Denkwürdigkeiten einer deutschen Erzieherin in Belgien, England, Spanien, Portugal, Polen und Deutschland/Sechzehntes Kapitel

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Funfzehntes Kapitel Denkwürdigkeiten einer deutschen Erzieherin in Belgien, England, Spanien, Portugal, Polen und Deutschland
von Heinrich Ferdinand Steinmann
Siebenzehntes Kapitel
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Sechzehntes Kapitel.




Am bestimmten Tage begab ich mich zu Lady Maria W. und wurde sogleich vorgelassen. Es war eine hohe, wohlproportionirte Gestalt in den Funfzigen, ihre Formen und Haltung waren ungemein gefällig, weil sie sehr natürlich und anspruchslos waren. Das Zimmer, wo sie mich empfing, wie ihre Kleidung war nicht nur einfach, sondern von so ungewisser Jahreszahl, daß eine alterthumforschende Gesellschaft sie in ihre Sammlungen hätte aufnehmen können. Lady Maria W. sagte mir, daß sie drei Söhne, zwei erwachsene Töchter und eine siebenzehnjährige Nichte habe, für welche letztere sie ausschließlich eine Gouvernante für ein Jahr suche, um ihre Erziehung zu vollenden. Sie fügte hieran ihre Forderungen, welche einer gewöhnlichen englischen Erziehung entsprachen, und bot mir einen mäßigen Gehalt. Da ich mich [122] damit zufrieden erklärte, bat sie mich um die Adressen meiner patronisirenden Damen, und entließ mich sehr verbindlich.

Ich ging von dem Gedanken aus: die Stelle ist in London, wo jederzeit eine andere zu finden ist, wenn sie dir nicht entspricht; und weil mir viel daran lag, meinen Ruf zu sichern und eine geschützte Stellung zu haben, so empfahl ich mich der Lady, nachdem sie mir versprochen hatte, ihren Entschluß ehebaldigst mir mittheilen zu wollen.

An einem der nächsten Abende hatte Fräulein Ch. einige ihrer Bekannten zum Thee geladen, darunter ein junger Portugiese, den sie erst unlängst hatte kennen lernen. Er hatte Herrn v. T. genau gekannt und erzählte uns von seiner einflußreichen Stellung unter Dom Miguel, seiner Gefangenschaft und endlichen Transportation nach dem todathmenden Mozambik. Alle Fragen, die wir an ihn richteten, beantwortete er, obwohl v. T.’s politischer Gegner, doch in einer Weise, daß ich in diesem einen Märtyrer erblickte und wo möglich noch mehr für ihn enthusiasmirt wurde. Unterdessen rückte der Abend immer weiter vor, und zum ersten Male ließ v. T. vergebens auf sich warten. Ich fühlte mich in hohem Grade beängstigt, denn es war einer jener nebeligen Abende, an denen trotz der trefflichen Beleuchtung die schrecklichsten Unglücksfälle stattfinden, und da v. T. sehr schwaches Gesicht hatte, so war meine Besorgniß nicht grundlos. Der Abend verging mir unter unsaglicher Angst, v. T. kam nicht, und die kleine Gesellschaft entfernte sich, uns den traurigsten Vermuthungen überlassend.

Der nächste Tag war ein Sonntag, ich erhielt des Morgens schon ein Billet von meinem Verlobten, worin er mir anzeigte, daß er durch einen heftigen Gichtanfall verhindert worden sei, uns zu besuchen, und mich zugleich bat, an seinem Krankenlager auf einige Minuten zu erscheinen, denn dies werde ihm zum Troste gereichen. Ich theilte Miß Ch. den Inhalt des Billets mit, worauf sie sogleich vorschlug, denselben Nachmittag bei ihm vorzusprechen, was mich ihr sehr verband.

Wir fanden Herrn v. T. zu Bette liegend und so von Schmerzen entstellt, daß ich einen Augenblick zweifelte, ob er es wirklich sei, denn er schien fünfzehn Jahre älter als sonst, wo Halsbinde und Kragen seinem Gesicht eine gewisse Festigkeit und Fülle verlieh; jetzt hingen seine welken Züge schlaff herab und eine Unzahl Runzeln an Gesicht und Hals traten grell hervor, sein mattes Auge, durch keine Brille beschirmt und unterstützt, blickte mich aus den tiefen dunkeln Höhlen jammervoll an. [123] v. T. war ein Bild des Jammers, dessen Anblick jedes Atom von leidenschaftlicher Liebe auf immer vernichten mußte, hätte ein solches in meinem Gemüthe existirt; allein ich erblickte in ihm nur den leidenden väterlichen Freund, dessen Seele der meinigen schon unentbehrlich geworden war, so daß das satyrische Lächeln, welches um den Mund der Ch. spielte, während ihre Blicke von dem Leidenden auf mich forschend schweiften, ihr herzloses Ziel verfehlten und ich bei dem Gedanken an die Möglichkeit, ihn zu verlieren, in bittere Thränen ausbrach. v. T. ergriff meine Hand, bedeckte sie mit Küssen nannte mich sein geliebtes Kind, die Freude und Hoffnung seines Lebens.

Wir brachten den Nachmittag bei ihm zu, ich reichte ihm seine Arzenei, bereitete ihm seinen Thee, wärmte ihm seine Umschläge am Kaminfeuer, obgleich seine Wirthin und deren Dienerin ihm keine Pflege entgehen ließen. Aber ich sah, wie v. T. sich unendlich glücklich fühlte, daß ich meinen künftigen Beruf so richtig auffaßte und seinen Wünschen zuvorkam.

Im Verlaufe des Nachmittags kam Gomez, v. T.’s portugiesischer Arzt, dem er mich als seine Braut vorstellte. Dieser behauptete, daß sich sein Patient miraculos besser befände, als er noch an jenem Morgen habe erwarten lassen, und schrieb die glückliche Krisis meiner magnetischen Kraft zu, wobei auch v. T. herzlich einstimmte, und versicherte mich, daß seine Kunst überflüssig sei, wenn ich die meinige anwende. Als wir gingen, mußten wir versprechen, unsern Besuch bald zu wiederholen, und ich fühlte mich über seine merkliche Besserung ebenso befriedigt, wie er es nur selbst sein konnte.

Als wir auf der Straße waren, sagte die Ch. lachend: „Nun, wenn Sie jetzt noch Herrn v. T. zu heirathen gedenken, so ist es entweder rein um des Geldes willen, oder Ihre Liebe ist eine rein geistige, denn so viel ist gewiß, daß sie nicht mit dem Epithet „fleischlich“ stigmatisirt werden kann, sondern eher eine knöcherne genannt zu werden verdient. Und wenn Sie hinfort die Nacht bei ihm zubrächten, so absolvire ich Sie von jedem Verdacht einer unlauteren Praxis, bin auch bereit, mich für die Reinheit Ihres Umganges zu verbürgen.“

„Es freut mich, antwortete ich, daß Sie noch an die Möglichkeit eines solchen glauben,“ und nahm ferner keine Notiz von ihren Invectiven und Hypothesen.

Ich bemühete mich jetzt, einige Erkundigungen über Lady Maria [124] W. einzuziehen, und erfuhr, daß sie die Schwester des Grafen O. war, ihr Gemahl einer jüngeren Linie des gräflichen Hauses D. angehörte, außer seinem Gehalte als Justizrath kein Vermögen besaß, daß aber die Nichte eine reiche Erbin sei, deren Kapitale Herr W. als väterlicher Oheim und natürlicher Vormund verwaltete.

In der Ueberzeugung, daß ich auf meine Empfehlungen rechnen konnte, erwartete ich jede Stunde von Lady Maria engagirt zu werden; als ich einen sehr erfreulichen, wiewohl unerwarteten Besuch von Fräulein Emma S. erhielt. Sie sagte mir, daß ihre Mutter einen Erkundigungsbrief von der Lady erhalten hätte, als sie gerade im Begriffe gewesen war, eine Tante in London zu besuchen, weshalb sie sich gleich persönlich zu jener Dame begaben, um ihre Empfehlung mündlich abzumachen. Die Lady habe hierauf die Zusage ertheilt, daß sie mich engagiren und mir Freundin sein wolle. Dieser neue Beweis von Zuneigung Seiten der Familie S. war für mich eine wahre Herzenserhebung und bewog mich, Emma meine Verlobung mitzutheilen; sie empfing jedoch diese Nachricht keineswegs mit Freude, sondern sprach geradezu Bedenken wegen der Verschiedenheit der Religion und der Nationalität des Herrn v. T. aus. Kurz nachher kam auch Mistreß S. nach London, sie sprach wie eine Mutter mit mir, nahm denselben Antheil an meinen Verhältnissen, wogegen ich ihr mein Herz wie eine Tochter erschloß. Auf ihren Wunsch, meinen Bräutigam ihnen vorzustellen, that ich dieses nach Herstellung desselben von seiner Krankheit. Frau und Fräulein S. gingen durch die Vorstellungs-Ceremonien mit der ihnen eigenen Verbindlichkeit, ich hatte aber bei meinem nächsten Besuche die Betrübniß, zu bemerken, daß keine der beiden Damen weder für meinen Bräutigam, noch für mein Glück enthusiasmirt waren. Jedoch war dieser Umstand weit davon entfernt, mich wankend zu machen, im Gegentheil fühlte ich mich verpflichtet, meinen Bräutigam durch Verdoppelung meiner Liebe für das ihm zugefügte Unrecht zu entschädigen.

Noch an demselben Tage, an dem Miß S. bei Lady W. gewesen war, erhielt ich einen Brief von Letzterer, worin sie mir auf eine schmeichelhafte Art zu wissen that, daß sie vollkommen zufrieden sei mit dem Resultate ihrer Erkundigungen und mich zum Besuche einlud, damit alles Nöthige verabredet werden könne. Bei meiner nächsten Vorstellung machte mich Lady Maria mit ihren schönen Töchtern bekannt, [125] Jane und Georgina, und mit ihrer Nichte Fanny, meiner bestimmten Elevin. Jane, welche im 23. Jahre stand, war ein durchaus schönes Mädchen, wiewohl in Mienenspiel und Haltung nicht genug graziös, um eine anziehende und eindrucksvolle Erscheinung zu sein. Georgina im Gegentheil war eine vollendete Huldgöttin von Geist, Schönheit und Grazie, mein Auge hing mit Entzücken an der himmlischen Anmuth ihres Wesens. Die reiche Fanny allein war stiefmütterlich von der Natur behandelt worden, und in ihrem unschönen Gesicht drückten sich nur zu sehr Neid, Gehässigkeit und Beschränktheit aus. Ich errieth augenblicklich, daß sie nicht geliebt ward und dies schmerzlich fühlte, daher richtete ich einige herzgewinnende Worte an sie, mit jenem mir zu Gebote stehenden Ton und Blick, dem bis jetzt noch kein gefühlvolles Herz widerstanden hatte. Augenblicklich klärte sich auch ihre verdrossene Miene auf, von ihren Augen war ein Schleier gezogen, und ich fühlte meine Besorgniß schwinden, denn ich hatte den Schlüssel zu ihrem Herzen gefunden und wußte nun, daß sie weder unzugänglich noch verdorben war. Mein Eintritt in das Haus des Herrn W. ward auf die folgende Woche festgesetzt, mit der das Oster-Vierteljahr anfing.

Als ich Fräulein Ch. davon in Kenntniß setzte, beschuldigte sie mich des Undankes und beschwor alle Strafen des Himmels auf mein Haupt, trotzdem ich sie sehr gut bezahlt und obenein ihr Geschenke gemacht hatte. Ungeachtet aller meiner Versuche, ein gütliches Auseinanderkommen zu bewirken, ergoß sie sich fort und fort in ungerechten Vorwürfen und bösartigen Drohungen, die meine Verachtung gegen sie nur vollendeten.

Am meisten dauerte mich der kleine Albert, der nun wieder seinem Schicksal anheim fiel, während seine Mutter in ihren Gedichten Gefühle parodirte, welche ein seltenes Gegenstück zu ihrem Herzen bildeten.

Ich trat jetzt meinen Posten in der Familie W. an, welche entschieden zu der Elite und den Fashionables gehörte; aber, o Himmel! in dem engen Verschlag mit einem kleinen Bettchen, Waschtischchen und Stühlchen, mein Schlafzimmer vorstellend, und in dem unwohnlichen nackten Stübchen, was das Schulzimmer war, gab es nichts von alle dem Luxus eines englischen Aristokratenhauses, alles war vielmehr empörend schäbig und lumpig. Was aber alle Phantasie übertraf, waren die Tafelfreuden, die meiner warteten! Nicht daß die Familie einen [126] schlechten Tisch geführt hätte, im Gegentheil! aber während die Andern beim Frühstück, welches wir um acht Uhr gemeinschaftlich einnahmen, Eier, Schinken, Fische und gerösteten Speck aßen, mußten Fanny und ich uns mit einem Butterbrod begnügen, wozu uns Lady Maria die letzte und gesündeste Auflage des Thee’s reichte, die dem Spülicht denn doch zu sehr ähnelte. Um ein Uhr dinirten wir zwei Gastronomen, während die Uebrigen ihr Gabelfrühstück verzehrten. Nachdem die antikisirende Lady nach englischer Sitte Jedem vorgelegt hatte, häufte sie auf unsere Teller alle Knochen, welche sie in Reserve hatte, wozu uns ein paar Salzkartoffeln als Einhüllung dienten, und dies war unser ganzes Diner.

Um fünf tranken wir Thee im Schulzimmer, welchen Lady Maria mit ihren Töchtern stets durch ihre Gegenwart verherrlichten. Glücklicherweise waren alle drei zu gescheidt, um sich durch hochfahrende Airs oder abgeschmackte Prätensionen lächerlich zu machen; vielmehr war ihr Umgang wie ihre Unterhaltung ungemein anziehend und interessant, was mich ihren Egoismus und Geiz noch einigermaßen übersehen ließ. – Um sieben Uhr speiste die Familie, von welcher Mahlzeit Fanny und ich gänzlich ausgeschlossen waren, wogegen wir um neun Uhr ein Souper erhielten, welches nicht für eine Person hinreichend war.

Nach Tische begaben sich die erwachsenen Familien-Mitglieder gewöhnlich in Gesellschaft, denn es gab kein Fest bei Hofe oder unter der Nobility, dem sie nicht beiwohnten.

Wer die Familie kannte, der wußte auch, daß die Lady ihre Nichte grimmig haßte, denn sie kränkte und demüthigte sie bei jeder Gelegeneit. Nachdem sie z. B. mehrere Nächte nacheinander ihr antik aufgeputztes Gerippe auf Bällen herumgeschleppt hatte und vor Ermüdung auf den Divan sank, sagte sie eines Tages: „Ich habe kein Glück mit meinen Töchtern, trotzdem sie schön, unterrichtet und geistreich sind und ich mich geradezu aufreibe, um sie unter die Haube zu bringen! während unbedeutende und sogar häßliche Mädchen ihnen die Freier vor der Nase wegfangen, und zwar aus dem einzigen Grunde, weil sie Geld haben. Gebt einmal Acht, ob Fanny, diese Vogelscheuche, nicht einen Mann kriegen wird, noch ehe sie hinter den Ohren trocken ist, obwohl sie häßlich, dumm und ordinär ist!“

Während die edle Lady ihrem vollen Herzen durch diese und ähnliche Ergießungen Luft machte, heftete sie ihre Augen auf den Gegenstand [127] ihrer Rache mit einem Ausdruck, der ihr das Aussehen einer Schlange gab, die auf ihre Beute lauert. Natürlich vergalt Fanny diesen Haß mit gleicher Münze und weihete mich in so manches Familien-Geheimniß ein, was sie außerdem kaum würde gethan haben. Sie behauptete, daß ihre Tante stets ihr Leben zu untergraben suchte, daß ihr Hauptzorn aus dem Mißlingen dieses höllischen Planes entspringe, weil dadurch ihre Speculationen auf ihr großes Vermögen zu Wasser würden. So viel ich mir auch Mühe gab, Fanny von diesem Gedanken abzubringen und ihr Vertrauen gegen ihre Tante einzuflößen, so blieb doch dieses Bestreben bei den fortgesetzten Mißhandlungen der letzteren erfolglos; ja, ich selbst mußte der Lady Maria bei fortgesetzter Beobachtung derartige Mordgedanken zutrauen.

Neben uns wohnte Lord A., der Justizminister von England, mit dessen Nichten, den Fräuleins S., Jane und Giorgina W. sehr vertraut waren und welche, wie auch Louise C., ihre Cousine, Tochter des Lord C., Kanzlers von England, zu unseren täglichen Morgenvisiten gehörten. Erstere waren sehr schön, aber stolz und naseweis, Letztere weniger schön, aber ein Muster von Liebenswürdigkeit und Bildung, welches alle Herzen, die sich ihr näherten, für immer fesselte. Fräulein C. zeigte mir stets eine große Vorliebe, und so oft die Fräuleins W. zum Gabelfrühstück oder zum Thee von ihr eingeladen waren, erstreckte sich ihre Einladung stets auch auf mich. Bei diesen Gelegenheiten lernte ich mehrere der bedeutendsten Charactere der Gegenwart kennen, aber auch einige der unbedeutendsten, darunter die Gouvernante der jüngeren Kinder Lord C.’s, Fräulein G. aus L., eine alte, kleine, dürre, fahrige Person mit einem widrig grinsenden Gesicht und triefenden Augen, die aber durch Schmeichelei und eine unverschämte Parade von Anhänglichkeit, Pflichteifer und Energie die gute Meinung ihrer Vorgesetzten zu erschleichen wußte. Auch gegen mich war sie freundlich, aber wenn ich sie unerwartet anblickte, sah ich jedesmal, mit welchem Ausdruck von Neid und Haß sie auf mich lauerte. Allerdings war ich in der Blüthe der Jugend, mein Gesang erregte Furore, und meine Sprachkenntnisse waren der Art, daß Franzosen, Italiener, Spanier und Engländer mich für ihre Landsmännin hielten, und in Beziehung auf Kenntnisse nannte man mich nur die lebende Encyklopädie, während Fräulein G. nur ein echtes Deutsch-Französisch sprach und von Talenten keine Spur besaß. Kein Wunder, daß sich die alte Person ärgerte, [128] wenn sie mich von allen Seiten gefeiert sah, während Niemand sie auch nur anblickte, der es umgehen konnte.

Das erste was sie that, bestand darin, meine Aussprache und Kenntniß des Deutschen herabzusetzen, wobei sie das Französische mit ihrer quäkenden Stimme in folgender herrlicher Weise aussprach: "Che ne bredents bas te barler doudes les langues tumonte, mais che possède à fond celles que che brofesse.“ Ich mußte der alten Zigeunerin in’s braune Gesicht lachen, die Fräuleins W. waren zum Glück auch selbst zu bewundert, als daß sie mich hätten beneiden sollen, und so sahen sie die neidische Alte verächtlich und kalt an, ohne etwas zu erwiedern. Diese hat jedoch nie aufgehört, mich zu verfolgen. Ich fuhr indessen fort, im Vertrauen und der Zuneigung der Familie W. Fortschritte zu machen. Lady Maria ging oft mit mir Arm in Arm ihre Kranken zu besuchen, denn sie hatte die Schwachheit, für eine Philanthropistin und Heilige gelten zu wollen; oder wir gingen Einkäufe zu machen, wobei sie sich aufs gemüthlichste mit mir unterhielt. Jane und Georgina nahmen Sprachunterricht bei mir, und Fanny, mit der ich alle meine selbstgekauften Mundprovisionen theilte, schenkte mir alle die Liebe, deren ihr verbittertes Herz noch fähig war.

Von meinem Bräutigam erhielt ich unterdessen nicht nur täglich Briefe, sondern er wartete oft Stunden lang in der Straße, um mich nur einen Augenblick im Vorübergehen zu sehen. Als es mir zum ersten Male wieder möglich war, ihn zu sprechen, brach er in einen Strom von Freudenthränen aus, und dieser Augenblick entschädigte mich für die lange schmerzliche Trennung, denn was ist wahrer als die Thräne! – v. T. theilte mir alle Nachrichten mit, die er aus Portugal erhalten hatte, und tröstete mich mit der Hoffnung auf eine baldige Beseitigung aller Hindernisse unserer Verbindung. Seine Liebe beglückte mich unaussprechlich, und im Vergleich mit ihm erschienen mir die schönsten Männer wie häßliche Gnomen, so daß ich jetzt selbst darüber staune, wie ein Greis diese Leidenschaft in mir erwecken konnte. Ich fühlte mich durch jenes Wiedersehen über alles Mißgeschick emporgehoben.