Album der Poesien/Johanna Sebus

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor: Johann Wolfgang von Goethe
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Album der Poesien
Johanna Sebus
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 45, S. 737, 738
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1872
Verlag: Verlag von Ernst Keil
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite
[737]

Johanna Sebus.
Nach seinem Oelgemälde auf Holz übergezeichnet von R. Risse in Düsseldorf.

[738]

 Album der Poesien.

 Johanna Sebus.[1]

Der Damm zerreißt, das Feld erbraust,
Die Fluthen spülen, die Fläche saust.
      /kill @e„Ich trage Dich, Mutter, durch die Fluth,
      /kill @eNoch reicht sie nicht hoch, ich wate gut.“
      /kill @e„Auch uns bedenke, bedrängt wir sind,
      /kill @eDie Hausgenossen, drei arme Kind!
      /kill @eDie schwache Frau! … Du gehst davon.“ –
      /kill @eSie trägt die Mutter durch’s Wasser schon.
      /kill @e„Zum Bühle da rettet euch! harret derweil;
      /kill @eGleich kehr’ ich zurück, uns Allen ist Heil.
      /kill @eZum Bühl ist’s noch trocken und wenige Schritt;
      /kill @eDoch nehmt auch mir meine Ziege mit!“

Der Damm zerschmilzt, das Feld erbraust,
Die Fluthen wühlen, die Fläche saust.
      /kill @eSie setzt die Mutter auf sichres Land;
      /kill @eSchön Suschen gleich wieder zur Fluth gewandt.
      /kill @e„Wohin? Wohin? die Breite schwoll;
      /kill @eDes Wassers ist hüben und drüben voll.
      /kill @eVerwegen in’s Tiefe willst Du hinein!“
      /kill @e„Sie sollen und müssen gerettet sein!“

Der Damm verschwindet, die Welle braust,
Eine Meereswoge, sie schwankt und saust.
      /kill @eSchön Suschen schreitet gewohnten Steg,
      /kill @eUmströmt auch gleitet sie nicht vom Weg,
      /kill @eErreicht den Bühl und die Nachbarin;
      /kill @eDoch der und den Kindern kein Gewinn!

Der Damm verschwand, ein Meer erbraust’s,
Den kleinen Hügel im Kreis umsaust’s.
      /kill @eDa gähnet und wirbelt der schäumende Schlund
      /kill @eUnd ziehet die Frau mit den Kindern zu Grund;
      /kill @eDas Horn der Ziege faßt das ein’,
      /kill @eSo sollten sie Alle verloren sein!
      /kill @eSchön Suschen steht noch strack und gut:
      /kill @eWer rettet das junge, das edelste Blut!
      /kill @eSchön Suschen steht noch, wie ein Stern;
      /kill @eDoch alle Werber sind alle fern.
      /kill @eRings um sie her ist Wasserbahn,
      /kill @eKein Schifflein schwimmet zu ihr heran.
      /kill @eNoch einmal blickt sie zum Himmel hinauf,
      /kill @eDa nehmen die schmeichelnden Fluthen sie auf.

Kein Damm, kein Feld! Nur hier und dort
Bezeichnet ein Baum, ein Thurm den Ort,
      /kill @eBedeckt ist Alles mit Wasserschwall;
      /kill @eDoch Suschens Bild schwebt überall. –
      /kill @eDas Wasser sinkt, das Land erscheint,
      /kill @eUnd überall wird schön Suschen beweint. –
      /kill @eUnd dem sei, wer’s nicht singt und sagt,
      /kill @eIm Leben und Tod nicht nachgefragt!

 W. v. Goethe.


  1. Goethe selbst hat es der Nachwelt verkündet, daß es am 13. Januar 1809 war, wo eine siebenzehnjährige Jungfrau, die schöne Johanna Sebus aus dem Dorfe Brienen, ein Opfer ihres Heldenmuthes und ihrer Menschenliebe geworden. Als zu den Schrecken des Eisgangs im Rhein auch noch das Verderben durch den Dammbruch bei Cleverham hinzukam riss, rettete Johanna die Unglücklichen aus der Wassersnoth, bis sie selbst darin umkam. Das ist der Gegenstand unseres Bildes, vor dem man wieder recht schmerzlich an die Verirrung so vieler unserer Maler erinnert wird, die noch heute lieber in das Nebelgebiet der Heiligenlegende, als in das lebensvolle Buch unserer Volksgeschichte greifen, um sich die Stoffe für ihre Darstellungen zu suchen. Um so mehr freuen wir uns, daß unser Künstler mit gesundem deutschen Geist seine Wahl traf und mit seinem Bilde ein Werk lieferte von ebenso vollendeter technischer Durchführung, als geistiger Bedeutsamkeit. Auch wer das Auge nur auf die beiden Gesichter der Hauptgruppe wendet, die der Mutter und der Tochter, muß in jenem den vollen Ausdruck der Angst wie in diesem die Ruhe des Gottvertrauens und des Muthes bewundern. Wir wünschen diesem Werk recht viele ebenbürtige Nachfolger.
    D. Red.