Beschreibung des Oberamts Leutkirch/Aichstetten

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a. Gemeinde 2, Aichstetten,

bestehend aus 2 (14) Parzellen auf 2 Markungen mit 692 katholischen Einwohnern. Dieser Bezirk liegt an der bayrischen Grenze zwischen Leutkirch und Memmingen, durchzogen von der Landstraße, welche diese beide Städte verbindet. Der größte Theil desselben liegt in der hier erweiterten Thalfläche der Aitrach, in welche von Süden her der waldige Höhberg vortritt, der den Bezirk südwestlich begrenzt, wie ihn die Waldhöhen des Diebel, Gotteswald und Koppenmoos auf der Süd- und Ostseite einfassen. Von der Altmannshofer Höhenkette streicht noch der Buchkapf in den diesseitigen Bezirk herein. Außer der Aitrach bewässert den Bezirk ein von Ottmannshofen und Altmannsspeyer herkommender Bach, der mit seinen Nebenbächlein unter dem Namen des Kummerbachs in Aichstetten selbst in jene fällt. Seen und Weiher finden sich nicht. Das Klima ist um ein merkliches milder als im benachbarten Allgäu; auch ist der Boden der ergiebigste im Oberamt Leutkirch, und es herrscht viel Getreidebau. Unter den Gewerben macht sich das Geschäft eines Gold- und Silberarbeiters bemerklich. Es bestehen zwei bedeutende Mahl-, 2 Säg-, 2 Ölmühlen, 2 Schildwirthschaften und 1 Bierbrauerei. Nicht unerheblich ist der Holzhandel auf der Aitrach, und das Fuhrwesen auf der Landstraße.

Die Gemeinde hat beträchtliche Waldungen, aus welchen die Bürger ihr jährliches Holzbedürfniß erhalten. Die Bewohner sind im Ganzen in guten ökonomischen Umständen. Die Vereinödung von Aichstetten datirt sich vom Jahr 1794, die von Altmannsspeyer vom Jahr 1792. Gotteswald und Vogelsang sind von Alters her einzelne Höfe. Grundherr ist der Fürst von Waldburg-Zeil und Trauchburg, der hier auch ein Senioratslehen des Gesammthauses Waldburg, das vormals steuerfreie sogenannte Wipfengut, aus zwei Gütern bestehend, besitzt. Pfarrkirche und Schule für den Gemeindebezirk befinden sich in Aichstetten. Nach pfarramtlichem Berichte bezieht in Folge Vertrags mit dem damals| gräflichen Hause Wurzach vom 17. Juni 1795 den Großzehenten auf der Markung Aichstetten die dasige Pfarrstelle mit Ausnahme von 8 Gütern, welche diesen Zehenten der Standesherrschaft Wurzach reichen. In Altmannsspeyer ist der Großzehenten gemeinschaftlich, so daß das eine Jahr die genannte Standesherrschaft den Winter-, die Pfarrstelle den Sommerzehenten bezieht, das andere Jahr umgekehrt. Vor jenem Vertrag wurde im ganzen Pfarrsprengel so gewechselt.[1] Den Klein- und Novalzehenten bezieht die Pfarrei durchgängig allein.

Der Gemeindebezirk zeigt merkwürdige Spuren des römischen und deutschen Alterthums, wegen welcher wir auf das oben VII, 4. Gesagte verweisen. Übrigens fällt die Geschichte des Bezirks in der Hauptsache ganz mit der des Hauptortes zusammen, siehe unten.

1) Aichstetten, kath. Pfarrdorf mit Marktgerechtigkeit, mit 495 Einwohnern nebst: a) Bärtle, Hof mit 3 Einwohnern; b) Butscher, Hof mit 8 Einwohnern; c) Gotteswald, Hof mit 8 Einwohnern; d) Greck, Hof mit 12 Einwohnern; e) Hardsteig, 3 Höfe mit 22 Einwohnern; f) Kirchmann, 2 Höfe mit 21 Einwohnern; g) Öttel, Hof mit 4 Einwohnern; h) Stockbauern, 9 Höfe mit 55 Einwohnern; i) Treichler, Hof mit 7 Einwohnern; k) Vogelsang, Hof mit 13 Einwohnern; l) Zeh, Hof mit 7 Einwohnern.

Aichstetten (richtiger Eichstetten) ist ein ansehnlicher Flecken in angenehmer, heiterer Lage, der Memminger Landstraße und der Aitrach entlang gebaut, mit mehreren hübschen und freundlichen Häusern, 2½ g. Stunden von Leutkirch, 2 von Schloß Zeil. Schon aus der Ferne macht sich der Ort durch seinen stattlichen Kirchthurm mit spitzigem Dache kennbar. An diesem, nach seinen Stockmauern uralten Thurm, der anfänglich nicht die Bestimmung eines Kirchthurms gehabt zu haben scheint, da der Eingang zu ebener Erde sichtbarlich später erst durchgebrochen wurde, ist die zwar, wie man| glaubt, jüngere, doch jedenfalls relativ sehr alte Kirche angebaut, an welcher man, bei einer Bauveränderung im Jahr 1831, zugemauerte kleine Fensteröffnungen entdeckt hat, deren Gestalt auf ein sehr hohes Alterthum hinweist,[2] und auffallend an die ähnlichen Öffnungen der bekannten Kapelle bei Belsen erinnert. Diese Pfarrkirche zum heil. Michael hat in neuern Zeiten bedeutende Verschönerungen, namentlich im Jahr 1829 einen einfach schönen Hochaltar mit einem guten Gemälde, die heil. Jungfrau vorstellend, im Jahr 1830 zwei kleine, aber hübsche Seitenaltäre und eine neue, gute Orgel erhalten. Zu bedauern ist nur, daß die Kirche für die Anzahl der Pfarrgenossen (gegen 1100) um vieles zu klein ist. Die Kirchenpflege hat 3100 fl. Kapital, 1 V. 21 Rth. eigenes Feld, und bezieht 125 fl. jährliche Grundgefälle. Zu der Pfarrei, die ehemals dem Landkapitel Isny zugetheilt war, gehören noch von den Gemeinden Wuchzenhofen: Ottmannshofen; von Mooshausen: Braitenbach und Rieden. Oberhausen und Watzenei, die früher auch dazu gehörten, wurden 1812 der Pfarrei Aitrach, und der k. bayer. Weiler Dilpertsried der k. bayer. Pfarrei Lauterach zugetheilt. Das Patronat steht dem Fürsten von Waldburg-Zeil-Trauchburg zu. Das ansehnliche und schön gelegene Pfarrhaus wird, wie auch die Kirche, von der Kirchenpflege unter Konkurrenz der Dezimatoren im Fall der Unzulänglichkeit der ersteren, im Bau erhalten.[3] Unter den früheren Pfarrern hinterließ ein gewisser Florian, der sich an die Spitze empörter Bauernhaufen stellte (s. oben) ein schlechtes Gedächtniß; im dankbaren Andenken aber lebt Matthäus Göser, der durch testamentarische Verordnung vom 15. August 1697 ein Kapital von 4000 fl. zu zwei Studienstipendien und zu einem Handwerksstipendium bestimmte, von denen das eine der beiden ersteren von der Standesherrschaft Zeil, das andere von der Standesherrschaft Wurzach, das letztere aber abwechselnd, das eine Jahr von Zeil, das andere von Wurzach, und das dritte Jahr von der Stadt Wangen vergeben wird. In den neuesten Zeiten lebte und starb auf dieser Pfarrei der ehemalige Domherr zu Augsburg, Graf Ferdinand Joseph von Waldburg-Zeil-Trauchburg, geb. den 4. Nov. 1766, gest. 1833. Das lebhafte Interesse, welches der allgemein hochverehrte Priester an der Geschichte seiner Pfarrei nahm, bezeugt eine von | ihm eigenhändig geschriebene ausführliche Pfarrchronik, welche die Registratur der Pfarrstelle aufbewahrt. Die Pfarrgebäude verdanken ihm und dem letztverstorbenen Pfarrer Steinhauser wesentliche Verbesserungen und Verschönerungen. Die Schule für den Pfarrsprengel (außer Ottmannshofen) hat einen Lehrer und einen Gehülfen. – Im Jahr 1741 wurde Aichstetten ein Marktflecken mit dem Recht einen Jahrmarkt zu halten, wozu 1745 ein zweiter kam. Dieses Marktprivilegium wurde von dem damals regierenden Grafen Johann Jakob bei dem Kurbaierischen Reichsvikariat ausgewirkt. Außerhalb des Ortes an der Landstraße steht die Kapelle zum heil. Wolfgang, welche von der Gemeinde unterhalten wird, dabei eine ehemalige Eremiten- jetzt Meßnerwohnung. – Bemerkenswerth ist die Neigung und das Geschick der Bewohner zu dramatischen Darstellungen. Die erste Erwähnung des alten Ortes findet man schon in der oben bei Ausnang angeführten St. Galler Urkunde vom Jahr 797 (Neug. Nr. 126), wonach die Presbyter Tromolt und Cacanwart ihr Erbgut in villa, qui dicitur Eichsteti dem Kloster St. Gallen abtreten. Wäre die Urkunde über einen Tauschvertrag eines gewissen „Paldinc" mit St. Gallen vom Jahr 879 (Neug. Nr. 516; vergl. Stälin, S. 305) mit Sicherheit hieher zu ziehen, so wäre diese Besitzung (in villa Achstetten) gegen Güter im Linzgau von diesem Kloster an jenen Paldinc für die Dauer seines Lebens ausgetauscht worden. Nach etwa 100 Jahren, ums Jahr 970, findet man einen Edlen Adilhard, der in der Ferne wohnte, und mit den alten Grafen von Bregenz-Buchhorn verwandt war, im Besitze von Aichstetten, das er mit Breitenbach, Rieden und Oberhausen (in pago Ilrigove hoc est apud Eichstatt, et Breitenbach, Riedin et Husin etc. Chron. Petersh. bei Usserm. Prodr. S. 316 ff.) dem Grafen Adelhard von Buchhorn, dem Oheim des Grafen Gebhard von Bregenz, Bischofs von Konstanz und Stifters vom Kloster Petershausen schenkte, der sie im Jahr 980 diesem Kloster überließ. Abt Konrad von Petershausen erneuerte um das Jahr 1163 die Kirche zu Aichstetten und erbaute ein Bethaus dabei. So war Petershausen im Besitz nicht blos des jetzigen Gemeindebezirks, sondern auch der eben genannten anstoßenden Parzellen der Gemeinde Mooshausen. Ein Hof aber, der dem Dietpold von Lautrach gehört hatte, ward von diesem 1324 dem Kloster Roth geschenkt (Urk. bei Stdlh. Chron. Roth. I. S. 147). Zwei Höfe von Aichstetten kamen 1355 durch Kauf an Königsegg (s. unten Marstetten). Auch die Herrschaft Zeil scheint hier Güter und die Territorialhoheit besessen zu haben. Im Jahre 1491 ward die ganze Petershausische Besitzung gegen 4200 fl. rhein. an Zeil käuflich überlassen, und im Kaufbrief| (Chron. der Truchs. I. S. 162) heißt es: „Im Jahr 1491 hat Herr Johann Truchs. zu Waldburg von Abt und Convent des Gottesh. Petershausen erkauft folgende Stück: nemlich alle und jede des Gotteshaus Lütt, Guett, Zinß, Randgült, und besonders den Großzehenten mit sambt dem Kirchensatz, und den zwey Hölzeren und Wälderen, nemlich den Gotteshauß Wald und Klotzenweihler und alle Obrigkeit und Herrlichkeit, die sie bis dahin zu Eichstetten und andern Enden der Herrschaft Zyll gehabt haben – – – weiters ville benannte Zinß an Geld, und Früchten zu Eichstetten, Rieden, Watzeney, Vogelsang und andern anliegenden Orten mit aller Zugehör etc." Die Zahl der Leute des Klosters, die namentlich angeführt werden, belief sich auf etliche und siebzig. Zu den Vergünstigungen, mit welchen Kaiser Karl V. den Sohn Johanns, den verdienstvollen Georg III. Truchseß, auszeichnete, gehörte auch ein Zollprivilegium für alle seine Herrschaften, in Folge dessen in Aichstetten, wegen seiner vortheilhaften Lage an der Hauptstraße, eine Zollstätte errichtet wurde. Im 30jährigen Kriege wurden mehrere Bauernhöfe entvölkert und verödet, so daß Ansiedler aus Graubündten und der übrigen Schweiz sich hier niederließen. Bei der Erbtheilung zwischen den beiden weltlichen Söhnen des Grafen Johann Jakob (1675) erhielt Graf Jakob Paris mit der Herrschaft Zeil auch Aichstetten, doch ohne Breitenbach, Rieden und Oberhausen, die zum Wurzacher Antheil geschlagen wurden. Der weitere Vertrag vom Jahr 1693 fügte die Bestimmung hinzu, daß Wurzach denselben Großzehenten beziehen sollte (s. oben).

Der Gemeindebezirk in seinem jetzigen Umfang bildete ehemals eines der vier Gerichte der Grafschaft Zeil. Im Jahr 1783 zählte man in demselben 618 Seelen, 123 Pferde, 533 Stück Hornvieh, 138 Gebäude, 81 zur Landschaft Zeil kollektable Güter mit 122 steuerbaren Roßbauen; 6½ waren steuerfrei. Von diesen 81 Gütern waren 65 Schupf- und 1 Erblehen der Herrschaft gehörig, 1 Waldburgisches Senioratslehengut und 2 Schupflehengüter des Freiherrn von Westernach, der auch 100 Eier von der Gemeinde für den Hirtenstab bezog, und eine Fischenz in der Aitrach besaß. Im Jahr 1806 machten die Kronen Bayern und Württemberg auf Aichstetten zugleich Anspruch, und der rechtliche Besitz der Souveränität blieb unentschieden bis 1810, wo die Gemeinde mit Altmannshofen unter die Oberhoheit Württembergs kam.

Der Hof Gotteswald hat seinen Namen von dem ehemaligen Petershausischen Gotteshauswald (s. oben). Im Jahre 1692 wurde ein Theil dieses, auf rauher Höhe an der bayerischen Gränze gelegenen Waldes ausgestockt und anfänglich zu Lehen gegeben; seit neuerer Zeit aber wird das Gut, als fürstlicher Kameralhof, durch| einen Zeitpächter bewirthschaftet. Sein Areal beträgt an Ackerfeld 1646/8 M. 14 R.; an Wiesen 277/8 M. 32,7 R.; an Waiden 4/8 M. 28 R.; an Ödungen 2/8 M. 23,9 R.; an Gemüsegarten 8,4 R.

Der Hof Vogelsang liegt ebenfalls in waldiger Gegend an der bayerischen Gränze, am Abhang zur Ellmeneyer Ach. Hier hatte Petershausen bloß Gefälle zu beziehen, die mit Aichstetten an Zeil verkauft wurden. Die hohe und forstliche Gerichtsbarkeit gehörte zur Herrschaft Zeil, die niedere mit dem Kollektationsrecht zur Herrschaft Lautrach oder denen von Landau, von welchen sie an die Muggenthal kam (s. Altmannshofen). Werner Philipp von Muggenthal verkaufte (1639) seine Rechte über Vogelsang um 150 fl. an Truchseß Johann Jakob zu Zeil. Der Hof war als ein eigenes, mit besonderem Anschlag zum Kanton Hegau-Allgäu kollektables Rittergut angesehen.

2) Altmannsspeyer, Weiler mit 23 Einwohnern, nebst Lauerbühl, 1 Hof und 1 Haus mit 14 Einwohnern. Altmannsspeyer liegt zwischen den waldigen Bergen Diebel und Höheberg; es war ein Theil der Petershausischen Herrschaft und hatte gleiche Verhältnisse mit Aichstetten. Nur über ein Haus machte die österreichische Landvogtei Ansprüche auf die Landeshoheit.


  1. Früher wurde von der Pfarrei ein Vogtrecht von 50 fl. 20 kr. an die Patronatsherrschaft Zeil entrichtet, durch Vertrag v. J. 1835 dasselbe in der Art erhöht, daß nunmehr 150 fl. an Geld, 20 Scheffel Dinkel und 20 Scheffel Haber gereicht werden müssen, welche Erhöhung sich darauf gründete, daß die Patronatsherrschaft durch Kauf von Petershausen (siehe unten) Eigenthümerin des Großzehenten war, die Hälfte desselben aber widerruflich als Congrua der Pfarrei überlassen hatte. Durch den Vertrag von 1835 kam nun die Pfarrei in den Besitz des Eigenthumsrechtes.
  2. siehe den Aufsatz des Herrn Pfarrers Fürst in Aichstetten in den Württ. Jahrb. 1835, 2tes Heft S. 398 ff., bei welcher interessanten Darstellung nur zu bedauern ist, daß die, das dort Gesagte veranschaulichenden schönen Zeichnungen nicht auch einen Platz gefunden haben.
  3. Das Fürstliche Haus Wurzach erkennt übrigens seinerseits diese Verpflichtung nicht an, „da der Zehent von Petershausen erkauft und also als laical nicht bauconcurrenzpflichtig sey“.