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Der Wartburger Krieg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
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Autor: Brüder Grimm
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Titel: Der Wartburger Krieg
Untertitel:
aus: Deutsche Sagen, Band 2, S. 341-346
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1818
Verlag: Nicolai
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Erscheinungsort: Berlin
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Quelle: Commons,Google
Kurzbeschreibung:
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[341]
555.
Der Wartburger Krieg.
Jo. Rohte chronicon thuring ap. Menken II. 1697 - 1700.

Leben der heil. Elisabeth in altdeutschen Reimen ibidem 2035 - 45.
Chronica pontificum et archiepisc. magdeburgens. bei Wagenseil und Tenzel
Gerstenberger thüring. Chronik, apud Schminke I. 277 - 286.


Auf der Wartburg bei Eisenach kamen im Jahr 1206 sechs tugendhafte und vernünftige Männer mit [342] Gesang zusammen, und dichteten die Lieder, welche man hernach nennte: den Krieg zu der Wartburg. Die Namen der Meister waren: Heinrich Schreiber, Walter von der Vogelweide, Reimar Zweter, Wolfram von Eschenbach, Biterolf und Heinrich von Ofterdingen. Sie sangen aber, und stritten von der Sonne und dem Tag, und die meisten verglichen Hermann, Landgrafen zu Thüringen und Hessen, mit dem Tag, und setzten ihn über alle Fürsten. Nur der einzige Ofterdingen pries Leopolden, Herzog von Österreich, noch höher, und stellte ihn der Sonne gleich. Die Meister hatten aber unter einander bedungen: wer im Streit des Singens unterliege, der solle des Haupts verfallen; und Stempfel der Henker mußte mit dem Strick daneben stehen, daß er ihn alsbald aufhängte. Heinrich von Ofterdingen sang nun klug und geschickt; allein zuletzt wurden ihm die andern überlegen, und fingen ihn mit listigen Worten, weil sie ihn aus Neid gern von dem Thüringer Hof weggebracht hätten. Da klagte er, daß man ihm falsche Würfel vorgelegt, womit er habe verspielen müssen. Die fünf andern riefen Stempfel, der sollte Heinrich an einen Baum hängen. Heinrich aber floh zur Landgräfin Sophia, und barg sich unter ihrem Mantel; da mußten sie ihn in Ruhe lassen, und er dingte mit ihnen, daß sie ihm ein Jahr Frist gäben: so wolle er sich aufmachen nach Ungern und Siebenbürgen, und Meister Clingsor holen; was der urtheile über ihren Streit, das solle gelten. Dieser Clingsor [343] galt damals für den berühmtesten deutschen Meistersänger; und weil die Landgräfin dem Heinrich ihren Schutz bewilligt hatte, so ließen sie sich alle die Sache gefallen.

Heinrich von Ofterdingen wanderte fort, kam erst zum Herzogen nach Österreich, und mit dessen Briefen nach Siebenbürgen zu dem Meister, dem er die Ursache seiner Fahrt erzählte, und seine Lieder vorsang.

Clingsor lobte diese sehr, und versprach ihm mit nach Thüringen zu ziehen, und den Streit der Sänger zu schlichten. Unterdessen verbrachten sie die Zeit mit mancherlei Kurzweil, und die Frist, die man Heinrichen bewilligt hatte, nahte sich ihrem Ende. Weil aber Clingsor immer noch keine Anstalt zur Reise machte, so wurde Heinrich bang’ und sprach: Meister, ich fürchte, ihr lasset mich im Stich, und ich muß allein und traurig meine Straße ziehen; dann bin ich ehrenlos, und darf Zeitlebens nimmermehr nach Thüringen. Da antwortete Clingsor: sey unbesorgt! wir haben starke Pferde und einen leichten Wagen, wollen den Weg kürzlich gefahren haben.

Heinrich konnte vor Unruhe nicht schlafen; da gab ihm der Meister Abends einen Trank ein, daß er in tiefen Schlummer sank. Darauf legte er ihn in eine lederne Decke und sich dazu, und befahl seinen Geistern: daß sie ihn schnell nach Eisenach in Thüringerland schaffen sollten, auch in das beste Wirthshaus niedersetzen. Das geschah, und sie brachten ihn in [344] Helgreven-Hof, eh der Tag erschien. Im Morgenschlaf hörte Heinrich bekannte Glocken läuten, er sprach: mir ist, als ob ich das mehr gehört hätte, und deucht, daß ich zu Eisenach wäre. Dir träumt wohl – sprach der Meister. Heinrich aber stand auf und sah sich um, da merkte er schon, daß er wirklich in Thüringen wäre. „Gott sey Lob, daß wir hier sind, das ist Helgreven - Haus, und hier sehe ich S. Georgen Thor, und die Leute, die davor stehen und über Feld gehen wollen.“

Bald wurde nun die Ankunft der beiden Gäste auf der Wartburg bekannt, der Landgraf befahl den fremden Meister ehrlich zu empfahen, und ihm Geschenke zu tragen. Als man den Ofterdingen fragte „wie es ihm ergangen und wo er gewesen" antwortete er: gestern ging ich zu Siebenbürgen schlafen, und zur Metten war ich heute hier; wie das zuging, hab’ ich nicht erfahren. So vergingen einige Tage, eh daß die Meister singen und Clingsor richten sollten; eines Abends saß er in seines Wirthes Garten, und schaute unverwandt die Gestirne an. Die Herren fragten: was er am Himmel sähe? Clingsor sagte: wisset, daß in dieser Nacht dem König von Ungarn eine Tochter geboren werden soll; die wird schön, tugendreich und heilig, und des Landgrafen Sohne zur Ehe vermählt werden.

Als diese Botschaft Landgraf Herrmann hinterbracht worden war, freute er sich und entbot Clingsor zu sich auf die Wartburg, erwies ihm große Ehre [345] und zog ihn zum fürstlichen Tische. Nach dem Essen ging er aufs Richterhaus (Ritterhaus), wo die Sänger saßen, und wollte Heinrich von Ofterdingen ledig machen. Da sangen Clingsor und Wolfram mit Liedern gegen einander, aber Wolfram that so viel Sinn und Behendigkeit kund, daß ihn der Meister nicht überwinden mochte. Clingsor rief einen seiner Geiste, der kam in eines Jünglinges Gestalt: ich bin müde worden vom Reden – sprach Clingsor– da bringe ich dir meinen Knecht, der mag eine Weile mit dir streiten, Wolfram. Da hub der Geist zu singen an, von dem Anbeginne der Welt bis auf die Zeit der Gnaden: aber Wolfram wandte sich zu der göttlichen Geburt des ewigen Wortes; und wie er kam, von der heiligen Wandlung des Brotes und Weines zu reden, mußte der Teufel schweigen und von dannen weichen. Clingsor hatte alles mit angehört, wie Wolfram mit gelehrten Worten das göttliche Geheimniß besungen hatte, und glaubte, daß Wolfram wohl auch ein Gelehrter seyn möge. Hierauf gingen sie aus einander. Wolfram hatte seine Herberg in Titzel Gottschalks Hause, dem Brotmarkt gegenüber mitten in der Stadt. Nachts wie er schlief, sandte ihm Clingsor von neuem seinen Teufel, daß er ihn prüfen sollte, ob er ein Gelehrter oder ein Laie wäre; Wolfram aber war blos gelehrt in Gottes Wort, einfältig und andrer Künste unerfahren. Da sang ihm der Teufel von den Sternen des Himmels, und legte ihm Fragen vor, die der Meister nicht aufzulösen vermochte; und als [346] er nun schwieg, lachte der Teufel laut, und schrieb mit seinem Finger in die steinerne Wand, als ob sie, ein weicher Teig gewesen wäre: „Wolfram, du bist ein Laie Schnipfenschnapf!“ Darauf entwich der Teufel, die Schrift aber blieb in der Wand stehen. Weil jedoch viele Leute kamen, die das Wunder sehen wollten, verdroß es den Hauswirth, ließ den Stein aus der Mauer brechen, und in die Horsel werfen. Clingsor aber, nachdem er dieses ausgerichtet hatte, beurlaubte sich von dem Landgrafen, und fuhr mit Geschenken und Gaben belohnt sammt seinen Knechten in der Decke wieder weg, wie und woher er gekommen war.