Zum Inhalt springen

Zedler:Pest-Anstalten, Pest-Ordnung

aus Wikisource, der freien Quellensammlung


Grosses vollständiges Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Künste
korrigiert
<<<Vorheriger

Pestana (Joseph de Couto)

Nächster>>>

Pestaquavit

Band: 27 (1741), Spalte: 780–793. (Scan)

[[| in Wikisource]]
in der Wikipedia
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Linkvorlage für WP  
Literatur
* {{Zedler Online|27|Pest-Anstalten, Pest-Ordnung|780|793}}
Weblinks
{{Wikisource|Zedler:Pest-Anstalten, Pest-Ordnung|Pest-Anstalten, Pest-Ordnung|Artikel in [[Johann Heinrich Zedler|Zedlers’]] [[Grosses vollständiges Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Künste|Universal-Lexicon]] (1741)}}


Pest-Anstalten, Pest-Ordnung. Unter allen Seuchen und Kranckheiten ist die Pest in einem Staate die gefährlichste, massen die Erfahrung lehret, daß dadurch viele tausende in kurtzer Zeit hingerafft werden, und solcher gestalt ein Staat von Unterthanen gantz entblösset wird, auch keine Seuche leichter, als diese, anstecket; dahero hat man am allermeisten zu sorgen, daß die Pest aus einem Staate wegbleibe, und woferne sie einreissen will, diesem Ubel bey Zeiten vorzubeugen. Damit man nun verhüten kan, daß keine Pest entstehe; so hat man mit Fleiß die Ursachen zu untersuchen, woher sie kommet. Wiederum, daß man ihr desto besser begegnen kan, so hat man den Verlauff derselben fleißig zu beobachten. Und zu diesem Ende solte man die Historien von der Pest sorgfältig sammlen, und verständige Leute, absonderlich erfahrne und geübte Medici, welche an Orten sich befunden, wo die Pest gewesen, solten mit allen Umständen, was vorgegangen, auf das genauste beschreiben. Nemlich die Historien von der Pest geben den Grund zur Wissenschafft davon, beyde aber zusammen den Grund zu denen nöthigen Anstalten. Und siehet man nicht allein hieraus, sondern aus allerhand andern Materien, daß die Wahrheiten, die hieher gehören, viel andere Wissenschafften voraus setzen, wenn man sie gründlich abhandeln will. Damit man nicht selbst zur Pest und ansteckenden Kranckheiten Anlaß gebe, hat man in theuren [781] Zeiten zu vermitteln, daß arme Leute, die nicht so viel erwerben können, als das Brodt kostet, nicht genöthiget werden, aus Mangel ungewöhnliche Speisen zu essen. Wenn garstige, stinckende, neblichte, oder sonst feuchte Lufft zu Kranckheiten Anlaß geben will, hat man die Lufft in denen Gemächern durch räuchern zu reinigen, und überhaupt alle mahl dahin zu sehen, daß man reine und gesunde Lufft in den Zimmern hat, wozu die Bau-Kunst bey Einrichtung der Camine und Oefen Anlaß giebet. Wenn eine Seuche unter das Vieh kommet, muß man nicht allein Aufsicht haben, daß kein Fleisch von ungesundem Vieh auf den Marckt kommet; sondern auch selbst das umgefallene Vieh, mit Haut und Haare an einen freyen Ort tief vergraben werden, damit dadurch die Lufft nicht angesteckt werden kan. Mercket man, daß verdächtige Kranckheiten sich in einigen Orten hervor thun, so muß man weder Personen noch Sachen daher einlassen, indem bekannt, wie die Pest so wohl durch Personen als Sachen sich aus einem Orte in den andern bringen lässet. So bald die Pest in einem Orte einreissen will, hat man bald die Häuser, darinnen sich die Pest äussert, zuzunageln, alle Personen, die sich darinne befinden, ausserhalb der Stadt in freye Lufft zu bringen, und ihnen daselbst nöthige Verpflegung zu verschaffen. Auch müssen die todten Leichname in freyem Felde tief unter der Erden vergraben werden, damit nicht durch ihre Fäule die Lufft weiter angesteckt wird. Und weil gemeiniglich die Pest bey gemeinen Leuten überhand nimmet, die entweder sich nicht halten können, wie sie sollen, oder bey denen es in ihren Häusern und Wohnungen sehr unrein ist; so hat man dergleichen Leute theils in Lazarethe und Krancken-Hospitäler zu bringen, theils ihnen nöthige Verpflegung in ihren Häusern zu verschaffen, theils auch, so bald verdächtige Kranckheiten sich hervor thun, daß alle Häuser gesäubert, und von reiner Lufft durchstrichen werden. Dieses führen wir als Exempel an, wie man aus den Historien von der Pest nöthige Regeln zühen soll. Nunmehro wollen wir ausführlicher von denen Pest-Anstalten reden. Die erste Anstalt, welche in Pestzeiten zu machen, ist die theologische oder geistliche: Wenn sich nemlich in Städten und Dörfern die Pest vermercken läßt: so ist vor allen Dingen nöthig, daß man sich zu GOtt bekehre, vom bösen Wesen abtrete, seine Sünde erkenne und bekenne, wahre Busse thue, beichte, sich zum heiligen Abendmahl finde, und also in die Zorn-Ruthe Gottes falle. Denn also vermahnet Gott selbst, wenn er zu Salomon spricht: „Siehe, wenn ich lasse eine Pest unter mein Volck kommen, und sich mein Volck demüthiget, betet, mein Angesicht suchet, und sich von ihrem bösen Wesen bekehret: so will ich vom Himmel hören, ihnen ihre Sünde vergeben, und ihr Land heilen.“ Solcher gestalt wandte der König David und Hiskia die Pest ab, wie in der Bibel beym Esaia am 38 und 2 Buch der Könige am 20 Capitel, wie auch im 4 Buch Mosis am 16 zu lesen ist. Es sollen auch zur Pestzeit die Priester ihre Predigten allemal auf die Buße richten, und fleißige Betstunden in Kirchen und Schulen anstellen, welche auch ein jeder Hausvater in seinem [782] Hause mit dem Gesinde halten soll. Sitzet denn jemand in Schulden, in der andern oder dritten Ehe, und sonst in verwirrten Händeln, der bestelle bey Zeit sein Haus, mache sein Testament, wie es nach seinem Tode gehalten werden soll, damit, wenn GOtt anklopfet, er sich nicht mehr um das Zeitliche, sondern eintzig um seine Seele zu bekümmern habe. Die andere Anstalt ist die politische oder bürgerliche. Solche betrift nun die Obrigkeit, als deren Amt ist, befehlen, daß für das erste die Gassen, Strassen, Wasserläufte, Cloacke und Pfützen wohl gereiniget, die öffentlichen Zusammenkünfte in Trinckstuben, Bier- und Hochzeit-Häusern, wie auch gemeine Täntze und Wochenmärckte abgeschaffet werden. Es wäre auch wohl nöthig, daß damahln an den Oertern, da es sich leiden wolte, das Ausgüssen auf öffentlichen Strassen mit den Nachtscherben, ingleichen die Fischmärckle, Heringshöcken, Schwein- und Gänseställe, auch die Werckstätte der Lohgerber gäntzlich verbothen würden. Es kömmt aber dasjenige, was allhier von der Abschaffung der Schweinställe und Werckstätte der Lohgerber erinnert worden, mit dem nicht überein, was Cardiluz in seinem von der Pest herausgegebenen Tractate c. 3. p. 60 schreibet: indem er daselbst den, zumahl in heissen Sommertagen abscheulich stinckenden Schweinemist, mehr für nützlich als schädlich hält, und vorgiebt, das die Pest deswegen nicht in das bey Amsterdam gelegene Städtgen Vesop komme, weil man daselbst viele Schweine mäste. Ingleichen gedencket er auch in dem Anhange des vorgemeldten Büchelgens c. 5. p. 98. wie ihm in unterschiedenen Städten erzählet worden sey, daß bey ihnen in vorige Pestzeiten, die Pest in den Gassen, wo die Gerber gewohnet, und ihr Handwerck getrieben hätten, keinen Schaden gethan habe, und will gedachter Cardiluz die Ursach dessen dem heftigen die Luft um und um erfüllenden Geruche der Gerber-Werckstätte zu schreiben. Allein es ist solche Meynung allbereit von Wurfbeinen in einem Briefe widerleget, und bisher von den gelehrtesten Aertzten nicht angenommen worden. Ferner will zur Pestzeit der Obrigkeit gebühren, daß sie die Apothecken fleißig untersuchen und zusehen lasse, daß ein ziemlicher Vorrath von Mithridat, Theriack, Bezoarstein, und andern frischen und nicht alten verlegenen, oder verfälschten gifttreibenden Artzneyen angeschaffet sey: allermassen beobachtet worden, daß oft mitten in der Pest, da man solche Mittel am nöthigsten bedurft gehabt, davon nichts mehr vorhanden gewesen. Weil man aber die gedachten Artzneyen auch in giftigen ansteckenden Fiebern, rothen Ruhren, und vielen andern Kranckheiten gebrauchet: so thut eine Obrigkeit am besten, daß sie mit solcher Anstalt nicht bis zur Pestzeit, allda es allzulange gewartet seyn würde, wartet, sondern öfters die Apothecken durch ihre Stadrärtzte visitiren lässet. Denn dieses eine von den vornehmsten Ursachen mit ist, warum solche Obrigkeitliche Personen, die mehr auf eines Landes oder einer Stadt Wohlfahrt, als den Eigennutz sehen, gewisse Stadrärtzte in Besoldung nehmen. Weiter ist allhier nicht zu vergessen, daß es dienlich sey, wenn in den Apothecken [783] ein richtiger Tax von allen denen Stücken und Artzneyen, so man damals bedarf, gemacht, und solcher öffentlich an die Apothecken angeschlagen werde, massen in Verbleibung dessen etliche Apothecker die Patienten zu übersetzen pflegen. Jedoch soll der Apotheckertax also eingerichtet werden, daß die Apothecker dabey verbleiben können. Nicht weniger muß eine Obrigkeit den Apotheckern schriftliche Versicherung geben, daß man nach der Pest, entweder ihnen selber, oder ihren Erben, zu dem, was sie den Patienten verborgt gehabt, ohne Unkosten verhelfen, und dasjenige, was für die Haus- und andere Armen, ohne Zahlung abzefolget worden, aus der Kämmerey, oder andern gemeinen Gütern ohnstreitig bezahlen wolle, sonst kommen die Apothecker unverantwortlicher Weise um das Ihrige, und müssen derselben Erben das klägliche Nachsehen haben. So sollen auch die Leute und Bothen, welche von den angesteckten Oertern kommen, gantz nicht in die reinen Plätze gelassen, sondern, wo möglich, vorbey geführet werden. An etlichen Oertern, bevorab in grossen Städten, ist es auch gebräuchlich, daß man die angesteckten Häuser zuschlüsset, welches zwar nicht undienlich ist, allein es muß denen Verschlossenen mit aller Nothdurfft durch sonderbare mit etwas gezeichnete Personen an die Hand gegangen werden. Ob nun schon gedachtes Verschlüssen mehr fruchtet, als wenn die Leute anangesteckten Oertern, wie das Vieh durch einander lauffen, und vermittelst Ansteckung die Pest, sich mehr und mehr ausbreiten lässet: so ist es doch noch besser, wenn man, zumahl im Anfange der Pest, die angesteckten Personen, so viel es sich nur thun lässet, gar in gewisse von gemeinen Gütern auferbaute Lazarethe oder Kranckenhäuser bringet, massen Herliz, weyland Stadtartzt zu Stargard in Pommern, in seinem Pesttractate c. 5. p. 29 gedencket: daß in der Stadt Veldkirchen bey der daselbst im Jahr 1519 gewesenen Pest, so wohl hierdurch, als andere gute Anstalt der Obrigkeit, und der Aertzte, nicht dreyssig Menschen an der Seuche gestorben wären, da doch alle die umliegenden Städte, welche dergleichen Ordnung nicht gehalten, ihre Todten mit tausenden hätten zahlen müssen. Ferner soll man sich bey solchen Sterbensläuften mit weissem Zeuge versehen, und dabey legen Raute, Salbey, und Melisse, massen man bey Krancken und Sterbenden dessen allzeit nöthig hat. Es soll auch ein jeder Hauswirth seinem Gesinde mit Ernste verbieten, daß sie auf den Gassen nicht mit jedermann plaudern, als wodurch oft einem die Seuche in das Haus gebracht werden kan. Ebenmäßig ist es auch ein böser Gebrauch, daß an etlichen Orten der Sarg, worinnen der Todte lieget, stets offen bleibet, oder bey dem Grabe wieder aufgemacht wird. Denn man vielmehr dahin sehen soll, daß, sobald der Todte in den Sarg gebracht worden, derselbe zugemachet und vernagelt werde. Jedoch soll man auch vorhero, ehe der Sarg zugenagelt wird, wohl zusehen, ob diejenigen, so man darein geleget hat, recht todt sind. Denn es hat sich in Pestzeiten nicht selten zugetragen, daß Leute für todt gehalten und begraben worden, die doch nachgehends sich wieder erholet und eine Zeit [784] darauf noch gelebet haben. Weiter sollen auch Hauswirthe in der Pest ihre Weiber, Kinder und Gesinde dahin anhalten, daß sie, wenn Leichen vorüber getragen werden, nicht in den Fenstern liegen, noch in den Thüren stehen. Denn sie können auf solche Weise die Pest leichtlich bekommen, wie die Erfahrung gelehret hat. Solches rühret nun daher, daß gedachtes Zuschauen zu einer in der Pest höchst schädlichen Furcht grossen Anlaß giebet. Dieserwegen thut eine rechtschaffene Obrigkeit besser, wenn sie in der Pest des Nachts zu der Zeit, da die meisten Leute schon zu Bette gegangen sind, die Todten, und zwar tiefer, als es sonst geschiehet, begraben läßt. Solte aber die Anzahl der Verstorbenen so groß seyn, daß man zu ihrer Beerdigung gewisse Leichenwägen haben müßte: so soll man derselben Räder nicht mit Eisen, sondern mit einem starcken Filtz beschlagen oder dieselben nur bloß lassen, widrigenfalls, zumahl wenn die Todtengräber nicht sachte damit fahren, wecket das Rasseln dieser Wagen, die zu dieser furchtsamen Zeit, ohne dem wenig schlaffende Einwohner eines angesteckten Ortes auf, und verursachet ihnen manchen gefährlichen Schrecken. Endlich soll ein Hauswirth in Pestzeiten alles Rauchwerck, wornach sich die Seuche gemeiniglich zühet, ingleichen Hunde und Katzen abschaffen, welche, weil sie von einem Hause in das andere laufen, einem leichte die Plage zubringen. Die dritte Anstalt ist die medicinische oder natürliche, welche denn in ordentlichen Artzneymitteln und in gewisser Diät bestehet. Es wird aber die Diät von den Aertzten in sechs Theile getheilet; wir wollen erstlich von derselben handeln, und als denn zu den Artzneymitteln schreiten. Und dahero fangen wir von der Luft, als dem ersten Stücke der Diät an. Die Luft demnach, die wir gar nicht entbehren können, wenn sie rein und gesund, so ist es gut. Woferne aber dieselbe verdorben wird: so muß sie gebührend verbessert werden. Solches geschiehet nun, wenn man die Gemächer, welche mehrentheils nach dem Morgen, oder gegen Mitternacht liegen sollen, des Tages über drey mahl wohl durchräuchert. Es kan aber der gemeine Mann zum Räuchern gebrauchen, Citronenschalen, Agtstein, Wacholderberen, Rosmarin, Eichenlaub, Lavendel, Spicknard und andere Kräuter, die doch in Pestzeiten nicht eher, biß daß erstlich die Sonne davon den Thau abgetrocknet, und darüber eine oder zwey Stunden geschienen hat, gesammlet werden müssen. Gleicher gestalt können in der Pest gemeine Leute ihre Häuser, oder nur die Stuben und Kammern, worinnen sie wohnen, mit der, unten am Birckenbaume befindlichen Rinde, oder mit Wachholder- Tannen- und Fichtenbaumsträuchern, wie auch mit Tannenhartz, oder mit Schüßpulver, welches vorhero mit Eßig angefeuchtet, und wieder trocken gemacht worden, ausräuchern. Sonst pflegen auch einige unvermögende Leute in Pestzeiten mit geraspeltem Steinbockshorne, oder mit Pferdehuf und andern stinckenden Dingen zu räuchern. Allein es kan nicht ein jeder solchen Gestanck vertragen; und also muß ein jeder dasjenige zum Räuchern gebrauchen, dessen Geruch ihm nicht sehr zuwider [785] ist. Vorgedachten Räucherwerckes nun kan man sich im Winter, auch wohl im Sommer, wenn Regen oder kaltes Wetter einfällt, bedienen. In heissen Sommertagen aber soll man das Räuchern unterlassen; hingegen aber einen gemeinen oder mit Raute, Wochholderbeeren, und andern dem pestilentzialischen Giffte widerstehenden Dingen angemachten sauren Wein- oder Biereßig auf glüende oder heisse Steine güssen, und durch den hiervon aufsteigenden Dampf, die Gemächer ausdämpffen. Wenn man aber räuchert: so sollen diejenigen Personen, welche mit Flüssen beladen sind, so lange entweichen, bis sich erstlich der stärckste Rauch geleget hat. Nichts minder müssen sich in währendem Räuchern diejenigen ein wenig auf die Seite machen, welche engbrüstig sind, und öffters von dem Schwindel und Kopfwehe angefochten werden. Doch ist hierbey auch zu mercken, daß man das Rauchern nicht, wie gemeiniglich geschiehet, mißbrauche, und einen allzu grossen Dampf mache. Denn dasselbe kan niemand vertragen, und es wäre alsdenn kein Wunder, wenn davon die gesundesten Leute erstickten. Man hat beobachtet, daß zu solcher Zeit vornehme Leute kleine reine Vögelgen in den Stuben gehalten, durch welcher herum flügen die Lufft ziemlich gereiniget worden. Und wenn solch stille gesessen: so ist daraus abzunehmen gewesen, daß daselbst die Lufft nicht reine sey. Ferner können sich vornehme Leute zu Verbesserung der Lufft sonderbare Räucherpulver, Pesteßige, Rüchpüschel und Knöpffgen machen lassen. Man pfleget auch zu Pestzeiten keine Spinnen zu vertreiben, weil sie, wie man sagt, den Gifft aus der angesteckten Lufft an sich zühen sollen, gestalt denn auch solche damals etwas grösser als zu gesunden Zeiten sind. Jedoch halten auch einige dafür, daß die Spinnen nicht durch den Pestgifft, sondern von denen in Pestzeiten des Sommers überhäuffig vorhandenen Flügen und Mücken, als welche ihre angenehmste Speise unter andern mit sind, grösser als sonst würden, und also wenige oder gar keine Hülffe in der Pest verschaffeten. Dem sey nun wie ihm wolle, so kan man zwar wohl die Spinnen an den Oertern, da sie keinen Schaden thun, dulten; in denen Zimmern oder Gemächern aber, wo man speiset, soll man sie nicht leiden, widrigenfalls kan es leicht geschehen, daß dieselben in das Essen oder Trincken mit gröster Lebensgefahr der Genüssenden fallen. Die Bauren und gemeinen Leute pflegen auch in Pestzeiten die angesteckte oder verdorbene Lufft in ihren Wohnstuben also zu verbessern, das sie dieselben alle vier Wochen einmal mit Kalckweiß machen, hernach sich derselben einen Tag enthalten, und alsdenn solche wohl ausräuchern. Gedachtes Stubenweissen nun kan zwar im Sommer zur Reinigung der Lufft wohl geschehen: im Winter aber, da man die Wohnstuben nicht entbehren kan, stehet solches des schädlichen Gestancks halber, welchen der zum Weissen genommene Lederkalck von sich giebt, niemanden zu rathen. Es halten auch zur Pestzeit etliche in ihren Häusern einen oder mehr unverschnittene Ziegenböcke, und lassen dieselben in alle Zimmer gehen, von welchem Geruche die Pest weichen soll. Hierbey [786] ist aber dieses kürtzlich zu erinnern, daß zwar der sehr starcke mit vielem flüchtigen Saltze angefüllte Geruch der stinckenden Böcke in einigen Pesten zur Verbesserung der verdorbenen Lufft wohl etwas helffen kan: allein es stehet hinwieder zu besorgen, daß die langen zottigten Haare der Böcke das anklebende Wesen des Pestgifftes leicht auffassen möchten. Uber dieses haben auch die Stinckböcke in der, im Jahre 1679 zu Wien gewesenen Pest, wie Pater Abraham von Sancta Clara in seinem so titulirten Mercks Wien p. 68. meldet, manchem nicht zum geringsten Vortheil gedienet, noch denselben beym Leben erhalten, und dadurch ihr Lob, wo nicht gäntzlich, doch ziemlicher massen verlohren, welches gleichfalls in dem nachfolgenden Jahre 1680 zu Leipzig in der Pest, als D. Rivinus in seiner Lateinischen Diss. de Peste. c. 4 p. 69. mit dem D. W. in seinem Tractat, Leipziger Pestschade und Gottes Gnade genannt, Thes. 24. berichtet, geschehen ist, und verursachet hat, das zu Nordhausen im Jahr 1682 die vorhero sehr theuer verkaufften Stinckeböcke von verständigen Leuten nicht gar groß mehr geachtet worden sind. Endlich müssen die Wohnstuben, wie zur andern, also auch zur Pestzeit ordentlich geheitzet werden. Wir kommen von der Lufft zum Essen und Trincken, wobey die Speisen zu erwählen, welche am besten zu verdauen sind. Vor allen Dingen aber sollen die Mahlzeiten nicht von mancherley Speisen oder Trachten seyn, weil durch viele Gerichte und mancherley Speisen die Verdauung verhindert wird. An die gesunden Speisen nun kan man in der Pest thun, Granatäpffel, Limonien, Zitronen, Pomerantzen, Johannisbeere, unreiffe Weintrauben, Petersilienwurtzeln, Safran, kleine und grosse Rosinen, Zimmet, Kümmel, Sauerampfer, Majoran und Salbey; ingleichen Rosen- Hindbeer- Kirschen- Nelcken und Weineßig, es ist auch vergönnet Butter daran zu thun, weil sie dem Giffte gewaltig widerstehet. Jedoch sollen gemeldte und andere saure Dinge, ob sie sonst schon in der Pest dienlich sind, nicht allzu offte an die Speisen gethan und von denen, welche einen starcken Husten oder den Sod haben, gar nicht genossen werden. Sonsten wollen auch einige, daß man die Speisen in der Pest mehr als zu einer andern Zeit saltzen müsse. Hingegen soll zur Pestzeit nicht viel Ingber und Pfeffer, oder andere starcke Gewürtze an die Speise gethan werden. Gleicher gestalt soll man auch zu solcher Zeit, zumal, wenn man öffters mit Hauptschmertzen und Brennen des Urins geplaget wird, nicht viel Meerrettich, Senf, Lauch, Zwiebeln, und andere scharffe Dinge an die Speisen thun. Ferner soll man in der Pest alle ungesunde Kost meiden; doch muß sich auch hier der Koch offtmals nach des Hausmanns Beutel richten. Uber dieses sind auch solche Speisen den gesunden, wenn sie sich von Jugend auf dazu gewöhnet haben, unschädlich. Mit kräncklichen Personen aber hat es eine andere Beschaffenheit, und dieselben wissen aus der Erfahrung schon, was für Speisen ihnen schaden, und welche ihnen wohl bekommen. Der Wein ist bey diesen Sterbenszeiten mehrentheils verboten; iedoch, welche denselben zu trincken gewohnet [787] sind, mögen solchen vorhero mit Zitronen- Johannis- oder Berbersbeersaffte vermischen. Es muß aber dasjenige, was allhier von dem Weintrincken gesaget wird, von der Pestcur verstanden werden, dieweil sonst ein guter und gelinder Wein, wie unten gelehret werden soll, zu Verhütung dieser Seuche ein gutes Mittel ist. Hitziger und starcker Wein ist in der Pest höchst schädlich und fast gantz nicht zu gebrauchen. Denn man hat in solchen Sterbensläufften angemercket, daß mehrentheils alle Branntwein-Brüder, Vollsäuffer und Trunckenbolde mit der Haut haben bezahlen müssen. Dieserwegen thut derjenige am besten, welcher in der Pest das Sprüchwort, so Minder offt im Munde geführet haben soll, in Acht nimmt, nemlich: Niemals nüchtern, niemals voll, thut in Sterbensläufften wohl. Sonsten gehöret unter die starcken hitzigen Weine, insonderheit der Ungarische, Welsche, und Spanische Wein, wie auch der Sect und Frantzwein, als welche Weine in der Pest entweder gar nicht, oder doch so behutsam als die Pestaquavite müssen gebrauchet werden. Endlich sollen die sehr hitzigen Pestaquavite nicht ohne Rath eines gelehrten Artztes gebraucht werden. Solte aber in Pestzeiten jemand keinen Artzt dieserwegen um Rath fragen können: so dienet demselben kürtzlich zur Nachricht, daß solche Pestaquavite nur von alten und kalten Personen, oder denen, welche einen schwachen Magen haben, auch mehr zur Winterszeit, als im Sommer, wenn es heisse Tage giebt, getruncken werden müssen. Ob zwar ein Mensch allen Fleiß im Essen und Trincken anwendet: so verbleibt doch alle mal bey ihm etwas, so hernach durch den Stulgang, Harn, Schweiß, ausgeführet werden muß. Wenn nun der Leib verstopffet ist: so muß derselbe mit dienlichen Mitteln geöffnet werden. Desgleichen, wer schröpffen und Aderlassen gewohnet ist, der versäume dasselbe nicht, ohne wichtige Ursachen; doch hat man sich wohl vorzusehen, daß der Barbier und Bader keine solche Flieten und Laßeisen nehme, welche bey andern von der Pest angesteckten Personen gebrauchet worden sind. Dieserwegen ist es in der Pest rathsam, daß diejenigen, welche sich gar zu sehr an das Aderlassen und Schröpffen gewöhnet haben, eigene Flieten, Lanzetten, oder Laßeisen und Schröpfköpffe halten. Wer nun mit der goldenen Ader beladen ist, der muß sich zu Pestzeiten vorsehen, daß solche nicht verstopffet werde, welches auch die Jungfern und Weiber bey dem monatlichen Flusse in Acht zu nehmen haben. Auch ist es nicht rathsam, daß man zu solcher Zeit offene Schäden, Fisteln, und Fontanelle zuheilen lässet; sondern es müssen dieselben vielmehr befördert werden. Die Ursache dessen ist, weil die offenen Schäden, Fisteln und Fontanelle vor die Pest ein gutes Bewahrungsmittel sind, weswegen auch einige zu dem Ende die Fontanelle nicht genugsam zu loben wissen. Sie müssen aber zur Pestzeit schon allbereit im Gange seyn, und nicht erstlich, wenn die Noth vorhanden, gesetzet werden, sonst wird man davon wenig Hülffe empfinden. Wie nöthig die Bewegung des Leibes zur Erhaltung der Gesundheit sey, ist bekannt, und also nicht nöthig hier weitläufftig zu erweisen. [788] Denn gleichwie die Lufft, Speise und Tranck den Leib erhalten: also muß auch durch die Ubung die Dauung des Magens befördert, und das Unreine ausgetrieben werden. Dieserwegen müssen zur Pestzeit die Handwercksleute ihre Arbeit mit Fleiß abwarten. Hingegen sollen diejenigen, welche Gott durch seinen Segen von grosser Arbeit befreyet hat, mit Spatziergehen, Reiten, Fahren und andern zugelassenen Ubungen sich bewegen, und wird zu selbiger Zeit das Jagen insonderheit sehr gerühmet. Solche Ubungen aber solten vor und nach dem Essen, wenn die Dauung schon geschehen ist, vorgenommen werden. Endlich soll in der Pest der Beyschlaf und das Baden sehr mäßig gebraucht werden. Denn dasselbe erhitzet sonst den Leib allzu sehr, die Schweißlöcher werden zu sehr eröffnet und die Geister zertheilet. Schlaffen und Wachen sind, wie Hippocrates bezeuget, alle beyde schädlich, wenn darinnen das Ziel überschritten wird. Sonderlich aber soll der Mittagsschlaf, und derjenige, welcher auf das Essen geschiehet, vermieden werden, es wäre denn, daß jemand die vergangene Nacht unruhig geschlaffen hätte, alsdenn kan derselbe wohl des Tages über auf einem Stule, wenn ihn der Schlaf überraschelt, eine Stunde schlaffen; iedoch ist dieses dabey zu erinnern, daß bey sehr alten Leuten der Mittagsschlaf niemals böse befunden worden. Glückselig wäre der Mensch, wenn er sich die Gemüths Bewegungen nicht übermannen liesse. Dahero auch derjenige, welcher sich hierinne mäßigen kan, für weise gehalten wird. Denn es ist einem jeden bekannt, daß Zorn, Furcht, Schrecken, Angst und Schwermuth zu Pest und andern grossen gefährlichen Kranckheiten Ursach geben, und dieserwegen sagt Syrach nicht unbillig: Von Trauren kömmt der Tod, und des Hertzens Traurigkeit schwächet die Kräffte. Allein diesem ungeachtet geschiehet es so wohl zur Pest- als andern Zeiten, daß sich Menschen von ihren Gemüthsbewegungen übermeistern lassen, und stecket in Wahrheit was besonders dahinter, daß in den Sterbensläufften, auch die behertztesten Leute, aus gerechtem Gerichte Gottes mit unaussprechlicher Kleinmüthigkeit befallen werden. Darum bey solchen Zeiten der gnädige Gott um ein fröliches, freymüthiges Hertz anzuruffen, und dessen hertzlicher Zusage zu trauen ist, weil er spricht: Ob tausend fallen zu deiner Seiten und zehen tausend zu deiner Rechten: so wird es dich doch nicht treffen etc. Solches ist denn bey diesem Zustande das allerbeste Mittel, dieweil der barmhertzige Gott, als ein Helffer aller Helffer, einig und allein vermag, unserer Seele die grosse Krafft zu geben, daß wir nicht vor dem erschrecklichen Ubel der Pest, furchtsam gemachet und noch viel weniger dahin geraffet werden. Will jemand von diesem herrlichen geistlichen Bewahrungsmittel, ein mehrers, als hier gesagt worden, wissen, der kan absonderlich in der geistlichen Pestapothecke des Agricola, ingleichen in des Selneccers Berichte, wie man sich in Sterbensnöthen trösten und halten soll, und in andern von dieser Materie geschriebenen geistlichen Büchern gnugsamen Unterricht finden. Nun könnte allhier [789] eine grosse Anzahl der Präservirartzneyen angeführet werden; allein, weil unter einem besondern Artickel: Pestpräservativ, davon gehandelt: als wollen wir vorjetzo nur eines und das andere berühren. Die meisten Aertzte sagen, daß das Flühen das beste Bewahrungsmittet sey; dahero die Alten diese Versgen hinterlassen haben: Drey Ding die Pest vertreiben schnell, zeuch bald, lauff fern, komm späte zu der Stell. Dieserwegen kan ein jeder, wenn er nicht Amtes oder anderer Ursachen halber zu bleiben verbunden ist, sich dieses Mittels wohl mit gutem Gewissen bedienen. Es wollen zwar etliche dasselbige widerstreiten, und sagen, daß das Flühen in der Pest nichts helffe, weil diese Seuche, wenn sie einmahl in eine Freundschafft geriethe, auch in derselben fortführe, ob gleich die Freunde gegenwärtig oder abwesend wären, und findet man davon insonderheit bey dem Diemerbröck in seinem Tractate von der Pest Libr. I. c. 4. §. 6. p. 11. u. ff. unterschiedene Exempel aufgezeichnet. Derjenige aber, welcher Amts oder anderer Ursachen halber nicht flühen kan, und Gelegenheit dazu hat, mag aus einem Zimmer, so angestecket worden, in das andere, dritte, vierte reine Zimmer weichen. Dieserwegen muß man denjenigen glücklich schätzen, welcher zu dieser Zeit zwey oder mehr und zwar in unterschiedenen Strassen gelegene Häuser besitzet. Denn derselbe kan im Nothfalle aus einem Hause in das andere und so weiter zühen, wie denn auch die Gartenhäuser, wenn sie nicht zu klein und dumpfigt sind, in Sterbensläufften gute Dienste thun, indem ein Hausvater mit den Seinigen entweder sich selber darein begeben, oder doch dahin sein kranckes Gesinde, zumal wenn man in den Lazarethen wenig Platz für Patienten mehr übrig findet, bringen lassen kan. Und dieses ist wohl die meiste Ursache, warum die Alten auf ihre in gesunder frischer Feldlufft erbauete Gartenhäuser und Vorwercke so viel gehalten haben. Ferner ist es nöthig, daß derjenige, welcher nicht flühen kan, eine rechte Diät halte, und alle Tage, oder einen Tag über den andern etwas zur Präservation wider die Pest einnehme. Könnte dahero Montags eine Messerspitze des Mithridats nüchtern einer Haselnuß groß genommen werden; Dienstags könnten Citronenschalen oder zwantzig Wacholderbeeren, so zuvor in Eßig geweichet, und wieder getrocknet worden sind, genossen werden. Es müssen aber diejenigen, welche öffters Hauptweh bekommen, die Wacholderbeeren meiden, weil sie ihnen schaden. Mittwochs früh können Stückgen Zitwer- und Angelickenwurtzel, oder fünff bis sechs, der in der Apothecken vorhandenen Liberantsküchelgen gebrauchet werden. Es sind ihrer zweyerley Art, süsse und bittere; die letztern dienen den schwangern Weibern nicht. Donnerstags kan etwas von der Nußlattwerge oder eine Butterbämme, worauf gepülverte Cardobenedicten oder Scordien, oder klein zerschnittene frische Raute gestreuet worden, genossen werden. Sonnabends können zwölff Tropffen von einem Theriackwasser, oder etliche Tropffen von dem Schweffelbalsam und Elixir Proprietatis, entweder auf Brodt oder in warm Bier getröpffelt und eingenommen werden. Endlich kan man des [790] Sonntags ein, zwey oder drey Messerspitzen voll gestossene Lorbern, oder vier bis fünff Tropffen Agtsteinöl mit warmen Biere, oder zwey Messerspitzen voll Scordienlattwerge einnehmen. Man darff aber die vorgemeldten Präservirartzneyen nicht eben nach der gesetzten Ordnung gebrauchen, sondern es ist genug, wenn man damit umwechselt und mag solches wohl über etliche Tage geschehen. Jedoch wird hiervon eine mit vorgemeldten Mitteln bestreuete Butterbamme und ein Trunck Wein billig ausgenommen, als welche Mittel mit gutem Nutzen täglich zur Präservation genossen werden können. Sonst ist hierbey noch zu erinnern, daß einige in Pestzeiten, Theriack, Mithridat, Scordienlattwerge und andere Giffttreibende Artzneyen gar zu viel einnehmen, und solche also zu ihrem größten Schaden zu mißbrauchen pflegen, massen Sorbait über die Antwort der vier und zwantzigsten Frage seines von der zu Wien im Jahre 1679 gewesenen Pest heraus gegebenen Gespräches gedencket, wie er darinnen wahrgenommen habe, daß alle diejenigen, welche solches gethan, ihre Natur so sehr daran gewöhnet hätten, daß solche Mittel ihnen, wenn sie nach der Zeit mit der Pest befallen worden, auch, wenn sie schon vier mal so viel, als sonst gebräuchlich, eingenommen, im geringsten nicht helffen wollen. Will man nun in Pestzeiten ausgehen, welches aber nicht eher, als bis die Sonne die Lufft gereiniget hat, geschehen soll, oder man will zu den Patienten gehen; so nehme man ein Stückgen Ängelickenwurtzel, oder Citronenschalen und Zitwerwurtzel in den Mund. Weiter kann man rothe Myrrhen oder weissen Zimmt in dem Munde, so offte man ausgehet oder Patienten besuchet, halten. Will es denn die Gelegenheit zulassen: so kan man diese Mittel käuen und den dadurch verursachten Speichel auswerffen, garstig aber siehet es, wenn das Käuen in Gegenwart der Leute geschiehet, und man sich dadurch wie ein wiederkäuendes Thier geberdet. Ferner kan derjenige, welcher in Pestzeiten ausgehen, oder Patienten besuchen will, Baumwolle mit gemeinem guten Eßig, oder, welches noch besser, mit Rauten- Scordien- oder Bezoareßig, oder mit destiltirten Rauten- Citronen- Wacholderbeer- und Angelickwurtzelöle anfeuchten, solche hernach in ein Pestköpffgen thun, und alsdenn daran rüchen. Gleicher gestalt soll man in der Pest nicht nüchtern ausgehen, sondern zum wenigsten, ehe solches geschiehet, ein in guten Bier- oder welches noch besser, in Weineßig geweichtes Stücke Brode genüssen, weil mit dem letztern geringen Mittel alleine sich der berühmte Sylvius nächst Gottes Hülffe in Sterbensläufften gesund erhalten hat, wie er solches in seinem Appendice Praxeos Medicae Tractat. 2. §. 489. p. 652. bezeuget. Diejenigen aber, welchen der Eßig nicht wohl bekömmet, können dafür eine fette Butterbamme essen, und dieselbe vorhero entweder mit gemeldten Dingen, auch wohl nach Belieben mit grüner klein zerschnittener Wermuth, wenn dieselbe anders der Jahrszeit nach frisch zu haben, und derselben bitterer Geschmack nicht dem Genüssenden zuwider ist, oder mit einem aus gleich viel Saltz und Schweffel gemachten Pulver bestreyen, hierauf [791] soll der, so es zu bezahlen vermag, einen Trunck guten gelinden Rhein- oder Franckenwein trincken, als welche Weine einige, wenn sie nicht alleine nüchtern, sondern auch zu Mittage und des Abends unter der Mahlzeit mäßig getruncken werden, für das beste Präservativ in der Pest halten, und trincken. Man hat aber eben nicht nöthig, vorhero nach dem Rathe des Helmonts und anderer Aertzte, die seiner Lehre beypflichten, solche Weine mit dem Dampffe des angezüundeten Schweffels starck zu schweffeln. Uber dieses sind auch die sehr geschweffelten Weine denen, welche den Husten und Kopffweh haben, schädlich. Kan man nun in Pestzeiten von dem gedachten Rhein- oder Franckenweine verfertigten Alant- oder Wermuthwein bekommen: so ist derselbe zum Bewahren desto kräfftiger. Jedoch stehet dieses dabey zu erinnern, daß den Wermuthwein nicht alle Leute vertragen können. Man lässet sich auch wohl zur Verwahrung in Pestzeiten köstliche Präservirbalsame machen, und schmieret damit das Hertze, die Pulse und die Nase. Kan aber jemand, aus Mangel des Geldes solche Balsame sich nicht anschaffen; so mag er dafür nur frische Butter nehmen, und damit vor dem Ausgehen so wohl die Ohren und Nasenlöcher, als auch die Leffzen bestreichen. Man kan auch in den Apothecken allerhand Anhängsel, die man zur Bewahrung auf das Hertze hänget, bekommen: vor den gemeinen Mann mag folgendes gnug seyn. Machet in eine ziemliche grosse Haselnuß ein Löchelgen, thut den Kern heraus, füllet die Nuß mit Quecksilber, und verstopffet das Löchelgen mit Spanischem Wachse, hernach hänget die Nuß in die Hertzgrube, über das Hemde, und traget es Tag und Nacht darauf. Denn es bezeuget die Erfahrung, daß an den Orten, wo man das Quecksilberertzt gräbt, sehr selten, und fast niemalen sich die Pest einfindet. Es ist auch zur Präservation nicht undienlich, daß derjenige, welcher es vermag, am Halse, Hertzen und Händen Corallen, Perlen und Agtstein, an den Fingern aber Smaragden, Hyacinth und Sapphir träget. Nichts minder wollen sich einige damit vor der Pest bewahren, wenn sie mit einem guten Sapphir oder einem durchsichtigen Agtsteine täglich die sieben am Halse, Händen, Füssen und in der Gegend des Hertzens befindlichen und von ihnen sogenannte vornehmste Pulse öffters reiben. Ob nun schon diese vorgemeldte und andere angehängte Mittel das Lob, welches ihnen von unterschiedenen gegeben wird, nicht aile verdienen: so sind doch viele darunter, welche durch ihre Ausdünstungen guten Nutzen schaffen. Zu dem thut die starcke Einbildung, die sich der Tragende macht, wie man mit vielen Exempeln darthun könnte, ein grosses zur Hülffe, und kan sich deswegen eine furchtsame Person solcher äusserlichen Mittel in Pestzeiten wohl bedienen. Viele haben in der Pestzeit ihren eigenen Urin zur Präservation täglich des Morgens nüchtern getruncken. Derjenige aber, welcher vor diesem, zwar des flüchtigen Urinsaltzes wegen, guten, aber doch eckeln Mittel einen Abscheu hat, kan frische Citronen scheiblicht zerschneiden und davon ein oder das andere Stücke [792] des Morgens nüchtern entweder bloß oder mit drey Fäsgen guten Saffran, essen. Sonst wird das Tabackrauchen von unterschiedenen, als ein kräfftiges Präservativ in Pestzeiten gerühmet, und es ist nicht ohne, daß des Tobackschmauchens rechtmäßiger Gebrauch, welchen der Unwissende von einem gelehrten Artzte erfahren kan, denen, so dasselbe vertragen können, alles höhnischen Einwendens ohnerachtet, in der Pest guten Nutzen verschafft. Endlich verwahret es auch denjenigen, welcher Patienten besuchen muß, vor der Pest, wenn derselbe in dem Zimmer, wo der Krancke sich befindet, nicht den im Munde gesammleten Speichel hinunter schlucket, sondern denselben, so viel als es Ehren und Wohlstandes halber geschehen kan, ausspitzet. Denn der berühmte Dobrzenski hat in einem besondern Tractätgen erwiesen, wie gedachtes Ausspitzen des Speichels in der Pest ein natürliches Präservirmittel sey. Endlich ist nothwendig zu erinnern, daß, wenn jemand mit dieser Seuche überfallen wird, derselbe sich nicht lange mit Purgiren aufhalten, sondern alsobald zu den Schweißmitteln seine Zuflucht nehmen muß. Jedoch, wo er sich, ohne grosse Mühe, erbrechen kan, so ist es gut. Es muß aber das Erbrechen behutsam, und wenn es von nöthen ist, bald im Anfange mit einem sichern Erbrechmittel angestellet werden, sonst gehen die Kräffte davon, ehe es zum Schwitzen kommet, und wird alsdenn der Krancke in grosse Lebensgefahr gestürtzet. Solte nun dem Patienten der Leib ein oder mehr Tage verstopffet seyn; so muß derselbe mit einem gelinden Clystire oder Stuhlzäpffgen geöffnet werden. Hingegen ist das Purgiren in der Pest zum Präserviren höchstnöthig, und man kan zu dem Ende von den so genannten und in den Apothecken vorhandenen Pillen des Ruffus, oder de Tribus, die Woche ein oder zweymal ein Quentgen oder vier Scrupel einnehmen, und an solchen Tagen, da man sie gebrauchet, diejenigen Präservirmittel, welcher eben gedacht worden ist, aussetzen, Diejenigen aber, deren Leiber nicht allzu unreine sind, haben nicht nöthig, daß sie alle Wochen einmal, diese nunmehro etliche hundert Jahre her bis anjetzo in stetem Ruhm und Gebrauch gewesene Pillen einnehmen; sondern es ist gnug, wenn solches alle vierzehn Tage, ja auch, nach Beschaffenheit der Umstände, langsamer geschieht. Es werden auch die Hauptpillen wider die Pest zur Präservation höchlich gerühmet, wenn man davon eine oder zwey Scrupel alle mal über den vierten Tag, des Abends, eine Stunde vor dem Essen, einnimmt. Denn sie halten nicht allein des Leib offen; sondern reinigen auch das Geblüte. Jedoch sollen diese Pillen die hagern Leute, wie auch diejenigen, welche sehr hartleibig, oder zu Zeiten mit der göldenen Ader beladen sind, nicht leichtlich gebrauchen. Gleicher gestalt müssen diese Pillen zur Sommerszeit in grosser Hitze selten, und von schwangern Weibern entweder gar nicht, oder doch sehr behutsam eingenommen werden. Es mögen aber die hagern und andere vorgedachte Leute an statt der gemeldten Hauptpilien nehmen, ein halbes Quentgen, oder zwey Scrupel des Weinstein Cremor oder so viel des Vitriolweinsteines, [793] und solches mit vier bis acht Gran, des Diagrydium schärffen, oder sie mögen sich ein Purgiertränckgen von Sennetsblättern und Rhabarber machen lassen. Es ist aber viel rathsamer, daß sie sich eines gelehrten Artztes bedienen. Denn es ist nicht möglich, Purgantzen nach jedem Alter und jeder bösen Feuchtigkeit hieher zu setzen. Das Aderlassen betreffend, weil solches bey den Aertzten streitig ist, und man erfahren hat, daß diejenigen Patienten, welche sich in der Pest dazu von unverständigen Barbierern haben bereden lassen, mehrentheils gestorben sind, dasselbe auch bald im Anfange der Pest, als in den ersten vier oder fünf Stunden geschehen muß: so ist es besser, daß man es unterlässet. Ob, nun schon gemeldeter massen das Aderlassen zur Pestcur mehr schädlich als nützlich ist: so wird doch dasselbe in der Pest nicht gäntzlich verworffen, und gedencket Waldschmid in seinem Scrutinio Pestis Thes. 37. Oper. p. 133. daß es in der Pest wohl einen Fall geben könne, worinnen das Aderlassen nicht allein zugelassen, sondern auch nöthig wäre. Und solcher Meynung pflichten auch andere mehr bey, und berichten, daß sie in der Pest durch das Aderlassen bey etlichen jungen vollblütigen Leuten, die sonst gemeiniglich tödtlichen Blutflüsse verhindert hätten. Jedoch erinnern sie daneben, daß dieses eine solche Sache sey, die nicht nach der Einbildung eines verwegenen Barbierers oder Baders, sondern auf Gutbefinden eines vorsichtigen gelehrten Artztes müsse behutsam vorgenommen werden. Doch muß man allhier einen jeden jungen Artzt, dem ein gutes Gerüchte lieb ist, treulich warnen, daß er an den Orten, wo man der Aertzte ihr Thun und Lassen ohne Verstand und Scheu durchzuhecheln pfleget, die Aderlasse in der Pest nicht leichtlich rathe oder gut heisse. Denn wo dasselbe geschiehet, und einer oder der andere von den Patienten, welchen die Ader geöffnet worden, als es sich in einer solchen höchst gefährlichen Kranckheit auch ohne das Aderlassen leicht zutragen kan, stirbet, so, daß man alsdenn den Artzt mit falschen Beschuldigungen gnugsam kräncken und quälen werde, es sey denn, daß derselbe sich auf seine, gerechte Sache verlasse, und dergleichen Schmähreden mit einer großmüthigen Geduld und Verachtung, welches doch nicht allen gegeben, ertragen und verlachen könne. Zur Präservation können in der Pest diejenigen, welche volles Geblütes, auch des Aderlassens und Schröpffens gewohnet sind, bevor, wenn die Natur selbst dazu Anregung thut, beydes mit Bewilligung eines gelehrten Artztes wohl gebrauchen.