Nachtgedanken

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Seite 274 des Bandes Neue Gedichte von 1844 mit dem Anfang von Nachtgedanken.

Nachtgedanken ist das vierundzwanzigste und abschließende Gedicht aus Heinrich Heines 1844 erschienenem Zyklus Zeitgedichte. Der berühmte Eingangsvers

„Denk ich an Deutschland in der Nacht, / Dann bin ich um den Schlaf gebracht“

ist zu einem geflügelten Wort geworden.

Beschreibung und Interpretation[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Heine verfasste das Gedicht in seinem Pariser Exil. Damals befanden sich die mitteleuropäischen Staaten in einer allgemeinen vorrevolutionären Situation, die unter anderem in Deutschland und Frankreich zu den Revolutionen von 1848 führen sollte. In den deutschen Ländern regte sich politischer Widerstand gegen das vom Wiener Kongress eingesetzte repressive Regime und die Kleinstaaterei.

In der ersten Strophe von Nachtgedanken schildert Heine als lyrisches Ich, dass der Gedanke an Deutschland bei ihm zu Schlaflosigkeit führe und es zum Weinen bringe. Überraschend folgt aber nun in den weiteren Strophen keine direkte Analyse der politischen Situation in Deutschland. Vielmehr befasst sich das Ich mit seiner alten, in Deutschland lebenden, geliebten Mutter, die es seit 12 Jahren nicht gesehen hat, und mit der es im Briefkontakt steht. Das Ich betet bei Gott für die Mutter um ein langes Leben. Das Land Deutschland nennt das Ich im Gegensatz zur Mutter in Worten, die als ironisierend gelten[1], „kerngesund“, „mit seinen Eichen, seinen Linden“; weiter heißt es:

„Nach Deutschland lechzt’ ich nicht so sehr,
Wenn nicht die Mutter dorten wär’;
Das Vaterland wird nie verderben,
Jedoch die alte Frau kann sterben.“

Dieser Gedanke kulminiert in der Erinnerung des Ich an, und Trauer ob der vielen geliebten Personen, die während seines zwölfjährigen Exils in der Heimat verstorben sind; ihm ist, „als wälzten sich die Leichen“ auf seiner Brust. Diese Vorstellung wird erst vertrieben, als morgens in Frankreich die Sonne aufgeht und die schöne Frau des Ichs erscheint und es anlächelt.

Obwohl Heine sich selbst nicht zu den Dichtern des Vormärz zählte, gilt Zeitgedichte als ein Werk dieser politisch-literarischen Strömung. Der Germanist Helmut Koopmann nimmt an, dass Heine in Paris vereinsamt sei: „am Rande sitzend, nicht mehr Teilhaber der Gesellschaft, sondern bestenfalls noch ihr Kritiker“. Nur aus dieser Situation eines Parias seien Werke wie Nachtgedanken und Deutschland. Ein Wintermärchen verständlich.[2]

Neuere Adaptionen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Phrase „Denk ich an Deutschland“ ist oft als Titel verwendet worden, so für Bücher, Aufsätze, Zeitungsartikel, die Fernsehspielreihe der ARD Denk ich an Deutschland … und die wöchentliche Sendereihe Denk ich an Deutschland im Deutschlandfunk. Mit dem Gedichttitel wurde u. a. die Reihe von Fernsehsendungen zum Sendeschluss Nachtgedanken mit Hans-Joachim Kulenkampff benannt.

Ausgabe[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Helmut Koopmann: „Nachtgedanken“, zu Heinrich Heines Gedicht „Denk ich an Deutschland in der Nacht“, in Internationale Hugo-Wolf-Akademie für Gesang, Dichtung, Liedkunst: Von Dichtung und Musik. Heinrich Heine, ein Lesebuch, Schneider, Tutzing 1995, Seite 39–61
  • Marcel Reich-Ranicki: Frankfurter Anthologie: Gedichte u. Interpretationen, Insel, Frankfurt 1976, Seite 117 ff.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wikisource: Nachtgedanken (Heine) – Quellen und Volltexte
  • Nachtgedanken im Heinrich-Heine-Portal
  • Heinrich Heine: Denk ich an Deutschland in der Nacht. In: Freiburger Anthologie - Lyrik und Lied. Archiviert vom Original am 6. Februar 2013; abgerufen am 29. April 2020.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Manfred Windfuhr: Anmerkungen zu Nachtgedanken@1@2Vorlage:Toter Link/www.lyrik-und-lied.de (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im Mai 2019. Suche in Webarchiven), in ders. (Hrsg.): Historisch-kritische Gesamtausgabe der Werke, Band 2, 1983, Seite 760
  2. Helmut Koopmann: Heimat, Fremde und Exil im 19. Jahrhundert, in Hans-Jörg Knobloch, Helmut Koopmann (Hrsg.): Das verschlafene 19. Jahrhundert?, Königshäuser & Neumann, 2005, Seite 33