Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen/Matthias, deutscher Kaiser

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Textdaten
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Autor: Ludwig Bechstein
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Titel: Matthias, deutscher Kaiser
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aus: Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen, S. 249–250
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1854
Verlag: Georg Wigand's Verlag
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Google und Commons
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Matthias, deutscher Kaiser.
Geb. d. 24. Febr. 1557, gest. d. 20. März 1619.


Dieser Kaiser brachte, da er leider nicht zum Glück, nicht zu Großthaten, nicht zum Heldenruhme geboren und berufen war, seine Zeit mit Unruhe hin, und sah in seinem ereignißreichen Leben oft die Hand des Schicksals ihm feindlich entgegendrohen.

Matthias war der Sohn Kaiser Maximilian II. und Maria’s, der Tochter Karl V. Er wurde zu Wien geboren und hatte in seiner Jugend weder Hoffnung noch Aussicht auf die deutsche Kaiserkrone, da er noch zwei ältere Brüder, Rudolf und Ernst, hatte; doch auch dem Bruder Rudolf leuchtete, nachdem er 1576 Kaiser geworden, kein sonderlicher Glücksstern, wozu dessen Unduldsamkeit in Sachen des Glaubens, durch welche die Saat zu dem verderblichen dreißigjährigen Kriege gestreut wurde, wesentlich beitrug. In Matthias lebte aber gleichwohl die Neigung zu herrschen, zu gebieten, und er richtete seinen Blick auf die damals in sich zerfallenen Niederlande, und wußte es so zu lenken, daß die Stände ihn zum Statthalter derselben beriefen. Schleunig brach Matthias, ohne den Bruder nur um dessen Einwilligung zu fragen, nach den Niederlanden auf, wodurch er Rudolfs heftigen Unwillen erregte, und nahm jene Statthalterschaft an, die ihm indessen einestheils durch eine Menge bindender Artikel, deren Aufrechthaltung er beschwören mußte, theils durch Zugesellung des Prinzen von Oranien gleichsam die Hände band, so daß er mehr ein Schatten war, als ein Regent. Er war nur gewählt worden, um ein kräftiges Gegengewicht gegen Don Juan d’Austria zu bilden, und man ließ ihm einestheils zu wenig Macht, frei zu handeln, anderntheils mangelte ihm selbst die nöthige Thatkraft, und so löste sich nach mancher Unannehmlichkeit das Band durch ehrenvollen Abschied aus der Statthalterschaft, unter Zusicherung und Gewährschaft eines erheblichen Jahrgehaltes, im Jahre 1580.

Kaum war Matthias nach Deutschland zurückgekehrt, so ließ ihn Kaiser Rudolf die ganze Schwere seines Zornes fühlen und sich nur auf flehentliches Bitten seiner Mutter bewegen, den Erbstatthalter[WS 1] im Reiche zu dulden und ihm die Stadt Linz zum Aufenthalt anzuweisen, wo Matthias sich gleichsam als ein [Ξ] Gefangener gehalten sah. Vergebens bat er, ihm die Herrschaft Steier zu überlassen; endlich gelang es ihm, die Verwaltung von Ober- und Unter-Oesterreich anvertraut zu bekommen, und 1594 erlangte er auch den Oberbefehl über das Heer in Ungarn gegen die Türken. Ohne seine Waffen vom Glück und ruhmreichen Siegen gekrönt zu sehen, benutzte Matthias die Unzufriedenheit der Ungarn gegen seinen Bruder, den Kaiser, sich erst die Statthalterschaft über Ungarn zu sichern, dann die Krone Ungarns sich selbst auf das eigene Haupt zu setzen, welches mit Zustimmung seiner Brüder 1608 geschah, und als er Ungarn hatte, nahm er auch die österreichischen Erblande, dann nahm er Böhmen und überließ dem schwachen, mißtrauischen, furchtsamen und Grillen fangenden Bruder nur den Schatten eine Herrschers, der seine Tage in argwöhnischer Abgeschlossenheit verbrachte und nur Freude an astrologisch-astronomischen Forschungen und alchymistisch-chemischen Versuchen fand, bis Rudolf 1612 mit Tode abging.

Matthias wurde zum deutschen Kaiser an seines Bruders Statt erwählt, und hätte nun, da er das Ziel, nach dem er mit Beharrlichkeit gestrebt, erreicht sah, die Fehler seines Bruders vermeiden sollen; aber leider verstand er so wenig wie Rudolf, was dem Reiche vor allem Noth that, Eintracht und Friede zu fördern und Duldung in Glaubenssachen zu üben. Schon vor Matthias Erhebung auf den Kaiserthron war diesem im Erzherzog Leopold von Oesterreich ein kräftiger Gegner erwachsen, der ihn in Böhmen bekriegte. Durch halbe Maaßregeln erbitterte der Kaiser die protestantische Union wie die katholische Liga gleich sehr; die Verbürgung der Religionsfreiheit stand nur auf dem Papier; Matthias versuchte Union und Liga zugleich aufzulösen, und der Gedanke wäre, wenn er ihn auszuführen vermocht hätte, vielleicht so übel nicht gewesen; allein um in Parteikämpfen als Sieger über jeder Partei zu stehen und sich zugleich als solcher für die Dauer zu behaupten, dazu bedarf es einer gewaltigen Kraft. An dieser Kraft, zu welcher viel Muth und wenig Gewissen gehört, gebrach es dem Kaiser Matthias. Um sich zu kräftigen, that er den größten Mißgriff, den er thun konnte, er adoptirte den Erzherzog Ferdinand, seinen Vetter, 1616, sicherte diesem die Erbfolge und ließ ihn sogar in die böhmische und ungarische Thronfolge im Voraus bestätigen, unter der vorsorglichen Bedingung jedoch, daß Ferdinand sich bei Lebzeiten des Kaisers aller Einmischung in Regierungsangelegenheiten enthalte. Ferdinand sollte eben auch wieder ein Schatten sein; mißliebig war derselbe ohnehin im vollen Maaße den Ständen des Reiches wie dem Volke.

In diese kläglichen Wirren trat der verhängniß- und unheilvolle 23. Mai 1618. Die durch Eigenmächtigkeiten der katholischen Partei auf das tiefste verletzten und empörten böhmischen Stände protestantischen Glaubens ließen sich zu der unseligen handgreiflichen Darlegung ihres Rechts hinreißen, die kaiserlichen Räche und Statthalter Slawata und Martinitz, die stets gegen die böhmischen Protestanten gewirkt hatten, nebst dem Secretär Fabricius aus den Fenstern des Gerichtssaales des Hradschin herab auf einen Staub- und Genisthaufen springen zu lassen. Das war das traurige Signal zu einem Kriege, der dreißig Jahre lang das deutsche Vaterland zerfleischte, verdarb, entvölkerte und verarmen ließ.

Einen treuen und anhänglichen Rathgeber hatte der Kaiser noch am Cardinal Clesel, allein dieser wurde von der ihm feindlich gesinnten Partei hinweggedrängt, und Matthias stand einsam, krank, eine gebrochene Kraft, die selten eine rechte Kraft gewesen war, mitten in Aufständen, Kriegen, Parteikämpfen, und an der Pforte einer furchtbar drohenden Zukunft. Da kam ihm, dem hart von Feinden wie von Freunden bedrängten, der beste Erlöser und Befreier, der Tod. Ein Schlagfluß traf ihn und führte sein Ende herbei, das zu Wien erfolgte. Sein adoptirter Vetter bestieg nach ihm als Kaiser Ferdinand II. den deutschen Kaiserthron.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Erstatthalter