aus dessen Tiefe immer neue Gluthströme an die Oberfläche emporquellen, ohne sich je zu erschöpfen, oder doch wenigstens im Laufe der Jahrtausende an wärmender und leuchtender Kraft merklich nachzulassen? Schwerlich. Denn so hoch auch die Anfangstemperatur der Sonne angenommen werden mag, so ergiebt doch eine einfache Rechnung, daß die gesammte ungeheure Sonnenmasse, durch den oben abgeschätzten Betrag ihrer beständigen Wärme-Abgabe, sich schon in zweitausend Jahren um ungefähr viertausend Grad abgekühlt habe müßte, was offenbar der geschichtlichen Erfahrung widerspricht. Wir müssen demnach einen wenigstens annähernden Ersatz der beständig ausgestrahlten Wärmemenge voraussetzen. Wie können wir uns denselben vorstellen?

Die Physik der Sonne und aller Himmelskörper hat in den zwanzig Jahren, welche seit Entdeckung der Spectralanalyse verflossen sind, unendliche Fortschritte gemacht. Bis dahin herrschte in der Wissenschaft die im vorigen Jahrhundert von Wilson und Herschel aus der Beobachtung der Sonnenflecken abgeleitete Annahme, daß nur die äußere Hülle der Sonne Licht und Wärme ausstrahle, daß hingegen ihr Kern, den man öfter durch Risse der Hülle (in den Sonnenflecken) hindurch zu erblicken glaubte, ein dunkler, vielleicht gleich der Erde von Wesen unserer Art bewohnter Weltkörper sei. Durch die neue Beobachtungsmethode wurde diese ihrerzeit von Arago, Humboldt und den ersten Naturforschern getheilte Ansicht, die uns heute recht naiv vorkommen will, alsbald mit Entschiedenheit widerlegt, und die Sonne als ein Gluthball erkannt, dessen Temperatur nach den neueren Rechnungen von Rosetti (1878) mit einiger Wahrscheinlichkeit auf zehn- bis zwanzigtausend Grad Celsius geschätzt wird, während die älteren Schätzungen zwischen zwei- bis dreitausend Grad (Vicaire und Violle) und ein bis zwei Millionen Grad (Erikson und Pater Secchi) schwankten.

Welche dieser Schätzungen nun aber auch der Wahrheit näher kommen mag, jedenfalls machten es die neuen Beobachtungen unabweisbar, den Ersatz der beständig ausgestrahlten Sonnenwärme von den kolossalen Verbrennungsprocessen herzuleiten, welche man mittelst verbesserter Spectroskope beständig an der Sonnenoberfläche beobachtet. Aber selbst wenn der Sonnenkörper durchweg aus brennbaren Stoffen bestünde, z. B. einen einzigen Steinkohlenblock darstellte, so würde er doch nur etwa fünftausend Jahre lang die Unsumme von dreitausend Quintillionen Wärme-Einheiten liefern können, die er heute im Jahre ausstrahlt, und dann verzehrt sein. Man muß demnach wohl mit Bestimmtheit annehmen, daß in irgend einer Weise ein beständiger Ersatz der ausgestrahlte Sonnenwärme stattfindet, und in diesem Sinne sind verschiedene namhafte Physiker der Ansicht beigetreten, daß eine unaufhaltsam fortschreitende Verdichtung oder Zusammenziehung der Sonnenmasse beständig eine dem Verluste entsprechende Wärmemenge frei werden lasse. Helmholtz hat eine Rechnung aufgestellt, nach welcher der Sonnenkörper, wenn er durch plötzliche Zusammenziehung eines Urnebels von der Ausdehnung unseres Planetensystems auf seinen jetzigen Umfang entstande wäre, eine Temperatur von achtundzwanzig Millionen Celsiusgraden erlangt haben müßte. Dieselbe Wärmemenge würde nun aber auch bei der allmählichen Zusammenziehung der Sonnenmasse, wie sie die Kant-Laplace’sche Weltbildungstheorie voraussetzt, frei werden, und so würde diese Ansicht zugleich mit der Wahrscheinlichkeit in Einklang zu bringen sein, daß der Erde in früheren Perioden von einem damals noch ausgedehnteren Sonnenballe mehr Licht- und Wärmestrahlen zugeflossen sind, als heute, eine Annahme, die unter Anderem durch das Vorhandensein eines üppigen Pflanzenwuchses um den Nordpol bis in die Tertiär-Epoche hinein unterstützt wird.

[847] Eine andere Vermuthung über einen beständigen Ersatz der verbrauchten Sonnenwärme hat Robert Mayer von Heilbronn, der geniale Begründer der mechanischen Wärmetheorie, aufgestellt, indem er annahm, daß der Sonnenbrand eine beständige Nahrung durch die Schwärme von Meteoriten fände, die im Raume umher kreisen und, von der Sonne angezogen, in sie hineinstürzen, doch hat diese Ansicht bei den Fachgenossen verhältnißmäßig nur geringen Beifall finden können, da man wohl an einen ununterbrochenen Meteoritenregen denken müßte, um den verlangten Wärme-Effect zu erzeugen. Außerdem läßt diese, wie alle übrigen älteren Sonnentheorien, die unbefriedigende Annahme bestehen, daß eine ungeheure, völlig nutzlose Verschwendung der Sonnenwärme im Weltenraume stattfinde, sofern höchstens einige Procente derselben von den gesammten Planeten sammt ihren Monden erhascht würden, die weitaus größte Menge aber gerade für die nähern Angehörigen des Systems völlig verloren ginge.

Obwohl wir nun nicht behaupten können, daß die im Weltenraume zerstreute, für uns verlorene Sonnenwärme nicht auch da noch unbekannte kosmische Zwecke erfüllen könnte, und obwohl es uns nichts anginge, wenn sie auch gar keine erfüllte, so bleibt uns eine solche Annahme zugestandenermaßen unbehaglich, weil sie im Widerspruche steht mit den sonst im Naturgetriebe zu beobachtenden Regeln der Harmonie und Sparsamkeit, und man versteht darnach leicht die günstige Aufnahme einer neuen Sonnentheorie, welche der deutsche Physiker C. W. Siemens in London vor einigen Monaten aufgestellt hat, um alle die erwähnten Schwierigkeiten zu beseitigen. Diese Theorie geht darauf hinaus, eine Art Kreislauf der Wärme im Wirkungsbereiche der Sonne wahrscheinlich zu machen, indem sie zu zeigen sucht, daß die Sonne die von ihr in den freien Raum ausgestrahlte Wärme in einer andern Form (als Brennmaterial) zurückempfange, womit, wenn diese Ansicht endgültig begründet werden kann, einer nicht unerheblichen kosmologischen Schwierigkeit abgeholfen sein würde.

W. Siemens geht in seiner neuen Sonnentheorie von einer Annahme aus, die auch schon von mehreren anderen deutschen Physikern, namentlich von Zöllner, aufgestellt worden ist, daß nämlich der Weltraum nicht, wie man früher annahm, blos von einem sogenannten Lichtäther, sondern durchweg mit höchst verdünnten Luftarten (Gasen) erfüllt sei, und zwar mit Gasen von derselben Art, wie sie sich in den Atmosphären der Erde und der übrigen Planeten finden, nämlich Sauerstoff, Wasserstoff, Stickstoff, Kohlensäure, Kohlenwasserstoff und noch mehreren anderen Wasserstoffverbindungen, sowie auch staubartig in diesen verschiedenen Gasen schwimmenden festen Massen. Unsere Atmosphäre würde demnach nicht, wie es sonst wohl hieß, in einer Höhe von zehn Meilen aufhören oder plötzlich an einen leeren Raum grenzen, sondern sich allmählich verdünnen und unmerklich in die sehr dünne Luft des sogenannten „leeren“ Raumes übergehen; ja man ist vielleicht gezwungen, anzunehmen, daß jeder Weltkörper eine seinen Massenverhältnissen entsprechende Atmosphäre aus diesem unerschöpflichen Vorrath an sich zieht. Dabei liegt der Schluß nahe, daß die schwereren Luftarten, wie Sauerstoff, Stickstoff und Kohlensäure, meist, wie bei uns, den Hauptbestandtheil dieser Atmosphären bilden werden, während die leichteren, namentlich der Wasserstoff und seine Verbindungen, in ihnen (selbst einen Luftballon tragend) emporsteigen und demnach jenseits der Atmosphäre, im Weltraum, vorherrschen müssen. Aber nicht allein die Planeten als Einzelwelten, sondern auch das Planetensystem als Ganzes wird im Vergleiche zu dem weiten Sternenraum eine Art dichterer Gesammtatmosphäre festhalten.

Diese Annahme von dem Vorherrschen gewisser in unserer Atmosphäre nur spärlich vertretener Gasarten (die sich durch Leichtigkeit und großes Verbreitungsvermögen auszeichnen) im Weltenraume findet eine Art unmittelbarer Bestätigung durch den auffallend großen Gehalt an solchen Gasarten, welcher Meteorsteinen eigen zu sein pflegt, die aus dem äußern Raum auf die Erdoberfläche niederfallen. Die Meteorsteine enthalten häufig in ihrer inneren Masse so viel aufgesaugte Gase, daß diese nach ihrer Austreibung durch Hitze mehr als den fünf- bis sechsfachen Raum des Steines einnehmen, und ein solcher in jüngster Zeit von Dr. Flight unmittelbar nach seinem Niederfallen analysirter Meteorstein enthielt ein Gasgemisch, dessen Gehalt an Wasserstoff und Kohlenwasserstoff über fünfzig Procent stieg, wozu noch zweiunddreißig Procent Kohlenoxydgas und siebenzehn Procent Stickstoff kamen, die beide etwas leichter als atmosphärische Luft sind.

Man nimmt allgemein an, daß diese Gase keineswegs erst beim Durchkreuzen unserer Atmosphäre von dem Meteoriten aufgenommen wurden, da letztere von Wasserstoff und seinen Verbindungen nur Spuren enthält, sondern daß er durch sein Erglühen in der Atmosphäre eher einen Theil seiner im Weltraum aufgesaugten Gase verlieren mußte. Ebenso hat bekanntlich die spectroskopische Untersuchung der Kometen ergeben, daß diese den Weltraum in allen Richtungen durchkreuzenden „Zigeuner“ besonders reich an Kohlenwasserstoffverbindungen sind, sodaß auch dadurch die Annahme von dem Vorherrschen des Wasserstoffs und seiner Verbindungen im Weltenraume bestätigt wird.

Suchen wir uns nunmehr das Verhalten des glühenden Sonnenballes zu dieser hauptsächlich aus brennbaren Gasen bestehenden Weltenluft vorzustellen. Ungleich den Planeten, welche an ihrer Oberfläche vorzugsweise nur die schwereren Gase verdichten können, vermag der Sonnenkörper vermöge seiner so viel größeren Masse auch das Wasserstoffgas zu fesseln, das wir häufig in ungeheuren Sprühstrahlen an seiner Oberfläche brennen sehen.

Siemens geht nun ferner davon aus, daß die Drehungsgeschwindigkeit eines Punktes am Sonnenäquator mehr als viermal so groß ist, wie bei der Erde, was nach seiner Meinung hinreichen muß, eine beträchtliche Erhebung der Sonnenatmosphäre über dem Aequator zu erzeugen, wie eine solche bereits im vorigen Jahrhundert durch den Astronomen Mairan vermuthet und zur Erklärung des Zodiakallichtes verwendet wurde (vergl. „Gartenlaube“ 1879, S. 177). Unter diesen Umständen muß nach Siemens die Sonnenrotation am Aequator ventilatorisch wirken, und die Gase der Atmosphäre dort in einer an den Saturnring erinnernden Form wegtreiben, während in den der Fliehkraft entbehrenden Polargegenden dafür andere Gase aus dem Raume angezogen würden, welche den beständigen Verlust am Aequator decken müssen. Es wäre somit ein einfacher Kreislauf hergestellt, fast wie der Kreislauf des Wassers auf der Erde, welches am Aequator in Dampfform aufsteigt und an den Polen in flüssiger Gestalt wieder niedergeschlagen wird, nur mit dem Unterschiede, daß die verbrannten Gase am Sonnenäquator in den weiten Planetenraum hinausgetrieben würden, um sich dort immer weiter auszubreiten und damit der Sonnenatmosphäre nicht gänzlich verloren zu gehen. Nicht selten mag es dabei vorkommen, daß in Folge der in der Sonnenatmosphäre wüthenden kolossalen Wirbelstürme zum Theil auch schwerere Dämpfe aus dem unteren Theile der Sonnenhülle in den Raum hinausgerissen werden, um dann vielleicht jenen Eisenstaub zu erzeugen, welcher häufig als meteorischer Niederschlag, namentlich auf Schneefeldern, beobachtet worden ist, und seine Entstehung aus Eisendampf dadurch verräth, daß seine Körnchen, wie die kleinsten Theile unseres Nebels, die Gestalt winziger hohler Bläschen besitzen.

Von den in der geschilderten Weise in den Planetenraum hinausgetriebenen Verbrennungsproducten der Sonne, das heißt in erster Linie der gasförmigen Verbindungen des Kohlenstoffs, Sauerstoffs, Wasserstoffs und Stickstoffs, muß man nun annehmen, daß sie sich im Planetenraum immer weiter ausdehnen und unendlich verdünnen werden. Nun ist es aber nach den Untersuchungen verschiedener Chemiker, namentlich Saint-Claire Deville’s, festgestellt, daß chemische Verbindungen um so leichter wieder in ihre Bestandtheile zerfallen, je mehr sie sich in einem anderen Mittel ausbreiten, z. B. mit großen Mengen von Luft oder Wasser aufgelöst und verdünnt werden. Mancherlei neue Versuche und Erscheinungen machen es außerdem sehr wahrscheinlich, daß das Licht die Zersetzung solcher in großer Verdünnung ihm ausgesetzter Stoffe erheblich befördert. So findet bekanntlich die Zersetzung der Kohlensäure in der Pflanzenzelle nur unter dem Einflusse des Sonnenlichtes statt, und es werden dabei als Endproducte stets sauerstoffärmere (brennbare) Stoffe, wie Holz, Harze, fette und ätherische Oele etc. gebildet.

Nach diesen und anderen Erwägungen erscheint es sehr begründet, mit Siemens anzunehmen, daß das in den Raum hinausstrahlende Sonnenlicht die darin im höchsten Zustande der Verdünnung befindlichen Verbrennungsproducte der Sonne und anderer Quellen wieder in ihre brennbaren Bestandtheile zurückverwandele, und sodann würde man nicht mehr sagen können, daß die in den Raum hinausstrahlende Sonnenkraft irgendwie nutzlos vergeudet würde. [848] Die Sonne würde sich vielmehr auf diese Weise beständig ein neues Brennmaterial selber erzeugen, wie sie es unter erschwerenden Umständen auch an der Erdoberfläche thut, indem sie den vorzugsweise aus Kohlensäure und Wasser bestehenden Dampf unserer Feueressen und Lungen wieder in Brenn- und Nahrungsstoff zurückverwandelt. Jenes im Raume durch Lichtzersetzung erzeugte Brennmaterial würde die Sonne an ihren Polen wieder an sich ziehen, um es von Neuem zu verbrennen und so einen beständigen Ersatz der ausgestrahlten Hitze und Helligkeit zu erhalten. Diese Verbrennung der Gase an der Sonnenoberfläche können wir stündlich beobachten und zugleich feststellen, daß dabei brennender Wasserstoff, wie es nach dieser Theorie der Fall sein muß, die Hauptrolle spielt. Auf diese Weise würde sich ein Kreislauf von bewunderungswürdiger Einfachheit vollziehen, den wir im Kleinen auch auf der Erde nachahmen können, wenn wir bei elektrischem Lichte Pflanzen wachsen lassen, um mit deren Holze die Maschine zu heizen, welche das elektrische Licht erzeugt.

Wir brauchen nicht nochmals besonders hervorzuheben daß es sich bei dieser Erklärung der gleichbleibenden Sonnenwärme nur um eine Theorie, wenn auch eine recht geistreiche und einleuchtende Theorie, handelt. Sie hat sich trotz mannigfacher Einwendungen, welche namhafte Gegner wider sie erhoben haben, bisher behaupten können, und man darf zu ihrer Unterstützung anführen, daß sich noch mancherlei andere kosmische Erscheinungen in ihrem Lichte besser verstehen lassen als bisher, besonders das räthselhafte Zodiakallicht, welches sich, wie wir früher (vergl. „Gartenlaube“ 1879, S. 177) beschrieben, als Lichtring über dem Sonnenäquator erhebt und uns die dort stattfindende Abschleuderung der Gase unmittelbar zeigt. Der am häufigsten gemachte Einwurf, daß eine wenn auch noch so dünne Gaserfüllung des Raumes den sich darin bewegenden Weltkörpern einen meßbaren Widerstand leisten müßte, ist durchaus unhaltbar; denn man müßte sich diese Weltluft natürlich, ebensowohl wie die Erdatmosphäre, mit dem Planetensystem kreisend denken, sodaß sie höchstens den fremden, in abweichender Richtung eindringenden Weltkörpern Widerstand bieten würde. Als eine solche Widerstandserscheinung hat man in neuester Zeit die Kometenschweife zu deuten gewußt.

Auch die sonstigen Erscheinungen an den Kometen bieten, wie schon angedeutet, gewisse bemerkenswerte Anhaltspunkte zur Stützung der Siemens’schen Sonnentheorie. Wie den Lesern der „Gartenlaube“ aus den Kometenartikeln des vorigen Jahrgangs (Nr. 30)[WS 1] erinnerlich sein wird, haben es die Untersuchungen des italienischen Astronomen Schiaparelli über die Ähnlichkeiten der Bahnen von Kometen und Meteoritenschwärmen wahrscheinlich gemacht, daß zwischen beiden Classen von Weltkörpern gewisse engere Beziehungen bestehen, ja daß die Kometenkerne vielleicht gar nichts anderes sind als Meteorschwärme. Nimmt man nun an, daß solche Meteorschwärme gleich den einzelnen auf die Erde herabfallenden Meteorsteinen bei ihren Wanderungen durch den Weltraum erhebliche Mengen von Wasserstoff und seinen Verbindungen aufgesaugt hatten, so würde man sich ihre Schweifbildungen in der Sonnennähe leicht durch die Austreibung der flüchtigen Wasserstoffverbindungen in Folge der dort herrschenden Hitze erklären können. So erleuchtet die neue Sonnentheorie gleichzeitig mehrere kosmische Erscheinungen und gewinnt dadurch ihrerseits an Unterstützung und innerer Wahrscheinlichkeit.



Anmerkung (Wikisource)

  1. Die physische Beschaffenheit der Kometen von Volkmar Müller und Der gegenwärtig mit freiem Auge sichtbare Komet von Dr. Ladislaus Weinek.

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  1. Als Wärme-Einheit bezeichnet man bekanntlich diejenige Wärmemenge, die man einem Kilogramm Wasser zuführen muß, um seine Temperatur um einen Grad zu erhöhen.