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Colonel Pemberton

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
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Autor: W. P.
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Titel: Colonel Pemberton
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aus: Die Gartenlaube, Heft 42, S. 707
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1870
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[707] Colonel Pemberton. Es ließ sich erwarten, daß die Lorbeern, die Hozier, der Berichterstatter der Times, 1866 sich mit Recht errungen, 1870 verschiedene Collegen bewegen würden, in den deutschen Hauptquartieren einen gleichen Ruhm einzuheimsen. Diese Erwartung hat sich erfüllt. Der Hozier von 1870 ist Colonel Pemberton. Ausgestattet mit den besten Papieren, erhielt der junge englische Oberstlieutenant eine Empfehlung des Bundeskanzlers Grafen Bismarck an den Kriegs- und Marineminister von Roon, und mit diesem Freibriefe der beiden berühmten, vielvermögenden Männer standen dem strebsamen Schriftsteller alle Hauptquartiere, sonst so schwer zugänglich, offen.

Colonel Pemberton ging zuerst in das Hauptquartier der zweiten Armee, zu Prinz Friedrich Karl. Er saß bald stattlich hoch zu Roß, bald bequem in seinem vortrefflichen Wagen, bald schritt er zu Fuß dahin, eine hohe, hagere Gestalt, mit grauem Filz, das blonde, dünne Haar hinten bis zum Nacken gescheitelt, stets in weißester Wäsche, mit dem steifen Halskragen und dem grauen Mantel.

Er fiel sofort auf, so daß man hundertmal gefragt wurde: „Wer ist das?“

„Colonel Pemberton, Berichterstatter der Times.“

„Colonel? Was ist das?“

„Oberstlieutenant.“

„So? Der muß viel gelernt haben und sehr tüchtig sein!“

„Weshalb?“

„Weil er noch so jung und doch schon Oberstlieutenant ist!“

„In England sind diese höheren Officierstellen käuflich. Seine Familie ist gewiß sehr reich. Pemberton hat sich den Colonel einfach gekauft.“

„Ah!“

Einen ähnlichen Dialog hörte man stets, wo Pemberton sich zeigte.

Die deutsche Presse hat viele und darunter bekannte Schriftsteller als Berichterstatter im Felde gehabt: Gustav Freytag und Berthold Auerbach beim Kronprinzen, Georg Horn bei Friedrich Karl und Hans Wachenhusen „auf eigene Faust“, etc. – es ist aber Keiner von ihnen ausgestattet gewesen wie der bis dahin unbekannte Pemberton. Sein praktischer Reisewagen war kostbar; er enthielt Feldbett und Badewanne. Im dürftigsten Quartier, wo seine zwei Bedienten sofort zur Hand waren, fehlte ihm nichts. Doch der äußerlich sehr steife Herr zeigte sich äußerst liebenswürdig gegen seine beiden Collegen in Civil, gegen den Schlachtenmaler Fritz Schulz und den Schriftsteller Georg Horn. Er theilte oft sein Quartier mit ihnen und bot dann Alles auf, dem nichtuniformirten Dreiblatt in dieser Masse von „zweierlei Tuch“ angenehme Stunden zu bereiten. Er wies im Gespräch oft und gern darauf hin, daß er diesen Kriegszug nur zur Begründung seines Ruhmes unternommen, und daß er seine Briefe der Times gratis zum Abdrucke übersende. Am liebsten sprach er von seinem Romane und pries dessen Erfolg; er wollte von demselben kurz vor dem Kriege zweitausend Exemplare abgesetzt haben. Dieser Erfolg ist so bedeutend freilich nicht, um so weniger, wenn man bedenkt, daß der reiche Pemberton manches Buch aus dieser Zahl verschenkt haben wird. Hat doch jeder Sterbliche seine Achillesferse, und ich berühre dies nur, um den Mann ganz und gerecht zu schildern.

Nachdem Colonel Pemberton dem Prinzen Friedrich Karl treu bis Metz gefolgt war, nahm er Abschied, um auch die anderen Hauptquartiere und die Vorposten kennen zu lernen. Mit der Jubelnachricht von Sedan, daß Napoleon gefangen sei und die Armee Mac Mahon’s in einer Stärke capitulirt habe, wie dies bisher in der Weltgeschichte unerhört, kam auch die Trauerkunde zu uns vor Metz, daß in diesem heißen Kampfe des 1. September Colonel Pemberton gefallen sei. Eine Kugel ist ihm durch’s Haupt gedrungen. Diese Nachricht hat manches deutsche Kriegerherz mit Trauer um den Braven erfüllt.

Colonel Pemberton, einzig in seiner Art, ist in seinem Berufe gefallen – ein Opfer seines Ehrgeizes. Wir legen still einen Cypressenzweig auf seinen Hügel französischer Erde und gönnen ihm von Herzen den reporterlichen Ruhmeskranz, den der Feldzug von 1870 auf sein blondes Haar gedrückt.
W. P.