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Beschreibung des Oberamts Nürtingen/Kapitel B 28

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28. Unter-Ensingen,

evangelisches Pfarrdorf, Gemeinde III. Cl. nebst einer einzeln stehenden Mühle, mit 970 Einwohnern (darunter 3 kath. Filialisten von Unter-Boihingen), 13/8 Stunden nördlich von Nürtingen am linken Neckarufer und an der Vicinalstraße nach Köngen und Eßlingen. – Theils im Neckarthal, theils auf der flachen Abdachung der Filderhöhen breitet sich die Markung dieser Gemeinde aus, deren Boden von sehr verschiedener Beschaffenheit, theils schwer und mitunter steinig, aber ergiebig für Dinkel, Gerste und Sommerweizen, theils aber auch leicht, kalt und naß ist und vieler Besserung bedarf. Im Ganzen ist der Feldertrag nicht sonderlich hoch; es gibt Güter, die fast gar keinen Werth haben. Gleichwohl wird, da Unter-Ensingen eine ansehnliche Ackerfläche besitzt, Getreide für den auswärtigen Verkauf gewonnen. Hanf wird ziemlich viel, weniger Flachs gebaut. Die Wiesen sind (mit Ausnahme der nassen einmädigen und der mit Kies bedeckten) gut und ergiebig, liefern aber nur den örtlichen Bedarf. Der höchste Preis eines Morgen Ackers und eines Morgen Wiese ist 800 fl., der niedrigste 80 fl. Der Weinbau ist sehr gering und ganz in Abnahme, da man die Weinberge mit mehr Vortheil zum Kleebau und für die Obstcultur benützt. Diese letztere, besonders die Kernobstzucht ist, wenngleich häufig durch die Fröste und Nebel des Neckarthals gefährdet, sehr ausgedehnt und ertragreich. Schon vor etwa 50 Jahren hat die Communverwaltung (der damalige thätige Schultheiß Siegle) den großen Gemeindewasen am Neckar mit Obstbäumen bepflanzt, die noch immer vermehrt werden. Diese Baumanlage ist eine der schönsten, die man sehen kann. Sie kann in guten Jahren 8000 Simri, meistens Äpfel ertragen, welche theils für Rechnung der Gemeindekasse verkauft, theils unter die Bürger vertheilt werden. – Hinsichtlich der Rindviehzucht gilt das vorhin bei Unter-Boihingen bemerkte; es wird ziemlich viel Vieh auswärts verkauft. Schafhalter gibt es einige, doch ist dieser Zweig der Viehzucht auch hier in Abnahme. Pferdezucht beschäftigt einige der vermöglicheren Bürger.

Die Einwohner, ein wohlgebildeter und kräftiger Menschenschlag, werden als arbeitsam und sehr mäßig geschildert.[1] Der | Branntweingenuß ist hier weniger allgemein, als in so vielen andern Orten. Die ökonomischen Umstände gehören zu den besseren im Oberamte; es gibt einige vermögliche Güterbesitzer, aber doch auch gegen dreißig arme Familien. Die Gewerbtreibenden sind meistens Lohnweber und wandernde Maurer; auch wird einiger Kleinhandel mit Viktualien getrieben. Unter den Nebenbeschäftigungen der Armen nennt man das Sammeln der in der Gegend häufigen Camillen für die Apotheken. Der Ort hat zwei Schildwirthschaften, eine oberhalb des Dorfes am Neckar gelegene schöne und große Mahlmühle und ein Gemeindebackhaus.

Dem Gemeindevermögen haben die oben erwähnten Neckarbauten der letzten Jahre sehr empfindliche Opfer auferlegt. Neben dem Schafweide-Pacht (jährlich 200 fl.) bezieht die Commune aus dem Gras- und Obst-Ertrag des Wasen eine namhafte Revenue, in guten Jahren von etwa 1500 fl. Auch besitzt sie einen schönen Laubwald von 220 Morgen und ungefähr 5 Morgen Nadelholz. Das Stiftungsvermögen ist durch die Wiederherstellung des Thurms, gegen succesive Erstattung von der Gemeinde, stark angegriffen worden. Die Armenstiftungen sind mit einem Capital von 2550 fl., als Antheil an der Nürtinger Hospital-Stiftung, bereichert worden. – Sämmtliche Zehnten, und zwar den kleinen für die 1835 verwandelte Pfarrstelle, bezieht der Staat. Ein Theil des Großzehnten rührt von dem Kloster Adelberg. Das Kloster Salmannsweiler hatte hier drittheilige Höfe, deren Güter noch jetzt zur Hälfte der Meßnerei (im Betrag von 70 fl.) zehnten. Das Fischrecht ist Eigenthum der hiesigen Fischer und zinst dem Staat.

Das Dorf hat eine schöne Lage, theils im Thal der Straße nach Köngen entlang, theils an und auf einer Anhöhe, von welcher eine reizende Aussicht sich darbietet, ist ziemlich weitläuftig gebaut und hat neben manchen armseligen Wohnungen auch einzelne stattliche, von Wohlhabenheit zeugende Häuser. Die öffentlichen Gebäude sind sämmtlich hoch gelegen. Die von dem Begräbnißplatz umgebene Kirche ist vielfältig erneuert, namentlich | 1793 bis 95, daher in ihrer ursprünglichen Struktur nicht sicher zu erkennen, was besonders vom Chor gilt. Sie ist etwas zu klein, hat aber ein gutes Ansehen von Außen, und ist bei ihrer hohen Lage mit dem ansehnlichen Thurm eine Zierde der Gegend. Im Jahr 1839 beschädigte ein Blitzstrahl die Kirche und zerschmetterte den obern Theil des Thurms, worauf derselbe mit Geschmack wiederhergestellt wurde. Die Baulast der Kirche ruht auf dem Ortsheiligen; die des Pfarrhauses, das durch seine schöne Lage sich auszeichnet, trägt der Staat. Rathhaus und Schulhaus sind in gutem Stande. Die Schule wird von einem Lehrer und einem Lehrgehülfen versehen. Eine Industrieschule besteht, eine Kleinkinderbewahranstalt aber hat noch keinen Anklang gefunden. Der Ort wird durch 4 Röhrbrunnen mit gutem Trinkwasser reichlich versorgt.

Kloster Salmannsweiler erkaufte Güter in Ensingen und Köngen am 8. Juni 1294 von Hugo de Grubingin dictus de Austria, einem Dienstmann Graf Alberts von Löwenstein (natürlichen Sohnes des K. Rudolfs). Adelberg hatte hier einen Klosterhof, der in der Nähe der Kirche stand; auf seinen Grundmauern stehen jetzt Bauernwohnungen. – Die Römerstraße nach Köngen zog 1/4 Stunde westlich am Ort vorüber; sie ist zum Theil noch an der Benennung Heerweg und Eßlinger Weg kenntlich. In ihrer Nähe hat man schon Scherben, Münzen etc. gefunden. – In den Lagerbüchern kommt auch die Benennung „auf der Burg“ vor. Es ist aber von Spuren einer solchen nichts bekannt.

Am 9. (19.) August 1693 wurde der Ort von den Franzosen angezündet.

Unter-Ensingen gehörte ins alte Amt Nürtingen. Kirche und Kirchensatz übergibt 1450 Graf Ulrich von Württemberg dem Kloster Adelberg, das von ihm 1465 auch einen Zehntantheil erhält (Sattler III und IV. Forts. 222. 54. Beil. 22.). Wernher von Neidlingen verkauft 1357 an Kraft von Lichteneck einen Hof; 1408 verkauft Konrad Züttelmann mehrere Gülten an seine Schwester Agathe im Kloster Kirchheim u. T. und 1414 tritt das Kloster Lorch an das zu Adelberg einige Lehen und Güter ab.

Fußnote:

  1. Aus Unter-Ensingen gebürtig war Ulrich Fehleisen, der letzte eigentliche Propst des Klosters zum heil. Grab in Denkendorf († 1560), ein einsichtsvoller und wohlgesinnter Mann, der, als er die Klostergüter in Württemberg für ihre stiftungsmäßige Bestimmung nun einmal verloren sah, den Herzog Christoph vermochte, die Einkünfte derselben wenigstens theilweise zur Unterhaltung geistlicher Schulen zu verwenden. Sattler, Herzoge IV., S. 98. Ob ein früherer Denkendorfer Propst, Heinrich Gutzmann oder Jutzmann († 1477), auch Henricus de Ensingen genannt, aus Ober- oder Unter-Ensingen war, findet sich nicht aufgezeichnet. Schmidlin, Beiträge II. S. 49, 53.
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