Züge aus dem Leben

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Autor: unbekannt
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Titel: Züge aus dem Leben
Untertitel:
aus: Wünschelruthe - Ein Zeitblatt. Zugabe Nro. 1, S. 209-219; Zugabe Nro 2, S. 216
Herausgeber: Heinrich Straube und Johann Peter von Hornthal
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1818
Verlag: Vandenhoeck und Ruprecht
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Erscheinungsort: Göttingen
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Quelle: Scans auf Commons
Kurzbeschreibung:
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Züge aus dem Leben.

In der Mitte des Teutoburger Waldes unter dem Gebirgsrücken, von welchem herab Herrmann einst auf den beginnenden Zug der Römischen Legionen anstürmte, wohnt unbewust dieses classischen Bodens, aber nicht unbewust der ihn umgebenden ernsten Natur ein Mann, der eben so sehr zu den Merkwürdigkeiten der Gegend gehört wie der sprudelnde Bollerborn. Erprobte Berufstreue macht ihn achtungswerth, und höchst interessant machen ihn seine unglaublich warme Phantasie und das unbeschreiblich lebendige Darstellungs-Vermögen alles dessen, was auf dieselbe Eindruck machte.

Als Förster hat er dem Vaterlande manche Eiche und Buche beschützt, manche Lerche gepflanzt.

Als Jäger ist er seit drey Viertel Jahrhundert ein Schrecken der Wälder.

Wüßte dieser Mann die Feder eben so zu brauchen wie sein Schießgewehr, so würde er ohne Zweifel in Gedichten die Sterne in der Ferne so gerne als jetzt die Hasen Füchse Dächse Lüchse alle tapfer mit der Büchse geschossen haben. Er hat sich über seinen Lieblingsgegenstand, das Waidwerk, eine eigene Sprache erfunden worin der Dichter unverkennbar ist.

Das Geläute der laut jagenden Jagdhunde nennt er z. B. die Harfen, auch wohl, wenn es hoch kömmt, usen Her Gott sine Harfen.

Seine Flinte heißt die Viole, entweder wie das Veilchen als Bild der Lieblichkeit, oder weil ihm der Pulverdampf wie Veilchenduft riecht. Der Fehlschuß, bey dem der Knall die Hauptsache bleibt, wird in der Erzählung durch ein sehr lautes Kla-ba-h-tsch, der Treffschuß hingegen mit einem leisen Pink ausgedrückt.

Bey Erwähnung sehr merkwürdiger Fehlschüsse wird auch oft rückwärts gegriffen und ein Rockschoos in die Höhe gehoben, so wie dem glücklichen Pink stets eine äußerst treffende mimische Darstellung der Art und Weise folgt wie das Wild von dem eben die Rede ist zu verenden pflegt: das Ende des gut geschossenen Hirsches z. B. wird erst durch einen Sprung (das Zeichen) dann durch eine stürzende Bewegung und endlich durch heftiges Ausschlagen mit den Füßen ausgedrückt.

Beim Verenden des Auerhahns werden die beiden Arme Flügeln gleich schnell erhoben und wieder gesenkt, dann der Kopf mit geschlossenen Augen langsam auf eine Schulter niedergebeugt. Mit dieser mimischen Darstellung des Verendens wird dann auch in der Regel jede Geschichte, die mit dem Treffschuß endigt, geschlossen und ohne weiteres Wort folgen oft auf das Pink nur solche Bewegungen.

So interessant diese Mimik in der Anschauung ist, so läßt sie sich doch nur dürftig in Buchstaben beschreiben, man kann sich nichts lebendigeres und naturnachahmenderes denken, als wenn er den, an eine Kette Hühner nachziehend anschleichenden, und dann feststehenden Hühnerhund darstellt! – Bei Gelegenheit einer Jagd am Teutoburger Walde wurde ***en, der Jagdbesitzer der Gegend, aufgefordert, ein paar Geschichtchen des alten Waidmannes für die Wünschelruthe zu liefern: hier sind solche möglichst treu nacherzählt, freilich bemerklich darthuend, daß dergleichen Erzählungen, wobei eigentlich mehr zu sehen, als zu hören ist, schon durch das Nacherzählen, vielmehr denn auf dem Papiere verlieren müssen.

Vor einigen Wintern brannte sein Haus von Grunde aus ab. ***en besuchte ihr einige Zeit darauf bei einer Durchreise im März. Natürlich ist der erste Unterredungs-Gegenstand mit dem unterdessen in ein anderes Haus gezogenen Förster und seiner Familie der statt gehabte Brand, und das darüber empfundene Leidwesen. Frau und Kinder lassen sich weitläuftig über das Unglück aus, der Alte selbst aber nimmt sehr wenig Antheil am Gespräche, empfindet sogar bei allen doch sehr gerechten Klagen und Schilderungen sichtbare Langeweile, endlich fällt er mit den Worten in die Rede: no wat soll dat, wan ’t Godes Wille is: tis der west! aber nu lat sä us von wat Klauken kühren: de Uerhahnen – o – [210] se stimmet all, dat geit klip und klap! - ***en freute sich über die günstige Aussicht zur Auerhahnenhatz[WS 1], mehr aber noch über den ungebeugten Frohsinn des Alten. Wenige Tage ist ***en auf seinem einige Stunden entfernten Gute angelangt, da schickt unser Waidmann seinen treuen Knappen, den alten Kasper mit einem Schreiben, worin ein selbigen Morgens verhörter und bestätigter Auerhahn angezeigt wurde, welcher so groß ist wie ein Schaaf. Der gleich herüber reitende ***en langt spät Abends an, wird mit der, von dem unter der weißen Schlafhaube aus dem endlich ausgeklopften Fenster schauenden Alten herzlich gemeinten Frage: wo het de Düvel Ihr Gnaden so lange hat? empfangen, und am folgenden Morgen zieht man zu Holze, voraus, weil es noch ganz finster, der mit der Laterne vorleuchtende schwarze Kasper, dann der führende Alte und endlich ***en mit seinem Jäger. Als des Auerhahns Schleiffen zuerst in weiter Ferne gehört wird, gebietet der Alte seinem Kasper die Laterne zu löschen und sich ruhig an einen Busch zu legen. Da goh liegen, Kerel un mucke nich! dat seg ick di, stilleken, stilleken, un wann di wat vorfallen söll, so most et stille afmaken. Der Hahn schnalzt und schleifft. Während die andern zurückbleiben, springt ***en an; wie pochte des Alten Herz! jeden Schritt und Sprung zählend, vermuthend, daß der Schütze den Baum nun gleich erreicht habe[WS 2], auf welchem der Hahn steht, ergreift er plötzlich in höchster Spannung des neben stehenden Jägers Arm mit den Worten: Jäger nu paß up! gliek werd se nu führen de gluhtige Schnute[1]! in dem Augenblicke fällt der Schuß, der Auerhahn stürzt mit vielem Geräusche durch die Aeste des Baumes, und der entzückte Alte ruft: jo hei liegt! Süstu (wurde nun der gefällte Vogel angesprochen) hef ick et di nich gistern morgen al vertellt, dat ick die enne verschrieven wull!

[216] Ick hev mal en Röen hat (erzehlt der Alte oft, wenn von guten Hühnerhunden die Rede ist) dat was nu en allerwelts Tewen – o et was ut der Wise mit dem Hund, de har mehr verstand, als en minsche, aber dat lat se seck mal vertellen; de Röe kenn ni lien, wenn ener verbi schot. Ick was mal en freujahr mit en na en Saltköter Holte, nu da wören Sneppen, o soviel Sneppen, as Grut. Nu her ick den Röen so en Glöcksken an en hals bunnen, wenn he denn so in den Büsken reveerd da kann man en hören, nu is dat Glocksken stille, dann steit hei, nu dann krüppt man der hinner. No, den morgen as ick in et Holt kam, glick stand mien Hund. Ick der hinner: kluster, fluster, pluster, da fleug de Lankschnabel up, ick de Viole an en Kopp, Klabatsch – ja ient ginck se hen. De Röe kicke sick ume, um sah mi so vermemsch an, ja ick ärgerde mi selvest, da segt ick to den Hund: no wat soll dat, dat kann en besten passeiren. Ick stoppete wier wat in mine Viole. Allo Avanseh Diane! bei wul ni recht, aberst hei sink doch wier an to seuken. Kling-ling, gunk dat Glöcksschen – bugs da stand hei – ich schlieke mi an, da kieke de Tewe sick orentlich üme, un wulle seggen: nu mak dine Sake got. Ick wischede mi dat Kiekfenster erst ut, hei sprunk in, nu – Klabatsch et was dör den Stert! da wure de Hund en so falsch dat hei mi ni mal ankieken wull, un kraup hinner mi. No ick rege ne an, Avansch! neh! hei ni hinner mi denen, avansch Diane! hei wul parforze nich. Röe sag ick, min leive Röe, ick bidde di um dusend Godes willen avansch! no hei deet doch enmal, et wärde ni lange, da stand hei all wier. No dacht ick nu mustu dinen Sake gut maken. Ick schot nu denken se mal, et was doch wier dören Stert. Mien leive Hund träk den Schwanz twischen de Beine und da gieng hei hin! No konn ick wuncken un stöten so viel ick wull, hei na Hus! No, Recht har de Lewe eigentlich.

Einst lag er an einer höchst gefährlichen Krankheit darnieder, der Arzt hatte ihm das Erdenleben bereits abgesprochen, der Geistliche den Gang zum bessern Leben vorbereitet. Der sonst in solchen Fällen sehr gefaßte Alte kämpfte mit einer ungeheuern Unruhe und gab durch einzelen Worte kund, daß etwas höchst wichtiges sein Gemüth bedrücke. Alle Fragen der Seinigen um das Geheimniß heraus zu bringen, waren vergebens. Endlich als die Unruhe immer zu, die Kräfte[WS 3] immer abnahmen, als der noch einmal ernstlich befragte Arzt alle Lebenshoffnung absprach, entschloß sich der Kranke, seinen Schwiegersohn, den Oberförster, aus das schnellste herbeirufen zu lassen. Dieser erschien gefaßt darauf, ein schwer lastendes Geheimniß zu erfahren. Nur unter vier Augen konnte es entdeckt werden. Nun nachdem auch der Schwiegersohn jede Wahrscheinlichkeit der Genesung abgesprochen hatte, seufzte der Kranke aus schwer gepreßter Brust:

Nu wenn et denn verbi is, wenn ick der denn an mot, so will ick et Sei seggen. Sei könnt nu daun, wat se wilt – an den Lülwes klacken (eine Stelle des Reviers) steit en paar Fist Hirsche – en paar Hirsche, so grot as Ossen! Den Dag vor ick hier liggen gieng häve ick se inespuhrt, un se stohet der auck noch!

Das Geheimniß war entdeckt, das bekümmerte Gemüth beruhigt, nun ward es der Jägernatur auch möglich, die Krankheit zu überwinden. Sehr bald, und noch ehe es gelang die beiden Feisthirsche zu fällen, war unser Alter hergestellt. Um ein Bild des braven Waldmann zu haben mag dieß genügen. Zum Schlusse nur noch ein Wort über seinen vor langen Jahren verstorbenen Schwiegervater, auch ein origineller Waidmann, zu seiner Zeit der erste Büchsenschütze des Landes, ein Schreckensmann bei jedem Scheibenschießen. Eines Sonntages erfuhr er, daß ein benachbarter Edelmann am nächsten Sonntage ein Freischießen halten wolle, und als Preiß des besten Schusses ein schönes Reitpferd wollte ausschießen lassen. Sogleich bestellt der alte Nagelschütze einen Zimmermann und verspricht sehr gute Zahlung, wenn der Meister bis Sonnabend Abend einen kleinen Stall für ein Pferd an das Haus anbauen und ganz fertig machen wolle. Der Stall wird vollendet. Sonntag früh ging er mit seiner Büchse versehen, und beladen mit Sattel und Zügel zum Freischießen, und am Abend sieht man ihn auch ganz munter auf dem schönen Braunen nach Hause reiten, welcher gleich in den neuen Stall einzog.

Das kann man doch seiner Sache gewiß sein, nennen: darum mußte des Mannes Tochter nach den Gesetzen der Wahlverwandschaft nothwendiger Weise unsern damals jungen schmucken Förster heirathen!

Anmerkungen

  1. Gleich wird er nun reden der glühende Mund, er meynte die Flinte.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Auerhahnenbatz
  2. Vorlage: abe
  3. Vorlage: Käfte