Zechlied (Bürger)

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Autor: Gottfried August Bürger
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Titel: Zechlied
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aus: Gedichte, S. 290–295
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Auflage:
Entstehungsdatum: 1777
Erscheinungsdatum: 1778
Verlag: Johann Christian Dieterich
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Erscheinungsort: Göttingen
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Quelle: Commons
Kurzbeschreibung:
Nachdichtung des bekannten Trinkliedes Meum est propositum in taberna mori
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Cantilena Potatoria.


     Mihi est propositum in taberna mori.
Vinum sit appolitum morientis ori:
Ut dicant, cum vencrint, angelorum chori:
Deus sit propitius huic potatori!


5
     Poculis accenditur animi lucerna,

Cor imbutum nectare volat ad superna,
Mihi sapit dulcius vinum in taberna,
Quam quod aqua miscuit praesulis pincerna.


     Suum cuique proprium dat natura munus

10
Ego numquam potui scribere jejunus:

Me jejunum vincere posset puer unus:
Situm et jejunium odi tanquam funus.

     Tales versus sacio, quale vinum bibo:
Neque possum scribere nisi sumto cibo:

15
Nihil valet penitus quod jejunus scribo:

Nasonem post calices carmine pracibo.

     Mihi nunquam spiritus prophetiae datur,
Non nisi cum fuerit venter bene satur.
Cum in arce cerebri Bacchus dominatur,

20
In me Phoebus irruit, ac miranda fatur.


gualterus de mapes.
Archidiaconus Oxon.
Saec. XI.
Zechlied.
Im September 1777.


     Ich wil einst, bei Ja und Nein!
Vor dem Zapfen sterben.
Alles, meinen Wein nur nicht,
Lass’ ich frohen Erben.

5
Nach der lezten Oelung sol

Hefen noch mich färben.
Dann zertrümre mein Pokal
In zehntausend Scherben!

     Jederman hat von Natur

10
Seine sondre Weise.

Mir gelinget jedes Werk
Nur nach Trank und Speise.
Speis’ und Trank erhalten mich
In dem rechten Gleise.

15
Wer gut schmiert, der fährt auch gut,

Auf der Lebensreise.

     Ich bin gar ein armer Wicht,
Bin die feigste Memme,
Halten Durst und Hungerqual

20
Mich in Angst und Klemme.

Schon ein Knäbchen schüttelt mich,
Was ich auch mich stemme.
Einem Riesen halt’ ich Stand,
Wann ich zech’ und schlemme.

25
     Aechter Wein ist ächtes Oel

Zur Verstandeslampe;
Giebt der Seele Kraft und Schwung
Bis zum Sternenkampe.
Wiz und Weisheit dunsten auf

30
Aus gefülter Wampe.

Bas glükt Harfenspiel und Sang,
Wann ich brav schlampampe.

     Nüchtern bin ich immerdar
Nur ein Harfenstümper.

35
Mir erlamen Hand und Grif,

Welken Haupt und Wimper.
Wann der Wein in Himmelsklang
Wandelt mein Geklimper,
Sind Homer und Ossian

40
Gegen mich nur Stümper.


     Nimmer hat durch meinen Mund
Hoher Geist gesungen,
Bis ich meinen lieben Bauch
Weidlich volgeschlungen.

45
Wann mein Kapitolium

Bacchus Kraft erschwungen,
Sing’ und red’ ich wundersam
Gar in fremden Zungen.

     Drum wil ich, bei Ja und Nein!

50
Vor dem Zapfen sterben.

Nach der lezten Oelung sol
Hefen noch mich färben.
Engelchöre weihen dann
Mich zum Nektarerben:

55
„Diesen Trinker gnade Gott!

Lass’ ihn nicht verderben!“