Zum Inhalt springen

Die Aussichten zum ewigen Frieden

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor:
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Die Aussichten zum ewigen Frieden
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 24, S. 403–407
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1876
Verlag: Verlag von Ernst Keil
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite
[403]
Die Aussichten zum ewigen Frieden.
Riesengeschütze alter und neuerer Zeit: Die tolle und die faule Grete, „Palmerston’s Thorheit.“ – Krupp’sche Riesengeschütze. – Das Duell zwischen Panzer und Kanone. – Gußstahl oder Stahlbronze? – Elektrisch verbundene Geschütze. – Mit Wasser gefüllte Bomben. – Fisch-Torpedo’s und eiserne Netze zu ihrem Fange. – Uebertrumpfung des griechischen Feuers und moderne Höllenmaschinen.

Wenn wir mit prüfenden Blicken der Vorgeschichte des Menschen folgen, so sind es vor Allem seine aus Schutt und Gräbern emporgezogenen Waffen, die uns, je nachdem sie aus Knochen, Stein, Bronze oder Eisen gefertigt wurden, als Werthmesser der von ihren ehemaligen Inhabern erreichten Culturstufe dienen, und die sogenannten prähistorischen Museen bieten vorzugsweise Waffensammlungen dar. Auch heute noch, und heute vielleicht mehr als jemals vorher, hält sich stets die bestbewaffnete und damit kriegstüchtigste Macht für die civilisirteste, und fragt man, welcher Gegenstand auf den letzten gemeinsamen Culturabrechnungen der Völker in Paris und Wien mit dem allgemeinsten Respecte betrachtet worden ist, so wird man ehrlicher Weise antworten müssen: die Krupp’sche Riesenkanone. Keine Erfindung, und möge sie das Heil von Millionen verbürgen, findet bei unseren Regierungen zärtlichere Aufnahme, ehrenvollere und reichlichere Belohnung, als diejenige, welche den Sieg im Streite verheißt. Ja, und gilt nicht nach der Meinung unserer vorgeschrittensten Naturforscher der Kampf überhaupt als das vornehmste Culturelement, für das treibende Princip, durch welches sich der Mensch über das Thier erhoben und durch welches sogar unsere höchsten Güter nicht blos vertheidigt, sondern zwangsweise verbreitet zu werden pflegen: Religionen, Civilisationsbestrebungen, Humanität, Freiheit und Friede? Gewiß nicht wenige unter uns theilen die Ueberzeugung Friedrich von Hellwald’s, daß der Männerkampf auf der Erde nie aufhören wird, niemals rasten darf, weil des Krieges Ende Versumpfung und Fäulniß bedeuten würde, aber auch die Andersmeinenden, welche den Kant’schen Traum vom endlichen „ewigen Frieden“ fortträumen, welche behaupten, daß der Kampf schließlich nur noch als geistiger Wettstreit fortdauern dürfe, müssen der riesenhaften Leistungssteigerung der Kriegsmaschinen unserer Zeit, die bereits zu drei Vierteln wissenschaftliche Apparate in den Händen gelehrter Artilleristen geworden sind, mit Theilnahme zuschauen, denn einmal macht die Zerstörungsphilosophie, je mehr sie die Naturkräfte entfesselt und die Entscheidung den physischen Kräften der Kämpfer entringt, die Kriege, so lange sie doch unvermeidlich sind, kürzer, und sodann muß sich jeder in’s Titanische gesteigerte Kampf endlich selbst seine Schranken setzen. Der junge Dumas läßt in einem seiner neueren Dramen – demselben, für dessen Aufführung auf deutschen Bühnen er Elsaß-Lothringen als Entschädigung forderte – einen Waffenerfinder auftreten, der mit einer neuen Monstrewaffe die Welt im wahrsten Sinne des Wortes zu beglücken gedenkt, sofern er durch seine Erfindung die Kriege dermaßen mörderisch zu machen hoffte, daß ein allgemeiner Abscheu alle Menschen in den Schooß einer Friedensliga treiben und so dem Kriege mit seinen eigenen Waffen ein Ende gemacht werden wird.

Dieser nachdenklichen Lehre unserer Culturforscher zufolge wäre also die größte und verdienstvollste Erfindung des Mittelalters keineswegs die Buchdruckerkunst, sondern vielmehr die Erfindung des Schießpulvers, dieser merkwürdigen Mischung von Salpeter, Schwefel und Kohle, welche die königliche Wissenschaft der Chemie auch heute noch nicht von ihrem auf Schädelbergen errichteten Throne absetzen konnte. Der Grund dieser sonderbaren Thatsache liegt darin, daß sich unter all’ den zahllosen und größtentheils viel stärker wirkenden Explosionsstoffen, welche die moderne Wissenschaft entdeckte, auch nicht ein einziger befindet, der so viel Solidität, immer gleiche Wirkung und verhältnißmäßige Harmlosigkeit mit einer so weit steigerbaren Zerstörungskraft vereinigte. Nur für wenige Kriegszwecke, z. B. für die aus der Ferne bedienten Minen und Torpedos, ist das Schießpulver durch stärker wirkende Explosionsstoffe ersetzt worden.

Nicht gar lange, nachdem die Anbeter des Propheten den Ungläubigen im mittleren Europa die Wohlthat des Cultur-Pulvers mitgetheilt hatten, wurde die noch heute die Welt bewegende Frage, welche in Essen und Woolwich, in Petersburg und Wien mit gleicher Spannung erwogen wird, aufgeworfen: durch welche Mittel läßt sich die Fernwirkung des Pulvers zum höchsten Maße steigern? Wahrscheinlich bereits gegen Ende des vierzehnten Jahrhunderts wurde eine Donnerbüchse hergestellt, die „tolle Grete“ von Gent, deren Größenverhältnisse erst von neueren Monstregeschützen überboten worden sind. Sie ist über fünf Meter lang und 16,000 Kilogramm schwer. Die steinerne Kugel, welche sie ausspie, wog 340 Kilo bei einem Durchmesser von 64 Centimetern. Das Rohr ist aus 32 schmiedeeisernen Stäben, die durch 41 aneinandergeschweißte Eisenringe zu einem festen Cylinder vereinigt werden, zusammengesetzt.

Auch aus Bronze goß man im folgenden Jahrhundert ähnliche Riesengeschütze, die sich aber sehr wenig bewährten, wie die ihrer Schwerfälligkeit wegen sogenannte „faule Grete“ von Braunschweig, der man nachrühmt, daß sie niemals Menschenblut vergossen, und jenes Riesengeschütz, welches Muhamed der Zweite zu derselben Zeit (um 1451) in Adrianopel gießen ließ, und welches durch 60 Ochsen nach zweimonatlicher Reise glücklich vor Constantinopel ankam, aber bereits vor Einnahme der [406] Stadt sprang. Aus dem sechszehnten Jahrhundert wäre die russische Kaiserkanone mit ihrem 90 Centimeter weit gähnenden Rachen, der zu Trier gegossene Greif von fünf Meter Länge und die Colubrine (Feldschlange) von Danzig, welche sieben Meter lang war, zu erwähnen. Die letzteren beiden Geschütze hatten aber, ebenso wie die später in Berlin gegossene colossale Asia, nicht das Caliber der älteren Riesenkanonen, aus denen man auch gelegentlich mit Hackblei, Nägeln, Glasscherben, ungelöschtem Kalk etc. gefüllte Tonnen, ja Fässer mit Unrath und Pestleichen abschoß, um die Festungen zur schleunigen Uebergabe zu zwingen. Vielmehr war man dazu gekommen, die größeren, nunmehr aus Eisen gegossenen und oft mit Pulver gefüllten Bomben, aus kürzeren und weiten Mörsern zu schießen, die lange Zeit in der französischen Armee den Spitznamen des Herrn von Comminges, eines sehr beleibten Officiers, führten, nach welchem sie Ludwig der Vierzehnte bei ihrer ersten Anwendung getauft haben soll. Der Berühmteste unter den Nachkommen derer von Comminges ist ein als Invalide im Arsenale von Woolwich bewahrter Riesenmörser, der, wie die „tolle Grete“, aus Eisenstäben hergestellt, 90,000 Kilogramm wiegt, aber schon nach Entsendung der vierten Bombe, à 1500 Kilo, pensionirt werden mußte und daher wegen seiner unnütz verwendeten bedeutenden Kosten von dem Volkswitze „Palmerston’s Thorheit“ getauft wurde.

Die neueren Riesengeschütze, welche dem Festungskriege, dem Angriffe und der Vertheidigung der Seeküsten gewidmet sind, übertreffen ihre Vorgänger natürlich unendlich, wenn auch nicht an Größe, so doch an Material, Dauerhaftigkeit, Treffsicherheit und Lenksamkeit. Es sind größtentheils Hinterlader mit gezogenen Läufen, deren Bedienung und Handhabung durch allerhand mechanische Vorrichtungen so erleichtert wird, daß z. B das große Krupp’sche Geschütz der Wiener Weltausstellung von einer einzigen Person gerichtet und geladen werden kann, obwohl das Rohr 6,7 Meter lang und 36,000 Kilogramm schwer ist, während die zuckerhutförmige Bombe gegen sechs Centner wiegt. Das Schießpulver, mit welchem diese Eisenlasten fortgeschossen werden, würde schwerlich von einem Uneingeweihten als Schießpulver anerkannt werden, denn die Körner desselben stellen, damit es langsamer und doch wieder nicht zu langsam abbrennt, zollhohe sechsseitige Säulchen, die mit feinen Röhren durchbohrt sind, dar, von denen 1424 Stück, aneinandergesetzt wie die Bienenzellen in einer Honigwabe, die ellenlange Patrone bilden. Der Schuß ist mit Einschluß der Bombe nicht unter fünfhundert Mark herzustellen, ein sehr kostspieliges Vergnügen, neben welchem die Redensart „nicht einen Schuß Pulver werth sein“ wesentlich an ihrer Bedeutung einbüßt.

Ein solches Geschütz ist im Uebrigen ein wahrer Triumph der rechnenden Künste, ein höchst gelehrtes und wohlüberlegtes Exemplar der berühmten ultima ratio, bei welchem alle Elementargeister zu Hülfe gerufen sind, um die fünfhundert Mark wohl anzuwenden. Der elektrische Strom wird angestellt, die Zeit zu messen, welche der Zuckerhut braucht, um von der Pulverkammer die Mündung zu erreichen, die Anfangsgeschwindigkeit, mit welcher das Geschoß wirbelnd den Lauf verläßt, höchst subtile Rechnungen, um den Bogen zu bestimmen, welchen die sechs Centner in der Luft beschreiben, und die Kraft, mit der sie auf Mauern und Panzer prallen. Mechanische oder hydraulische Vorrichtungen besorgen meist die ganze Handhabung, und der Kolben einer Oelkammer, die sich nur durch feine Oeffnungen entleeren kann, empfängt wie ein höchst elastisches Polster den nicht eben sanften Fußtritt, mit welchem sich die sechs Centner in die Luft schwingen und von dannen trollen.

Solcher Großmäuligkeit konnte nur mit Dickfelligkeit begegnet werden, und im nordamerikanischen Bürgerkriege bereits hielten es die Kriegsschiffe für nothwendig, wie die Richter des Mittelalters, ein Panzerhemd anzulegen. Damit kam die kostspielige Frage auf’s Tapet, wie viel Schichten Eisenblech man auf einander schweißen müsse, um dem Anprall der modernen Culturgrüße mit Ruhe entgegensehen zu können. Man versuchte es nach einander mit zehnzölligen, zwölfzölligen, vierzehnzölligen Platten, um sie nach einander mit entsprechend verstärkten Geschützen durchzuschlagen und in Fetzen zu zerreißen. Dem Krupp’schen Sechshundertpfünder folgte ein Tausendpfünder, und dieser ist vor einigen Monaten in Woolwich durch die Fertigstellung der Einundachtzig-Tonnen-Kanone überboten worden, deren Lauf acht Meter lang ist und deren Geschoß von sechshundertfünfundzwanzig Kilogramm Schwere nahezu zwei Centner Pulver für jeden Knall erfordert. Natürlich müssen nun die Panzer wieder um eine ganze Anzahl Eisenschichten dicker gemacht werden, und so geht die gegenseitige Schrauberei zwischen Kanone und Panzer weiter, bis das Kriegsboot wie das Staatsschiff die ungeheuren Lasten nicht mehr tragen kann, in seinen Bewegungen schwerfällig wird und bei der nächsten Gelegenheit untergeht, wie bereits mehrere englische Panzerboote gethan haben. Natürlich ist England bei dieser Panzerei am meisten engagirt, und in den Sheffielder Schmiedewerkstätten soll man eben mit zweiundzwanzig Zoll starken Panzern fertig geworden sein.

In dieses unabsehbare Panzer- und Kanonen-Duell fällt wie ein Lichtstrahl die Nachricht vom Dülmener Schießplatze, daß man dort durch genau gleichzeitige Abfeuerung mehrerer kleinerer auf dasselbe Ziel gerichteter Geschütze, welche der elektrische Strom bewirkt, denselben Zerstörungseffect erreicht hat, wie mit einzeln abgefeuerten Riesengeschützen. Man warf da zum Beispiel zwölf Centner Eisen mit einem Schlage auf einen mächtigen Schiffspanzer aus zweihundert Meter Entfernung, indem man vier Centner Pulver in vier Rohren wirken ließ, und siehe da, der vierundzwanzig Zoll dicke Panzer aus Schmiedeeisen und Teakholz, den man da zum Spaß für 150,000 Mark hingestellt hatte, war vollkommen zerfetzt. Damit wäre dann vielleicht vor der Hand dem Kanonenwachsthum ein Ziel gesetzt und die Panzerei, welche die Schiffe zuletzt unfähig macht, zu manövriren, so daß sie wie ihre Kanonenthürme nur noch durch complicirte hydraulische Maschinen bewegt werden können, als Thorheit erwiesen, wozu sich dann insbesondere die Steuerzahler Glück wünschen könnten. Denn solche Panzerboote kosten Millionen und die Riesengeschütze abermals Millionen, sintemalen mehrere Tausend Tiegel Gußstahl, jeder zu einem halben Centner Inhalt, erforderlich sind, um jene unersättlichen Schlünde zu umgießen, welche den Reichthum der Cultur-Länder aufzehren und vernichten.

Aber auch die Frage, ob kostbarer Gußstahl oder Bronze das geeignetere Material sei, ist wiederum zu einer Staats-Lebensfrage geworden, seit man der Bronze durch Zumischung einer ganz kleinen Menge Phosphor (dem Bruchteile eines Procentes), durch nachheriges Walzen oder Pressen eine Zähigkeit mitzutheilen gelernt hat, welche nach Behauptung österreichischer Artilleristen fast dreimal so groß ist, wie die des besten Gußstahls. Die Uchatius-Kanonen, zu denen, wie die Zeitungen sagen, ein deutscher oder belgischer Chemiker das Material, ein französischer Techniker die Bearbeitungsweise und Krupp das Modell geliefert haben, werden durch Erweiterung der gebohrten Bronzerohre durch eingepreßtes Wasser, womit man bekanntlich einen ungeheuren Druck ausüben kann, hergestellt. Die Laufwandung erwirbt dabei die größtmöglichste Elasticität und soll dem Springen viel weniger ausgesetzt sein, als der sprödere Gußstahl, wie denn diese Geschütze dem Wetter widerstehen und natürlich niemals Gefahr laufen, „altes Eisen“ zu werden. Die Engländer scheinen immer noch mit gewöhnlicher Bronze und Schmiedeeisen auszukommen, indem sie die Läufe aus mehreren Metalllagen zusammensetzen und die Festigkeit des Gefüges, umgekehrt wie die Oesterreicher, die von innen ausweiten, durch glühend aufgezogene Ringe, welche sich beim Erkalten zusammenziehen, zu erreichen wissen.

Während die meisten militärischen Verbesserungen dem Staate sehr theuer zu stehen kommen, weil sie in der Regel zu einer Umwälzung im gesammten Bewaffnungswesen führen, ist wenigstens eine Entdeckung auf artilleristischem Gebiete als billig zu preisen, diejenige Abel’s nämlich, daß die beste Füllung für Bomben und Granaten reines Brunnenwasser ist. Seine Wasserbomben, die sich bei den im vorigen Jahre in England angestellten Schießversuchen als außerordentlich wirksam erwiesen haben, enthalten nämlich in einer abgeschlossenen Kammer nur eine geringe Menge Explosionsmasse, gewöhnlich Schießbaumwolle. Ihre Wirksamkeit beruht auf der geringen Zusammendrückbarkeit des den übrigen Raum ausfüllenden Wassers und der Gleichmäßigkeit, mit welcher es die Erschütterung nach allen Richtungen fortpflanzt. Die gußeiserne Bombe wird dadurch in eine viel größere Anzahl von Stücken zersprengt, als durch die [407] gewöhnliche viel stärkere Ladung, wodurch natürlich ihre verderbliche Wirksamkeit erhöht wird. Während eine gewöhnliche Sechszehn-Pfünder-Bombe, mit sechszehn Unzen Schießpulver gefüllt, in neunundzwanzig Bruchstücke zerplatzte, gab eine Wasserbombe gleicher Größe und Construction mit einer Viertelunze Schießwolle einhunderteinundzwanzig, mit einer Unze dreihundert Bruchstücke, wobei mehrere Pfund Eisen buchstäblich gepulvert wurden. Dabei ist eine etwaige Durchnässung der Schießwolle ungefährlich, da sie, wenn nur der Zünder in Ordnung bleibt, nach den Erfahrungen desselben Sprengtechnikers, naß eben so kräftig explodirt, wie trocken.

Bomben werfende Kanonen, mögen sie nun aus Eisen, Stahl oder Bronze bestehen, sind, alten tapferen Haudegen vergleichbar, doch immer offene, ehrliche Polterer, denen man nur begegnet, wenn man ihnen eben begegnen und Stand halten will. Aber leider wird der moderne Krieg auch alle Tage heimtückischer, und selbst das Herz eines sich vierundzwanzig Zoll dick umpanzert wissenden Schiffscapitains mag hörbar pochen, wenn er an die in der Tiefe möglicherweise lauernden oder anrückenden Torpedo’s denkt, gegen die ihn sein Panzer sehr wenig schützen würde. Früher verankerte man dieselben in der Tiefe der zu sichernden Küstengewässer und Flußmündungen und zündete sie, falls sie nicht auf Berührungs-Explosion eingerichtet waren, durch den elektrischen Funken von einer Uferwarte aus an, sobald das feindliche Schiff in einem Camera obscura- Bilde die Stelle kreuzte, wo sie lagen. Wenigstens das Meer, die Wahlstatt einer Seeschlacht, war frei von solchen heimtückischen Fußangeln. Aber jetzt fängt man an, die Torpedo’s lebendig zu machen, damit sie sich wie Raubfische auf ihre Beute stürzen und beim Zusammenprallen explodiren sollen. Halbe Meilen weit hat man im Seehafen von Fiume die in Fischform aus Stahlplatten gefertigten, mit Schießwolle und anderem Teufelszeuge ausgestopften Torpedo’s unter dem Wasser auf ihre Opfer geschleudert und geschossen; man giebt ihnen einen Betriebsfond in Form comprimirter Luft mit auf den Weg, damit sie nicht unterwegs ermatten, ja man lenkt sie wohl sogar aus der Ferne durch zwei Drähte, in denen ein elektrischer Strom bald in der einen, bald in der andern Richtung circulirt, damit sie ja ihre Ziele nicht verfehlen können. Alles das sind bisher friedliche Versuche, aber welches Schauspiel wird die Seeschlacht dereinst bieten, wenn alle diese Teufelskünste im Ernste mitwirken?

Die Gepanzerten sind in diesem vorläufig nur in der Phantasie ausgeführten Wettkampfe den neuen Angreifern gegenüber auf ein allerdings nahe liegendes Mittel verfallen. Fische muß man in Netzen fangen, haben sie sich gesagt, und warum sollte man nicht das ganze Schiff in neun bis zehn Metern Entfernung mit einem von eisernen Stangen getragenen Gitterdrahtwerke umgeben, um den unsichtbaren Angreifer durch eine unsichtbare Mauer, welche die Bewegungen des Schiffes wenig hindern würde, in respectabler Entfernung zu halten? Man rechnet in England so bestimmt auf die ausreichende Schutzkraft solcher Drahtschleier, daß man das vor vier Jahren mit einem Aufwande von Millionen gebaute Panzerschiff „Devastation“ demnächst mit solchen Außenwerken allen möglichen Torpedo-Angriffen aussetzen will. Das Kriegsschiff wird dadurch einer schwimmenden Festung mit Wall und Graben immer ähnlicher, und der Ausschlag des Kampfes wird immer mehr von sinnreichen Constructionen und wissenschaftlicher Ueberlegenheit abhängig gemacht.

Der eigentliche Schrecken der älteren Seeschlachten, das Inbrandgeschossenwerden der Schiffe, scheint bei der allgemeinen Metallumkleidung derselben nicht mehr in demselben Maße gefürchtet zu werden wie ehemals. Das ist ein Glück, denn die moderne Chemie hat den Kämpfern zur Füllung der Brandbomben Mischungen zur Verfügung gestellt, gegen welche das ehemals im Heere der Kreuzfahrer Entsetzen verbreitende griechische Feuer harmlos genannt werden müßte. Diese Mischungen von Petroleum und anderen Kohlenwasserstoffverbindungen haben die Eigenschaft, nicht nur im Wasser nicht gelöscht zu werden, sondern sich vermöge einer Beimischung von Kaliummetall oder Phosphorkalium im Wasser sogar von selbst zu entzünden und die Wasserfläche rings in ein Flammenmeer zu verwandeln. Andere Mischungen entzünden sich von selbst, wenn sie auf Holzwerk, Leinwand, Tauwerk spritzen, kurz, die moderne Zerstörungskunst ist nicht verlegen um Hülfsmittel. Kaum lohnt es sich, neben diesen „herrlichen Culturwerkzeugen“ der neuen Mitrailleusen zu gedenken, deren eine, die schwedischer Herkunft ist und kürzlich vor dem Herzoge von Edinburgh probirt wurde, in zwei Minuten achthundert Kugeln abgeben konnte und eine Scheibe in einer Entfernung von siebenhundertfünfzig Schritten zu einem Siebe durchlöcherte. Der geneigte Leser ersieht, daß die Aussichten zum ewigen Frieden, wenn Dumas’ Schlußfolgerung richtig ist, günstiger sind als jemals.