Wie wir uns unsere Leser wünschen
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Wie wir uns unsere Leser wünschen.
I.
Im Salon.
„Mein Herr Gemahl, ich möchte schmollen!
Ich warte auf den Morgenkuß
Und finde Sie im ruhevollen
Genuß des neuen „Omnibus“?
Nicht Ihre Art, mein Herr Gemahl;
Ich bin umsonst beredt gewesen,
Wenn ich den meinen warm empfahl.“
„Ja, siehst Du, Anna, auf die meisten
Man schlägt sie über einen Leisten
Und das ― nun ja, das lockt mich nicht.
Hier bringt dem Volk man Langentbehrtes ―
Die Leute blicken hoch und weit;
Willkommnes Zeichen mir der Zeit.“
II.
Im Studirzimmer.
„Das ist fast komisch doch im Grunde!
Das Heft, das auf dem Pult ich fand,
Ich nahms in einer müßgen Stunde
Und stehend les‘ ich immer weiter,
Erfreut durch manches hübsche Wort;
Ich werde weich, ich werde heiter
Und ohne Ende zieht’s mich fort!
Ein treues für die Wahrheit Glühn!
Man will dem Volk das Beste geben
Und der Erfolg krönt das Bemühn.
Was wir im Hörsaal schüchtern sagen,
Hier wird‘s ins Volk hinausgetragen,
Beherzt und unverblümt und schlicht.“
III.
In der Schlafstelle.
„Das ist doch endlich ein Kalender!
Und nach des Tages Last und Qual
Des Abends nun zum dritten Mal.
Die Zeitung schreiben alte Weiber
Und was sie fabeln, das ist Quark;
Wie anders die Kalenderschreiber ―
Das ist, wie wenn die Vögel pfeifen
Im Frühling, wenn der Schnee zergeht;
Die wissen tüchtig zuzugreifen
Und schreiben so, daß man’s versteht.
Von mir mit Freuden einen Kuß ―
Schreibt nur, ihr Männer von der Feder,
Noch manchen solchen Omnibus!“
IV.
In der Bauernstube.
„Ja, Weib, das ist nicht zu bestreiten,
Wenn über die verderbten Zeiten
Den Stab er auf der Kanzel bricht.
Er spricht schon anders in der Schenke
Und ― ist denn auch nur er gescheut?
Da wohnen auch noch kluge Leut‘.
Man grübelt auch und stellt sich Fragen
Bei Regen und bei Sonnenschein,
Und vieles, was die Leute sagen,
Am Tag regieren Pflug und Besen ―
Man hat halt weiter keine Wahl,
Doch Abends muß Marie uns lesen
Das Alles hübsch zum zweiten Mal.“
R.L.