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Aus der fränkischen Schweiz

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Autor: Bruno Florschütz
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Titel: Aus der fränkischen Schweiz
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aus: Die Gartenlaube, Heft 32, 33, S. 528–531, 536, 543–546
Herausgeber: Ernst Ziel
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1882
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[528]

Aus der fränkischen Schweiz.

Von B. Florschütz. Mit Abbildungen von R. Püttner.

Riesenburg. Adler-Steine. Sophien-Höhle. Rich. A. Püttner.

Uns grüßen seltsam geformte, phantastisch in den blauen Himmel emporragende Felsen, mächtige Steinwände, gespalten und zerklüftet, vielfach mit freundlichem Grün umkleidet und gekrönt von altersgrauen Burgen und Ruinen, die sich in krystallenen Wässern spiegeln – uns grüßen weite Felsdome in kühner und gigantischer Wölbung, wie von Riesenhänden erbaut, und dann wieder wunderbare Höhlen mit ihrem schauerlichen Dunkel, die tief hineindringen in das Innere der Berge und in gewaltigen Draperien ihre Stalaktiten über unsere Häupter gezogen haben. Wir sind in der fränkischen Schweiz, in jenem Eldorado für Alle, deren Herz empfänglich ist für romantische Naturschönheit, in jener unerschöpflichen Fundgrube für den Mann der Wissenschaft, der seltenen Pflanzen nachgeht oder den mannigfachen Fossilien, welche als stumme Zeugen längst untergegangener Entwickelungsperioden die Bergrücken bedecken, oder den mehr oder weniger versteinerten Knochen der großen Säugethiere, des gigantischen Mammuth, des furchtbaren Höhlenbären und -Löwen, welche um unberechenbare Zeiten später auf dem ursprünglich meerbedeckten Boden gewandelt und in längst verschollenen Vorzeiten wieder ausgestorben sind. Ist ja doch auch für den Anthropologen – besonders seit den epochemachenden Entdeckungen der menschlichen Höhlenwohnungen in den dortigen Flußthälern durch Herrn Dechanten Engelhardt – unser Terrain zu einem der wichtigsten und interessantesten Forschungsgebiete geworden. Aber man braucht nicht Gelehrter zu sein, der seinem Wissensdrange fröhnen will, oder ein Schwärmer für pittoreske Partien und zerfallene Burgen – schon der einfache Reiz des wirklich Schönen in der Natur, verbunden mit der herrlichsten Luft, welche durch die tiefen Thäler mit ihren saftigen Matten und ihren rauschenden, grünen Forellenbächen weht, muß jeden Besucher sich zum dauernden Freunde machen und hat schon manchen siechen Körper gekräftigt und manches umdüsterte Gemüth einem frohen und verständigen Leben wiedergegeben.

Die fränkische Schweiz bildet einen kleinen, zwischen Bayreuth und Erlangen gelegenen und durch seine Naturschönheiten wie wenig andere Gegenden Deutschlands ausgezeichneten Theil des in Baiern gelegenen fränkischen Jura, eines umfangreichen, nicht zu hohen Gebirgplateaus, welches in einem großen Bogen nach Osten bis in die Nähe Regensburgs sich erstreckt und nach Norden mit seinen äußersten, grotesk gestalteten Ausläufern am Main, an der coburger, der „sächsischen“ Grenze endet. Die bedeutendste Erhebung dieses nördlichen Endes, welches uns hier allein interessirt, hat eine Höhe von 530 Metern über dem Meere und ist im Allgemeinen von außerordentlicher Plattheit mit einzelnen Bergkuppen oder Buckeln, die nur wenig emporragen, aber meist mit den bizarrsten Felsbildungen bedeckt sind. Der porösen Natur des Gesteins nach ist das Plateau außerordentlich trocken und wasserarm. Ortsnamen, wie z. B. Dürrenwasserlos, deuten schon auf diesen Mangel hin, welchem die Einwohner der auf der Hochebene nur spärlich verstreuten Ortschaften durch die Anlage von Cisternen („Hülben“) abzuhelfen suchen. Trotzdem kann bei günstiger Witterung dem mit Steinen besäten Kalkboden eine vortreffliche Ernte abgewonnen werden, und habe ich auf weite Stunden hin [529] den herrlichsten Getreidestand angetroffen, während die Gegend selbst, welche nur selten zwischen den Aeckern und einzelnen Waldparzellen eine einsame weiße Capelle oder uralte vergessene Hünengräber erkennen läßt, einen verhältnißmäßig monotonen Eindruck hervorruft.

Das Bild ändert sich mit einem Schlage, sobald wir in eines der zahlreichen Thäler herabsteigen, welche, tief und scharf in die Hochebene eingeschnitten, das Auge sofort durch die Ueppigkeit ihrer Vegetation und besonders ihres Baumwuchses entzücken. Prächtige Nußbäume stehen zu dichten Hainen vereinigt in solcher Fülle und Schönheit der Entwickelung, wie sie wohl selten wo anders getroffen werden; sie bilden ein dichtes Laubdach über freundlichen kleinen Ortschaften, deren rothe Dächer durch die Blätter leuchten; kaum daß der goldene Knopf der Kirche die hohen Bäume überragt. Obstbäume werden in Masse cultivirt und drängen sich in Ueberfüllung und gegenseitiger Behinderung in den Gärten; ein kräftiger, üppiger Wiesenwuchs überkleidet den Boden, durch welchen eiligen Laufes krystallklare Gewässer rinnen, die vielleicht eben erst in auffällig starker, eiskalter Quelle dem Kalkgebirge entsprungen sind.

BLICK v. NEUDECK auf STREITBERG.       RUINE NEUDECK.
CURHAUS MUGGENDORF.

Rich. Püttner       Kaeseberg & Oertel. X. I.
Bilder aus der fränkischen Schweiz: Muggendorf und Umgebung.

An den oft geradezu senkrechten Thalwänden aber tritt überall der weißliche oder graugelbe Jurakalk zu Tage, in wunderbaren Zacken und Nadeln emporstarrend, oft genug hinter Haselstauden oder kleinen Föhren mancherlei Höhlen versteckend, wie sie die Bergwässer ausgenagt haben, Höhlen, denen der Urmensch der fränkischen Schweiz mit Feuer und Wasser nachgeholfen hat, um ihnen eine bequeme Rundung zu geben oder sich einen kunstlosen Herd zu gestalten.

Wer sich für dieses alte, uns nach Rasse und Zeit ganz unbekannte Völkchen interessirt, das dort gleichzeitig mit den Höhlenbären und anderen Bestien den Kampf um’s Dasein geführt hat, der achte nur auf den Lauf der Bäche und vorzugsweise auf den Ursprung der zahlreichen Quellen an denselben, und er wird überall an solchen wasserreichen Orten, an welchen gleichzeitig eine von der Höhe herabführende Schlucht oder Mulde dereinst dem Wilde die Möglichkeit gab, bequem zur Tränke herunterzusteigen, seitlich in den Felswänden in circa zwei Stockwerk Höhe sehr bald solche Wohnungen entdecken, klein oder groß, zum Oeftern, wie z. B. bei Treunitz, zu ganzen Dorfanlagen vereinigt, mit einer Feuerstelle, die außen nebenan in den Fels eingebrannt ist, oder aber mit einem auch heute meist noch offenen Zugloche im Innern, während der roh aus Steinen aufgebaute Herd unter dem mehrere Meter hohen Schutt und Mulm begraben liegt.

[530] Und will er wissen, mit was dereinst die Leutchen hantirten, um sich der wilden Thiere zu erwehren und sich Nahrung und Kleidung zu verschaffen, so gehe er zum Herrn Limmer nach Muggendorf! Der wird ihm gern sein hübsches Privatmuseum zeigen, in welchem zu Tausenden all die verschiedenen Geräthe, Waffen und Schmucksachen aufgespeichert liegen, die aus dem Boden dieser Höhlenwohnungen erhoben worden sind. Wir wandeln auf einem hochinteressanten vorgeschichtlichen Terrain, wie wir neben dem der Pfahlbauten kaum ein zweites von gleicher Bedeutung haben.

Je tiefer wir im Verlauf dieser Thäler herabsteigen und je mehr wir uns dem Centrum des Nordstockes des fränkischen Jura nähern, desto großartiger und romantischer gestaltet sich die Scenerie. Was uns früher Rand des Plateaus schien, entwickelt sich jetzt zu mächtigen Zinnen und Felsburgen, gewaltigen Thürmen und Domen, die aus einer Höhe von Hunderten von Fußen stolz zu uns herniederblicken.

Es ist der Dolomit, welcher, dem Jura aufgelagert, bei der leichten Verwitterbarkeit seines Steines diese wunderbaren Figuren bildet und der Gegend ihr specifisches Gepräge aufdrückt. Man muß selbst zwischen diesen Bildungen herumgeklettert sein, um einen Begriff von der unendlichen Verschiedenheit der abenteuerlichsten Formen und Gestaltungen zu gewinnen.

Vielfach hat sich mit ihnen die Volkspoesie beschäftigt und die Werke übermenschlicher Kraft in ihnen erblickt, und am interessantesten ist ihr Anblick, wenn sie auf ihrem Scheitel noch wirkliches Menschenwerk tragen in Gestalt kleiner Burgen oder verfallener Ruinen, deren graues Gemäuer mit dem alten Steine verwachsen scheint. Freilich beschäftigen sie auch zeitweilig die Baupolizei; denn gar nicht so selten, besonders im Frühjahr, rollen ganz hübsche Brocken aus der Höhe hernieder und bedrohen die ländlichen Wohnungen, ja häufig müssen gelockerte Partien, welche mit Sturz drohen, künstlich entfernt werden. Trotz dieser für das Ganze ja verschwindenden Verluste werden die imponirenden Massen noch lange Zeiten durchdauern und des Wanderers Herz stets mit neuem Staunen und Entzücken füllen. Interessant ist der Reichthum an Fossilien, die man auf ihnen findet und welche in seltenen Ammonshörnern, Belemniten, Korallen und anderen Producten des Seebodens Manchem schon zu einer schönen Sammlung verholfen haben; nicht minder auch die Flora, welche zwar keine Alpenrosen beut und in welcher das Edelweiß erst noch der künstlichen Anpflanzung harrt, die aber doch eine ganze Reihe subalpiner Formen, vom stolzen Apollo-Falter umgaukelt, aufweist, ganz abgesehen von der seltsamen Mückenpflanze und dem zierlichen Frauenschuh, jenen beiden Lieblingen des echten jurassischen Bodens. Auch mancher Opferplatz findet sich da oben und manche Wallburg mit regelmäßigen Steinhäufungen und Gräben, die noch des Studiums und der Beschreibung durch den Alterthumsforscher warten. Kurz überall, wohin unser Auge blickt, ist es anregend und schön, und wenn auch oft die Felsen über unseren Häuptern zusammenzustürzen scheinen oder in wildem Chaos ihre Trümmer über einander gehäuft haben, so vermissen wir doch nie den Reiz des Lieblichen, welcher gerade die fränkische Schweiz bei allen großen Eindrücken uns immer so anmuthig erscheinen läßt.

Der Schwarm der Touristen, der in die fränkische Schweiz gelangen will, benützt den Weg von der Station Forchheim, einer uralten Stadt und ursprünglichem Meierhof der Carolinger zwischen Bamberg und Erlangen, bei welcher die Wiesent in die Regnitz einmündet, über Ebermannstadt nach Streitberg und Muggendorf und gelangt auf diese Weise mit beguemer Fahrgelegenheit allerdings zu der schönsten Eintrittspforte, welche in die fränkische Schweiz leitet.

Lange schon haben die Berge zu beiden Seiten der Straße eine eigenthümliche Form angenommen; theils zeigen sie in fortlaufendem Zusammenhange nasenförmige Vorsprünge, welche weithin leuchtende Capellen tragen, theils heben sie sich einzeln, wie der Walburgisberg mit scharfgeschnittenem Sattel, aus der üppig-grünen, durch Schöpfräder im Flusse bewässerten Wiesenfläche. Allmählich aber rücken sie mehr und mehr zusammen.

Wie ein paar gewaltige Wächter begrüßen uns auf steiler Berghöhe zu beiden Seiten des Thales zwei stattliche Ruinen, in ihren Trümmern noch die Festigkeit und Größe der ursprünglichen Burgen verrathend. Weithin beherrschen sie die Gegend und bilden die romantischste Einfassung für den ersten Einblick in die seltsamen Gebirgsformationen der fränkischen Schweiz.

Die Burg links, in ihren Anlagen noch deutlich erkennbar und zum letzten Male im Jahre 1811 zerstört, ist Streitberg, eine Ritterburg aus altersgrauer Zeit, welche durch mancher Herren Hände gewandert ist; ihr gegenüber in imponirender Lage ragt die Ruine Neudeck mit drei hohen Thürmen und mancherlei Gemäuer, auf welchem jetzt Bäume und Sträucher sich im Winde wiegen, über das saftige Grün der Flur empor. Sie ist nicht jünger als ihr vis-à-vis und wurde in den Raubzügen des Markgrafen Albrecht Alcibiades zerstört, welchen auch damals die Burg Streitberg zum Opfer fiel. Sie bestand ursprünglich aus drei einzelnen festen Schlössern, deren Reste noch heute die umfangreichsten der ganzen Gegend sind und unter die schönsten Ruinen auf deutschem Boden gerechnet werden.

Am Fuße der Ruine Streitberg entfaltet sich in malerischer Umgebung das gleichnamige Dorf, dessen Häuser amphitheatralisch am Berge zwischen Obstgärten hingebaut sind. Es ist ein vielbesuchter, altrenommirter Luft- und Molkencurort unter vorzüglicher ärztlicher Leitung, umgeben von schönen Promenaden, welche zu interessanten Punkten führen, und mit mancherlei Höhlen in der Nähe. Auch das freundliche Muggendorf, zu dem wir nach einstündiger Wanderung von Streitberg aus gelangen, genießt seit einer Reihe von Jahren den wohlbegründeten Ruf eines vorzüglichen Curortes. Als einer der ältesten Orte im ganzen Lande, hat es jetzt wie all die verschiedenen Städtchen und Marktflecken, welchen wir auf unserem Wege begegnen, das Gepräge eines reinlichen, sauberen Landstädtchens mit freundlichen Häusern und freundlichen Menschen und dazu jenes eigenthümlich Anheimelnde, das leichter empfunden als definirt wird, uns aber den Aufenthalt in solchen Plätzen immer schwer vergessen läßt.

Zahlreiche Spaziergänge führen uns nach allen Richtungen, theils längs des Flusses, der krystallklar, aber mit empfindlicher, nicht für jeden Badenden verträglicher Frische und mit seinen pfeilgeschwinden Forellen an uns vorbei eilt, theils die Bergwände hinan zu den mannigfachsten Aussichtspunkten. In nächster Nähe befindet sich die im Jahre 1790 entdeckte Rosenmüllershöhle, welche wohl noch von keinem Besucher Müggendorfs unbesichtigt gelassen worden ist. Bequem zugänglich, aber nicht ohne Führer zu betreten, hat sie wohl nicht so viel Imponirendes und Erhebendes aufzuweisen, wie manche der anderen Höhlen, aber sie besitzt doch eine Höhe von über zwölf Meter und ist mit den prächtigsten Stalaktiten geschmückt, welche durch ihre wunderbaren Formen im Glanze des mitgebrachten Lichtes einen überraschenden, Staunen und Bewunderung gebietenden Eindruck machen. Sie ist mehr wie jede andere geeignet, dem Laien durch diese reichen, phantastischen Formen, welche durch niedertropfendes Wasser in steter Weiterbildung begriffen sind und als Stalaktiten von der Decke herab, als Stalagmiten vom Boden auf immer fortwachsen, einen deutlichen Begriff der Höhlenbildung im Jurakalk zu gewähren.

Ein anderer Ausflug, welcher, weil weiter, von Vielen unterlassen wird und doch höchst interessant ist, führt uns über die Wiesent auf prächtig beschatteten, leicht zugänglichen Wegen und in schönster Waldluft zu dem auf der Höhe des Plateaus links gelegenen Trainmeusel, einem kleinen und ärmlichen Dörfchen, wie die meisten oben auf der Höhe. In demselben wird uns der allerdings uralte Unterbau eines Bauernhauses als letzter Rest der Burg jenes famosen Raubritters Eppelin von Gailingen gezeigt, welcher dereinst den Nürnberger Kaufleuten das Leben so sauer machte und ihnen zu dem bekannten Sprüchwort: „Die Nürnberger hängen keinen nicht, sie hätten ihn denn zuvor“ verholfen hat. Doch wir kümmern uns nicht um diese alten, höchst unschönen und mehr als sagenhaften Mauertrümmer und lasten uns auch durch das Luftmalzbier, das Nationalgetränk, obgleich es an heißen Tagen herrlich mundet, zu keinem langen Aufenthalte in dem niedrigen, kleinfenstrigen Wirthshause verleiten; wir holen uns daselbst nur einen Führer und wandern mit diesem über das Dorf Wohlmannsgesees nach einem der interessantesten und geheimnißvollsten Orte, welche unser Vaterland bietet, nach dem Druidenhain. Der Name ist wohl von einem Alterthumsfreunde dem merkwürdigen Waldterrain gegeben worden, das wir am besten bei Sonnenuntergang betreten, wenn wir uns ganz seinem Einflusse hingeben wollen; denn uns ist nichts von einem heimischen Druidendienste bekannt, und finden sich auch keine alten Namen, die wir auf einen solchen deuten könnten. Und doch sagt uns der erste Blick, trotz der gegentheiligen Ansicht mancher Forscher, daß wir es in dem auffälligen Felsenaufbau, den wir in einem hohen [531] Fichtenhain vor uns sehen, nicht mit einem Naturspiele zu thun haben. Da ist nichts von den bizarren, ausgenagten und zu den abenteuerlichsten Figuren umgestalteten Felspyramiden oder den wüsten Trümmerhaufen, wie sie der Dolomit auf den benachbarten Höhen bietet, Formen, welche auf dem sogenannten Quackenschloß oberhalb der Baumfurter Mühle oder aus dem aussichtsreichen Adlerstein so mächtigen Eindruck hervorrufen – im Gegentheil: hier finden wir in strenger Ordnung und regelmäßig wie die Bänke in einer Kirche eine Menge großer, oblonger Felsblöcke in zwei Abtheilungen mit breitem Mittelgang und engen Zwischengängen aufgestellt, und alle, soweit es die Verwitterung zugelassen hat, von gleichmäßiger Gestalt und bankartigem Aussehen. Vor ihnen aber und etwas seitlich stehen zwei oder drei gewaltige viereckige Steine wie mächtige Altäre, ebenso mit Moos und Flechten überwuchert, wie die Bänke. Und wenn wir das Moos von den Steinen mit der Hand entfernen, so finden wir auf ihrer Oberfläche eine Anzahl größerer und kleinerer, sorgfältig in Stein ausgearbeiteter Näpfe, von denen die meisten einen schmalen Canal nach außen haben – uralte Opferschalen zum Auffangen des Blutes mit ihren Blutrinnen. Ueber dem Ganzen aber schließen sich, vergoldet vom letzten Sonnenstrahl, die Wipfel der hohen Föhren zu einem dichten Dome, während um die alten Steine mächtiger Epheu wuchert und in dichten Büscheln die Wedel des Farnkrautes zwischen den Felsen hervorsprossen.

Vor unserm inneren Auge aber belebt sich mit den ersten Schatten der Dämmerung die schweigende Steinmasse rings umher; im Flüstern des Abendwindes, der durch die Bäume fährt, hören wir murmelnde Stimmen, wie Götterbeschwörung, und die alten Priester sehen wir über die Altäre gebeugt, in dem Blute der eben geschlachteten Kriegsopfer den Willen der Unsterblichen zu lesen. Auf den Bänken aber sitzen die Männer des Stammes in schweigender Andacht, den funkelnden, kampffreudigen Blick auf das Antlitz der Priester geheftet, das Haar langhängend oder zum Knoten geschürzt, wie die eigenthümlichen Kopfringe der dortigen Gegend vermuthen lassen, bekleidet mit grobfelliger Gewandung, die Handgelenke geschmückt mit bronzenen Spangen, die Faust bewehrt mit der steinernen Streitaxt. Und lauter und lauter wird das Murmeln und Beschwören der Priester; sie sehen gute Zeichen im rinnenden Blute, und ihre Erregung theilt sich den Zuschauern mit, daß es lebendig wird auf allen Sitzen und heller Kampfruf ertönt, während über den rauschenden Gipfeln die schwarzen Vögel Wuotan’s ihre Kreise ziehen.

Der Führer mahnt uns zum Aufbruch und weckt uns aus den Träumen, die in der seltsamen Umgebung so nahe liegen; er erzählt uns nur noch, daß in dem großen Acker, über den mit mächtigem Absatz der Druidenhain sich erhebt, mächtige Lagen von Asche und mancherlei Scherben aufgefunden wurden. Wimmelt es doch ringsum von den Resten der vorgeschichtlichen Bewohner, die nach den Höhlenmenschen unten in den Thälern da oben ihre Grabhügel geschichtet haben und den Göttern ihre Opfer brachten.

Muggendorf ist vermöge seiner günstigen Lage zum Hauptquartier der vielen Fremden geworden, welche von ihm aus das schöne Gebirgsländchen vom Frühjahr bis in den Herbst hinein nach allen Richtungen durchstreifen. Wir folgen, die Wiesent aufwärts, welche mittelst zahlreicher großer Schöpf-(„Schlupf“-)räder das immer mehr sich verengende Thal bewässert, zwischen den gegen 120 Meter hohen, vielfach bewaldeten Bergwänden der bequemen Fahrstraße, um Gößweinstein aufzusuchen, können uns aber nicht versagen, auf nahezu halbem Wege rechts abzubiegen nach Burg-Gailenreuth mit seinem noch leidlich erhaltenen Schlosse und dem dabei liegenden Windisch-Gailenreuth, um der weltberühmten Gailenreuther- oder Zoolithenhöhle unsern Besuch abzustatten.

Dieselbe ist in Betreff ihrer terrassenförmigen Bildung, besonders aber durch ihre außerordentliche Reichhaltigkeit an fossilen Resten eine der merkwürdigsten, ja in letzter Hinsicht vielleicht die bedeutendste Höhle der ganzen Welt. Noch heute lange nicht erschöpft, barg sie in ungezählten Massen die Skelettheile jener längst ausgestorbenen Thiere, welche das Volk gemeinhin als vorsündfluthlich zu bezeichnen pflegt, und hat fast alle Museen der Erde mit ihren Funden bereichert.

Gegenwärtig ist hier, wie in der Sophienhöhle, mit dankenswerther Aufmerksamkeit dafür Sorge getragen worden, daß keine weiteren Verschleppungen stattfinden und die noch vorhandenen Reste erhalten bleiben. Die Gailenreuther Höhle hat nicht weniger als sechs Abtheilungen, von denen die zweite vierzig Meter lang und zehn Meter breit ist; zur vierten muß man mittelst einer Leiter sechs Meter tief hinabsteigen, und ragen in ihr die fossilen Knochen aus den Wänden hervor. In der nächsten Abtheilung fand man nicht weniger als 180 ganze Köpfe, zumeist vom furchtbaren Höhlenbären, dessen Unterkiefer mit abgebrochenen Winkeln eine hauptsächliche Waffe für den damaligen Menschen bildete, und hat man zur sechsten und letzten gleich ausgestatteten Abtheilung wieder sechs Meter hinabzusteigen. In der Nähe befindet sich ferner eine ganze Folge von Höhlen, welche zum Theil noch der Erforschung bedürfen, wie denn überhaupt jedes Jahr neue Höhlen, wenn auch meistens kleineren Umfanges, aber fast ausnahmslos mit Thierresten oder den Spuren menschlicher Thätigkeit entdeckt werden.

Das Schloß Gößweinstein, auf steilem Felsen liegend und weithin leuchtend – beherrscht es doch vier Thäler – wird schon in einer Urkunde des Kaisers Friedrich des Ersten von 1160 als Besitzung des Hochstiftes Bamberg erwähnt. 1526 zerstört, wurde es 1767 zum Amtssitz erhoben und ist jetzt, in Privatbesitz übergegangen, durch einen guten Fahrweg leicht zugänglich, abgesehen von den schönen königlichen Anlagen im Staatswalde, welche im Zickzack heraufführen. Die Aussicht von demselben gehört zu den schönsten und umfassendsten der fränkischen Schweiz. Der Markt Gößweinstein, unterhalb des Schlosses gelegen und hübsch und sauber wie Muggendorf, ist bekannt durch seine weither besuchte, geschmackvoll gebaute, wenn auch im Innern etwas überladene Wallfahrtskirche zur Heiligen Dreieinigkeit und ist weiter interessant durch sein Wasserwerk, welches am Fuße des schroffen Felsens, auf welchem Markt und Schloß liegen, bei der Stämpfer- oder Dreiquellenmühle in ausgedehnter Röhrleitung das Quellwasser auf die Höhe hinauftreibt.

Dicht oberhalb des Gößweinsteiner Berges, im Centrum jener sich vereinigenden Thäler, liegt Behringermühle, ein kleines Dorf, von dem man am besten zu der bekannten Riesenburg gelangt. Sie zeigt die größten Felsbogen mit mächtigen Säulen und Thoren, welche letztere in eine geräumige Höhle mit weit vorspringendem Dache führen und durch ihre großartige Anlage wirklich von überwältigender Wirkung sind.

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R.P.       GÖSSWEINSTEIN v. d. Kegelbahn aus       Kae. & Oe. X. I.
Bilder aus der fränkischen Schweiz: Gößweinstein.
Originalzeichnung von R. Püttner.

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Autor: B. Florschütz
Titel: Aus der fränkischen Schweiz
aus: Die Gartenlaube 1882, Heft 33, S. 543–546

[543] Das Schotterthal, in welchem wir zuletzt die Riesenburg ausgesucht haben, führt bis zur Einmündung des Aufsees in die Wiesent bei dem lauschig liegenden Wirthshause Doos, mit schönem Wasserfall; von da ab nimmt das Wiesentthal einen immer düstereren und wilderen Charakter an. Auf seinen linken Abhängen meist schroff-felsig und kahl, auf den rechten theils mit Laub-, theils mit Nadelholz bewachsen, wird es immer enger und geschlossener; ja zeitweilig scheinen gewaltige Felsvorsprünge das Thal ganz zu verschließen. Es wird von hier ab das Rabenecker Thal genannt und leitet uns in einer kleinen Stunde zwischen wüsten, dunklen Trümmermassen hindurch zu der auf hochromantischen, vielfach zerspaltenen Felszinnen liegenden Burg Rabeneck, welche wie kaum eine andere dem Berge selbst entsprossen und mit seinem Gesteine verwachsen erscheint. Der Blick auf die ebenfalls aus den [544] grauesten Zeiten stammende Burg ist am schönsten von der Brücke, welche bei Dorf Rabeneck über die Wiesent hinüberführt; sie wurde im Bauernkrieg zerstört und ist nur theilweise wieder wohnlich hergestellt worden.

RABENECK. WAISCHENFELD. DOOS.
Bilder aus der fränkischen Schweiz: Im Rabenecker Thal.

Bilder aus der fränkischen Schweiz: Pottenstein.

Von Rabeneck aufwärts gelangen wir zu dem mit Thürmen und Mauerresten umgebenen Städtchen Waischenfeld; es liegt bereits hoch und in rauher Gegend. Lange noch haben uns die ragenden Firsten und Trümmer von Rabeneck begleitet, und viele Touristen sagen ihnen hier mitsammt der fränkischen Schweiz Lebewohl, um nach Bayreuth zu fahren, obgleich die Umgegend dort noch manchen interessanten Punkt bietet. Viele Grabhügel mit höchst bemerkenswerthen Funden sind in den letzten Jahren dort aufgedeckt worden. Wir kehren daher nach Gößweinstein zurück; denn wir haben noch mehr und noch manches Schöne in Augenschein zu nehmen.

Unser nächster Besuch gilt dem Städtchen Pottenstein, einem freundlichen Orte von 1000 Einwohnern in so eigenthümlich romantischer Anlage, wie eine solche eben nur durch den absonderlichen Gebirgscharakter der fränkischen Schweiz geschaffen werden konnte. Von der Höhe einer Capelle herab erblicken wir, nachdem auf der vielleicht anderthalbstündigen Wanderung uns lange noch herrliche Rückblicke auf Gößweinstein und seine Felsen entzückt haben, plötzlich zu unseren Füßen einen herrlichen Thalkessel, umschlossen von den tausendfachzerklüfteten Steinwänden unbewachsener Berghöhen. Steil und ganz isolirt ragt zwischen diesen eine schroffe, vielgestaltige Klippe in die Höhe mit den Resten der Burg Pottenstein auf dem stolzen Scheitel, die, in neuester Zeit restaurirt, trutzig niederblickt auf das Städtchen mit seinen alten, aber reinlichen Gebäuden, welche in dichtgedrängten Reihen das Thal füllen, durchströmt von der forellenreichen, der Wiesent zurauschenden Püttlach und vom saftigen Grün der Bäume und Gärtchen umgeben. Es ist ein in seiner Weise wohl unvergleichliches Bild, in welchem Romantik und Idylle sich zu einem zwar engumrahmten, aber höchst wohlthuenden Ganzen vereinigen. 367 Stufen führen von der Stadt hinauf zu dem alten Schlosse, das einst im Besitze der Babenburger gewesen und ursprünglich Albuinstein hieß, bis es um’s Jahr 1100 nach einem Pfalzgrafen Botho Bottenstein, jetzt Pottenstein, genannt wurde. Die grauen Mauern haben mehr erfahren, als manche Burg in der Nähe; sie sind in den verschiedenen Kriegsläuften, die das Land über sich ergehen lassen mußte, wohl vier- bis fünfmal „ausgeflammt“ worden. Unter den mannigfachen Höhlen der Umgebung dürften die Teufelslöcher im Schotterthale, einem Seitentheile des Püttlacherthales, am bekanntesten sein, von welchen das große Teufelsloch bei einer Höhe von 18 Metern eine Länge von 105 Metern erreicht und durch den prächtigen grünen Widerschein berühmt ist, den sein hohes, unter einem Felsvorsprunge geöffnetes Portal hervorruft, wenn die Nachmittagsonne auf den Matten und Wiesengründen liegt. Ebenso in größerer Nähe des Städtchens das Haselloch, welches sich als Wohnstätte von Höhlenmenschen erwiesen hat. Ein großes Renommée in letzterer Hinsicht hat für den Alterthumsforscher der Fockenstein, ein nordwestlich von Pottenstein auf einem Bergrücken gelegener und bei einer Länge von zwanzig Meter theilweise über fünf Meter vorspringender Fels, welcher den inzwischen an verschiedenen anderen Stellen wiederholten Beweis liefert, daß in der Urzeit nicht blos ausgebildete Höhlen, sondern auch schon einfache schutzdachartig vorragende [545] Felsbänke Veranlassung zu menschlichen Niederlassungen gegeben haben. Die unter dem Fockenstein durch Herrn Rösch vorgenommenen Ausgrabungen haben durch die große Reichhaltigkeit ihrer Funde dem Platze ein dauerndes Andenken erworben.

KLAUSTEIN.0 EINGANG z. Sophien-Höhle.

Bilder aus der fränkischen Schweiz: Rabenstein.

Bilder aus der fränkischen Schweiz: Wolfsberg, Egloffstein und Hipoltstein.

Die Fundgegenstände bestehen aus Scherben zerbrochener Thongeschirre, Steinhämmern, Splittern und Bruchstücken von Feuerstein oder ähnlichem Materiale sowie aus knöchernen Werkzeugen und Waffen oder Geweihstücken, abgesehen von den großen Massen von Asche, Kohle und zerschlagenen Thierknochen, als Ueberbleibsel von Mahlzeiten. Alle diese einfachen Werke der menschlichen Hand tragen den Typus der ältesten Zeit zur Schau, besonders die Gefäße, welche aus Thon mit Quarzsand oder Dolomitbröckchen vermengt aus freier Hand geformt und im offenen Feuer äußerst ungenügend gebrannt sind. Doch sind auch Scherben aus feinem Thon mit Glättung und mit Graphitüberzug nicht selten. Sehr häufig weisen sie Verzierungen auf, die in der Mehrzahl der Fälle mittelst der Fingerspitzen und der Nägel hervorgebracht sind. Die Steinbeile und -keile sind vorwiegend roh zugeschlagen, seltener geschliffen, Messer, Pfeilspitzen etc. aus Feuerstein oft mit großer Kunst zurecht geklopft. Am meisten imponiren die Werkzeuge aus Hirschhorn oder Knochen, welche in solcher Menge und Mannigfaltigkeit selbst nicht in den ergiebigsten, ihnen nahe verwandten Pfahlbaufunden erreicht werden, diese vielmehr oft noch durch ihre fast künstlerische Ausführung übertreffen. Pfeilspitzen, Harpunen und Angelhaken der verschiedensten Form deuten auf Jagd und Fischerei als Hauptnahrungsquelle unserer Höhlenbewohner; Messer zum Zerschneiden des Leders, spitze Knochenpfriemen, grobe Nadeln aus Hirschhorn mit Oehr oder Einschnitt zum Umbinden des Fadens, sowie zahlreiche Schabinstrumente aus Stein oder Knochen lassen erkennen, daß eine künstliche Bearbeitung der Felle zu Bekleidungszwecken stattgefunden; die überall vorkommenden Spinnwirtel aus gebranntem Thon, oft mit recht gefälligen Verzierungen, häkelnadelartige Instrumente, Webegewichte und andere Gegenstände lehren uns, daß Spinnen und Weben fleißig geübt wurde, während Schmuck-Gegenstände, als Knochen- und Thonperlen und durchbohrte Thierzähne, schon auf das Bedürfniß eines gewissen leiblichen Schmuckes hinweisen.

Oft genug freilich finden sich in den tiefsten Schichten der Feuerplätze oder in entlegenen Höhlen neben rohesten Steinwaffen nur die zerschlagenen Knochen des Auerochsen als primitivste, aber stahlharte Werkzeuge. Im Allgemeinen müssen wir annehmen, daß das Völkchen, welches hier sein Wesen getrieben, sich auf einer Culturstufe befunden oder richtiger eine solche sich errungen hat, wie sie heute noch von hochnordischen, uncivilisirten Völkern, z. B. den Tschuktschen nach den classischen Schilderungen Nordenskiöld’s, eingenommen wird, und es muß gewiß auf jeden Denkenden einen eigenthümlichen und höchst anregenden Eindruck hervorrufen, an einer Stätte zu weilen, an welcher diese ersten ansässigen Menschen mit den ersten Anfängen einer Cultur ihr rauhes, kampfreiches Leben abgesponnen haben, während in kaum fünfzehn Minuten Entfernung sich das freundliche Städtchen vor seinen Augen ausbreitet mit allem Ringen und Streben des neunzehnten Jahrhunderts, und ihm selbst ein kurzer Gang nach dem Telegraphenbureau genügt, um mit der Geschwindigkeit des Blitzes seine Grüße in die vielleicht ferne Heimath zu senden. [546] Nachdem wir uns in Pottenstein an einem schmackhaften Gericht Forellen und ebensolchem Biere gelabt, wandern wir durch das hochromantische Püttlachthal nach dem Orte Tüchersfeld. Dieses Thal leistet an bizarrem Aufbau seiner Felsenmassen das Denkbarste und bietet dem Maler und dem Naturfreunde die reichsten, stets wechselnden Motive, die man von verschiedenen Ruhebänken aus mit aller Muße und nach verschiedensten Richtungen bewundern kann. Am merkwürdigsten gruppiren sich die Felsen in Tüchersfeld selbst. Zumal zwei hohe Kegel sind bemerkenswerth, welche einst mit Burgen bestanden waren, und zwischen welche hinein die Leute ihre Häuser gesetzt haben, während andere gleichsam den Felsen hinankriechen und sich mit Bäumen und Strauchwerk auf den Vorsprüngen des Gesteins höchst seltsam ausnehmen. Wer jemals das Dorf besucht hat, wird in dem einen unserer Bilder (vergl. S. 552) diese Tüchersfelder Partie sofort erkannt haben. Einen hübschen Hintergrund erhält der durch diese Gruppirung höchst eigenartige Ort durch das ein Stündchen entfernte, felsenumgebene Dorf Kohlstein mit Schloß und Kirche.

Bei dem oben erwähnten Dorfe Behringersmühle, zu welchem wir inzwischen zurückgekehrt sind, mündet der Ailsbach in die Püttlach, kurz ehe sich letztere mit der Wiesent vereinigt. Folgen wir diesem Bache thalaufwärts, so gelangen wir nach einer für unser durch Tüchersfeld verwöhntes Auge etwas monoton erscheinenden Wanderung in das wildromantische Rabensteiner Thal, so genannt nach dem uralten, theils in Trümmern liegenden, theils restaurirten Schlosse Rabenstein (nicht mit Rabeneck bei Waischenfels zu verwechseln), das auf 150 Fuß hohem, vielfach geborstenem und in chaotischer Trümmermasse abstürzendem Felsriffe gelegen ist. Am bekanntesten ist Rabenstein, welches eine reiche Sammlung von Petrefacten der Juraformation sowie fossilen Thierknochen besitzt, durch die in nächster Nähe befindliche und mit dem Schlosse durch gefällige Anlagen verbundene Sophienhöhle, die zweite bedeutendste Zoolithenhöhle der fränkischen Schweiz.

Dieselbe hat eine Länge von nicht weniger als 440 Metern, prachtvolle Stalaktiten, welche Decken und Wände in den verschiedensten Formen bekleiden und am günstigsten sich bei Beleuchtung mit Magnesiumdraht präsentiren, sowie einen außerordentlichen Reichthum an Knochenüberresten der ausgestorbenen Thiere. Ein großer Theil derselben ist bereits entfernt; der Rest wird sorgsam gehütet, und besondere Werthstücke werden unter Drahtverschluß gehalten. Die Höhle, eine Sehenswürdigkeit ersten Ranges, um welche sich der Besitzer im Interesse des besuchenden Publicums bedeutende Verdienste erworben hat, wurde im Jahre 1833 entdeckt, nachdem eine vor ihr befindliche kleine, die Klaussteinhöhle, welche früher mit ihr durch einen schmalen Felsspalt verbunden war und jetzt ihren Eingang bildet, bereits im vorigen Jahrhundert aufgefunden worden ist.

Seitwärts von Gößweinstein befinden sich ebenfalls verschiedene interessante Punkte, welche freilich, weil etwas weiter entlegen, von der Mehrzahl der Touristen außer Acht gelassen werden, obgleich sie an pittoresker Schönheit sich vielen der bisher erwähnten Burgen und Felspartien würdig an die Seite stellen können. Es sind dies unter Anderem Schloß Egloffstein und Burg Wolfsberg, beide im Thale der Trubach gelegen, welche unsern von Ebermannstadt bei Pretzfeld ihre Wasser mit denen der Wiesent vereinigt. Schloß Egloffstein, Stammsitz der noch heute blühenden Grafen und Freiherren von Egloffstein, ist ein stattlicher und wohlerhaltener Bau in imponirender Lage; Wolfsberg hingegen, ein Stündchen weiter thalaufwärts, blickt mit öden Fensterhöhlen und längst gebrochenen, gras- und strauchbewachsenen Mauern in düsterem Ernste auf das gleichnamige Dörfchen zu seinen Füßen.

Auf dem Plateau aber, das sich zwischen dem Thale der Trubach und dem Muggendorfer Wiesentthale ausdehnt, in annähernd gleicher Entfernung von Gößweinstein wie von Wolfsberg, erhebt sich der höchste und umfassendste Aussichtspunkt der fränkischen Schweiz, der Wichsenstein, den jeder Reisende aufsuchen sollte und mit welchem wir unsere Wanderung beschließen wollen. Er ist ein steiler und schroffer Felskegel, der mitten aus dem Dorfe Wichsenstein aufsteigt und auf seinen kühn emporstrebenden Zinnen in früheren Jahren ebenfalls ein Schloß getragen haben soll, weshalb ihn die Ortsbewohner nach heute den Schloßberg nennen. Er ist durch Treppenanlagen ohne große Schwierigkeit zu besteigen und giebt uns einen Ueberblick über die weite Gegend, welche wir bisher durchstreift haben, mit all ihren Eigenthümlichkeiten und ihrer Romantik. Ragende, seltsame Felsen mit gähnenden Schluchten daneben, ist denen unter dunklen Föhren die Wasser rauschen, leuchtende Schlösser auf hoher Warte, graue Ruinen, in den grünen Thälern aber und auf den sonnigen Matten der Bergabhänge Dorf an Dorf und Ort an Ort im Kranze ihrer Obstgärten, überall frisches junges Leben und überall Reste der dunkelsten Vergangenheit – so liegt die ganze fränkische Schweiz vor unseren Augen, ein liebes unvergeßliches Bild, zu dem die fernen Berge des Steiger- und Thüringerwaldes, das Fichtelgebirge und die oberpfälzer Bergzüge den abschließenden, duftigblauen Rahmen bildend.[1]

Sinnig hat unser Künstler einen Strauß von Wald- und Wiesenblumen vor seinem Bilde vom Wichsenstein niedergelegt – auch wir nehmen einen Strauß mit von hinnen, indem wir jetzt unsere Schritte der Heimath zuwenden, einen Strauß der schönsten Eindrücke und tiefsten Anregungen, wie ihn wohl kaum ein anderes Fleckchen deutscher Erde ist gleicher Herrlichkeit und Fülle auf so engem Raume uns binden kann.

  1. Für Touristen, welche die fränkische Schweiz besuchen wollen, dürfte unter den neueren Reisehandbüchern Band 53 von „Grieben's Reisebibliothek“ besonders zu empfehlen sein.