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verschiedene: Die Gartenlaube (1892)


Aus der Werkstatt des Bildhauers.

Von Friedrich Offermann.
Mit Zeichnungen von M. Henze.

Während vom Maler jedermann weiß, daß er seine Schöpfungen mittels Pinsel und Farben auf die Leinwand bringt, vom Architekten, daß er sie mit Reißschiene, Zirkel und Winkel entwirft, stehen im Gegensatz hierzu viele der Bildhauerei fremd gegenüber. Nicht nur, daß der eigentliche Bildhauer – wir wollen später sagen, warum er besser „Bildner“ genannt würde – in einem fort Gefahr läuft, mit dem Stuccateur, dem Steinmetzen oder dem Gipsgießer verwechselt zu werden, man kennt auch durchweg nur wenig von der Art seines Schaffens, weiß nicht, welchen Weg ein Kunstwerk, das man in Marmor oder Bronze bewundert, zu durchlaufen hat. – Die Erinnerung an die vorzugsweise in Marmor schaffenden Bildhauer der Antike oder der Renaissance, nicht zum wenigsten auch der Name Bild„hauer“ selbst hat es zuwege gebracht, daß man sich den Jünger dieser Kunst stets mit Meißel und Hammer arbeitend denkt. Der Wirklichkeit entspricht das nicht. Es giebt vielmehr heutzutage manch einen Bildhauer, der kaum je einen Meißel in der Hand gehabt hat, und gewiß würden die meisten in Verlegenheit sein, wenn sie das, was sie erdacht und gebildet haben, nun auch selber in Stein umsetzen sollten.

Der Schwerpunkt des wirklich künstlerischen Schaffens liegt wie überall so auch hier im Hervorbringen, in der Gestaltung des innerlich Geschauten und Empfundenen. Da dies nur versuchend, ändernd und wieder versuchend geschehen kann, bis endlich der richtige Ausdruck gefunden ist, so braucht man natürlich zunächst ein Material, das dieser Arbeitsweise entgegenkommt, das jeden Fehler verbessern läßt und jede Abänderung gestattet. Man findet es im Modellierthon, einer grau, gelblich oder braun gefärbten fetten Erdart, von Laien nicht selten mit dem Glaserkitt – mit dem es nichts als eine äußere Aehnlichkeit gemein hat – verwechselt.

Die schmiegsam weiche und doch zugleich zähe Beschaffenheit dieses Stoffes, die durch beständiges Anfeuchten erhalten werden muß, giebt dem Künstler jede Freiheit in der Behandlung seiner Arbeit. Er kann beliebig wegnehmen und wieder hinzuthun, so oft er will.

Wie jeder andere schaffende Künstler beginnt auch der Bildhauer mit der Skizze. Sie hat nicht nur den Zweck, einen Gedanken festzuhalten – das würde schon eine gezeichnete thun, während wir es hier mit der modellierten zu thun haben – sie ermöglicht vielmehr auch, daß manches schon im Kleinen geändert wird, was im Großen nur mit vieler Mühe geschehen könnte: sie klärt und berichtigt die Vorstellung des Künstlers. Dieser wird dabei mehr andeutend als ausführend verfahren, im allgemeinen aber doch Stellung, Gewandung und Aehnliches an seinem Bildwerk soweit feststellen, daß er später nicht wesentlich davon abzuweichen braucht.

Ist das gethan, so kann er an die Ausführung im großen denken. Hier gilt es aber zunächst eine Schwierigkeit zu überwinden, die manchmal viel Kopfzerbrechen macht. Man denke sich, es sei eine überlebensgroße Figur mit frei ausgebreiteten Armen zu modellieren, und man wird begreifen, daß eine solche nicht ohne weiteres aus dem weichen und dabei schweren Thon aufzubauen ist. So muß denn zunächst für ein eisernes Gerüst gesorgt werden, stark genug, um eine Last von zwanzig bis dreißig Centnern zu tragen. Mit Hilfe genauer und mühevoller Berechnungen nach der Skizze wird dasselbe fertiggestellt, derart, daß eiserne Stäbe und, wo es angeht, starke Bleirohre, deren Biegsamkeit späteren Aenderungen besser entgegenkommt, dem Körper sammt den Extremitäten einen festen innern Halt geben. Damit aber der Thon nicht etwa durch seine Schwere am Gerüst herabrutsche, ist es noch nothwendig, überall an letzterem Bündel größerer und kleinerer Holzkreuze mit Drähten so anzubringen, daß er davon festgehalten wird. Unsere Abbildung Seite 434 zeigt uns die Fignr eines Christus mit ausgebreiteten Armen und daneben das entsprechende Gerüste mit den Holzkreuzen.

Sind sodann alle Eisentheile mit einem das Rosten verhütenden Lack überzogen, so steht das Ganze auf der Plinthe – einer starken Bohle, die ihrerseits auf einer Drehscheibe ruht – fertig zum Anfangen da. Der Künstler, dem die vielerlei nothwendigen Berechnungen schier den Kopf wirbelig gemacht haben, athmet endlich auf, greift zum wohldurchgearbeiteten Thon und „legt den Akt an“, d. h. zu deutsch, er beginnt mit der nackten Figur. Weil es besseren Anlaß zu verschiedenen Erklärungen giebt, wollen wir annehmen, er mache eine Gewandfigur. Da wird es denn vielen neu sein, daß, obgleich diese etwa einen faltenreichen Mantel tragen soll, zuvörderst doch der „Akt“, der nackte Körper, mit aller Sorgfalt durchgeführt wird. Künstlerische

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verschiedene: Die Gartenlaube (1892). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1892, Seite 433. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1892)_433.jpg&oldid=- (Version vom 7.4.2024)