Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen/Moritz, Herzog und Kurfürst zu Sachsen
Dieser in der deutschen Geschichte, wie in der Geschichte
der Reformation bedeutende Fürst wurde zu Freiberg
geboren; er war der Sohn Herzog Heinrich des Frommen
und der Prinzessin Katharina von Mecklenburg. Die
Erziehung des Prinzen war eine bildende, standesgemäße,
doch mehr höfische als gelehrte, theils bei
seinem Oheim, dem Herzog Georg, theils bei seinem
Pathen, dem prachtliebenden Cardinal und Kurfürsten
Albrecht von Brandenburg, von dessen Hofe zu Mainz
er sich später zu seinem Vetter, dem Kurfürsten Johann
Friedrich den Großmüthigen, nach Torgau begab, unter
dessen liebevoller Leitung er seine Bildung vollendete.
An des Kurfürsten Hofe lernte Moritz die Männer der
Reformation kennen, in deren Mitte er bald genug
stehen sollte, und Luther, vom Kurfürsten befragt, was
er von dem jungen Prinzen halte, hob warnend den
Finger und sprach: »Hütet euch, einen jungen Löwen
zu erziehen!« Die Spaltung, die um der Glaubenslehren
Willen im Fürstenhause Sachsen stattfand, konnte
des Prinzen Gemüth nur unangenehm berühren, indeß
entschädigte ihn die Freundschaft, die er zu dem Hessenfürsten
Landgraf Philipp den Großmüthigen trug, mit
der dieser den jungen Sachsenprinzen selbst beehrte,
und welche so weit gedieh, daß Moritz, im 20. Jahre
stehend, und gegen seiner Aeltern Willen, sich mit der
Tochter des Landgrafen, Agnes, verlobte und am
9. Jan. 1541 vermählte, wodurch ein nicht geringe
Zerwürfniß zwischen den beiden sonst eng befreundeten
und verschwägerten Höfen entstand; Philipp von Hessen
hatte ja selbst die Tochter Herzog Georg des Bärtigen
zur Gemahlin. Indessen kam bald Versöhnung und
Ausgleichung zu Stande. Noch in demselben Jahre
starb Herzog Heinrich und Moritz wurde mit 20 Jahren
Regent der sächsisch-albertinischen Lande. Als solcher
suchte er, nachdem er das Erbe nach Verträgen und
Rechten mit seinem jüngeren Bruder August getheilt,
für das Wohl seines Landes heilbringend zu wirken,
und machte durch segensreiche Stiftungen seinen Namen
in Sachsen unvergeßlich. Kraftvoll und eifrig für die
Begründung der neuen Lehre wirkend, suchte Herzog
Moritz derselben durch Errichtung tüchtiger Schulen
festen Halt und Boden zu gewinnen, und so wurde er
[Ξ] der Stifter der Fürstenschulen zu Pforta, zu Meißen
und zu Merseburg, auch hob er durch reiche Begabungen
die Universität zu Leipzig. Dem Schmalkaldischen
Bunde beizutreten, hielt Moritz noch zur Zeit,
so sehr er mit Eifer an der evangelischen Lehre hing,
nicht für angemessen, und eine Urkunde, welche auf
seinen Zutritt deutet, blieb unvollzogen. Es trat aber
gleichwohl durch Moritzens Anschließen an Philipp von
Hessen zwischen letzterem und dem Kurfürsten Johann
Friedrich zu Sachsen eine der Bundessache keineswegs
förderliche Spannung ein, die noch durch die kurze
Wurzener Fehde vermehrt wurde. Philipp von Hessen
legte letztere friedlich und gütlich bei, und dann leistete
Herzog Moritz dem Könige Ferdinand in dem Kriege
gegen die Türken persönlichen Zuzug, indem er sich
mit einem stattlichen Heere unter die Fahnen des Kurfürsten
Joachim von Brandenburg stellte, der als Oberfeldherr
das Reichsheer befehligte. Gegen Ende des
Monats Juni 1542 traf er im Feldlager bei Wien
ein und bestand auf dem weiter ostwärts sich fortsetzenden
Feldzuge manche drohende Gefahr, namentlich
vor Pesth, wo er mit seinem Diener Reibisch von den
Seinen getrennt, von einem ausgefallenen Türkenhaufen
umzingelt, nur durch Reibisch’s Opfertod und die eigene
Tapferkeit gerettet wurde. Der Feldzug endete rühmlos,
und Moritz kehrte im Oktober 1542 wieder nach
Sachsen zurück. Jetzt brach der neue Krieg Franz I.
gegen Carl V. aus, und Moritz, der auf die Gunst
des Kaisers ein hohes Gewicht zu legen begann und
schon jetzt aus der Zwietracht unter den Fürsten des
Schmalkaldischen Bundes Folgerungen für die Zukunft
machte, ließ sich gern herbei, am Kriege gegen Frankreich
Theil zu nehmen, um so mehr, als ihm vom
Kaiserhofe aus geschmeichelt wurde und man es verstand,
sein Herz mit Hoffnungen künftiger Größe zu nähren.
Moritz war bei der fruchtlosen Belagerung von Landrecy,
führte im Jahre 1544 dem Kaiser 1200 Pferde
zu, Reiter und Geschütze, und nahm Vitry ein, zeichnete
sich auch vor St. Dizier aus. Nach der Rückkehr
aus Frankreich führte Moritz ein Heer gegen den
Herzog Heinrich von Braunschweig und half diesen
mehr durch einsichtsvollen Rath als durch Waffengewalt
zur Unterwerfung bringen. Im Jahre 1546
reiste Moritz zum Reichstag nach Regensburg, um sich
dem Kaiser persönlich vorzustellen und seine Ansprüche
auf die Stifter Magdeburg und Halberstadt zu betreiben.
Letzteres gelang zu seiner völligen Befriedigung,
aber es erfolgte ungleich wichtigeres; Moritz
wurde von dem Kaiser völlig gewonnen und es legte
dieses persönliche Zusammentreffen den Grund zu den
folgereichsten Ereignissen der nächsten Zukunft. Dem
Schmalkaldischen Bunde war der Herzog nun entrückt;
auf fernere Religionsreformen in seinen Landen verzichtete
er; diese sollten den Kirchenversammlungen anheim
gegeben bleiben; als Belohnung gethaner und
künftiger Dienste sollte Moritz jährlich vom Kaiser
5000 Gulden beziehen. Die Hauptfrucht all dieser
Abhängigkeit, in die sich der Sachsenherzog aus freiem
Willen zum Kaiser stellte, war die, daß Moritz gegen
die nächsten Blutsverwandten, seinen Schwiegervater,
den Landgrafen und seinen Oheim, den Kurfürsten, die
Waffen tragen mußte, daß er ein Hauptwerkzeug zur
Unterdrückung der evangelischen Freiheit wurde und daß
er zur Züchtigung der »ungehorsamen Reichsfürsten«
mit Vollzug der gegen dieselben unterm 20. Juli 1546
ausgesprochenen Acht vom Kaiser beauftragt wurde.
Es gingen zwar der Achtvollstreckung noch zahlreiche
diplomatische Verhandlungen vorher, allein Schluß und
Ausgang war die Schlacht bei Mühlberg, die Gefangennehmung
Johann Friedrich’s und später die treulose
Philipp’s, beider Reichsfürsten schmähliche und lange
Haft und die Übertragung des Kurhutes von Sachsen
auf das Haupt des Siegers über Ohm und Schwiegervater,
wobei der erstere der feierlich zu Augsburg auf
freiem Platze vollzogenen Belehnung Moritzens mit der
Kur selbst zuzusehen, auf das schimpflichste gezwungen
ward. Mehr als die Hälfte der deutschen Nation sprach
dem neuen Kurfürsten von Sachsen das Urtheil; Schmachlieder
und Schandbilder auf ihn erfüllten die Märkte.
Die Theilnahme aller redlich gesinnten lenkte sich den
unglücklichen gefangenen Fürsten zu, während der Kaiser
und seine pfäffischen Rathgeber den Sieg über die protestantische
Partei dahin zu benutzen strebten, Rechte
und Freiheiten der gesammten deutschen Fürsten völlig
zu Boden zu drücken und zu vernichten. Endlich gingen
dem Kurfürsten Moritz die Augen auf – er wandte
sich gegen den Kaiser, schloß Bündniß mit Frankreich
und führte ein starkes Heer gegen Carl, den er bis
nach Tyrol verfolgte und beinahe gefangen nahm. Die
gefangenen Fürsten wurden nun befreit, aber die Kur
behielt Moritz. – Nach einem abermaligen Türkenzuge
zog der Kurfürst gegen den kampflustigen Markgrafen
Albrecht von Brandenburg-Kulmbach, schlug diesen in
der Schlacht bei Sievershausen und starb an einer empfangenen
Schußwunde. Sein Bruder August wurde
Erbe der Kur.