Zedler:Verjährung von undencklichen Zeiten her, oder über der Menschen Gedencken, und undenckliche Verjährung

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Grosses vollständiges Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Künste
unkorrigiert
<<<Vorheriger

Verjährung uncörperlicher Dinge

Nächster>>>

Verjährung eines ungültigen und nichtigen Urtheile

Band: 47 (1746), Spalte: 918–920. (Scan)

[[| in Wikisource]]
in der Wikipedia
Dieser Text wurde noch nicht Korrektur gelesen. Allgemeine Hinweise dazu findest du bei den Erklärungen über Bearbeitungsstände.
Linkvorlage für WP  
Literatur
* {{Zedler Online|47|Verjährung von undencklichen Zeiten her, oder über der Menschen Gedencken, und undenckliche Verjährung|918|920}}
Weblinks
{{Wikisource|Zedler:Verjährung von undencklichen Zeiten her, oder über der Menschen Gedencken, und undenckliche Verjährung|Verjährung von undencklichen Zeiten her, oder über der Menschen Gedencken, und undenckliche Verjährung|Artikel in [[Johann Heinrich Zedler|Zedlers’]] [[Grosses vollständiges Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Künste|Universal-Lexicon]] (1746)}}


Verjährung von undencklichen Zeiten her, oder über der Menschen Gedencken, und undenckliche Verjährung, Lat. Praescriptio immemorialis, oder Praescriptio temporis, cujus non extat memoria, ist, nach der gemeinsten Meynung derer Rechtsgelehrten nichts anders, als eine Ausflucht einer undencklichen Zeit, während welcher jemand, oder dessen Vorfahr, eine Sache ruhig und ungestöret besessen hat. Diese Exception der undencklichen Verjährung gründet sich auf den würcklichen oder gleich als Besitz der streitigen Sache. Und derjenige, der sich solcher bedienet, hat nicht nöthig, seinen Titel, wie er zu solcher gekommen, bonam fidem u. s. w. zu erweisen; sondern er sagt nur, von diesem allen wisse er nichts, diese Sache wäre von undencklichen Jahren sein und seiner Vorfahren wahres Eigenthum gewesen. Und diese Ausflucht ist in l. 1. §. 23. 2. pr. & §. 3. 5. & 7. 1. fin. de aqu, & aqu. pluv. arc. l. 1. C. de servit. & aqu. und l. 7. eod. gegründet. Denn diese Verjährung fließet aus der Beschaffenheit der menschlichen Sachen, und aus der Vermuthung dem Besitzer stehe das Eigenthum davon zu, weil das Eigenthum von dem Besitze seinen Ursprung genommen. Ja wegen dieser Vermuthung wird öffters der Besitz und das Eigenthum als gleichgültige Wörter gebraucht. Gleichwie nun derjenige, welcher die Vermuthung vor sich hat, die Sache gehöre ihm eigenthümlich zu, nicht nötig hat, einen weitläufftigen Beweis darüber zu führen.; also kan auch derjenige nicht zum Beweiß angestrenget werden, der sich mit einer undencklichen Verjährung schützet. Die Deutschen Rechte sehen gleichfalls auf den Besitz einer Sache. Wer sich also in solchem befindet, wird mit dem Beweise seines Tituls verschonet. Worinnen sie denen natürlichen Gesetzen nachgehen, welche die undenckliche Verjährung deswegen billigen, weil es die Beschaffenheit der menschlichen Sachen nicht anders verstattet. Hierbey ist auch nicht unbillig derjenigen zu gedencken, welche die Verjährung von 30 und 40 Jahren gleichsam als ein Mittelding zwischen der Verjährung und der Verjährung von einer undencklichen Zeit betrachten, deren Meynung aber nicht allein in den Römischen Rechten nicht gegründet, sondern vielmehr solchen gäntzlich zu wider ist. Denn nach 30 oder 40 Jahren konnte zu Rom keine Klage angestellet werden. Die ordentliche Verjährung geschahe in zehn oder zwantzig Jahren. Was in solchen nicht erloschen war, wurde nach dreyßig Jahren getilget: Und welche Sachen auch in dieser Frist wegen eines besondern Privilegii nicht verjähret waren, wurden nach viertzig Jahren völlig aufgehoben; so daß nach dieser Zeit alle und jede gerichtliche Klagen aufhöreten, und niemand wegen einer vor Verfluß dieser Zeit vorgenommenen Handlung in Anspruch genommen werden konnte. Jedoch ist besonders nach den neuern Rechten und der heutigen Gewohnheit die undenckliche Verjährung nöthig bey Verjährung der Sachen, so durch ein Testament zu veräussern verboten worden. l. 3. §. 3. C. commun. de legat. der Dotal-Güter. l. 30. C. de jure dotum, der Sachen, so einer Stadt oder consecrirten Oertern und milden Stifftungen im Testamente verlassen, oder als eine Schenckung oder verkauffte Sache concedirt worden. l. 23. C. de SS Eccles. desgleichen bey Verjährung der Freyheit von öffentlichen Lasten, als da sind Steuer, Schoß, Zoll c. 36. X. de praescript. Der obern und niedern Regalien, so von dem Ober-Herrn concedirt worden. Struv Exec. 42. th. 42. Diesen werden beygefügt, so viel die Verjährung betrifft, die Servitutes discontinuae als gehen, treiben, fahren durch eines andern Acker. Balbus, Cäpolla, Gometz, Besold P. IV. Cons. 166. n. 9. Klock Tom. IV. Cons. 49. n. 4. Brunnem. in l. 14. ff. de Servitut. & l. 28. ff. de S. U. P. n. 8. Aber Zanger, nebst dem Wesenbec, suchet das Gegentheil zu erweisen P. III. c. 8. n. 64. wie auch Carpzov P. II. c. 4. def. 8. n. 4. Deren Meynung, nach denen Rechten, auch wahrhaffter ist. Esbach in Not. ibid. n. 3. Dann ob schon bey der undencklichen Verjährung allemahl bona fides präsumirt wird, so wird doch, wann hingegen mala fides erwiesen werden kan, auch die undenckliche Verjährung nichtig; daher dienet zur Cautel, daß der, so dieselbe allegirt, den anfänglichen Titul auslaße, damit nicht die mala fides besorgt oder vermuthet werde, wenn der Titul nicht rechtmäßig ist. Brunnemann in l. un. C. de usucap. transform. Besagte undenckliche Verjährung ist demnach statt eines Tituls, specialen Privilegii und Verordnung l. 3. ff. §.4. de aqua quotid, und c super quibusdam. §. praeterea X. de V. S. Klock Tom. IV. Cons. 1. n. 151. 173. 179. und 201. und wird dadurch ohnzweiffelhafft das völlige Eigenthum und alles Recht gegen den vorigen Herrn erlangt. Klock Tom. III. Cons. 154. n. 55. Es läst auch solche keinen Beweiß des Gegentheils zu; Mynsinger C. 1. Obs. 30. weil die Verjährung für die Wahrheit genommen wird. Klock, d. Cons. 1. n. 184. Daher sagt man, daß, wenn schon die Verjährung verboten ist, doch die undenckliche nicht für verboten geachtet werde. Klock ibid. n. 201. Faber in C. L. VII. tit. 13. def. 5. per tot. Wie denn dieselbe auch niemahls durch ein Gesetze oder Statut ausgeschlossen zu seyn scheinet. Carpzov Lib. I. R. 38. n. 9. u. ff. Solcher Gestalt hat nun die Verjährung von undencklichen Jahren her allemahl statt, so offt keine andere zugelassen wird; so gar, daß alle Rechte, die sonst nur durch Art eines Privilegii concedirt werden können, auch durch diese Verjährung erlanget werden können. C. 26. X. de V. S. Wernher in Sel. Obs. For. P. I. Obs. 165. n. 1. Daran aber, wenn von denen zu verjährenden Rechten des Fürsten gehandelt wird. Stryck in Annot. ad Lauterbach tit. de usucap. verb. non possunt zweifelt. Sonst aber wird durch die Verjährung vom undencklichen Jahren her alles acquiriret, was sonst unverjährlich ist. Surdus Consil. 127. n. 16. Cacher Consil. 34. n. 44. Aus der Ursache, weil eine undenckliche Zeit, wie schon gedacht, die Krafft einer gerechten Ursache, eines Tituls, der Wahrheit eines Gesetzes, Privilegii, und des völligsten Rechts hat. l. fin. de aqu. pluv. l. hoc. jure ff, de aqu. quotid. Mynsinger Cent. 5. Obs. 29. und 30. Köppen Dec. 57. n. 11. Wer sich also auf die Verjährung von undencklichen Jahren her gründet, der ist nicht gehalten, die Solennitäten zu beweisen, die bey der Veräusserung einer Sache sonst nöthig sind. Wernher in Sel. Obs. For. P. IX. Obs. 240. Denn bey so gar alten Handlungen wird alles rechtmäßig geschehen zu seyn vermuthet, auch so gar in Veräusserung der Kirchen- und Bischöfflichen Tafel-Güter. Mascard de Probat. Concl. 108. Horn Cl. 1. R. 10. p. 106. Übrigens besiehe hiervon auch den Haupt Artickel: Verjährung.