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Berlin am 22. März 1887

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Textdaten
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Autor: Hermann Heiberg
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Titel: Berlin am 22. März 1887
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 16, S. 266–267
Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1887
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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Berlin am 22. März 1887.

Stimmungsbild von Hermann Heiberg.

Zweitausend Fackeln der Studirenden hatten geflammt durch die Nacht am 21. März, dem Vorfeiertage zu des greisen Kaiser Wilhelm’s neunzigstem Geburtstage. Und endlos war auch am folgenden Morgen die Zahl der Reiter und blumengeschmückten Wagen mit ihren Insassen im „Wichs“, und hoch hielten die Chargirten in ihren Händen die rothen, gelben und blauen Korps- und Burschenschaftsfahnen, die in die Luft hinausflatterten zur Ehre des in der Geschichte denkwürdigen Tages. – Es war gegen elf Uhr, als ich, den Equipagen und Stephan’s berittenen Postillonen folgend, meinen fast seit einer Stunde eingenommenen Standpunkt am Kupfergraben verließ. Ich schlug einen kürzeren Weg nach den Linden ein, um gleich den Uebrigen [265] Kirchthürmen auf dem Gendarmenmarkte hingen silberhelle elektrische Glocken, und die Häuser und monumentalen Bauten, das Kaiserpalais, die Akademie der Künste, das Denkmal Friedrich des Großen unter den Linden, die Gebäude der Friedrichstraße, der Leipzigerstraße, der großen nahegelegenen Plätze, der Voßstraße versanken in brennendem Licht und lichtvollen Farben.

Und in den Straßen, trotz des Regens, der gegen Nachmittag seine ersten Spuren zeigte, wälzte sich eine halbe Million Menschen. Die Stadtbahnhöfe glichen Jahrmarktsplätzen; das kam und ging und rief und stieß, und hoch oben brausten die Eisenbahnzüge vorüber, wie Schlangen mit hundert glühenden Augen, und drunten hielten stockend – wie am Alexanderplatz und an der Siegesallee – Tausende von Droschken, angefüllt mit Neugierigen.

Aber auch die großen und kleinen Straßen der Metropole hatten dieses strahlende Lichtgewand angelegt. Selbst aus dem kleinsten Keller drang ein Flämmchen hervor.

Und die unzähligen öffentlichen Lokale, die Restaurants, die Cafés, waren vollgepfropft mit Menschen; Korporationen, Gilden, Gesellschaften, Vereine feierten besondere Feste in den Hôtels, den Klubs und Gesellschaftshäusern. Die reichste Fülle des Frohsinns war über Berlin gekommen am 22. März 1887, und bis in die späte Nacht pilgerte die Bevölkerung zu des gefeierten Kaisers Palais, aus dessen Fenstern das Licht, das Gold und Roth der Tapeten, die glitzernden Flammen der Kandelaber in vornehmer Schönheit herausdrangen.

Und oft am Tage erschien der große, greise Held, umgeben oder soeben beglückwünscht von Fürsten und Herren des Hofstaats, – aufrecht, gütig, milde – nie ermüdet – ein erhabener Riese an Kraft und Frische – und freundlich herabgrüßend zu seinem Volke, das ihn, welcher Parteistellung auch angehörend, verehrt und bewundert wegen seiner ruhmvollen Thaten und großen menschlichen Tugenden!