Zedler:Montferrat

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Grosses vollständiges Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Künste
korrigiert
<<<Vorheriger

Montferrant

Nächster>>>

Montferrater-Orden

Band: 21 (1739), Spalte: 1341–1344. (Scan)

[[| in Wikisource]]
in der Wikipedia
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Linkvorlage für WP  
Literatur
* {{Zedler Online|21|Montferrat|1341|1344}}
Weblinks
{{Wikisource|Zedler:Montferrat|Montferrat|Artikel in [[Johann Heinrich Zedler|Zedlers’]] [[Grosses vollständiges Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Künste|Universal-Lexicon]] (1739)}}


Montferrat, Monferat,oder Monferrat, Lat. Mons Ferratus oder Ducatus Montis Ferratensis, ein Hertzogthum in der Lombardey, in Italien, welches gegen Abend und Mitternacht gleichsam in Piemont eingeschlossen liegt und gegen Morgen an das Hertzogthum Meyland, und gegen Mittag an das Genuesische Gebiete stößt. Den Namen soll es haben von Mons und Ferax, weil fast das gantze Land aus lauter Bergen und Hügeln bestehet, welche insgesamt überaus fruchtbar an Getraide und Wein sind. Man rechnet es auf 24 Meilen in die Länge, und wo es am breitsten ist, 12 Meilen; wiewohl in der Mitten, da es auf der einen Seite an die Grafschafft Asti, und auf der andern an die Gegend von Alessandria gräntzet, die Breite sich kaum auf eine Deutsche viertel Meile erstrecken wird. Von Flüssen sind darinnen der Po und Tanaro, von Städten aber rechnet man, daß etliche 60 nebst etlichen 100 Schlössern und Dörffern sich darinnen befinden sollen. Unter den vornehmsten Orten sind Trino, Casal, Alba, Cortemiglia, Corzegno, St. Damiano, Aqvi, Incisa, Nizza della Paglia, und Spigno, welches den Titul eines Marggrafthums führet, und ein unmittelbares Reichs-Lehn ist.

Im übrigen ist das Land allenthalben lustig und fruchtbar, und stehen die Hügel, sonderlich um Casal und Alba herum, voll Wein und Getraide. Doch ist keines in solchem Überfluß, daß viel davon in auswärtige Lande könte verführet werden. Die Commercien floriren auch nicht sonderlich, ausser was mit Tüchern und seidenen Stoffen gethan wird. Die Einkünffte des Hertzogs sollen sich vormahls auf 200000 Thaler belauffen haben, anjetzo aber um ein ziemliches gestiegen seyn.

Vor Alters war Montferrat ein Stück von Ligurien, gerieth aber ungefähr drittehalb hundert Jahr vor Christi Geburt unter der Römer Bothmässigkeit. Diesen haben es 568 die Longobarden abgenommen, bis es 773 unter die Francken, und folglich auf die Kayser von dem Carolingischen Stamme gekommen, welche es bis das Jahr 900 behauptet. Allein nach dieser Zeit muste es gleich andern Italiänischen Landschafften verschiedenen Printzen, die sich unrechtmässiger Weise zu Kaysern aufgeworffen, Gehorsam leisten. Doch der Deutsche Kayser Otto I erlösete es aus der Sclaverey dieser ungerechten Besitzer, und erhöhete es 967 zu einem Marggrafthum. Hierauf belehnte er damit Alram, oder wie ihn andere nennen Aleran, welcher einer von des Sächsischen Fürsten Wittekind des Grossen Nachkommen soll gewesen seyn.

Die Nachfolger dieses Alrams waren folgende: Wilhelm I, Bonifacius I, Wilhelm II, Rombold, Bonifacius II, Wilhelm III, Reiner, [1342] Wilhelm IV, und Wilhelm V. Diesem folgte 1170 sein Bruder Bonifacius III, in der Regierung, welcher auch 12 Jahr hernach nach dem Tode seines jüngern Bruders Reiners das Königreich Thessalien, so derselbe durch seine Gemahlin, eine Tochter des Griechischen Kaysers Emanuels, bekommen hatte, an sich gebracht. In dessen Nachkommen blieb es bis auf Johannem I, den Gerechten beygenannt, welcher 1305 ohne Leibes-Erben gestorben. Weil nun kein näherer Erbe vorhanden war, als seiner Schwester Jolantä oder Violantä Sohn, Theodorus Comnenus Paläologus, den sie mit dem Griechischen Kayser Andronico II gezeuget hatte, so nahm dieser Besitz, und vertrieb daraus den Marggrafen von Saluzzo, welcher ihm das Recht zur Nachfolge streitig machen wolte. Dessen Nachkommenschafft behielte das Land bis auf 1533, da der letzte Marggraf Johann George, welcher vorher Bischoff zu Casal gewesen, gestorben, ehe er noch mit der Printzessin Julia, des ehemahligen Königs Friedrichs von Neapel Tochter, Beylager halten können. Nach dessen Tode entstunden wegen der Nachfolge grosse Weitläufftigkeiten. Der damahlige Hertzog Carl von Savoyen vermeynte das beste Recht dazu zu haben, und berief sich sonderlich auf einen Vertrag, welcher 1330 zwischen dem Marggrafen von Montferrat, Theodoro Comneno I, und dem Grafen von Savoyen, Aymone, aufgerichtet worden; als dieser sich mit des Comneni Tochter, der Printzessin Jolanta vermählet. Denn damals sollen gedachte beyde Personen sich ausdrücklich mit einander verglichen haben, daß wenn des Comneni männlicher Stamm ausgehen würde, auf die Nachkommen der Jolantä das Marggrafthum Montferrat fallen solte.

Allein dem Hertzog von Savoyen widersetzte sich der damahlige Hertzog von Mantua, Friedrich II, weil er des zuletzt verstorbenen Marggrafen Johann Georgens Brudern Tochter Margaretham zur Gemahlin hatte. Der Hertzog von Savoyen überliesse sie zwar zu des Kayser Carls V Verwaltung und Ausspruch, und hoffte wegen seiner Verdienste ein ihm gefälliges Urtheil zu erhalten. Allein gedachter Kayser erkannte dieses Marggrafthum 1536 dem Hertzoge von Mantua zu; dawider aber der Hertzog von Savoyen protestirte, und hierauf ein Rescript erhielt, daß ihm an seinem Rechte keine Verjährung schaden solte. Doch dieses konte nicht verhindern, daß nicht der Hertzog von Mantua bey dem zuerkannten Besitz geblieben wäre. Ihm folgte sein Sohn Franciscus, welcher sich durch die Vermählung mit des Kaysers Ferdinands I Tochter Catharina in dem Besitz völlig feste gesetzet.

Im Jahr 1573 erhub der Kayser Maximilian II das Marggrafthum Montferrat zu einem Hertzogthum, doch mit ausdrücklichem Vorbehalt derjenigen Rechte, welche Savoyen drauf hatte. Nach Wilhel. Tode kam sein Sohn Vincent I zur Regierung, welchem Franciscus III gefolget. Dieser nun hatte sich mit des Hertzogs von Savoyen Carl Emanuels Tochter Margareth. vermählet, starb aber 1612, keine männl. Erben, aber grosse Unruhen wegen der Nachfolge hinterlassend. [1343] Seine eintzige Tochter, Maria, wolte der Groß-Vater, erstgedachter Carl Emanuel, durchaus in dieses Hertzogthum eingesetzet wissen, indem die Billigkeit erforderte, daß, weil es durch Heyrath an das Mantuanische Hauß gekommen, es nunmehro auf die Tochter, nicht aber auf des verstorbenen Bruder Ferdinanden, fallen müste. Mehrgedachter Hertzog Carl Emanuel vergaß nicht sein eigen Recht auf dieses Land wieder hervor zu suchen. Allein er konte auch dieses mal zu seinem vermeinten Recht nicht gelangen, indem dieser Ferdinand mit Beystand der Republic Venedig Montferrat behauptete. Doch nachdem sowohl er, als sein Bruder Vincent II ohne Erben verstorben, wurde die Streitigkeit aufs neue rege.

Denn als der Hertzog Carl von Nevers, ein Enckel Friedrichs II, des ersten Marggrafen von Montferat Enckel, sowohl vor sich, als wegen seiner Gemahlin, der obgedachten Maria, einer Tochter Francisci III, die Regierung von dem Hertzogthum Montferrat 1627 antreten wolte, widersetzte sich ihm Savoyen, verband sich mit Spanien, und brachte es endlich durch einen 1630 zu Regenspurg geschlossenen Frieden dahin, daß die Städt Alba, Trino, und so viel Land als 18000 Ducaten Jahr-Renten austrägt, der Hertzog von Nevers abtreten muste, wiewohl nachmals durch Vermittelung des Cardinals Mazarins die Summe bis auf 15000 Scudi herab gehandelt worden.

In dem Friedens-Instrument, so 1648 zu Münster mit Franckreich aufgerichtet worden, hat diese Krone die Savoysche Passiv-Schuld an 490000 Gold-Gülden dem Hertzoge von Mantua zu bezahlen übernommen. In eben diesem Instrument ist enthalten, daß der Hertzog von Savoyen mit dem Theil von Montferrat und dessen zugehörigen Landschafften, Ständen, Unterthanen und allen Gerechtsamen, was ihm Krafft des zu Cherasco in Piemont 1631 geschlossenen Friedens und des darauf erfolgten executions-recessus zukäme, beliehen werden solte.

Es ward auch in der Wahl-Capitulation des Kaysers Leopolds und Josephs dem Hertzoge von Savoyen das gantze Montferrat versprochen; es bliebe aber die Sache ohne völlige Würcklichkeit, bis 1702 der letztere Hertzog von Mantua, bey damals vorgefallenem Successions-Kriege die Frantzösische Parthey ergriffe, worauf er in die Reichs-Acht kam, in welcher er auch 1708 ohne Erben starb, und mithin dieses Hertzogthum sich den gerechten Waffen des Kaysers, als seines Lehn-Herrn wiederum unterwerffen muste. Worauf dann erst in der Wahl-Capitulation Carl des VI, dem Hause Savoyen das gantze Hertzogthum Montferrat zuerkannt, auch die Reichs-Belehnung darüber ertheilet wurde, obgleich die Hertzoge von Guastalla, als Descendenten aus dem Hause Mantua, sich gar sehr darwider zu setzen suchten.

Das Haus Lothringen hat auch Rechts-Ansprüche auf Montferrat gemaht, welche im Jahr 1630, da es an das Haus Nevers kam, durch Schieds-Leute sollten abgethan werden. Siehe Speners Hist. Insig. L.I. Es geschahe aber solches nicht, weil jenes seine Anforderung fortsetzte. Diese Prätension ist aber 1723 in soweit abgethan, nachdem das Haus [1344] Lothringen das Fürstenthum Teschen in Schlesien dafür soll erhalten haben. Possevin. in Gonzag. & hist. Mont. Capriata & Virgilio Pagani della guerra die Mont. Sansovin. orig. delle famig. d'Ital. Guichenon hist. Sabaud. Schauplatz des Kriegs in Italien p.241. seq. Europäischer Herold p.769.seq. Zschackwitzens Rechts-Ansprüche der gecrönten Hoh. Häupt. in Eur. P.I, p.487 seq. P.II, p.615. u.f.f. Siehe auch Gonzaga.