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Das Lieblingsörtchen

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
Autor: Sophie Mereau
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Titel: Das Lieblingsörtchen
Untertitel:
aus: Friedrich Schiller:
Musen-Almanach für das Jahr 1796, S. 145–147
Herausgeber: Friedrich Schiller
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1796
Verlag: Michaelis
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Erscheinungsort: Neustrelitz
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: HAAB Weimar, Kopie auf Commons
Kurzbeschreibung:
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[145]
Das Lieblingsörtchen.


     Wohl wölbet sich lieblich am kühligen Bach
Manch duftend Gewinde zum blühenden Dach;
Wohl hat sich schon mancher, von Sehnsucht gequält,
Ein heimliches Plätzchen zum Freunde gewählt;

5
     Doch kennt’ ich sie alle, die Stellen der Ruh,

Es machte von allen mir keine, wie du,
Du Dörfchen im stillen bescheidenen Grund,
Die freiheitdürstende Seele gesund!

     Wie, innigst an liebende Arme gewöhnt,

10
Nach kurzer Entfernung, das Liebchen sich sehnt,

So wallet, wenn Tage der Trennung vergehn,
Mein liebender Busen, dich wieder zu sehn.

     Von Blüthen umduftet, von Lüftchen geküßt,
Von lieblichen Sängern auf Zweigen begrüßt,

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Enteilt mir der Stunden geflügelter Zug,

Und nimmer hemmt Unmuth den rosigen Flug.

[146]

     Im Häuschen so reinlich, so niedlich und klein,
Nist’t traulich das friedliche Täubchen sich ein,
Drinn wohnen zwei Menschen, bescheiden und hold,

20
Wie Blumen der Wiese, und lauter wie Gold.


     Vom ländlichen Paar, das im Hüttchen sich lebt,
Dem Unschuld und Ruhe den Lebenstraum webt,
Zum Käfer, der summend die Blüthen durchstrich,
Freut alles der Liebenden Gegenwart sich.

25
     Es zieret, gewartet von sorgsamer Hand,

Des Geisblatts Gewinde die reinliche Wand,
Streckt brünstig die Arme zum Fenster hinauf,
Und sendet mir süße Gerüche herauf.

     Es zieht sich so heimlich vom Hügel ins Thal

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Ein Wäldchen, drinn wohnet manch frölicher Schall,

Da winkt mir, umflossen von trüblichem Licht,
Aus einem der Büsche ein Schattengesicht.

[147]

     Erinnerung wob es aus magischem Duft,
Da steht es nun ewig in schweigender Luft.

35
Ich setze mich einsam zum fliehenden Bach,

Und sinne dem flüchtigen Schattenbild nach.

     Es rauschen die Wellchen bedeutend und schnell,
Und reißen manch’ Blümchen vom Strand in den Quell,
So drängt auch von dir einst, du lieblicher Ort,

40
Die Welle des Schicksals mich Liebende fort.


     Dann sehnt sich, wenn Tage der Trennung vergehn,
Vergebens mein Busen dich wieder zu sehn,
Fühlt liebende Sehnsucht, und athmet so schwer,
Und findet das Plätzchen der Ruhe nicht mehr!

SOPHIE MEREAU.