Beschreibung des Oberamts Blaubeuren/B 19

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19. Nellingen mit Aichheim.


a. Nellingen, ein evangelisches Pfarrdorf auf der hohen Alp, an der s. g. Salzstraße, 4 St. nördlich von Blaubeuren, mit 828 Einwohnern. Das Patronat ist königlich; den großen Zehnten haben der Staat und das Spital, nun Kirchen- und Schul-Stiftungspflege, Ulm zu gleichen Theilen; den kleinen und den Heu-, Obst- und Blutzehnten die Pfarrey; sodann haben auf gewissen Bezirken wieder die Stiftungspflegen | Ulm und Nellingen, die Pfarrey Deckingen und das Spital Geislingen den großen und kleinen Zehnten.

In ältern Zeiten wurde gemeiniglich Nallingen geschrieben; die Verwandlung des a in e kommt auch sonst häufig vor. N. ist das größte Dorf des Oberamts, und hat auch die größte Markung, aber Mangel an Wasser. Es ist Sitz eines Revierförsters, hat eine ansehnliche Kirche, ein Schul- und Rathhaus, 2 Schildwirthschaften und 1 Brauerey, 26 Leinenweber, nicht unbedeutende Schafzucht und starke Bienenzucht (s. S. 74). Es gehörte früher zu dem Gebiete der vormaligen Reichsstadt Ulm und war der Sitz eines Amts und eines Hauptzollamts. Zu dem Amt gehörten: Aichheim, Anstetten, Aufhausen, Merklingen, Nellingen, Oppingen, Türkheim und Wittingen. In dem Amthause wohnt jetzt der Förster. Der Ort soll ehemals ein Städtchen gewesen seyn, und wirklich findet man auch noch Spuren von Mauern und Thoren. 1372 verlieh ihm K. Karl IV. neben Stock und Galgen auch die Markt- und Wochenmarkts-Gerechtigkeit. Unter bayerischer Herrschaft ließ die Gemeinde die Märkte wegen der auf Marktflecken haftenden Bürgermiliz eingehen. Die Kirche, dem h. Andreas geweiht, ist mit einem stattlichen Kirchthurm versehen; die Baulast derselben ruht auf der Heiligen- und der Gemeindepflege, die des Pfarrhauses auf dem Staat. In ältern Zeiten stand neben dem Pfarrer auch noch ein Kaplan an derselben, seine Stelle ist aber längst eingegangen. Das Patronat hatte ebenfalls die Stadt Ulm. Filiale der Kirche sind: Oppingen und Aichheim. Aus der Schule zu Nellingen, die sich in ältern Zeiten auszeichnete, ging der nicht unberühmte Joh. Albrecht v. Widmannstatt hervor[1].

| Nellingen gehörte in ältern Zeiten den Grafen v. Helfenstein: 1375 verkauften die Grafen Ludwig und Conrad von Helfenstein das Dorf mit Kirchensatz und Zehnten, dem Heuzehnten zu Witterstall und einer Mühle zu Ditzenbach an das Kloster Blaubeuren um 7200 Pfd. Hl. 2 Höfe hatte das Kloster schon 1345 von dem Edelknecht Ruf Vetzer gekauft. Da das Kloster mehr Kaufslust als Geld hatte, so veräusserte es die Erwerbung bald wieder an Hans von Westerstetten und an Conrad Karg, Bürger zu Ulm, welche im J. 1400 das Dorf und den Kirchensatz nebst Zugehör theilten. Die Kargische Hälfte wurde von dem Enkel Kargs, Conrad Krafft in Ulm 1413 an den Grafen Friedrich v. Helfenstein, 1 Vrtl. von der Westerstettischen Hälfte nebst den Blaubeurer Höfen, 1441, von des Hansen Tochtermann, dem Bürger Dieterich Haug zu Ulm, an die Stadt Ulm, und das andere Viertel, 1442, von Bernhard von Westerstetten, einem Enkel des Vorigen, an eben dieselbe verkauft. Im Jahr 1482 verkauften endlich die Grafen Friedrich und Ludwig von Helfenstein auch ihre Hälfte mit allem Zugehör, dem halben Kirchensatz und halben Zehnten nebst aller Obrigkeit an die Stadt. Zoll und Geleit, an deren Besitz es der gewerbsamen Reichsstadt immer vorzüglich gelegen war, waren von Ulm 1396 u. 1446 den Helfenstein abgekauft worden.

Übrigens gab es auch Herren von Nelligen: 1284 schenkt der Ritter Rudolph von Nellingen dem Kloster Kaisersheim einen Hof zu Nallingen, den er von Albrecht von Machtolsheim erkauft hatte. Ebenderselbe verkaufte 1291 eine Hube zu N. an das Kloster; in einer Urkunde von 1297 | steht Berthold von Nellingen als Zeuge; ein Conrad von N. zu Ibach (Eybach) kommt 1323 vor, und noch 1403 belehnt der Abt Sifrid von Ellwangen den Conrad von Nallingen mit einem halben Lehen zu Nallingen, das Catharinen-Lehen genannt. Diese Herren waren ohne Zweifel Dienstleute der Grafen von Helfenstein und genossen einzelne Güter zu N. Die Kaisersheimischen Güter wurden von dem Kloster an Ulm (Spital Leipheim) vertauscht. Nellingen war ehemals Ellwangisches Lehen; bey dem Verkauf an das Kloster Blaubeuren im J. 1375 wurde es zwar gegen Merklingen von der Lehenschaft befreyt, die nicht Helfensteinischen Höfe und Güter nebst dem halben Laienzehnten blieben jedoch fortwährend im Lehensverbande. Woher Ellwangen diese Lehenschaft erhalten habe, kann nur in soweit erklärt werden, als im J. 1317 Conrad von Ahelfingen (Alfingen) seine Güter zu Nellingen und die Burg Eybach gegen die Burg Kochenburg und was er im Dorf Kochen hatte, von dem Abt Rudolph in Ellwangen eintauschte.

N. hat mehrmals stark durch Brand gelitten, 1643 brannten 17, 1696 sogar 80 und 1729 wieder 13 Gebäude ab, 1688 war es, wie S. 14 schon erzählt worden, von den Franzosen ganz eingeäschert worden. Im J. 1802 kam Nellingen mit Ulm an die Krone Bayern und von da durch den Staatsvertrag von 1810 an Würtemberg. S. S. 16.

b. Aichheim, in neuerer Zelt auch Aichen, häufig auch die Aichhöfe genannt, ein aus 3 Höfen bestehender evang. Weiler auf der Alp, 1/2 St. südöstlich von Nellingen mit 25 Einwohnern, Filial von Nellingen (s. oben). Den großen Zehnten haben der Staat zu 2/3 und das Spital (die Kirchen- und Schul-Stiftungsverwaltung) Ulm zu 1/3, den kleinen der Staat zu 2/3. Der Heu- und Obstzehnte ist nachgelassen. Die 3 Bauern besitzen zusammen nach Abzug von 244 M. Wald, die nicht ihnen gehören, ein Grundeigenthum von 1716 Morgen. Das Feld ist gut, aber großentheils ungebaut. Der Ort gehörte vormals dem Kloster Kaisersheim, | stand aber unter ulmischer Vogtey. Im Jahr 1482 verkauften die Grafen von Helfenstein mit halb Nellingen auch die Vogtey zu Aichheim, die gültet 48 Sch. Haber, Dienste, Hundslegen etc.; 1802 kam der Ort an Bayern und 1810 an Würtemberg. Im J. 1688 ward Aichheim von den Franzosen abgebrannt. S. S. 14.



  1. Er war geboren zu Nellingen im J. 1508, studirte zu Tübingen und in Italien die Rechtswissenschaft und zeichnete, wie als Staatsmann, so hauptsächlich auch als orientalischer Sprachgelehrter sich aus. In verschiedenen wichtigen Bedienungen am päpstlichen, bayerischen und kaiserlichen Hofe machte er sich so verdient, daß ihn K. Karl V. 1548 in den Reichs-Ritterstand erhob, und K. Ferdinand I. ihn zum niederösterreichischen Kanzler machte. Diese Stelle [181] vertauschte er mit einem Canonicat zu Presburg und starb unter dem Namen Lucretius, als heftiger Gegner der Reformation 1557 zu Regensburg. Er hinterließ mehrere, in der K. Bibliothek zu München aufbewahrte, Handschriften; eine syrische Sprachlehre erschien 1555 und 1572, und ein syrisches neues Testament, mit Unterstützung Kaisers Ferdinand, 1555 von ihm im Drucke. An der Kirche zu Nellingen befindet sich ein Grabstein der am 14. März 1594 verstorbenen Margaretha Widmannstetterin.
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