Beschreibung des Oberamts Hall/Kapitel B 28

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28. Gemeinde Westheim,
mit 3 Parcellen und 599 Einwohnern.

a. Westheim, mit dem Beisatze: im Rosengarten, früher auch Kocherwestheim, Pfarrdorf mit Marktgerechtigkeit, 526 ev. Einwohnern und 44 Gemeinderechten, worunter 5 Kloster murrhardt’sche, und 896/8 M. vertheilten und 595/8 M. unvertheilten Allmanden, liegt im mittlern Kocherthal, im sogenannten Rosengarten, 11/2 St. südlich von Hall, hart an dem Kocher und der Grenze des Oberamts Gaildorf, an der von Gaildorf nach Hall führenden Landstraße, in einer milden, freundlichen und gesunden Gegend. Westheim hat verhältnißmäßig die meisten Geburten (s. o. S. 39). Es ist sammt seinen Parcellen dem Forstamt Comburg zugetheilt. – Die Zehenten bezieht wegen des Klosters Murrhardt der Staat; einige Äcker geben nur die dreißigste Garbe. Gefälle hat der Staat (woran seit 1817 für 9247 fl. 19 kr. Capital abgelöst worden sind), die Armenverwaltung und die Stadtpflege Hall.

Westheim besteht aus dem eigentlichen Dorfe Westheim, dem aus Kirche, Pfarrhaus und Schulhaus bestehenden, auf einer Anhöhe, dem sogenannten Berghofe, über dem Dorfe gelegenen, Pfarrweiler Oberwestheim und dem an der Bibers gelegenen Bibers mit Mühle. Die Kirche zu St. Lorenz ist alt und soll, wie hienach zu erwähnen, schon zu Anfang des vierzehnten Jahrhunderts erbaut worden seyn, hat aber inzwischen mehrere Renovationen erlitten. Der Staat, welchem wegen der Oberlandesheiligenpflege die Baulast obliegt, läßt übrigens dermalen eine neue Kirche im Voranschlage von 42.000 fl. aufbauen. Derselbe hat auch das schon über 300 Jahre alte Pfarrhaus, wegen des Klosters Murrhardt, und das 1812 neuerbaute Schulhaus zu erhalten. Von hier ist eine herrliche Aussicht. – Im Dorfe sind 2 Schildwirthschaften, wovon sich die eine in dem vormaligen Kloster murrhardt’schen Pfleghofe befindet, und eine den Erben des Sebastian Blezinger zugehörige Hammerschmiede, welche sehr gut betrieben wird; sie wurde 1642 errichtet, hat 12 Arbeiter | unter der Aufsicht eines hüttenkundigen Faktors, und liefert hauptsächlich Zain- und Stab-Eisen und die gröbern Ackerbauwerkzeuge etc. Nebenan stehen 2 Mahl- und Säg-Mühlen. In der Gemeinde ist, bei einer fruchtbaren und verhältnißmäßig großen Markung, Wohlstand vorhanden. Der Boden ist für den Dinkel sehr zuträglich, daher derselbe und die mit ihm verwandten Fruchtarten hauptsächlich gebaut werden. Unter den Einwohnern befinden sich aber auch, außer den Arbeitern an der Hammerschmiede, Bergleute von Wilhelmsglück und Laboranten von der chemischen Fabrik zu Ödendorf. – Eine neue steinerne Brücke über den Kocher wurde 1841 mit einem Aufwand von 10.000 fl. gebaut, an welchem die Gemeinde den Betrag des zu Capital berechneten Brückengeldes und am Reste 1/3, die Amts-Corporation aber 2/3 übernahm. Der Kirchhof ist seit 1838 außerhalb Etters.

Westheim hat schon seit längerer Zeit Marktrecht. Das Patronat steht der Krone wegen des Klosters Murrhardt zu. Der Pfarrsprengel ist noch jetzt von Bedeutung, indem zu demselben, außer den Gemeindeparcellen, auch Uttenhofen, Raibach, Renkenbühl, Wilhelmsglück, Sittenhardt und Wielandsweiler theilweise, sowie Frankenberg nebst Seehölzle, Oberamts Gaildorf, gehören, und die Pfarrei Ödendorf desselben Bezirkes mit der Pfarrei unirt ist. – Der Schule wird bereits im J. 1590 gedacht.

Schon 788 besitzt das Kloster Lorsch in Cochengowe, in Westheimer Marcha und 856 das Kloster Fulda in villa Westheim Güter, und 1057 schenkte Duidecha die ihrigen auch an Fulda (Wibel a. a. O. I. S. 126, II. S. 6 und III. S. 32. Vergl. auch Stälin a. a. O. I. S. 319 und 598); 1290 aber verkauft Conrad v. Weinsberg mit seinem Sohn Conrad seine Besitzungen in lehenbarer Eigenschaft an Heinz v. Tullau; daher sind die Herren- und Vogt Gülten, welche die Armenverwaltung und die Stadtpflege Hall hier besitzen, vormals weinsbergisches, dann pfälzisches Lehen und nun württembergisches Kron-Lehen. Die gleichen Lehen der vormaligen geistlichen Verwaltung sind durch die Incamerirung der letzten nun consolidirt (s. Uttenhofen S. 294; vergl. auch Wibel a. a. O. II. S. 113 und Ludewig lib. V. dipl. weinsb. S. 604). Im Jahr 1399 verkauft Seyfried Alt, Bürger zu Hall, sein Eigenthum dahier an Eitel Eberhard; 1486 verkauft Burkhard Eberhard den halben Theil am Gericht, und 11 Güter als Eigenthum, sowie die Mühle und die Vogtei über 8 Güter, die Lehen von dem Kloster Murrhardt sind, an Gabriel Senft; und 1526 verkauft Petronella Senft nebst ihrem Gatten das halbe Gericht mit den 11 Gütern an den Rath zu Hall. Dieser verleiht 1504 den | andern halben Theil am Gericht und an Vogtei, nebst 6 Gütern dem Bernhard v. Rinderbach zu rechtem Mannlehen, welcher 1524 dieses Alles wieder an Hall verkauft, wohin auch 1521 von Comburg, 1536 von Schenk Erasmus, 1562 von Schenk Friedrich v. Limpurg und 1589 von Friedrich Erasmus Schlez einige Güter kamen. – Die übrigen Güter zu Westheim gehörten zu der schon oben gedachten Pflege des Klosters Murrhardt dahier. Nach einer handschriftlichen Chronik desselben gibt 1054 Kaiser Heinrich III. auf Bitten seiner Gemahlin Agnes diesem Kloster „regale alodium in Westheim in pago Kochengawe“. Die hiesigen Güter der Pflege bestanden aus den Zehenten, dem Pfleghofe, dem Widdumhof, einer Kelter, der Badstube, drei weiteren Erblehen, einer Mahlmühle und dem Gute in Vohenstein, alles dieß mit vogteilicher Obrigkeit, sowie aus 8 Lehengütern ohne diese. Die Pflege bestand, wie schon S. 111 bemerkt, bis 1803; im Hause des Beamten ist nun eine Wirthschaft eingerichtet; es soll von 1318 bis 1378 den Grafen von Westheim zur Wohnung gedient haben. – Westheim mit Parcellen war bis 1803 dem hallischen Amte Rosengarten einverleibt.

Die Pfarrei ist eine der ältesten, dafür spricht namentlich ihr großer Sprengel, zu welchem selbst ein Theil von Hall (s. o. S. 170) gehört hatte. In alten Zeiten hatte der Dekan des haller Capitels hier seinen Sitz; 1286 findet sich Ulricus, decanus in Westheim (Menken a. a. O. S. 403); 1346 Herr Hartwat, Kirchherr zu Westheim. Im Jahr 1396, nachdem die Pfarrei durch Schenkung der Herrn von Westheim an das Kloster Murrhardt gekommen, wurde dieselbe diesem incorporirt. Die Reformation wurde, wie in Altwürttemberg, 1535 eingeführt. Als Pfarrer von Ödendorf hatte der Pfarrer die württembergische, als Pfarrer von Westheim die hallische Kirchenordnung zu beobachten; in ersterer Eigenschaft stand er unter dem württembergischen, in letzterer unter dem haller Consistorium. Bis 1803 geschah die Visitation abwechslungsweise von beiden.

Von Edlen v. Westheim finden wir 1112 Ludewig de Westheim et uxor Maregard, 1288 Marquard v. Westen (Wibel a. a. O. II. S. 179) und Irmela de Westheyn (Wibel a. a. O. IV. S. 154). Ob dieselben der alten Grafenfamilie angehörten, welche nach Chroniken hier gesessen seyn solle, indem Westheim der Sitz eines Gaugrafen gewesen, welchem ein Theil des Kochergaues, der sogenannte Schöngau oder Rosengarten, untergeben gewesen (s. o. S. 106), ließ sich nicht ermitteln. Als der Letzte des Geschlechts, dessen Name auch nicht bekannt ist, 1378 gestorben, kamen durch Schenkung beträchtliche Zehenten und Güter an das Kloster Murrhardt. | Die Burg desselben stand da, wo nun die Kirche steht. Sie soll 1318 in Brand gerathen und an ihre Stelle von den Grafen die jetzige Kirche erbaut worden seyn. Gewiß ist, daß auf dem Kirchhof vor etwa 300 Jahren geschmolzenes Erz und Eisengeräthe ausgegraben worden ist.

Im Oktober 1626 mußte wegen eines großen Sterbens der Kirchhof erweitert werden. – Über einen hier gefundenen alten Denkstein s. Prescher a. a. O. I. 92–93.

b. Vohenstein, auf der Markung Westheim, ein kleiner, 1561 angelegter Weiler mit 55 evangel. Einwohnern, auf einer Anhöhe südwestlich von Westheim, am Einfluß der Bibers in den Kocher. Hier war einst der Sitz der Edlen v. Vohenstein; von diesen finden wir: 1286 Friedericus, 1379 Heinrich (Menken a. a. O. S. 403 und 478), 1444 und 1468 Heinrich, 1493 kaufte Georg von Schenk Wilhelm v. Limpurg das Schloß Adelmannsfelden, in dessen Besitz die Familie v. Vohenstein bis 1762 blieb (Prescher a. a. O. S. 395). Sie waren limpurgische Vasallen. Wann und wie die Burg abgegangen, ist unbekannt. Peter und Wilhelm v. Stetten stifteten 1393 die Frohnauwiesen unter Vohenstein an die Veldner Capelle zu Hall.

c. Ziegelmühle, ein etwas weiter westwärts liegender Weiler von 18 evang. Einwohnern, mit einer Mühle an der Bibers, welche 1441 Schenk Erasmus von Limpurg an die Stadt Hall vertauschte.


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