Das Feuerschiff „Adlergrund“

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Autor: Georg Köhler
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Titel: Das Feuerschiff „Adlergrund“
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 32, S. 530–531
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1887
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[517]

Das Feuerschiff „Adlergrund“ im Hafen von Swinemünde.
Nach einer Photographie von Th. Politzky in Swinemünde.

[530]

Das Feuerschiff „Adlergrund“.

(Mit Illustration S. 517.)

Drohen die offen am Tage liegenden Felsenriffe und Klippen schon häufig dem Schiffer Gefahr, so muß er sich doch bei Weitem noch mehr vor denjenigen Erhebungen des Meeresbodens hüten, welche nicht völlig die Oberfläche erreichen, sondern noch in der Höhe von einigen Metern Wasser über sich haben.

Solch ein unsichtbares Riff befindet sich etwa sieben Meilen südlich von der Insel Bornholm in der Ostsee. Stubbenkammer auf Rügen ist eben so weit davon entfernt. Den Seefahrern ist es unter dem Namen „Adlergrund“ eine gar unliebsame Bekanntschaft.

Die Versuche, diesem Riff, welches beiläufig eine Längsausdehnung von einer deutschen Meile in west-östlicher Richtung besitzt, durch Sprengung zu beseitigen, sind nicht vollständig gelungen. Deshalb sah sich die Marineverwaltung des Deutschen Reiches, in dessen Seebezirk sich jene Untiefe befindet, veranlaßt, als warnendes Seezeichen hier das Feuerschiff „Adlergrund“ vor Anker zu legen. Wie alle Fahrzeuge dieser Art, welche man auch sonst noch häufig, aber meistens in größerer Nähe des Landes, zum Signaldienst verwendet, macht sich dasselbe durch seinen feuerrothen Anstrich bei Tage weithin bemerklich; seinen Mast krönt der „Topkorb“, ein zwiebelförmiges Korbgeflecht von schwarzer Farbe. Des Abends aber wird an dem Maste der Leuchtapparat emporgezogen, eine gewaltige Laterne, aus welcher acht Lampen mit Doppelbrennern einen hellen Lichtschein in die Nacht hinaussenden.

[531] um die Leuchte des „Adlergrund“ von anderen in der Nähe befindlichen Feuersignalen zu unterscheiden, hat man dafür das sogenannte „Blinkfeuer“ gewählt. Die Laterne befindet sich in fortwährend kreisender Bewegung um den Mast, welche durch ein sehr starkes Uhrwerk im Schiffsraum hervorgerufen wird. Da nun die Reflektoren der Lampen nicht parallel zu der cylinderförmigen Laternenscheibe stehen, sondern einen Winkel mit derselben bilden, verdunkeln sie bei der Drehung zeitweilig das Licht, welches sie sonst verstärken, und es entsteht dadurch jedesmal eine Dunkelpause von 20 Sekunden, nach welcher dann ein zweimaliges, schnell auf einander folgendes Aufblinken des Lichtes von je 2 Sekunden Dauer folgt.

Bei nebligem Wetter läßt bei Tag und Nacht eine Sirene ihre weithin gellende Stimme hören. Alle drei Minuten warnt je ein hoher und ein tiefer Ton des von Dampfkraft geblasenen Rieseninstrumentes, dessen Schall in unmittelbarer Nähe wahrhaft infernalisch wirkt, die vorüberfahrenden Schiffe. Ist die Sirene oder ihre Dampfmaschine schadhaft, so tritt während der Einschaltung der Reservesirene, beziehungsweise Reservemaschine, welche Manipulation immerhin einige Zeit in Anspruch nimmt, ein anderes akustisches Signal in Thätigkeit. Aus zwei auf dem Achterdeck des Schiffes befindlichen Geschützen erfolgt dann alle fünfzehn Minuten ein Doppelschuß; dazwischen wird von drei zu drei Minuten mit der Schiffsglocke geläutet.

So ist unter allen Umständen Gelegenheit gegeben, vorüberziehende Schiffe vor den Gefahren des Riffes zu warnen.

Zwölf Mann Besatzung befinden sich auf dem „Adlergrund“: ein Schiffsführer, ein Steuermann, ein Maschinist und neun Matrosen.

Ihr Dienst ist anstrengend und das Leben auf dem weltfernen Feuerschiff einförmig. Wird es Abend, dann gilt es zunächst, den schweren Leuchtapparat in die Höhe zu winden, welcher Tags über auf Deck in einem Gehäuse steht. Ist die See ruhig, so thut das Uhrwerk seine Schuldigkeit und dreht die Laterne. Aber wenn Poseidon zürnt, dann kann es wohl vorkommen, daß bei den Schwankungen des Schiffes die mechanische Kraft ihren Dienst versagt, und dann muß die Laterne von Menschenhand gedreht werden. Das Uhrwerk läuft jedesmal in einer halben Stunde ab und muß alsdann von dem wachehabenden Matrosen, den ein Glockenschlag vorher benachrichtigt, wieder aufgezogen werden.

Am Tage hat die Mannschaft mit der Instandhaltung des Schiffes ebenfalls genug zu thun.

„Adlergrund“ ist jedoch nicht bloß Signalstation. Das Schiff ist auch bereit zur Aufnahme und Verpflegung von etwaigen Schiffbrüchigen. Ferner nimmt der Schiffsführer täglich Peilungen und Strombeobachtungen vor, deren Ergebnisse von Zeit zu Zeit durch Vermittelung der Marinebehörde der deutschen Seewarte in Hamburg mitgetheilt werden, so daß wir unser Feuerschiff als ein zwar kleines, aber nicht unwichtiges Glied des vaterländischen Seewesens zu betrachten haben.

Zu den Unannehmlichkeiten des Aufenthaltes auf dem „Adlergrund“ gehört auch der Umstand, daß die Besatzung nur in langen Zwischenpausen mit dem Festlande in Verkehr tritt. Denn es vergehen jedesmal vier Wochen, bis wieder das Postschiff der Station, ein Segelkutter aus Swinemünde, eintrifft, neuen Brot- und Kohlenvorrath, sowie Briefe und Zeitungen aus der Heimath bringend. Swinemünde, welches gegen vierzehn Meilen vom „Adlergrund“ entfernt ist, dient dem Feuerschiffe auch als Winterhafen, den es jedoch in milden Wintern oft nur auf Wochen bezieht.

Natürlich ist es, daß dieselben Mannschaften nicht das ganze Jahr hindurch hier Dienst leisten können. Sie werden zeitweilig von Reserveleuten abgelöst, so daß sie alljährlich einen Urlaub von zwei bis drei Monaten im Kreise der Ihrigen genießen können.

Ehre und Anerkennung den Wackeren, die sich dort auf wogender See dem Dienste der Menschheit gewidmet haben! Georg Köhler.