Zum Inhalt springen

Der entweihte Stammtisch

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor: Unbekannt
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Der entweihte Stammtisch
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 16, S. 269, 272
Herausgeber: Ernst Ziel
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1881
Verlag: Verlag von Ernst Keil
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite
[269]

Der entweihte Stammtisch.
Nach einem Oelgemälde Hugo Rötschenreiter’s.

[272] Der entweihte Stammtisch. (Abbildung S. 269.) Dieses ausdrucksvolle Bild des wackeren Kötschenreiter hat im Leben schon Vielen vor Augen gestanden, aber immer wieder wird es gefunden werden; denn nichts ist conservativer, als der Rangdünkel und die Standeseitelkeit in abseits gelegenen, beschränkteren Lebenskreisen, wo das Triebrad des großen Verkehrs sie nicht abreibt. „Herrenstübchen“ und Stammtische der „Honoratioren“ sind die beliebten Brutkästen des Sicherheitsbehagens vor der geselligen Vermengung mit dem, was man ehedem „Volk“ nannte. Dieses Behagen verlangt, daß man in der bestimmten Stube nicht nur seinen bestimmten Tisch, sondern an diesem auch seinen bestimmten Stuhl habe, dem das Subordinationsgefühl für jeden Stammgast von selbst die rechte Stelle anweist; denn der Stadtschreiber kann unmöglich neben dem Herrn Amtmann oder der Organist gleich neben dem Herrn Superintendenten sitzen. Wo aber die Ordnung einmal feststeht, da ist jede Störung derselben ein Gräuel.

Wann und wie der biderbe Bauer oder Viehhändler an diesen Tisch kam, wissen wir nicht. Jedenfalls grüßte er die Gesellschaft, als er nach dem Stuhl griff, und da ihm – offenbar vor Staunen ob der unerhörten Frechheit – Niemand dankte, so nahm er seinen Sitz in der brutalen Weise ein, welche seinen Wunsch für seine Nachbarschaft deutlich ausdrückt. Unser Bild stellt uns vor den kritischen Augenblick, wo der Herr Hofrath, der Höchste im Orte, zum Tische tritt, er, dessen Stuhl der Fremde mit so breitem Beschlag belegt hat. Jetzt bricht’s los – ob aber zuerst über, ob unter dem Tische, ist noch die einzige Frage; denn wie der Explosion des Zorns über dem Tische die anbohrenden Blicke voraufleuchten, so weckt unten demselben das Gebell des „vornehmeren“ Kläffers das verächtliche Grollen des Fleischerhundes. Drohend hängen die Wolken des Sturmes hernieder, während der einzige Engel des Friedens in diesem Raume, die Kellnerin, mit dem leeren Seidel davongeht. Wer Zeit hat, muß eben abwarten, was aus der Scene noch werden wird: wir wissen’s selber nicht.