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Die Gartenlaube (1883)/Heft 20

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Autor: Verschiedene
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Titel: Die Gartenlaube
Untertitel: Illustrirtes Familienblatt
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Herausgeber: Ernst Ziel
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Entstehungsdatum: 1883
Erscheinungsdatum: 1883
Verlag: Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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[317]

No. 20.   1883.
Die Gartenlaube.

Illustrirtes Familienblatt.Begründet von Ernst Keil 1853.

Wöchentlich 2 bis Bogen. 0 Vierteljährlich 1 Mark 60 Pfennig. – In Heften à 50 Pfennig.


Alle Rechte vorbehalten.

Gebannt und erlöst.

Von E. Werner.
(Fortsetzung.)


Justizrath Freising hatte sich in sein altgewohntes Geschick gefunden und trug den fünften der Körbe mit derselben Würde, wie die vier vorhergehenden. Augenblicklich war er überdies von einem Interesse in Anspruch genommen, das bei ihm alle Körbe der Welt in den Hintergrund drängte.

Fräulein Hofer hatte nicht so unrecht, wenn sie behauptete, der Justizrath hege eine förmliche Leidenschaft für den Actenstaub, er beschäftigte sich in der That nicht blos von Berufswegen damit. Es war sein größtes Vergnügen, in Archiven und Bibliotheken herumzustöbern und uralten Acten und Handschriften nachzuspüren, für die sich sonst kein Mensch mehr interessirte, und die er mit dem größten Eifer durchstudirte.

Er hatte längst schon sein Augenmerk auf Werdenfels gerichtet, denn das Archiv und die Bibliothek des Schlosses galten als die reichhaltigsten der ganzen Umgegend, aber der Freiherr hatte Beides nach Felseneck bringen lassen, als er dort seinen Wohnsitz nahm, und Felseneck war und blieb unzugänglich auch für den Justizrath. Er bekam nicht einmal seinen Clienten zu Gesicht, viel weniger dessen Archiv, und jeder Versuch zu einer persönlichen Annäherung wurde höflich, aber bestimmt abgewiesen.

Das änderte sich jedoch, als der Freiherr nach Werdenfels kam und allmählich wieder in Verkehr mit den Menschen trat. Er empfing dort auch einige Male seinen juristischen Vertreter, und dieser säumte nicht, die Erlaubniß zu einer gründlichen Durchmusterung der vorhandenen Actenschätze zu erbitten. Raimund hatte mit der größten Artigkeit seine Zustimmung ertheilt, und der Justizrath benutzte die erste Gelegenheit, um sich auf einige Tage frei zu machen und nach dem Bergschlosse zu fahren.

Die Ausbeute, die er dort fand, fiel über Erwarten reichlich aus. Die Werdenfels waren nicht nur eines der ältesten und reichsten, sondern auch eines der unruhigsten Geschlechter gewesen, das fortwährend in Umfrieden mit seinen Nachbarn und seinen Anverwandten lebte. Da gab es alte Grenzstreitigkeiten, die sich durch Jahrzehnte hinzogen, Erbschaftsprocesse von höchst verwickelter Beschaffenheit, Klagen, Vergleiche, richterliche Entscheidungen, und vor Allem eine unendliche Menge Acten darüber. Der Justizrath wühlte sich förmlich ein darin, er saß vom Morgen bis zum Abend im Archiv und athmete mit einem wahren Entzücken den Staub ein, der aus all diesen vergilbten Pergamenten und Urkunden emporwirbelte. Mit ausdrücklicher Erlaubniß des Freiherrn traf er endlich eine Auswahl unter den Papieren, um das Interessanteste mit nach Hause zu nehmen und es dort in aller Ruhe durchzustudiren.

Es war am Morgen des zur Abfahrt bestimmten Tages; der Justizrath beschäftigte sich eben damit, die Acten zusammenzupacken, die er mitnehmen wollte, als die Thür seines Zimmers sich öffnete und sein Kutscher eintrat, der gleichfalls in Felseneck geblieben war.

„Was kommt Ihr jetzt schon, Anselm?“ fragte Freising, etwas ungehalten über diese Störung. „Ihr wißt ja, daß ich erst um die Mittagsstunde fort will.“

„Ich wollte nur anfragen, ob der Herr Justizrath nicht lieber heut Morgen fahren wollen,“ meinte Anselm. „Wir werden am Nachmittag Schnee haben.“

„Warum nicht gar! Das Wetter ist prächtig und wir haben hellen Sonnenschein.“

„Ja, aber die Geisterspitze ist zum Greifen nahe! Die schickt uns sicher wieder ein Wetter über den Hals.“

„Was geht mich die Geisterspitze an?" sagte Freising ärgerlich. „Ich habe noch Vieles zu ordnen und kann nicht vor ein Uhr fertig sein.“

„Dann fahren wir vielleicht morgen,“ schlug Anselm vor.

„Nein, ich muß heut Abend in der Stadt sein. Was habt Ihr denn eigentlich? Warum wollt Ihr am Nachmittage nicht fahren? Dahinter steckt etwas.“

Der Kutscher drehte verlegen seine Mütze in den Händen hin und her.

„Es ist nur – wir haben heute Sanct Rupertus – und da ist es nicht geheuer in den Bergen, das weiß jedes Kind. Wenn wir heute in den Schnee gerathen, dann faßt uns die Eisjungfrau, und Sie kennen ja das Sprüchwort: Wenn die Eisjungfrau von der Geisterspitze niedersteigt –“

„Dachte ich es doch, daß so etwas herauskommen würde!“ fuhr der Justizrath auf. „Schämt Ihr Euch denn nicht, Anselm, an solchen Unsinn zu glauben? Ihr wißt, wie ich darüber denke. Wir fahren auf jeden Fall am Nachmittage, und ich sage Euch, das Wetter bleibt schön, ich verstehe mich auch auf die Wetterzeichen.“

„Ja, aber die Geisterspitze –“

„Laßt mich endlich in Ruhe mit der Geisterspitze! Ihr seid pünktlich um ein Uhr mit dem Schlitten im Schloßhofe, damit wir noch vor Einbruch der Dunkelheit in der Stadt sind, und wenn die Geisterspitze, die Eisjungfrau und all das Hexenzeug, das in Eurem Kopfe spukt, uns unterwegs aufhalten wollen, so werde ich sie allesammt zum Kukuk jagen!“

[318] Er focht energisch mit einem der großen Actenhefte in der Luft herum, als wolle er damit die erwähnte Heldenthat ausführen. Der Kutscher entsetzte sich insgeheim vor dieser gottlosen Herausforderung der allgemein gefürchteten Macht des Gebirges, dem bestimmten Befehle seines Herrn gegenüber aber mußte er sich fügen; er schwieg also und trollte ab. Der Justizrath brummte noch etwas von verwünschtem Aberglauben, der die Leute ganz dumm mache, und fuhr dann fort, seine Acten zusammenzupacken, mit einer Sorgfalt, als ob es sich um den Transport eines kostbaren Schatzes handelte.

Zur festgesetzten Stunde fuhr der Schlitten von Felseneck ab. Das Wetter hatte sich in der That vollständig geändert in den wenigen Stunden, die Sonne verschwand gänzlich hinter dem weißgrauen Gewölke, das von allen Seiten heranzog, die Berge verschleierten sich immer mehr, nur die Geisterspitze war noch deutlich sichtbar. Das Pferd trabte munter dahin auf der glatten Bahn, desto grämlicher sah der Kutscher aus, der mit offenbarer Besorgniß den Himmel musterte. Der Justizrath dagegen saß, in seinen Pelz gehüllt, bequem im Schlitten, warf von Zeit zu Zeit einen zärtlichen Blick auf das umfangreiche Actenbündel, das wohlbehütet neben ihm auf dem Sitze lag, und fand, daß das Wetter wunderschön sei.

Die Fahrt hatte ungefähr eine Stunde gedauert und man war mitten auf der öden Bergstraße, wo sich weit und breit keine menschliche Wohnung zeigte, als es zu schneien begann, anfangs noch leicht und unbedeutend, aber der Kutscher drehte sich um und sagte bedeutungsvoll:

„Da haben wir den Schnee!“

Der Justizrath wollte das nicht zugeben, sondern erklärte, der Wind treibe den Schnee von den Bäumen herüber, bald aber fielen die Flocken dichter und häufiger, und es entwickelte sich ein so regelrechtes Schneegestöber, daß Freising seine hartnäckige Behauptung, daß das Wetter schön sei, nicht länger aufrecht erhalten konnte.

„Fahrt schneller, Anselm,“ sagte er etwas kleinlaut. „Das Wetter scheint doch unzuverlässig zu sein, und wenn wir in den Schnee geraten –“

„Dann holt uns die Eisjungfrau!“ ergänzte Anselm wehmüthig. „’s ist Sanct Rupertustag.“

„Jetzt wird mir die Sache zu arg!“ rief der Justizrath wüthend. „Ich wollte, ich könnte Euch sammt Eurem Rupertustage auf die Geisterspitze hinaufschicken. Das ist der rechte Ort für Dummköpfe, in denen die Eisjungfrau spukt. Vernünftigen Menschen wie mir kommt sie sicher nicht in den Weg, ich wollte es ihr auch nicht rathen, meine Bekanntschaft zu machen.“

Anselm erschrak dermaßen über diese Lästerung, daß er sich bekreuzigte und dabei auf einen Moment die Zügel aus der Hand ließ. In derselben Minute fegte der Wind eine stäubende Schneelast von der nächsten Tanne, das Pferd erschrak, scheute und machte einen heftigen Sprung seitwärts. Der Schlitten prallte mit voller Gewalt gegen einen Felsstein, es gab ein lautes Krachen, dann jagte das Pferd, vollends scheu gemacht, mit der zerbrochenen Deichsel davon, und der Schlitten, der Justizrath und der Kutscher lagen malerisch gruppirt im Schnee.

Anselm war der Erste, der sich wieder aufraffte.

„Das kommt davon!“ brummte er. „Das kommt von den gottlosen Spöttereien. Herr Justizrath, leben Sie noch?“

Der Justizrath lebte allerdings, und sein erster Gedanke nach der Betäubung des Sturzes galt seinem Schatze.

„Meine Acten!“ rief er. „Wo sind meine Arcen geblieben?“

„Die werden wohl da unten liegen,“ meinte Anselm, auf den Abhang der Bergstraße zeigend. „Gott sei Dank, daß wir wenigstens oben geblieben sind!“

Der Schlitten hatte sich in der That vermittelst eines höchst wunderbaren Umschwunges seiner sämmtlichen Insassen entledigt, und zwar dicht am Ahhange. Die Menschen waren glücklicher Weise auf der Chaussee liegen geblieben, das schwere Actenbündel aber war jedenfalls in die Tiefe gerollt, denn es zeigte sich keine Spur davon.

Der Justizrath versuchte jetzt auch, sich aufzurichten, was ihm nur mit Mühe gelang. Er war zwar nicht ernstlich verletzt, hatte sich aber den rechten Fuß derartig verstaucht, daß er nicht einmal auftreten, viel weniger gehen konnte, und das war doppelt schlimm in der jetzigen Situation.

Der Kutscher hatte zwar das Pferd zurückgeholt, das noch eine Strecke weit gelaufen und dann ruhig stehen geblieben war, aber der Schlitten war bei dem heftigen Anprall so arg zugerichtet worden, daß seine fernere Benutzung sich als unmöglich erwies, er lag fast in Trümmern.

Anselm jammerte laut darüber, fand aber bei seinem Herrn gar kein Mitgefühl.

„Was kümmert mich der Schlitten!“ rief dieser verzweiflungsvoll. „Ich will meine Acten wieder haben! Sie können nicht tief gefallen sein, sie müssen da unten zwischen den Tannen liegen. Steigt hinunter, Anselm, und holt sie mir herauf.“

„Um keinen Preis!“ erklärte der Kutscher. „Nach diesem Unglück noch an der glatten Bergwand niederklettern, das würde mir den Hals kosten am Rupertustage. Bieten Sie mir, was Sie wollen, Herr Justizrath, aber das thu’ ich nicht.“

Freising bat und drohte vergebens. Er wäre zur Noth selbst hinuntergestiegen, um mit Gefahr seines Lebens die geliebten Acten zu retten, aber er konnte sich ja nicht von der Stelle rühren, und sein Fuß begann heftig zu schmerzen. Er schien wirklich das Opfer tückischer Mächte zu sein, die sich für den Spott rächen wollten.

„Was fangen wir nun an?“ seufzte er.

„Ja, irgend etwas müssen wir anfangen,“ meinte Anselm. „Wir können nicht hier im Schnee sitzen bleiben, und gehen können Sie nicht. Setzen Sie sich auf das Pferd, Herr Justizrath, ich führe es am Zügel bis zum nächsten Gehöft.“

„Auf keinen Fall!“ protestirte Freising. „Soll die wilde Bestie zum zweiten Male mit mir durchgehen? Ich bin ja ganz hülflos, da ich den Fuß nicht regen kann.“

Der Kutscher versuchte nichtsdestoweniger einen Sattel zu improvisiren, das Pferd aber, ein junges, lebhaftes Thier, schien das übel zu nehmen und machte so bedenkliche Bocksprünge, daß die Sache aufgegeben werden mußte.

Man kam endlich überein, Anselm solle nach dem nächsten Gehöft eilen, das leider fast eine halbe Stunde entfernt war, um dort den Schlitten des Bauers zu requiriren, und dann seinen Herrn abholen. Dieser mußte nothgedrungen zurückbleiben, da er nicht fähig war, auch nur zehn Schritte zu gehen. Er hinkte mühsam nach der Felswand, die ihm wenigstens einigen Schutz vor dem Schneetreiben gewährte, und ließ sich dort auf einem Stein nieder, während der Kutscher mit dem Pferde sich auf den Weg machte.

Da saß nun der arme Justizrath neben den Trümmern seines Schlittens, mitten auf der öden Bergstraße, in Schnee und Einsamkeit. Er kam sich völlig verlassen und verloren vor und wurde immer muthloser, je länger er wartete. Wenn nun Anselm gar nicht wieder kam, wenn inzwischen ein Schneesturm ausbrach, der ihm die Rückkehr unmöglich machte, dann mußte sein Herr hier elendiglich umkommen und wurde endlich erfroren und verschüttet aufgefunden.

Das Schneegestöber wurde immer heftiger, der Nebel immer dichter, nur von Zeit zu Zeit tauchte die Geisterspitze daraus hervor und blickte höhnend nieder auf ihr Opfer, das sich jetzt einer düsteren Melancholie hingab.

So also sollte ein Leben endigen, das nie der warme Sonnenstrahl der Liebe berührt, dem immer nur das kalte Mondenlicht der Hochachtung geleuchtet hatte! Der Justizrath seufzte tief auf bei der Erinnerung an die fünf Körbe, die er mit in das Grab nahm, und dann tröstete er sich wieder mit dem Gedanken an das Aufsehen, das sein Tod überall machen werde. Ja, an Hochachtung hatte es ihm nie gefehlt, die Zeitungen der Stadt brachten sicher einen ehrenvollen Nachruf:

„Wir erfüllen hiermit die traurige Pflicht, unseren Lesern mitzutheilen, daß einer der bekanntesten und beliebtesten Rechtsgelehrten, Justizrath Freising, ein beklagenswerthes Ende gefunden hat. Die ganze Umgegend wird mit uns den Verlust dieses ausgezeichneten Mannes empfinden, und leider sind mit ihm auch kostbare und unersetzliche Urkunden aus dem Felsenecker Archiv zu Grunde gegangen.“

Hier übermannte den Justizrath der Schmerz von Neuem, er streckte beide Arme empor zu der Geisterspitze, die eben wieder auf einen Moment aus den Wolken hervorblickte, und rief ganz laut:

„Du weißes Ungethüm! Gieb mir meine Acten wieder, und ich – ja wahrhaftig – ich will an Deine Hexerei glauben!“

[319] Die Eisjungfrau war prompt, im Bösen wie im Guten, das mußte man ihr lassen. Kaum waren jene Worte ausgesprochen, so ertönte lustiges Schellengeklingel in ziemlicher Nähe. Wäre Freising nicht so angelegentlich beschäftigt gewesen, seine eigene Todesanzeige zu stilisiren, so würde er es wohl schon früher vernommen haben, jetzt sah er gleichzeitig einen Schlitten um die Windung des Weges biegen, der nach wenigen Minuten die Unglücksstätte erreichte.

Der alte Kutscher, der das Pferd lenkte, hatte den Mantelkragen in die Höhe geschlagen, die Dame aber, die in dem offenen Schlitten saß, schien sich das Wetter nicht anfechten zu lassen, denn sie blickte ganz heiter in das Flockengewimmel, das auch sie überschüttete. Plötzlich aber stieß sie einen Schrei der Ueberraschung aus und rief dem Kutscher zu, zu halten.

„Herr Justizrath! Was sitzen Sie denn hier auf der Landstraße in diesem Wetter?“

Der arme Rechtsgelehrte bot in der That einen merkwürdigen Anblick dar; Anselm hatte ihn sorgfältig in den Pelz gehüllt und ihm ebenso sorgfältig die Reisedecke über die Füße gebreitet, so saß er denn in anscheinender Gemüthlichkeit auf seinem Steine wie ein Naturschwärmer, obgleich er bereits vom Kopfe bis zu den Füßen mit einer weißen Decke überzogen war.

„Fräulein Hofer!“ rief er. „Gott sei Dank, daß ich wieder ein Menschenantlitz erblicke! Ich glaubte ganz verlassen sterben zu müssen.“

„Aber was ist denn geschehen? So stehen Sie doch wenigstens auf.“

„Ich kann nicht, ich bin verhext!“

„Was sind Sie?“

„Verhext – das heißt, ich habe mir den Fuß verstaucht,“ verbesserte sich der Justizrath, der mit Schrecken inne wurde, daß er auch bereits dem Aberglauben verfallen war, und nun begann er sein Mißgeschick zu berichten, zu dem der zertrümmerte Schlitten eine traurige Illustration gab.

Fräulein Hofer, die sich noch zum Besuch bei ihren Eltern befand und soeben von einem kurzen Ausfluge nach der Försterei zurückkehrte, war inzwischen ausgestiegen. Sie ließ ihren alten Widersacher seine zahllosen Spöttereien nicht entgelten, sondern nahm sich in christlicher Barmherzigkeit seiner an. Sie bot ihm einen Platz in ihrem Schlitten an und verhieß ihn sicher nach der Försterei zu bringen, wo man ihm Fuhrwerk verschaffen werde.

„Nur noch eine Bitte!“ sagte der Justizrath wehmüthig, indem er sich mühsam erhob. „Unterstützen Sie mich ein wenig, damit ich bis zu jenem Abhange gelangen kann.“

Emma fand das Begehren etwas seltsam, zögerte aber nicht, es zu erfüllen, und mit ihrer Hülfe gelangte Freising, der kaum aufzutreten vermochte, auf die andere Seite der Straße, wo er sich auf einen der Chausseesteine stützte und in die Tiefe hinabblickte.

„Da unten liegen sie!“ sagte er in düsterem Grabestone.

„Um des Himmelswillen – Menschen?“ rief Fräulein Hofer entsetzt.

„Nein - Acten! Ich sehe ganz deutlich den blauen Umschlag des Paketes auf dem weißen Schnee.“

„Nun, dann lassen Sie sie in Gottes Namen liegen! Wir können uns in einer solchen Situation doch nicht mit Ihren langweiligen Acten abgeben.“

„Langweilig?“ rief der Justizrath empört. „Es sind die interessantesten, die merkwürdigsten Urkunden aus dem Archiv von Felseneck. Eine Grenzstreitigkeit von Anno sechszehnhundertundachtzig, die sich bis siebenzehnhundertzehn hingezogen hat; ein Erbschaftsproceß –“

„Auch von Anno sechszehnhundertachtzig?“

„Nein, vom Anfange dieses Jahrhunderts. Werdenfels contra Werdenfels – die jüngere Linie gegen die ältere – ein unglaublich interessanter Proceß, sogar eine Urkundenfälschung ist dabei vorgekommen! Und das alles liegt nun im Schnee begraben! In wenigen Stunden ist es völlig durchweicht, verdorben, verloren! Könnte Ihr Kutscher denn nicht versuchen, hinunterzusteigen? Ich wollte ihn überreich belohnen.“

„Nein,“ sagte das Fräulein mit Bestimmtheit. „Der alte Mann ist über die Siebenzig hinaus und wird nur noch zu den leichtesten Diensten verwendet. Liegt Ihnen denn wirklich so viel an diesen alten Räritäten?“

„Alles!“ erklärte Freising mit einem trostlosen Blick in die Tiefe.

„Nun gut, dann werde ich sie heraufholen.“

„Um Gotteswillen, Sie wollen doch nicht etwa – “

„Hinuntersteigen? Natürlich will ich das! Ich bin in den Bergen aufgewachsen und werde zur Noth wohl noch einen steilen Abhang hinunterklettern können. Wo liegt das Paket? Ah, dort unten!“

„Ich gebe es nicht zu,“ protestirte Freising. „Die Sache ist gefährlich, mein Anselm wollte sie nicht wagen – noch dazu heute am St. Rupertustage.“

Emma lachte laut auf.

„Wie, Herr Justizrath. sind Sie auf einmal gläubig geworden? Was kümmert denn den Freigeist der St. Rupertustag, der steht ja nur im Codex unseres Aberglaubens verzeichnet. Sein Sie ohne Sorge, ich stehe mit dem Heiligen auf sehr gutem Fuße, mich läßt er nicht stürzen,“ und ohne auf die weiteren Einwendungen zu hören, trat sie muthig den Weg in die Tiefe an.

Es war immerhin ein gefährlicher Weg, der einen schwindelfreien Blick und einen sicheren Fuß verlangte, aber Emma Hofer besaß beides. Zum Glück lag der Schnee an dieser Stelle nicht hoch und die Bäume und Baumwurzeln boten ihr Stützpunkte, die sie geschickt benutzte; nach einer kühnen Rutsch- und Kletterpartie gelangte sie glücklich zu dem verlorenen Schatze, der in ziemlicher Tiefe auf einem freien Vorsprunge lag, und belud sich ohne Zögern damit. Der Rückweg mit dem schweren Actenbündel gestaltete sich noch schwieriger, aber die tapfere kleine Dame brachte auch dies zu Stande. Sie kletterte ebenso muthig den steilen Abhang wieder hinauf und tauchte endlich erhitzt und athemlos am Rande der Chaussee auf.

„Da ist die Geschichte von Anno sechszehnhundertachtzig, sammt der Urkundenfälschung!“ rief sie triumphirend, indem sie das Paket auf die Straße schleuderte und dann vollends emporstieg.

Der Justizrah athmete auf. In die Angst, mit der er das Beginnen der kühnen Bergsteigerin verfolgte, mischte sich ein sehr angenehmes Gefühl, denn er sah in dieser Aufopferung die unleugbare Bestätigung dessen, was Lily ihm anvertraut hatte. Für einen Fremden, einen Gegner wagte man doch nicht dergleichen! Es war kein Zweifel, die Kleine hatte recht gesehen, und ganz erfüllt von diesem Gedanken streckte Freising der Emporsteigenden beide Hände entgegen und rief:

„Ich werde Ihnen ewig dankbar sein!“

Emma wehrte lachend die dargebotene Hülfe ab.

„Ich danke, Herr Justizrath, ich helfe mir schon allein. Denken Sie an Ihren verletzten Fuß, und was Ihre ewige Dankbarkeit betrifft, so ist die kleine Bergfahrt gar nicht so vieler Umstände werth.“

Freising war durchaus anderer Meinung. Er sah die verlorenen Acten – Werdenfels contra Werdenfels – vor sich liegen, er dachte daran, daß er noch vor einer Viertelstunde seinen Nekrolog verfaßt hatte und bereit gewesen war, mit fünf Körben in die Ewigkeit zu gehen – und seine sonst etwas trockenen und pedantischen Züge gewannen beinahe einen Ausdruck von Schwärmerei, als er sagte:

„Sie haben mir den Glauben an das Leben wiedergegeben!“

Fräulein Hofer, die diese Aeußerung natürlich auf die Acten bezog, fand das doch etwas übertrieben und schüttelte befremdet den Kopf.

„Herr Justizrath, Sie wissen, ich achte Sie hoch, aber Ihre Actenmanie –“

„Um Gotteswillen nur das nicht!“ unterbrach sie Freising, mit allen Zeichen des Entsetzens. „Alles auf der Welt, nur keine Hochachtung!“

„Aber Herr Justizrath –“

„Verzeihen Sie, mein Fräulein, aber das ist eine Eigenthümlichkeit von mir, ich – ich kann nun einmal keine Hochachtung vertragen – ich habe eine förmliche Aversion dagegen. Hassen Sie mich, wenn Sie wollen, aber achten Sie mich nicht hoch – ich habe das zu oft schon ausgehalten!“

Das Geständniß klang so verzweifelt, daß es die Idee erwecken konnte, bei dem Unfall sei nicht allein der Fuß, sondern auch der Kopf des Herrn Justizrathes zu Schaden gekommen. [320] Fräulein Hofer aber wußte durch die Ausplaudereien Lily’s, woher diese Aversion gegen die Hochachtung stammte, dagegen hatte sie keine Ahnung von der Intrigue, die Fräulein Lily auf eigene Hand eingefädelt hatte und deren Opfer sie selbst war. Sie ahnte nicht, daß ihr Mitleid und ihre unbefangene Theilnahme für etwas ganz anderes genommen wurden, und packte ganz ruhig erst die Acten und dann den Justizrath in ihren Schlitten, endlich stieg sie selbst ein und befahl dem Kutscher, nach der Försterei zu fahren.

Der Justizrath war sanftmüthig wie ein Lamm und ließ alles Mögliche mit sich vornehmen, nur bei der Abfahrt warf er noch einen bedenklichen Blick hinüber nach der Geisterspitze, dem „weißen Ungethüm“, das sein in der Verzweiflung gethanes Gelübde gehört und angenommen hatte. War er denn nun wirklich verpflichtet, an die Hexerei zu glauben?

Eine Viertelstunde später kam ein Bauernschlitten an, auf dessen Vordersitz sich Anselm und ein Knecht befanden, der die Pferde lenkte, aber Beide waren im höchsten Grade erstaunt und verblüfft, als sie die Unglücksstätte leer fanden. Die Trümmer des Schlittens lagen zwar noch an der alten Stelle, von dem Justizrath aber zeigte sich keine Spur.

„Er hat nicht länger warten wollen, und hat sich zuletzt selbst auf den Weg gemacht,“ meinte der Knecht, aber Anselm schüttelte den Kopf.

„Er konnte nicht fünf Schritte weit gehen, und dann hätten wir ihm ja auch begegnen müssen.“

Sie suchten noch einmal die ganze Windung des Weges ab, spähten in die Tiefe, riefen nach allen Himmelsgegenden; vergebens, der Justizrath war und blieb verschwunden. Die Männer blickten sich rathlos an, sie hatten beide denselben Gedanken und schauderten.

„Die Eisjungfrau hat ihn geholt!“ sagte Anselm endlich im Flüstertone. „Er hat sie gelästert, dafür hat sie ihn nun mit Haut und Haar genommen.“

„Ja, das hat sie gethan!“ bestätigte der Knecht, indem er die Hände faltete und einen scheuen Blick nach der Geisterspitze hinübersandte.

Anselm trat an den Rand des Weges und schaute in die Tiefe.

„Und die Acten hat sie auch geholt!“ rief er mit einem erneuten Schauder. „Schrecklich!“

„Gräßlich!“ bestätigte der Knecht, und dann bestiegen sie schleunigst wieder ihren Schlitten und flohen so schnell als möglich den Schauplatz des Entsetzlichen. Sie jagten im Galopp davon, um überall die Schauernachricht zu verbreiten, die Eisjungfrau habe den Justizrath Freising geholt, und er sei hinfort, zur Strafe für seine Freigeisterei, für ewig auf die Geisterspitze gebannt.

(Fortsetzung folgt.)




Brillensünden.

Von Dr. J. Hermann Baas (Worms).

Der Nichtarzt glaubt gewiß, die Lehre vom Sehen sei schon seit langer Zeit nach allen Seiten hin völlig aufgeklärt. Forderte doch, so denkt er, kein anderer Theil unseres Körpers gleich gebieterisch den Such- und Scharfsinn der ärztlichen Forscher und Denker geradezu stündlich heraus, wie das wunderbare Sinneswerkzeug, mit Hülfe dessen sich uns die Welt erschließt und dessen Verlust ein so unsagbar trauriger ist. Darin hat er nun Recht: am Forschen nach den Gesetzen, welche das Auge und das Sehen regieren, hat es von jeher nicht gefehlt; ganz besonders eifrig wurden sie aber gesucht, nachdem der große Astronom Kepler und der Naturforscher Pater Scheiner, also zwei Deutsche, im siebenzehnten Jahrhundert die glänzenden Ecksteine des Baues geliefert hatten. Unter Dach und Fach ist die Lehre jedoch erst nach langer Frist gebracht worden. Die menschliche Erkenntniß wächst eben leider auf allen Gebieten gar langsam in die Höhe! Ganz besonders gilt aber dieser Satz für die medicinischen Wissenschaften, in denen die volle Begründung einer Wahrheit und die vollkommenste Durchführung der darauf fußenden Hülfe oft genug Jahrhunderte in Auspruch nahm.

So ist es denn auch gekommen, daß erst seit etwas mehr als zwei Jahrzehnten unsere Kenntnisse von den naturgesetzlichen Bedingungen der Gesichtswahrnehmungen zum Abschlusse gelangt sind. Nach Aneignung dieser aber war wiederum erst die Lehre von der Wirkung und richtigen Anwendung der Brillen, die bis dahin immer nur roh routinenmäßig ausgesucht werden mußten – und sagen wir es sogleich, leider vom Publicum auch jetzt noch in Fortsetzung dieser früheren Gewohnheit mit überwiegender Häufigkeit nicht anders ausgewählt werden – einzig und allein möglich. Die heutige Brillenlehre ist also noch sehr jung.

Zum Ausbaue dieses Wissenschaftszweiges – denn um eine Wissenschaft handelt es sich – haben die deutschen Aerzte Stellwag von Carion in Wien, Helmholtz in Berlin und der niederländische Forscher Donders die Schlußsätze geliefert. Bevor wir aber diese darstellen wollen, bitten wir den Leser, sich die kleine Mühe nicht verdrießen zu lassen, uns aufmerksam zu folgen; der Gewinn an Einsicht wird ihm Entschädigung dafür sein; mathematische und physikalische Formeln werden wir übrigens Niemandem zumuthen. – Jene Schlußsätze lauten etwa folgendermaßen:

Selbst im ganz gesunden Auge müssen zwei Hauptbedingungen erfüllt sein, wenn alles gut und recht, das heißt wenn genaues und scharfes Sehen, sowohl in die Nähe wie in die Ferne, möglich sein soll.

Fig. 1.

Mittleres Auge von richtigem Bau.

Erstens: das Auge muß richtig gebildet und gebaut sein; denn nur dann können die Lichtstrahlen oder, was dasselbe sagt, die Abbilder der äußeren Gegenstände so in’s Augeninnere gelangen und hier so gelenkt und geleitet werden, daß genau auf der empfindenden Netzhaut eine deutliche Photographie entstehen und dem Bewußtsein von dieser zugeführt werden kann: das Bild des Punktes a (Fig. 1) muß bei b auf den gelben Fleck treffen.[1] Augen, bei denen dies der Fall ist, nennt man im täglichen Leben gute Augen, und die Besitzer derselben rühmen sich ihres vollkommen guten Gesichts, das keiner Brillenhülfe bedarf. Solche Augen haben, von vorn nach hinten gemessen, eine mittlere Länge, sind weder zu kurz, noch zu lang. „Beim Sehen hat also auch der Zollstab eine Bedeutung?“ Gewiß hat er diese! denn nur beim Gesehenwerden ist unter Umständen das nicht zahlgemäße poetische Himmelblau sowie der aus der Nacht dunkler Lockenfülle hervorstrahlende Glanz der Augensterne maßgebend, selbst das Grüngelb derselben, wenn freilich auch in ungünstigerem Sinne, aber beim Sehen gilt blos Maß und Zahl.

Fig. 2.

Kurzsichtiges, zu langes Auge
(bei c ausgebuchtet).

In einer anderen Reihe von Augen ist der Durchmesser von der Hornhaut bis zum Augengrunde zu groß, wobei auch die Linse gewöhnlich zu stark gewölbt ist und somit ein zu starkes Brechvermögen hat. Es können und müssen dann (vergl. Fig. 2.) die Bilder nicht gerade auf, sondern schon vor der Netzhaut (bei b) entstehen. Diese letztere erhält deshalb nur eine Art Schattenbild mit undeutlichen Umrissen (bei c), liefert eine verschwommene Photographie. Wenigstens dann, wenn die Gegenstände einigermaßen entfernt sind, werden sie nicht scharf gesehen. In der Nähe dagegen sehen solche Augen gut und ausdauernd.

[321]

Album schöner Frauenköpfe: 7. „Wenn Blüthenträume reifen“.
Nach dem Oelgemälde von Helene Büchmann.

[322] Diese zu lang gebauten Augen nennt man aber nicht etwa langsichtige, sondern, wie bekannt, kurzsichtige, weil sie nur auf kurze Entfernungen gut sehen. Der lange Bau des Auges ist nun entweder angeboren, oder er wird erst in den frühen Lebensjahren erworben, besonders durch tägliches und anhaltendes Sehen auf nahe Gegenstände, wodurch im Laufe der Zeit die hintere Augenwand (bei c) sich ausbuchtet. Darnach unterscheidet man zwischen angeborener Kurzsichtigkeit, die verhältnißmäßig selten ist, und erworbener, welche dafür um so häufiger vorkommt. Und dies ist neuerdings schon nicht mehr blos bei Nahe-Arbeitern – Studirenden, Kupferstechern, Uhrmachern etc. – der Fall, sondern sogar unter der ländlichen Jugend, bei der man früher wenig oder gar nichts davon wahrnahm.

Ferner giebt es Augen, die zu kurz sind.

Fig. 3

Fernsichtiges, zu kurzes Auge

Spricht man gerade diesen Satz aus, so folgt in der Regel sofort die verwunderte Frage: „Die zu kurz sind? Das soll wohl so viel heißen, wie: die zu klein sind?“ Nein! das soll es nun gerade nicht bedeuten! Denn ob ein Auge groß oder klein erscheint, das hängt in fast allen Fällen nicht von der Länge, ja nicht einmal von der Größe des Augapfels, sondern von der Weite oder Länge der Lidspalte ab: Augen mit langen Lidspalten nennt man große, solche mit kurzen kleine.

Es giebt aber gar nicht wenige Augen, die in der That zu kurz sind. Freilich, von außen her sieht man dies nicht und kann ihnen das nicht ansehen. Erst wenn der Durchmesser derselben, nachdem man sie aus den Augenhöhlen herausgenommen hat, mit dem Cirkel von vorn nach hinten gemessen wird, stellt sich heraus, daß ihre Achse, mit dem mittleren Auge verglichen, zu kurz ist (vergl. die Fig. 1 und Fig. 3).

Dieser Baufehler ist stets angeboren, wird nicht erworben. Auch ist die Linse solcher Augen (Fig. 3) meist nur flach gewölbt und bricht deshalb die Strahlen nur so schwach, daß sie sich erst hinter dem Auge (Fig. 3 bei b) zum Bilde der Außendinge vereinigen. Dadurch kommt, wie bei Kurzsichtigen (aber aus dem entgegengesetzten Grunde), auch bei solchen Fernsichtigen – so nennt man die Kurzäugigen in Anbetracht ihres Sehvermögens, welches nur deutliches Sehen in die Ferne zuläßt – ein verschwommenes Bild (Fig. 3 bei c) auf dem Hintergrunde des Auges zu Stande.

Bei den bisherigen Auseinandersetzungen handelte es sich um Dinge, die im Grunde auch an richtig nachgebildeten Glasaugen dieselben bleiben würden, da der Gang der Lichtstrahlen und die Entstehung der Abbilder äußerer Gegenstände auch in einem solchen gezeigt werden können. Anders verhält es sich dagegen mit der zweiten Hauptbedingung richtigen Sehens, bei der lediglich eine lebendige Kraft in Betracht kommt.

Fig. 5

2, Dickere Linse, die stärker bricht.
1, Dünnere oder flachere Linse, die schwächer bricht.

Bevor der Photograph die Silberplatte dem Lichte aussetzt, betrachtet er bekanntlich zuerst die an der hinteren Wand seines Apparates (Camera obscura) angebrachte matte Glasplatte, auf der sich das Bild des zu Photographirenden scharf abzeichnen muß, soll dasselbe in Wirklichkeit gut werden. Fast immer muß er aber, um dies zu erreichen, weil die optischen Gläser, welche dem Aufzunehmenden zugewandt sind, nur ausnahmsweise richtig stehen, durch Hin- und Herschrauben sie erst genau einstellen: er paßt seinen Apparat dabei der jedesmaligen Stellung der Person an, bis jenes scharfe Bild sich gerade auf der Platte zeigt. Ganz ebenso muß auch unser Auge bei jedem neuen Gegenstande sich einstellen. Wir haben zu diesem Zwecke innerhalb desselben aber einen viel vollkommeneren Einstellungsmechanismus, als jene Schrauben es sind, durch den die Gestalt der Krystalllinse geändert werden kann.

Diese ist ja weich, zusammendrückbar: wird sie durch einen im Auge vorhandenen, sie umfassenden ringförmigen Muskel zusammengedrückt, so wird sie stärker gewölbt und damit stärker brechend (Fig. 5, 2) im Vergleich zu dem Zustande, in dem sie bei Unthätigkeit jenes Muskels sich befand (Fig. 5, 1). Dies deutlicher zu machen diene folgende Betrachtung.

Fig. 4

1) Flache Gestalt der Linse vor
dem Druck der Finger; sie ist
2) stärker gewölbt nach dem
Druck der Finger.
a Kautschuklinse. b Zeigefinger.
     c Daumen. d Mittelhand.

Man umfasse mit Daumen und Zeigefinger den Rand einer linsenförmig gebildeten Kautschukplatte der Art, wie dies in Fig. 4 abgebildet ist. Drückt man mit den Fingern diese Platte zusammen, so wird sie dicker (Fig. 4, 2), läßt man mit dem Druck nach, so wird sie dünner (Fig. 4, 1). Ganz dasselbe bewirkt jener sogenannte Anpassungsmuskel des Auges an der weichen, durchsichtigen Augenlinse.

Die Linse unseres Auges wird nämlich vom Rande her zusammengedrückt oder, was dasselbe sagt, dicker und stärker brechend, wenn wir nahe Gegenstände betrachten; der Druck läßt nach, und die Linse wird flach, schwächer brechend, wenn wir entferntere Dinge sehen wollen. Dies geschieht ganz unwillkürlich.

Diese Fähigkeit des Auges, die Brechkraft unserer Linse der jedesmaligen Entfernung der Gegenstände anzupassen, damit sie immer scharf von uns gesehen werden, nennt man Accommodation des Auges, zu deutsch, was freilich nicht so gelehrt kingt, Anpassungsfähigkeit oder Anpassungskraft des Auges.

Vollständig gute und rasche Wirksamkeit dieser ist, neben richtigem Augenbau, die erwähnte zweite Hauptbedingung scharfen Sehens.

Mit dem zunehmenden Alter wird nun, wie dies bekanntlich auch bei allen übrigen Körpermuskeln der Fall ist, der Anpassungsmuskel des Auges stufenweise schwächer. Er kann deshalb mit der Zeit die unterdessen auch starrer gewordene Linse nicht mehr so zusammendrücken, wie es nöthig ist, um nahe Gegenstände zu sehen. In Folge solcher Altersschwäche des Accommodationsmuskels, die sich etwa um das vierzigste bis fünfundvierzigste Jahr selbst bei sonst ganz gesunden Augen störend geltend macht, sehen bekanntlich ältere Personen, die nicht kurzsichtig sind, nahe Gegenstände nicht mehr scharf. Diesen aus der nachlassenden Kraft des Auges entstehenden Gesichtsfehler nennt man aber Weit- oder Alterssichtigkeit. Sie ist die verbreitetste und schon im Mittelalter und zwar zuerst mittelst Brillen bekämpfte Augenschwäche.

Fig. 6

Convexglas oder Sammellinse

Jedermann weiß, daß man diesen Ausfall von Augenkraft im Alter durch eine Vergrößerungs- oder Convexbrille (Fig. 6) ersetzen kann; ist ein für die Altersstufe des Betroffenen richtiges Glas bestimmt, so kann derselbe wieder in der Nähe sowohl bei künstlichem Lichte, was ohne dasselbe fast unmöglich war, wie bei natürlichem Tageslicht ohne Beschwerden und Schaden lesen und ausdauernd arbeiten.

So kann es sein, aber so ist es nicht immer! Werden doch gerade bei Alterssichtigkeit die häufigsten und unglaublichsten Fehler, wahrhaftige Brillensünden begangen! Dies sowohl in der Art, daß zu spät zur Brille gegriffen wird, oder daß zu schwache oder zu starke wie auch daß zu schlechte Brillen getragen werden. Die letztgenannte ist die alltäglichste dieser Sünden.

Brillen werden zu spät benutzt! Bei Männern geschieht dies entweder aus Bequemlichkeit oder aus Leichtsinn, bei Frauen meist in Folge der Sucht, jung zu scheinen, dann bei beiden [323] wegen des noch allgemein verbreiteten Aberglaubens, daß Brillentragen die Augen verderbe oder vielmehr schwäche, indem man fälschlich annimmt, Jedermann sei, sobald er einmal die erste Brille zu benutzen angefangen habe, dadurch zur Anschaffung immer stärkerer gezwungen. Das ist nun freilich richtig, aber daran ist das Brillentragen als solches bei Weitsichtigkeit nicht schuld, sondern die mit jedem neuen Lebensjahre ganz naturgemäß zunehmende Schwäche des Anpassungsmuskels. In Wirklichkeit ist es sogar fehlerhaft und schlimm, wenn möglichst lange mit Benutzung der ersten Brille gezögert wird, weil dann sofort eine starke gewählt werden muß, an die man sich viel schwerer gewöhnt, als an eine schwache, an deren Stelle man nach Maßgabe der zunehmenden Jahre eine etwas stärkere setzt, sobald die vorher benutzte nicht mehr ausreicht. Wer z. B. im 45. Jahr Nr. 70 in Gebrauch nimmt und im 48. zu Nr. 50, dann im 50. zu Nr. 40 steigt, ist entschieden in einer vortheilhafteren Lage, als derjenige, welcher sich unter Beschwerden aller Art, die ihm das Lesen verursachte, wie Augenweh, Kopfweh etc., so lange hinschleppte, bis er im 50. gar nicht mehr lesen konnte und nun sofort mit Nr. 40 beginnen mußte. Jener Erste schonte seine Augen durch seine Verfahrungsweise mehr, als der, welcher hartnäckig bis zum 50. Jahre wartete, und blieb frei von Beschwerden; jener beugte den Beschwerden klugerweise vor, dieser ließ sich später erst zu seinem Schaden durch sie zum Brillentragen zwingen.

Daß oft zu schwache Altersbrillen getragen werden, hängt gleichfalls mit dem soeben genannten Vorurtheil zusammen: man meint, allenfalls zu schwache Brillen könnten nicht schaden, wohl aber starke stets. Das ist jedoch ganz falsch! Gerade zu schwache Brillen schaden immer, weil sie die ausgefallene Anpassungskraft nicht ganz ersetzen und dadurch das an sich schon altersschwache Auge noch zu solchen Anstrengungen veranlassen, die es gar nicht mehr leisten kann. Daraus erwächst dann Augenweh durch Ueberanstrengung, ja selbst entzündliche Augenreizung mit Thränenfluß etc., die eine stärkere, aber dem Alter angemessene Brille nie verursacht haben würde. Seltener werden zu starke Brillen ausgesucht; doch kommt auch das vor. Auch sie sind schädlich und machen ähnliche Beschwerden, wie zu schwache.

Gewöhnlich liegt die Ursache der Auswahl zu starker Gläser darin, daß sie bei schlechter Beleuchtung probirt wurden, andermal darin, daß sie während der kurzen Zeit des Probirens ganz feine Gegenstände (Nadelöhre u. dergl. m.) schärfer sehen ließen, als schwächere; das hält aber dann für die Dauer nicht an und die Brille macht wahrhafte Augenqualen. Trotzdem werden auch sie oft lange beibehalten, weil man sich nicht entschließt, eine bezahlte falsche Brille durch eine richtige zu ersetzen, die eine kleine neue Ausgabe nöthig machen würde. Wird doch dem edelsten Sinne gegenüber auf unglaubliche Weise gespart, wie aus den folgenden Darlegungen noch mehrfach ersichtlich sein wird, voran aber aus Fällen, wie derjenige ist, den wir nach dem Leben jetzt erzählen wollen, der natürlich auch auf manches Väterchen und andere Leute paßt.

In die Sprechstunde des Augenarztes kommt ein Mütterchen, „das gern liest“ und sofort eine Brille auskramt, die auf den ersten Blick als ein wahres Muster sich darstellt, wie eine solche nicht sein soll. Daran schließt sich ohne Pause die sozusagen typische Geschichte dieses sogenannten optischen Instrumentes. Vor etwa zehn Jahren hatten – so lautet sie – die Augen der Alten schon eine bedenkliche Schwäche gezeigt; doch griff sie natürlich nicht sogleich zur Brille, sondern berieth erst mehrere Jahre hindurch mit allerlei Bekanntinnen, wo man nur eine gute Brille kaufen könne? Die Meinungen waren aber darüber sehr getheilt: der Einkaufsstellen gab es ja sehr viele. Schließlich ging sie zu einem Spielwaarenhändler, erklärte ihm jedoch von vornherein, es komme ihr gar nicht auf’s Geld, sondern nur auf den Besitz einer guten Brille an. Man legte ihr dann eine ganze Sammlung vor, aus der die eine Sorte 40 Pfennig das Stück, die andere 50 Pfennig, eine dritte gar 1 Mark kosten sollte; das seien die besten, aussuchen müsse sie selbst die richtige Nummer. Zu diesem Zwecke legte man ihr ein Zeitungsblatt hin, womit sie ihre Proben anstellen solle. Dies geschah denn auch gewissenhaft mit allen Sorten, und es fand sich zuletzt wirklich unter den 50-Pfennig-Brillen zufällig eine, die merkwürdig gut paßte. Diese ward gekauft. Aber die Freude darüber hielt nicht lange an; denn gar bald that sie den Augen recht sehr wehe, und damit lesen konnte die Frau fast nicht mehr. Als sich das durch fortgesetzten Gebrauch nicht ändern wollte, ging die Alte zum Augenarzt. Die „anfangs so gute Brille“ ist nunmehr ganz verbogen, die Gläser stehen im Winkel zu einander, die Arme sind gewunden, wie wenn sie vom Blitze getroffen worden wären, und stehen weit aus einander, sodaß sie nur mit Hülfe eines Bandes noch hinter dem Ohre halten. Und erst die Gläser! Die Farbe derselben schillert zwischen Glas- und Meergrün, sie sind mit Putzstriemen bedeckt und ganz beschmutzt; außerdem ist das Glas voller kleiner Luftblasen im Inneren und von beiderseits gleichgewölbten Flächen kann keine Rede sein. Das war so eine Brille mit gegossenen Gläsern, wie sie tausendfach benutzt werden: billig sind sie und schlecht in des Wortes tiefster Bedeutung.

„Diese Brille war niemals auch nur halbwegs brauchbar!“ so lautet der Spruch des Arztes.

„Was soll ich thun?“ die Frage der Alten.

„Ich will Ihnen eine richtige bestimmen und aufschreiben; doch kann dieselbe 3 bis 4 Mark kosten!“

Da sollte man nun das entsetzte Emporschnellen des Frauchens gesehen haben.

„Gott soll mich behüten! – Was bin ich Ihnen schuldig, Herr Doctor?“

In gute Laune versetzt ob dieses drastischen Schlusses der Konsultation anwortet dieser mit:

„Nichts!“

„Dann bedanke ich mich schön für den freundschaftlichen Rath!“

Und das Mütterchen ging und – kaufte sich ganz gewiss jetzt eine neue Brille – für 40 Pfennig, damit der Verlust, wenn auch diese etwa nicht gut ausfallen sollte, nicht so groß sei. Und die Augen wurden weiter verdorben!

Billig und schlecht! ein solcher Brillenkauf schließt die häufigste Brillensünde ein, welche von Alterssichtigen begangen wird. Zum Augenarzte geht heute noch nicht ein Procent derselben: wer auch darf sich denn diesen Luxus einer Altersbrille, und das heißt doch nichts anderes, als seiner Augen wegen erlauben?! Davon wollen wir aber hier gar nicht reden.

Ein weiterer Fehler, der nicht selten beim Gebrauch von Altersbrillen begangen wird, ist der, daß für kleine und größere Entfernungen beim Arbeiten ein und dieselbe Brille benutzt wird, während für nahe Gegenstände doch eine stärkere und für entferntere eine schwächere nöthig ist. So ist z. B. eine Brille, welche zum Lesen in einem Buche ganz passend ist, unbrauchbar, sobald etwa ein Kaufmann sie zum Ueberschreiben aus einem entfernter liegenden Tagebuch in’s näher liegende Hauptbuch benutzen will. Für diese letztere Arbeit muß er eine besondere, schwächere Brille haben, als zum Lesen. Ebenso ist es bei vielen anderen Beschäftigungen, bei denen abwechselnd feinere und gröbere Gegenstände scharf gesehen werden sollen. Für solche Fälle müssen eben verschiedene Gläser ausgewählt und in Gebrauch gezogen werden – wer aber will sich gar noch zwei Brillen anschaffen? Andere minder bedenkliche Versündigungen beim Gebrauche von Altersbrillen müssen wir unerörtert lassen.

Fig. 7

Wirkung des Convexglases bei Fernsichtigen. Während ohne die Sammellinse L das Bild bei b entstehen würde, wird es durch diese stärker gebrochen, damit auf die Nezthaut bei b’ verlegt und hierdurch scharf gesehen.

Aber auch Fernsichtige, die gleichfalls Convexgläser nöthig haben, fehlen häufig genug gegen ihr Sehorgan. Warum dieselben Vergrößerungsbrillen benutzen müssen und wie solche bei ihnen wirken, zeigt Fig. 7 ganz deutlich.

Die Fernsichtigkeit ist, wenn auch nur selten Brillen gegen dieselbe angewendet werden, häufiger, als es den Anschein hat. Vor allem ist sie bei nach innen schielenden Kindern fast ausnahmslos vorhanden und sogar die Ursache des Schielens, welches deshalb auch durch richtigen Brillengebrauch häufig wieder beseitigt werden kann. Leider ist das den wenigsten Eltern bekannt, folglich auch nicht, daß bei beginnendem Schulbesuch gerade erhöhte Gefahr eintritt, daß es, wenn nicht jetzt zur Brille gegriffen wird, zum bleibenden Schielen kommt, wobei das abgelenkte Auge fast immer schwachsichtig wird: selbst eine Schieloperation kann dann gewöhnlich nur noch die Entstellung beseitigen, nicht aber das geschwächte Sehvermögen.

Kein Augenfehler tritt unter so verschiedenen Erscheinungen auf, wie die Fernsichtigkeit; sie ist ein wahrer Proteus. Selbst das Bild angeborner höchster Kurzsichtigkeit täuscht sie nicht selten vor. Bei stärksten Graden nämlich sehen die damit Behafteten in die Ferne so wenig, wie sehr stark Kurzsichtige; aber auch in die Nähe sehen sie nicht, was doch bei letzteren der Fall ist, besonders können sie nicht, wie diese, sehr feine Schrift lesen. Und gerade das erregt beim Kundigen den Verdacht auf versteckte [324] Fernsichtigkeit. Giebt man nun solchen „Schwachsichtigen“ eine starke Convexbrille, so giebt man ihnen in Wahrheit erst ihr Gesicht! Während die Angehörigen in der Regel nur auf Veranlassung der Lehrer solche Kinder untersuchen lassen, ihnen also bis dahin sozusagen die volle Freude am Dasein entzogen hatten, ist die Ueberraschung derselben über die Wirkung der Gläser in der Regel eine sehr große und freudige: dachten sie doch seither an nichts anderes, als an das Gespenst des schwarzen Staars. Aber auch ähnlich wie erworbene Kurzsichtigkeit kann sich Fernsichtigkeit darstellen, dann nämlich, wenn bei letzterer durch anhaltendes Sehen auf feine Gegenstände, durch vieles Lesen u. dergl. der Anpassungsmuskel in anhaltende krampfhafte Zusammenziehung gerathen ist. Dadurch wird die Linse fortwährend stark zusammengedrückt (vergl. Fig. 4, 2) und das bisher gut in die Ferne sehende Auge meist plötzlich kurzsichtig. Lähmt man aber durch Einträufelung von Atropin den Accommodationsmuskel vollständig, so zeigt sich sofort, daß nur Convexgläser das Sehen verbessern, daß also Fernsichtigkeit unter dem Bilde rasch erworbener Kurzsichtigkeit sich verbarg.

Welche Qualen aber nicht erkannte Fernsichtigkeit manchmal bereitet, mag folgende von Donders erzählte Krankengeschichte erläutern. Sie lautet:

Der hochwürdige Herr G. D., 52 Jahre alt, sieht trübselig aus.

„Bester Herr Professor,“ sagt er, „ich komme zu Ihnen, denn ich fühle, daß ich blind werde!“

Seit 20 Jahren glaubt er beständig binnen Jahresfrist erblinden zu müssen; und sonderbar, obwohl er noch immer sieht, betrachtet er doch jedes Jahr als das letzte. So ist der Mensch! Sein Leben war ein ewiger Kampf mit seinen Augen! Schon als Kind konnte er nur mit Schwierigkeit lesen, als Studenten ermüdete ihn die geringste Anstrengung, und er war gezwungen mehr durch Hören als durch eigenes Lesen zu lernen. – Als Prediger mußte er seine Predigten in großen Schriftzügen niederschreiben und sie dann dennoch auswendig lernen. Und was das Aergste war, er konnte weder lesen noch arbeiten, ohne daß sich ihm der Gedanke aufdrängte, daß er dadurch seine endliche Erblindung beschleunige, ein Gedanke, welcher jede Sammlung des Geistes für einen bestimmten Gegenstand unmöglich machte. Dieselbe Furcht vor Erblindung hielt ihn ab, ein eheliches Bündniß zu knüpfen … endlich in seinem vierzigsten Lebensjahre bekam er Convexgläser Nr. 40 und jetzt trug er Nr. 20.

„Sehen Sie mit diesen Brillen in die Ferne?“ war meine erste Frage.

„Etwas besser,“ antwortete er, „aber immer noch sehr unvollkommen.“

Ich versuchte Nr. 10.

„O viel besser,“ lautete sein Urtheil; nun gebe ich Nr. 8 „Noch besser!“ Mit einem Worte, er hatte Fernsichtigkeit, die Nr. 7 bedurfte. Er erhielt diese Nummer, um sie für gewöhnlich zu tragen. Der Mann war dankbar, wie ein Kind, und verließ mich, wie Einer, der vom Verderben gerettet war … Solche Opfer (des Nicht- oder falschen Gebrauchs von Brillen bei Fernsichtigkeit) sind kein seltenes Vorkommen.

Während bei Alters- und Fernsichtigen, wie wir soeben gesehen haben, convexe Brillen nöthig sind, müssen Kurzsichtige, um ihren Augenfehler zu verbessern, umgekehrt, hohlgeschliffene oder Concavgläser (Fig. 8) in Gebrauch nehmen. Die Wirkung derselben zu veranschaulichen dient Fig. 9 (und Fig. 2).

Fig. 8

Concavglas oder zerstreuende Linse.

Fig. 9

Wirkung des Concavglases bei Kurzsichtigen. Während ohne die Hohl-, d. h. Zerstreuungslinse, das Bild bei b entsteht, wird es durch diese auf die Netzhaut bei b’ verlegt und jetzt erst scharf gesehen.

Beim Gebrauche solcher Brillen wird aber außerordentlich häufig gesündigt, hauptsächlich darin, daß sie unnöthiger Weise oder zu früh, daß oft zu starke Gläser gewählt und daß diese selbst beim Lesen benutzt werden, während das letztere doch nur in Ausnahmefällen zulässig ist.

Ganz unnöthig sind Brillen bei sehr schwacher Kurzsichtigkeit. Und doch findet man nicht selten, daß die Nummern 70, 50 oder 40 getragen werden. Abgesehen davon, daß in diesen Fällen noch recht gut ohne Hülfsmittel in die Ferne gesehen wird, benehmen sich solche Brillenträger auch die Möglichkeit, durch Uebung im Sehen in die Ferne ihren geringen Grad von Kurzsichtigkeit allmählich wieder ganz oder doch zum größten Theil zu beseitigen. Doch noch häufiger und gröber ist der Fehler, daß zu starke Gläser getragen werden, wodurch das Uebel, gegen das sie wirken, unfehlbar gesteigert wird. Zu schwache Brillen schaden Kurzsichtigen nur ganz ausnahmsweise, ja sie nützen selbst; zu starke aber sind immer schädlich. Es ist daher Regel, namentlich jungen Leuten, aber auch bei starker Kurzsichtigkeit älteren, im Allgemeinen die schwächste Nummer zu geben, mit der gerade noch das unumgänglich Nöthige gesehen wird. Es herrscht jedoch, zumal bei der Jugend in höheren Schulen, die Sucht, recht starke Gläser zu tragen, womit einer ganz verwerflichen Eitelkeit gefröhnt wird. Wir sind überzeugt, daß oft genug in Folge dieses Mißbrauchs die hohen Grade von Kurzsichtigkeit, die man bei Schülern findet, zuwege kommen, zumal solche Brillen in der Regel auch noch zum Lesen (und nicht blos zum Sehen in die Ferne, was hier ebenso wenig zulässig wäre) benutzt werden. Dadurch wird hauptsächlich jener starre, gläserne, leere Blick erzeugt, den man nach Beseitigung der Brille findet. Gerade dieser sollte Eltern auf den Mißbrauch aufmerksam machen!

Um aber nicht allzu weit in’s Einzelne zu gerathen, wollen wir noch kurz erwähnen, wie eine gute Brille, ganz abgesehen von richtig ausgewähter Nummer, beschaffen sein und im Stande gehalten werden muß.

Vor Allem müssen die Gläser die richtige seitliche Entfernung von einander haben, und diese muß durch Messung für jeden Fall festgestellt werden, damit die Mitte der Gläser – es gilt dies wenigstens für die meisten Fälle – vor die Mitte des Auges kommt. Das Gestell muß feststehen, darf nicht verbogen und wackelig sein und muß die Gläser so umfassen, daß von den Rändern dieser her keine störenden Reflexe das Auge treffen. Das Glas aber muß ganz farblos und natürlich frei von Blasen und Schrammen sein, damit das Licht richtig gebrochen wird. (Besser als Glas ist oft Bergkrystall, wenigstens für die schwächeren Nummern.) Sind die Gläser nicht mehr ganz glatt, so müssen sie durch neue alsbald ersetzt werden; natürlich müssen sie geschliffen, dürfen nicht gegossen sein. Zuletzt – müssen sie stets rein gehalten werden, wozu man am besten feine gewaschene Leinwand oder Seide benutzt, nicht aber das beliebte Sämischleder, das in ganz kurzer Zeit unbrauchbar wird und dann nur Schmutz aufträgt, statt diesen wegzunehmen.

Zum Schlusse unserer kurzen Darlegungen aber möchten wir den Wunsch aussprechen, daß die Absicht derselben: die zahllosen Versündigungen an den Augen, wie sie durch falschen und schlechten Brillengebrauch – nicht gerade selten unter Mithülfe sogenannter Optiker[2] – täglich begangen werden, zu vermindern, mit Hülfe der „Gartenlaube“ erreicht werden möge! Wenn irgend eine Zeitschrift dies vermitteln kann, so ist es ohne Zweifel die vorliegende, da sie ja in weiteste Kreise des deutschen Volkes dringt, wie kein anderes deutsches Blatt!




Im Congoland.

Von Dr. Pechuel-Loesche.

Von allen seit Jahren in Afrika thätigen Expeditionen, welche durch das hochherzige Eintreten des Königs Leopold des Zweiten von Belgien in’s Leben gerufen worden sind, erregt keine ein so allgemeines Interesse, als die unter H. M. Stanley’s Commando am Congo von Westen her nach Centralafrika vorgedrungene.

Im verflossenen Jahre war ich unter Anderem auch mit der Durchforschung des Congogebietes betraut und hatte bei Stanley’s durch schwere Erkrankung gebotener Heimkehr die Leitung der Expedition zu übernehmen. Zur Durchführung meiner Aufgaben hatte ich mir in Europa zwei bereits wohlerfahrene deutsche Afrikareisende

[325]

Kleine Bilder aus der Gegenwart.

Nr. 1.0 Der „Munk-Affe“.

Wohl hat es Affen gegeben, die, in den Käfigen unserer zoologischen Gärten zur Schau ausgestellt, in kurzer Zeit Lieblinge des Publicums wurden. Die Lebensschicksale dieser Bevorzugten des Affengeschlechtes wurden von der Presse mit besonderer Sorgfalt aufgezeichnet, und die Blätter brachten oft Bulletins über die Erkrankung eines solchen Thieres und meldeten gewissenhaft den Eintritt seines Todes.

Aber keinem dieser drolligen Gäste unseres nördlichen Klimas wurde bis jetzt die Auszeichnung zu Theil, daß ein Minister ihn in den Verhandlungen eines Parlaments genannt hätte. Der Hundskopfpavian des Berliner Aquariums ist in dieser Weise zum ersten Male ausgezeichnet worden. Als es sich nämlich darum handelte, die Vivisection vor den Angriffen unberufener Leute in Schutz zu nehmen, wurde im Landtage von dem preußischen Cultusminister auch dieser Affe erwähnt, und seit jener Zeit ist er weit und breit unter dem Namen des „Munk-Affen“ bekannt geworden.

Welcher Art ist nun das Verdienst dieses Thieres? Hat er etwa irgend eine That verrichtet, die wie einst das Geschnatter der kapitolinischen Gänse den Staat aus der höchsten Gefahr rettete? Mit nichten! Das, wodurch dieser Affe zur Berühmtheit gelangte, hat er gemeinsam mit vielen anderen Seinesgleichen ertragen müssen, denn sein Verdienst ist durchaus leidender Natur. Das Thier wurde von dem Berliner Professor Hermann Munk zu einer Reihe von Versuchen benutzt, welche die Lösung der wichtigen Frage über die Thätigkeit des Gehirns erstrebten. Es wurde ihm der Schädel geöffnet, es wurden ihm einzelne Gehirnpartien herausgeschnitten und nach erfolgter Beobachtung der in Bethätigung seines Sinnen- und Empfindungslebens erfolgten Veränderungen ward der Affe geheilt und dem Berliner Aquarium geschenkt. Hier lebt er nun in voller Affenlust und erfreut sich einer so vortrefflichen Gesundheit, daß Niemand von selbst auf den Gedanken kommen würde, daß diesem Vierhänder ganze Theile seines Gehirns entfernt wurden.

Aber nicht allein dieser Pavian, sondern eine große Anzahl anderer Affen und Hunde wurde geopfert, bevor die Wissenschaft neue Eroberungen machen konnte, die entschieden zu dem Hervorragendsten gehören, was seit Jahrhunderten über die Thätigkeit des Gehirns behauptet und geschrieben wurde.

Der „Munk-Affe“ im Berliner Aquarium.
Nach dem Leben gezeichnet von G. Mützel.

Seit dem Anfange dieses Jahrhunderts war die Meinung verbreitet, daß man das Großhirn als den Sitz des Willens und der Wahrnehmungen annehmen müsse, man glaubte aber dabei auf Grund der von dem französischen Forscher Flourens angestellten Versuche, daß nicht bestimmte Theile des Großhirns für bestimmte Wahrnehmungen eingerichtet seien, sondern daß jedes Empfinden und Wahrnehmen in beliebigem Theile des Gehirns entstehen könne.

Da fanden im Jahre 1870 die Aerzte Fritsch und Hitzig, daß in der grauen Substanz, welche das Großhirn umkleidet und gewöhnlich dessen Rinde genannt wird, es Stellen gäbe, die, sobald man sie durch einen elektrischen Strom reize, gewisse combinirte Muskelzuckungen der gegenüberliegenden Körperhälfte hervorrufen. Sie entfernten hierauf jene Partien der Großhirnrinde, und nun stellten sich in den durch jene Muskelzusammenziehungen bedingten Bewegungserscheinungen der Thiere (z. B. Bewegen der Vorderpfoten) gewisse Störungen ein.

Diese Versuche wurden von den beiden genannten Forschern und unter Anderem auch vom Professor H. Munk fortgesetzt, bis es gelungen war, folgende Thatsachen festzustellen:

Die Großhirnrinde zerfällt, gleichmäßig an ihren beiden Hälften, in eine Anzahl verschiedener Gebiete, deren jedes einem bestimmten Sinne zugehört, und zwar der Art, daß in den einzelnen Gebieten die betreffenden Empfindungen und Wahrnehmungen dieses Sinnes zu Stande kommen. In der Rinde des Hinterhauptlappens hat die Lichtempfindung, die Gesichtswahrnehmung, statt; ist diese Rindenpartie, die man Sehsphäre nennt, beiderseits entfernt oder zerstört, so ist das Thier vollkommen blind, obwohl das Auge sehen kann. In der Rinde des Schläfenlappens kommt es zur Schallempfindung, zur Gehörswahrnehmung; beiderseitige Zerstörung dieser Hörsphäre bringt die Taubheit des Thieres mit sich. Unterhalb der Hörsphäre ist das Centralorgan des Geruchssinnes gelegen. Von der größten Ausdehnung ist schließlich diejenige Rindenpartie, welche zu dem Gefühlssinne des Körpers in Beziehung steht, in welcher die Hautgefühle, die Muskelgefühle und die Anregungen zu Muskelbewegungen zu Stande kommen, und diese Fühlsphäre erstreckt sich über den Scheitellappen und Stirnlappen. Nur die Schmecksphäre ist bis jetzt noch nicht aufgefunden.

An diese Entdeckungen knüpfte sich eine Reihe anderer höchst wichtiger Beobachtungen. Ein Thier, dem ungefähr die mittleren Partien beider Sehsphären abgetragen sind, ist seelenblind, das heißt es sieht alles, erkennt aber nichts, was es sieht. Erst mit der Zeit lernt das Thier wieder, gerade wie in seiner Jugend, das Gesehene kennen, da alsdann die angrenzenden Rindenpartien für die zerstörten eintreten, ein Umstand, durch den die volle Gesundheit des Pavians im Berliner Aquarium erklärt wird. Daß durch diese Erfahrungen nicht allein unser Wissen bereichert, sondern auch in manchen Fällen die Heilung schwerer Gehirnkrankheiten an Menschen ermöglicht wurde, das ist schon in der oben erwähnten Rede des Cultusministers in klarster Weise dargestellt worden.

An diesem kleinen Bilde aus der Gegenwart lernen wir zunächst, wie wichtig die Vivisection für die Wissenschaft ist und wie nur Unkenntniß gegen dieselbe aufzutreten vermag. und wenn wir schließlich den lustigen Pavian ansehen, wie er seinem früheren Herrn bei dessen ziemlich häufigen Besuchen im Berliner Aquarium die „Hand“ freudig entgegenstreckt, um allerlei Leckerbissen zu empfangen, so muß es uns auch klar werden, daß jene Behauptungen von der Rohheit und Grausamkeit der ernsten wissenschaftlichen Vivisectoren rein aus der Luft gegriffen sind. v. J.     




erwählt: Herrn Botaniker F. Teusz und Herrn Architekt P. Gierow, Beide aus Berlin. Ersterer hatte Herrn Major von Mechow bei seiner Erforschung des Kuangolaufes, letzterer Herrn Ingenieur Schütt auf seinem mehr nach Osten gerichteten Zuge begleitet. Während ich Herrn Gierow mit besonderen Aufträgen an der Küste zurückließ, nahm ich Herrn Teusz mit mir und hatte ihn auf allen meinen Wanderungen nach dem Inneren als einzigen, aber ausgezeichneten Gefährten in guten und schlimmen Stunden zur Seite. Herr Teusz verweilt gegenwärtig noch in Centralafrika.

Meine Karawane zählte nicht viele, aber erlesene Leute und führte, um größter Beweglichkeit willen, nur das Nothwendigste mit sich. Als Träger hatte ich zur Verfügung siebenzehn Sansibari von der Ostküste, darunter mehrere Veteranen Stanley’s, und drei Cabindaleute, die, als die ersten ihres Stammes, mit mir nach dem Inneren zu gehen wagten. Außerdem waren mit uns noch zwei zu persönlichen Dienstleistungen bestimmte Knaben der Loangoküste und der Sohn eines unweit Vivi, der von Stanley gegründeten ersten Station am Congo, residirenden angesehenen Häuptlings. Er war mir vom Vater anvertraut, da ich den ungemein intelligenten, [326] eben dem Knabenalter entwachsenen Lutete für die Zwecke der Expedition gewissermaßen erziehen wollte.

Mit Ausnahme eines braven Sansibari, Djuma, welcher in einem Kampfe erschossen wurde, brachte ich alle meine Leute wohlbehalten aus dem Inneren zurück.

In einer Reihe von Einzelschilderungen will ich versuchen, den Lesern der „Gartenlaube“ ein übersichtliches Bild von Land und Leuten der besuchten Gebiete zu geben. Eine große Anzahl von Abbildungen, von Herrn Professor A. Göring nach meinen möglichst getreu an Ort und Stelle ausgeführten Farbenskizzen gezeichnet, wird mich vom zweiten Artikel an darin unterstützen.




1.0 Eine Kitanda am oberen Congo.

Wir befanden uns zwei Tagemärsche östlich von Manyanga, der dritten von Stanley am Congo gegründeten Station, und nördlich von dem zwischen steil abfallenden Höhenzügen verborgenen Strome, im Lande der Babuende.

In ermüdender Einförmigkeit ruhte um uns das Gebirge. Seiner Natur nach gleicht es viel mehr einem sehr schwierigen Hügellande: eng gedrängt, aber durch mehr oder minder tiefe Einschnitte von einander geschieden, ragen bis etwa zweitausend Fuß über dem Meere die gerundeten Kuppen der Berge auf. Statt anmuthender Thäler, wo in blumigen Auengeländen sich Wasserläufe entlang winden, gähnen allenthalben steilwandige, enge Schluchten, welche zur Regenzeit nach jedem Gewitter mit tosenden Fluthen angefüllt sind. Darum liegen auch die Wohnsitze der Eingeborenen wie Raubnester auf den unbequemen Höhen, wo allein Raum und Sicherheit zu finden ist.

Es war Milte August, die trockenste Zeit des Jahres. Die Gräser, welche wie überall im Congogebiete den weitaus größten Theil des Bodens beherrschen, waren abgestorben und verliehen der eigenartigen Gebirgslandschaft eine ausgeprägt herbstliche Stimmung. Ockerfarben, leicht sepiabraun abgetönt, im Sonnenlichte goldig schimmernd, bekleiden die lockeren Bestände Gipfel und Hänge. Vereinzelt lugen kümmerlich belaubte Büsche und charakteristische Zwergbäumchen aus den wogenden Halmen. Wie Riesenmuster liegen zart graue oder schwarze Streifen und Flecken in dem warmen Gelb, wo verheerende Grasbrände ihren Lauf nahmen. Die Ferne verschwimmt in bläulichem Dufte. Freundliches, mannigfach schattirtes Grün, vielfach gehoben durch die Blüthenpracht üppig wuchernder Lianen, findet sich tief versteckt zwischen den Bergen, in Bodensenkungen und Schluchten. Je unzugänglicher die Stellen, um so reicher ist die Vegetation entwickelt. Formenreiche Farne und schönlaubiges Buschwerk umkränzen klaffende Regenrisse: starre Ananasdickungen klimmen an Steilhängen empor. Palmengruppen, lauschige Haine und langgestreckte Gehölze füllen die engen Gründe: sie bergen in ihrem Schatten das spärliche Naß vielgewundener Bachrinnen, umsäumen die Ufer felsiger Flußbetten, in welchen die klaren Gebirgswasser rauschend und gurgelnd zum Congo eilen.

Dorthin hat sich um diese Jahreszeit das ärmliche Thierleben des Gebirges zurückgezogen. Von dort herauf dringen die traulichen Rufe wilder Tauben, der laute Flötenton des Würgers, bisweilen auch der dumpfe Lärm der Kukuke, die fröhliche Strophe einer Drossel. Auch die unschönen Stimmen umherschweifender Nashornvögel lassen sich vernehmen. Seltener verräth auffälliges Prasseln des Laubwerkes, ein hallendes Grunzen, Gezwitscher und Gekeife das lustige Treiben einer Affenschaar. Der geübte Blick mag dann in der Tiefe heftig bewegtes Gezweig unterscheiden oder wohl auch die scheuen Vierhänder erspähen, wie sie mit komischen Sprüngen über nackte Bodenstellen huschen und im Grase verschwinden.

Auf den Höhen dagegen ist es öde und stille. Eine von Westen kommende Windsbraut fährt sausend durch die Halme; vielleicht klingen auch einmal gedehnte Rufe und wirre Kinderstimmen von hochliegenden fernen Wohnsitzen der Eingeborenen herüber. Ein bunter Schmetterling gaukelt am Wege; etliche Heuschrecken schwirren vor dem Wanderer her, und bisweilen scheucht er einen lerchenähnlichen Vogel auf, der sich mit auffallend klappernden Flügelschlägen in die Lüfte schwingt.

In ununterbrochenem Auf- und Absteigen, über Berggipfel und durch Schluchten ziehend, hatten wir nach beschwerlichem Marsche die Landschaft von Mpakambendi durchmessen und den überaus ermüdeten Trägern zu Liebe an hohem Berghange Halt geboten. Vor uns lag ein selbst für das so unwegsame Congogebirge ungewöhnlich bedeutender Einschnitt, welcher die natürliche Grenze bildet zwischen dem westlichen sehr schwierig zu begehenden District von Mpakambendi und der ostwärts sich dehnenden weniger zerrissenen Landschaft von Nsinga.

Drüben lag auf breitem Höhenrücken zwischen Frucht- und Schattenbäumen versteckt das große Dorf Nkunga. Beim Grauen des folgenden Tages kletterten wir in die tiefe Doppelschlucht hinab, passirten das Flüßchen Ngombe, den Bach Miongo und stiegen dann unter Trompetengeschmetter, ermunternden Zurufen, Jauchzen und Lachen an theilweise außerordentlich steilen Gehängen 800 Fuß hoch empor.

Oben empfing uns der Häuptling mit dem üblichen Gefolge. Gewohnheitsmäßig flüchteten bei unserem lärmenden Einzuge Hunde, Katzen, Ziegen, Hühner und was sonst noch an Gethier vorhanden war. Die menschlichen Dorfbewohner dagegen kamen zutraulich herbei, die Weißen anstaunend, fragend, antwortend. Sie begannen bald sich höchlich an den Scherzen der beiden anerkannten Witzbolde unserer Sansibari zu ergötzen; namentlich der bildhübsche unverwüstliche Nkombo wurde sogleich, wie allerorten, der erklärte Liebling des weiblichen Geschlechts.

Es herrschte ein ungewöhnlich reges Leben in Nkunga. Viele Frauen und Mädchen im Putz standen in Gruppen oder verkehrten zwischen den Hütten; andere zogen eilfertigen Schrittes vorüber, mit Nahrungsmitteln hoch bepackte große Strohschüsseln, Körbe, Töpfe oder Holztröge auf den Köpfen balancirend. Ein Markt, Kitanda, wurde auf dem Platze Nkenge-ntandu bei dem unweit gelegenen Dorfe Muyanga abgehalten.

Diese Märkte sind höchst bezeichnend für das Volksleben im Congogebirge; das Küstengebiet hat nichts Aehnliches aufzuweisen. An beliebten und wichtigen Punkten kommen Tausende von Eingeborenen zusammen, vorzugsweise aus der Nachbarschaft, in geringerer Anzahl aber auch aus ferneren Gegenden herbeieilend. Sie tauschen unter sich aus, was sie an Feldfrüchten, Hausthieren und sonstigen Nahrungsmitteln sowie Werkzeugen und Geräthen besitzen oder begehren. Die für den europäischen Handel wichtigen Landesproducte: Elfenbein, Kautschuk, Palmöl und andere finden dagegen keinen Absatz und werden überhaupt nicht auf den Platz gebracht. Die Kitanda entspricht sonach unserem Wochenmarkte oder dem Jahrmarkte.

Selbstverständlich spielen die Frauen die Hauptrolle. Es finden sich aber auch viele Männer ein, Angehörige aller Schichten der Bevölkerung. Bekanntschaften werden angeknüpft, interessante Neuigkeiten besprochen; man zeigt sich im Staate, man schwatzt und lacht, ißt und trinkt mit einander, handelt und amüsirt sich. So gewinnt eine Kitanda zugleich den Charakter eines eigenartigen Volksfestes.

Durch einen Marktmeister wird auf dem Platze die Ordnung streng aufrecht erhalten, jeder Streit sogleich geschlichtet. Verpönt sind alle Vorkommnisse, welche den öffentlichen Frieden stören, eine Panik der erregten Menschenmenge erzeugen könnten, und schwer geahndet werden Prügeleien oder schlimmere Vorfälle. Ueberdies denkt kaum Jemand daran, sich ungezogen oder gar unanständig zu betragen, sich wider die althergebrachten, bewährten Gebräuche und Formen des Verkehrs aufzulehnen. Daher bleibt das lärmende Treiben, das tolle Gedränge der Marktbesucher geradezu musterhaft harmlos, und ein Bruch des Marktfriedens ist ein die ganze Gegend für lange Zeit aufregendes Ereigniß.

Die Kitanden wiederholen sich regelmäßig in schneller Folge, in größeren, dicht bevölkerten Districten sogar Tag für Tag. In diesem Falle wechseln sie ab an verschiedenen Orten. Die Sammelplätze liegen stets auf Höhen, selten unmittelbar neben Dörfern, niemals innerhalb derselben. Sie werden nach den Tagen der Woche benannt, deren in jenen Gebieten ebenfalls nur vier angenommen sind: Nsona, Nkandu, Nkonso, Nkenge. Findet in der Gegend gleichzeitig noch ein zweiter Markt statt, so wird jeder durch ein gewöhnlich auf die Oertlichkeit Bezug habendes Beiwort unterschieden.

So hieß der unweit Nkunga liegende Marktplatz Kitanda Nkenge-nkandu[WS 1], das heißt der an jedem vierten Tage wiederkehrende Markt auf der Campine oder Grasflur, der auf den Nkenge fallende Wiesenmarkt.

[327] Es war für uns ein glückliches Zusammentreffen, daß wir gerade an diesem Tage und in so früher Morgenstunde in Nkunga anlangten. Die nicht viel abseits von unserem Wege liegende Kitanda war noch nicht eröffnet, und wir beschlossen, die Verhältnisse nach Kräften auszunutzen, nicht nur um das volksthümliche Treiben zu beobachten, sondern auch möglichst viele freundschaftliche Beziehungen anzuknüpfen. Freilich war es nicht leicht, Zutritt zu dem Markte zu erlangen, da die Eingeborenen, zur Vermeidung von Unzuträglichkeiten, weit und breit als unverbrüchliches Gesetz aufgestellt hatten, daß Europäer und ihre bewaffneten Karawanen die Märkte nicht besuchen sollten. Wir aber beredeten den Häuptling, für uns zu wirken, gewannen die Weiber für unser Vorhaben und marschirten kurz entschlossen mit ihnen ab.

Wir bildeten einen buntgemischten Zug. Wohl an hundert schwer tragende Frauen, Mädchen und Kinder folgten wacker ausschreitend im Gänsemarsch dem schmalen, leicht abwärts führenden Pfade. Zwischen ihnen verstreut befanden sich meine Leute; wir beiden Europäer beschlossen die Karawane. Die Luft war noch frisch und erquickend, die grasigen Höhen glänzten im Strahle der Morgensonne, während die mit leichten Nebelschwaden erfüllten Schluchten noch im Schatten lagen. Plaudernd und scherzend ging es rüstig vorwärts. Zur Abwechselung improvisirte die eine oder andere der Frauen einen recitirenden Marktgesang, in welchen der Chor vollkräftig einfiel. Die eigenthümlichen, obwohl nicht immer harmonischen Klänge wirkten im Freien nicht übel und hallten weithin über Berg und Thal. Auch unsere Sansibari gaben etliche ihrer viel melodischeren Gesänge zum Besten. Von Nah und Fern, von den Höhen und aus den Tiefen kamen antwortende Stimmen und mancher herzhafte Jauchzer wurde doppelt und dreifach zurückgegeben.

Allenthalben sah man Menschen vereinzelt, zu mehreren sowie in Schaaren die vielgewundenen Pfade auf- und absteigen und dem vor uns liegenden Muyanga zustreben; singend, rufend und zeitweilig anhaltend, um nach uns herüberzuschauen. Mindele, Mindele (weiße Leute) verkündeten vielstimmige Rufe und pflanzten sich fort von Berg zu Berg.

Wo andere Pfade einmündeten, da warteten Gruppen von neugierigen Frauen und fügten sich dem lärmenden Zuge ein, der allmählich zu doppelter Länge anwuchs. Als wir in die letzte tiefe Schlucht kletterten, wurde uns auf halber Höhe Halt geboten. Unten in dem von üppigem Baumwuchs beschirmten Bächlein Miansi wusch und badete sich erst das weibliche Geschlecht, so lange hatten wir zu rasten. Kreischen, Gelächter und lustiges Geplätscher schallte herauf; Neckereien flogen hin und wieder, bis endlich der Weg freigegeben war.

Mühsam stiegen wir hinab, noch mühsamer wieder hoch hinauf. Oben von der Höhe schaute eine erregte, schreiende Menge auf uns nieder, unter welche sich die uns Voraneilenden mischten. Unsere Vorsicht, zur Beruhigung der Gemüther einen die Trompete blasenden Herold voraufzusenden, erwies sich als überflüssig: die längst von unserem Vorhaben unterrichteten Marktbesucher erhoben keinen Einwand. So legten wir denn wohlgemuth den Rest des Pfades zurück und gelangten auf den Berggipfel. Vor uns, zwischen Oelpalmen und Bananen versteckt, lag das Dörfchen Muyanga, dahinter ein Wäldchen von prächtig entwickelten Bäumen. Von jenseits desselben drang uns ein betäubender verwirrter Lärm entgegen, wie er entsteht, wenn Hunderte von Menschen mit Aufbietung aller Kräfte zugleich schreien und sprechen; manchmal schwoll derselbe zu unglaublicher Stärke an. Wir brauchten keinen Führer, um den Ort zu finden. Das Dorf und den Wald umgehend, betraten wir die Kitanda.

Auf einem sanft geneigten Abhang dehnte sich ein großer Platz mit tennengleich festgetretenem Boden; die obere Hälfte wurde von einzelnen Bäumen beschattet, die untere war dem vollen Sonnenbrande ausgesetzt. Auf letzterer hatten sich die Markbesucher versammelt, Hunderte von Frauen, Mädchen und Kindern standen dort, mit ihren Lasten noch auf den Köpfen, schwatzend bei einander oder ruhten auf dem Boden hockend nach dem beschwerlichen Marsche. Hunderte zogen noch fern und nah auf den schmalen Pfaden heran. Die Anwesenden wendeten sich uns zu, wie gebannt die weißen Männer anstaunend, von denen die meisten bisher ja nur gehört hatten. Für einen Augenblick war eine fast unheimliche Stille eingetreten, dann aber erhob sich der gewaltige Lärm um so stärker. Niemand zeigte Furcht, auch das Staunen verwandelte sich bald in musternde Neugier, und nicht lange, so übte sich schon der immer bereite Witz des Völkchens an den seltsamen Fremdlingen.

Nach einer solchen Aufnahme konnten wir unbefangen am Rande des Wäldchens einen Lagerplatz wählen und das Zelt aufschlagen lassen. Unter einem Baume des oberen Platzes sitzend, vermochten wir das Treiben auf dem unteren mit Muße zu betrachten. Dort verkehrte man in altgewohnter Weise, als wären wir gar nicht vorhanden; die neu Hinzukommenden jedoch blieben immer wieder wie angewurzelt vor uns stehen oder näherten sich truppweise, um uns wie Schaustücke in Augenschein zu nehmen.

Es war höchst ergötzlich zu beobachten, welchen Eindruck wir auf die Leute machten, wie verschiedenartig unser plötzliches Erscheinen aufgefaßt wurde. Da war die ahnungsvolle Alte, die von ferne bedenkliche Blicke herüberwarf, dann kopfschüttelnd und murmelnd sich abwendete, mit dem dumpfen Gefühle, das habe sicherlich etwas zu bedeuten. Junge Weiber in Gruppen drängten sich dichter heran, darunter selbstbewußte und ernst aussehende; andere kichernd, sich gegenseitig anstoßend und nach uns weisend. Dreistere redeten uns sogar an und verlangten einzelne unserer Habseligkeiten zu betasten. Manche Kinder folgten zutraulich unserem Rufe und ließen sich in stummer Verwunderung eine Messingschelle in das Händchen legen, ein paar Glasperlen um den Hals hängen; andere wagten sich nicht zu uns und lugten, mit den Fingern im Munde, hinter ihren Müttern hervor. Viele der Kleinen aber erhoben ein Zetergeschrei, wenn sie von den willigen Angehörigen herbeigetragen werden sollten. Sie flüchteten sich vor dem weißen Manne, wie unsere Kinder sich vor dem schwarzen fürchten. Die jungen Mädchen befriedigten ihre Neugier ausnahmslos von Weitem, sich mit anmuthender Scheuheit zurückhaltend.

Hübsche Gesichter und Gestalten, welche sich unter den westlicher wohnenden Basundi häufig finden, konnten wir unter den Babuende nur selten entdecken. Das Weibervolk um uns bildete keine Ausnahme von der Regel. Trachten und Schmuck waren dagegen eigenartig und interessant. Die Kleidung beschränkte sich im besten Falle auf die mittlere Partie des Körpers, welche ein von der Hüfte bis zum Knie fallendes weißes oder buntes Stück Baumwollenzeug verhüllte.

Die Köpfe Vieler zeigten seltsame Frisuren. Theils war das Haar mittelst Oel und Kohle gewissermaßen zu locker liegenden Beeren und Würstchen vereint, theils war es ohne diese häßliche Beigabe in kurze, dünne Zöpfchen geflochten, die sich eng an den Kopf schmiegten. Bei Anordnung der letzteren hatten die Haarkünstler ihrer Phantasie freien Lauf gelassen, sie von oben nach unten, von vorn nach hinten und umgekehrt sowie in schräger Richtung reihenweis in die wunderlichsten Formen gezwungen. Manche Weiber hatten nicht nur ihr Haar, sondern auch die Gesichter mit Oel und Kohle schwarzglänzend eingerieben, andere wieder statt dessen eine leuchtend rothe Erde verwandt.

Geschmackvoller erwies sich der Schmuck. Hübsche fingerbreite Stirnbänder von weißen, rosafarbenen und blauen Zahlperlen standen manchen Gesichtern recht gut; auch um Hals und Oberarm getragene mehrfache Schnüre von größeren lasurblauen Bruchperlen wirkten sehr hübsch auf der warm dunkelbraunen Haut. Ein breites Band von Baumwollenstoff oder auch von bunten Perlen angefertigt, von dem öfters noch zahlreiche Perlenschnüre niederhingen, wurde vielfach unter den Armen um den sonst entblößten Oberkörper getragen. Darin steckte dann die unentbehrliche Pfeife, die bei Anderen im Hüftenkleide oder im Haare befestigt war. Mütter trugen ihre Säuglinge auf dem Rücken in das Hüftentuch eingebunden, wo nicht selten auch ein paar gackernde Hühner oder auch ein lustig krähender Hahn noch Platz fand.

Während des Beschauens und Beobachtens war die zehnte Stunde herangekommen. Der untere Platz war gefüllt, und der Markt hatte begonnen. Wir hatten uns genugsam betrachten lassen, hatten durch unser freundliches Entgegenkommen das Vertrauen der Marktgänger gewonnen und durften uns versichert halten, daß wir keine Störung verursachen würden. So mischten wir uns denn unbefangen in das Gewühl.

(Schluß folgt.)




[328]

Die Krönungsburg der Czaren.[3]

Von Julius von Altenau.

In den Tagen, da die vorliegende Nummer unseres Blattes zur Ausgabe gelangt, sind die Blicke der Welt spannungsvoll auf die alte Czarenstadt an der Moskwa gerichtet. Alexander der Dritte, Kaiser aller Reussen, der nach dem tragischen Ende seines Vaters im März 1881 den russischen Thron bestiegen, begeht erst jetzt die aus gewichtigen Gründen wiederholt und lange hinausgeschobene Feier seiner officiellen Krönung. Wie unsern Lesern bekannt, repräsentiren die Beherrscher unseres nordischen Nachbarreiches neben der höchsten staatlichen zugleich die höchste kirchliche Gewalt: sie sind Kaiser und Patriarchen in einer Person, und so hat denn eine russische Czarenkrönung nicht blos eine politische, sondern gleichzeitig eine wesentlich religiöse Bedeutung, dergestalt, daß, bevor dieser Ceremonie genügt worden, der neue Czar dem rechtgläubigen Russen von altem Schrot und Korn kaum als rechtmäßiger, als legitimer Herrscher erscheinen mag. Fast siebenundzwanzig Jahre sind verstrichen, seit der Welt sich zum letzten Male dieses imposante Schauspiel geboten; um so weniger mögen wir die sich eben jetzt wieder darbietende Gelegenheit, unseren Lesern den auch an sich, durch seine Größe und Pracht denkwürdigen Schauplatz einer solchen Feier im Wort und Bild zu veranschaulichen, unbenützt vorübergehen lassen.

Der Kreml in Moskau.
Nach einer Photographie.

„Wer Neapel gesehen, der mag ruhig sterben,“ sagt ein bekanntes italienisches Sprüchwort. „Wer Moskau nicht gesehen hat, der weiß nicht, was schön ist,“ meint ein russisches Seitenstück. Und wirklich, sie haben Beide Recht, Jeder in seiner Art, der ernste und bedächtige Steppensohn aus dem äußersten europäischen Nordosten nicht minder als der sorglos bewegliche Anwohner des zauberhaften Golfs im Süden. Denn ohne Frage bietet auch der altehrwürdige Czarensitz, in dessen Straßen man einer wahren Musterkarte sämmtlicher Völkertypen des unendlichen Reiches begegnet, eine Fülle eigenartiger, interessanter, malerischer Erscheiunungen. Gleich Rom und Byzanz ist auch Moskau eine „Siebenhügelstadt“; aber hier ist noch nicht das Morgenland mit seiner sonnenglänzenden Farbenpracht, hier ist auch nicht mehr das alte Europa im westlichen Sinne; was uns hier entgegentritt, das ist ein überaus charakteristisches Gemisch von beiden, eine Verschmelzung von Orient und Occident, die auf den fremden Beschauer eine überraschende, man könnte sagen, eine verblüffende Wirkung ausübt. Wem immer es beschieden war, sein Ange über dieses fast unabsehbare Häusermeer mit seinen rothen und grünenu Dächern, mit den buntbemalten Thürmen, mit den schier unzähligen goldenen Kuppeln und Kreuzen dahinschweifen zu lassen, dem wird sich die eigenartige Großartigkeit dieses Panoramas für immer unverlöschlich eingeprägt haben, dem wird die Begeisterung und die fast kindliche Verehrung, mit der der echte Russe seiner alten Reichshauptstadt gedenkt, begreiflich erschienen sein. Aber noch mehr: auch mit dem Nimbus einer gewissen Heiligkeit ist „die Stadt der weißen Mauern“ für den Altrussen umwoben: während er auf St. Petersburg, diese modern künstliche Schöpfung eines eisernen Autokraten, scheelen und überlegenen Blickes hinabsieht, erscheint ihm sein zärtlich geliebtes „Mütterchen Moskau“ als der Mittelpunkt seines Glaubens, seiner Vaterlandsliebe, seiner Geschichte, hier schlägt das Herz seines Reiches, und nur hier stellt sich der feierliche Act der Czarenkrönung ganz und voll als die heilige Handlung dar, als die er sie auffaßt.

[329]

Der Musterreiter in der „guten alten“ Zeit. Nach einer Originalzeichnung von O. Fikentscher. (Vergl. S. 331.)

[330] Der Ursprung der heute so gewaltigen und einen für die Einwohnerzahl ganz unverhältnißmäßig ausgedehnten Flächenraum bedeckenden Stadt verliert sich im Nebel der vorgeschichtlichen Zeit; urkundliche Erwähnung findet sie zuerst im Jahre 1147. Mehr denn sieben Jahrhunderte sind seitdem über Moskau dahingezogen und wechselvoll genug gestalteten sich innerhalb dieses Zeitraumes die Geschicke seiner Bewohner. Von feindlichen Horden wiederholt überfallen, geplündert, verwüstet und eingeäschert, erhielt sich dennoch der Charakter der Stadt nach der jedesmaligen Wiederherstellung unverändert: echt russisch; und wenn auch sie den nivellirenden Einflüssen der Neuzeit sich nicht völlig zu entziehen vermocht hat – ihr Grundtypus blieb trotzdem der alte, und die während der letzten Jahrzehnte nach westeuropäischem Muster zahlreich angelegten großartigen Boulevards vermögen im kunstverständigen Beschauer nur den Eindruck hervorzurufen, als paßten sie verzweifelt wenig in den Gesammtrahmen dieses „Nürnbergs der russischen Architktur“.

Mit dem jedem Russen innewohnenden Triebe, sich ein eigenes, wenn auch noch so kleines und bescheidenes Heim zu errichten, hängt es nämlich zusammen, daß noch gegenwärtig in Moskaus Straßen die stolzesten Paläste mit niedrigen und unscheinbaren Häuschen abwechseln, was der nach europäischen Begriffen wünschenswerthen Regelmäßigkeit der Straßenanlagen keineswegs zum Vortheile gereicht. Gewahrt man außerdem, wie noch heute zahlreiche Gärten, Seen, ja hin und wieder weitgedehnte Ackerfelder so manchen Theilen dieser merkwürdigen Stadt ein fast ländliches Gepräge aufdrücken, ein Gepräge, das selbst durch den Wiederaufbau nach dem letzten großen Brande vom Jahre 1812 nicht völlig verwischt wurde, so wird man sich unwillkürlich versucht finden, dem schon vor sechszig Jahren abgegebenen Urtheil des Fürsten von Ligne: „Moskau ist eigentlich keine Stadt, sondern nur eine Vereinigung von mehreren hundert von ihren Dörfern und Gärten umgebenen Schlössern,“ auch jetzt noch eine gewisse, wenn auch eingeschränktere Berechtigung zuzuerkennen.

Gilt Moskau überhaupt dem Russenthum als eine durch die geschichtlichen Ueberlieferungen geheiligte Stätte, so darf man den im Mittelpunkte dieses Häusermeeres und unmittelbar am Ufer der Moskwa sich hoch auftürmenden Kreml mit seinen goldschimmernden Kuppeln, Kreuzen und Zinnen füglich als das Allerheiligste auf altrussischer Erde bezeichnen. Was die Akropolis und das Capitol für das alte Athen und das alte Rom waren, das ist für die Hauptstadt der Czaren seit Jahrhunderten der Kreml.

Der ursprüngliche Name dieser heiligen Burg des Russenthums war „Djetjinetz“, das heißt Citadelle, festes Schloß; seine spätere und noch gegenwärtige Bezeichnung, der übrigens die gleiche Bedeutung innewohnt, ist tatarischen Ursprungs und datirt erst seit 1328, in welchem Jahre Großfürst Iwan Danilowitsch mit dem Beinamen Kalita, das heißt der Beutel, Moskau zu seiner Residenz erhob. Im Grunde genommen bildet er eine kleine Stadt für sich, dieser Kreml; beläuft sich doch noch jetzt die Zahl seiner Bewohner auf fast 2000 Köpfe. In früheren Zeiten freilich bezifferte sie sich weit höher; denn so lange die Burg den Czaren als Residenz diente, wohnten hier alle zum Hofhalte gehörigen Personen, und außerdem hatte auch die höhere Geistlichkeit, sowie eine bedeutende Anzahl der vornehmsten Bojaren des Reiches hier ihr ständiges Domicil aufgeschlagen. Noch um die Mitte des siebenzehnten Jahrhunderts soll der Kreml mehr als zwanzig Gassen umfaßt haben, von denen jetzt nur noch eine, die Commandantenstraße, übrig geblieben ist.

Außer dem großen kaiserlichen Palaste, dem riesigen Synodalgebäude, dem Senatspalaste, dem Arsenale und der Caserne birgt der mächtige steinerne Complex noch jetzt nicht weniger als drei Kathedralen, von denen der prachtvolle Uspénsky-Sobór, auf den wir weiter unten zurückkommen werden, in jeder Beziehung den ersten Rang einnimmt; außerdem zwölf keinere Kirchen, eine Capelle und zwei Klöster, sämmtlich angefüllt mit Kunstschätzen, Kleinodien und Seltenheiten von fast unschätzbarem Werthe. Von gewaltigen Verhältnissen sind auch die Mauern, von denen die Burg eingefaßt wird, und durch die fünf Thore in die umliegenden Stadtheile führen.

Noch im gegenwärtigen Jahrhundert sollten diese Quadern eine schwere Probe rühmlich bestehen, Kaiser Napoleon, der 1812 in diesen verödeten Räumen sein Hauptquartier aufgeschlagen hatte, gab, als er sich zum verhängnißvollen Rückzuge gezwungen sah, in ohnmächtiger Wuth den Befehl, den ganzen Kreml in die Luft zu sprengen. Die Ausführung dieses Vandalismus scheiterte jedoch an der außerordentlichen Stärke des Mauerwerkes. Nur ein kleiner Theil desselben wurde zerstört, dieser Schaden aber von den zurückgekehrten Russen so vollständig ausgebessert, daß heute keine Spur davon wahrzunehmen ist.

Auch ein Wassergraben trennte vormals das Schloß von der Stadt; erst in neuerer Zeit wurde derselbe ausgefüllt und an seiner Stelle ein prachtvoller Boulevard angelegt, während die ursprünglichen, nunmehr viele Jahrhunderte alten Burgmauern mit ihren achtzehn Thürmen von der Regierung mit pietätsvoller Sorgfalt fortwährend in baulichem Zustande erhalten werden. Ueberhaupt darf man sagen, daß kaum irgendwo in der Welt ein zweites Fürstenschloß existirt, welches sich seinen ursprünglichen Charakter dermaßen unverändert bewahrt hätte, wie der Kreml von Moskau, und so sehen denn die Russen in ihm, der mit allen Wechselfällen des Reichs unzertrennlich verknüpft ist, mit Recht die Stein gewordene Geschichte ihres Landes.

Schon aus weiter Ferne fällt dem Reisenden, der sich der Czarenstadt nähert, ein gewaltiger Thurm in’s Auge, der nicht blos ganz Moskau, sondern sogar die sämmtlichen übrigen Bauten des Kremls erheblich überragt. Es ist der Glockenturm „Iwan der Große“, dessen vergoldete Kuppel mit einem kolossalen, gleichfalls schwer vergoldeten Kreuze geschmückt ist. Unter der Regierung Boris Godunow’s um das Jahr 1600 auf der höchsten Stelle des Kremls errichtet und bis zur Kreuzesspitze nahezu hundert Meter hoch, gewährt dieser Thurm eine unbeschreiblich prachtvolle Aussicht über die ganze Stadt mit ihren im Sonnenlichte funkelnden Kuppeln bis weit hinaus in das unbegrenzte Flachland. Dem echten Moskauer gilt der „Große Iwan“ denn auch für die größte Sehenswürdigkeit, für das eigentliche Wahrzeichen seiner Stadt. In der Osternacht, wenn auf dem Platze, den die drei Kathedralen umschließen, Tausende von Andächtigen mit brennenden Kerzen in den Händen versammelt sind, lauscht jedes Ohr erwartungsvoll, bis endlich vom „Großen Iwan“ her der Schlag seiner Riesenglocke erdröhnt, das Zeichen für alle anderen Kirchen, mit ihrem Glockengeläute einzufallen und das Fest der Auferstehung zu verkünden. Uebrigens befindet sich dieser tönende Koloß, dessen Stimme auf stundenweite Entfernung vernehmbar ist, nicht im eigentlichen Thurme selbst, sondern er ist in einem Anbaue desselben untergebracht; sein Gewicht beläuft sich auf nicht weniger denn 60,000 Kilogramm, eine Ziffer, von deren Bedeutung unsere Leser sich erst dann eine annähernde Vorstellung werden machen können, wenn wir daran erinnern, daß die bei uns zu Lande so berühmte Kaiserglocke im Kölner Dome kaum 9000 Kilogramm wiegt.

Wenden wir nunmehr unsere Schritte vom „Großen Iwan“ weiter nach links, so gelangen wir auf den an geschichtlichen Erinnerungen überaus reichen, mit Steinplatten belegten und mit einem Gitter eingefaßten Platz vor den drei Kathedralen, um hier vor der vornehmsten derselben, dem schon weiter oben gedachten prachtvollen „Uspénky-Sobór“, auf Deutsch „Maria-Himmelfahrtskirche“, für einen Augenblick Halt zu machen.

Seit länger denn drei Jahrhunderten gilt dieser Dom dem Russenthume für die berühmteste unter allen Kathedralen Moskaus, ja des ganzen Reichs. Erbaut wurde er um’s Jahr 1500 vom Meister Ridolfo Fioraventi aus Bologna. Renaissance, romanische, byzantinische und tatarische Motive schwirren bei diesem Baue bunt durch einander, dergestalt, daß von einem einheitlichen Stile nicht entfernt die Rede sein kann; treten wir jedoch in das Innere des durch Größe und Höhe ausgezeichneten Gotteshauses ein, so fesselt unsern Blick eine wahrhaft blendende Pracht der Ausschmückung. Goldene und silberne Zierrathen sind überall in verschwenderischer, nach europäischen Begriffen in überladener Menge angebracht, mit Edelsteinen reich besetzte Heiligenbilder, unter denen namentlich das Palladium des Reiches, ein angeblich vom Evangelisten Lucas gemaltes Bild der Mutter Gottes von Wladimir, hervortritt, glitzern und funkeln uns allerorten entgegen, kostbare Meßgewänder, mit Perlen und Diantanten besäete Evangelienbücher und massive Altargefäße von unschätzbarem Werthe vervollständigen das heilige Inventar – kurz, das Auge weiß kaum, auf welcher von all diesen sinnberauschenden Herrlichkeiten [331] es haften soll, und dasselbe schließt sich ermüdet von so viel Glanz.

Was aber dieser Kirche eine ganz besondere Weihe verleiht, das ist der Umstand, daß sie seit dem Czaren Iwan dem Schrecklichen, also seit mehr denn drei Jahrhunderten, die altherkömmliche Stätte bildet für die feierliche Krönung und Salbung der russischen Selbstherrscher.

Das glänzende Schauspiel einer Czarenkrönung wird in diesen Tagen abermals an unserm Blicke vorüberrauschen, und der Uspénsky Sobór sich nach derselben wiederum in Dunkel und träumerisches Schweigen hüllen. Möge es lange dauern, bis sich seine Pforten wieder öffnen, und möge die Regierung Alexander’s des Dritten seinem weiten Reiche und den Nachbarländern den Segen des Friedens bringen.




Blätter und Blüthen.


Ein Musterreiter der guten alten Zeit. (Mit Abbildung Seite 329.) Das Bedürfniß, „reisen“ zu lassen, um nach Vorlage von Proben oder Mustern Bestellungen zu empfangen, kurzum, die alten Kunden fest zu halten und neue zu gewinnen, war in früherer Zeit weniger vorhanden. Die Handelsartikel waren stabiler und die Messen und Märkte von größerer Wichtigkeit, als dies heute der Fall ist. Hier fand man Gelegenheit, seinen Bedarf einige Male während des Jahres zu decken. Trotzdem war es aber für das Handelshaus gerathen, auch wenn es mit seinen Waaren möglichst viele solcher Messen und Märkte bezog, einen Vertreter zu halten, welcher möglichst ununterbrochen und in Person die Beziehungen des Hauses zu der Kundschaft regelte und herstellte und dadurch die Größe und Festigkeit der Firma wesentlich unterstützte.

Ein solcher Mann ging in der Regel aus einem erprobten Gehülfen des Geschäfts hervor, und man mußte ihm als zukünftigem Reisenden ein großes Maß von Vertrauen schenken. Seine Vollmachten waren bedeutend, und war er einmal zum Thore hinaus, so war auch eine Controle nicht mehr möglich, und ein Urtheil über ihn seitens der Kundschaft ließ auch lange auf sich warten. So mußte sich denn der Reisende auf Handschlag verpflichten, bei seinen Musterreisen mit besonderer Umsicht, Sorgfalt, Thätigkeit und Sparsamkeit zu Werke zu gehen.

Das Reisen geschah entweder zu Pferd oder durch ein Fuhrwerk. Die erstere Manier, „die Muster zu reiten“, war bis vor fünfzig Jahren viel gebräuchlich und zwar aus zweierlei Gründen. Erstens suchte man eine Ersparniß darin, und zweitens waren viele Wege, namentlich zu einzelnen Jahreszeiten, so schlecht, daß man zu Wagen nur schwer darauf fortkommen konnte. Mit dem Pferde allein kam man leichter durch Dick und Dünn, und man konnte auch öfter einen schmalen Feld- oder Fußweg benutzen, um wohlfeiler und schneller an das Ziel zu gelangen.

Das Reisepferd mußte groß und stark sein; denn es hatte auf seinem Rücken außer seinem Herrn genug zu tragen. Hinter dem Sattel lag der Mustersack und der Mantelsack, welch letzterer außer der Wäsche und einem Paar Stiefel die nöthigsten Reservekleidungsstücke des Reisenden enthielt. In diese Ballen müßte öfter noch eine ziemliche Last Courant-Geld eingeschnallt und mit fort transportirt werden. Vorn über die Schultern des Pferdes lagen Taschen, welche eine Pistole zur Sicherheit und einige Sachen zur Bequemlichkeit und Erfrischung enthielten, während an der rechten Seite manchmal ein starkes Etui zur Aufnahme eines festen Schirmes, eines Stockes und eines Stoßdegens an dem Sattel befestigt wurde.

Die Montur des Reisenden bestand vor Allem aus einem blauen tuchenen Mantel, welches Kleidungsstück so weit war, daß es, auf dem Boden ausgebreitet, einen vollständigen Kreis bildete. Eine lederne Unterhose und ein mit Leder besetztes Beinkleid durfte nicht fehlen. Ein kurzer russisch-grüner Tuchrock unter dem Mantel, eine Mütze mit Sturmriemen und Ohrenlappen, Sporen, Handschuhe und Reitpeitsche vervollständigten das Reitcostüm. Als Eigenthümlichkeit hatten manche, so z. B. die Magdeburger Reisenden, einen Säbel umgeschnallt. So ging es nun wohlgemuth hinaus auf die Landstraße, um einige Meilen bis zum nächsten Städtchen im Schritt und im Trabe zurückzulegen. Bei letzterer Gangart mußte das Pferd der eigenthümlichen Belastung halber bald in einen „Paß“-Trab übergehen, der für beide Theile anstrengend war. Ein solcher früherer Musterreiter würde ausrufen: ja, haben es jetzt die Reisenden gut: sie setzen sich in ein Eisenbahncoupé zweiter Classe, strecken alle Viere von sich und werden fortgezogen, sie mögen wollen oder nicht.

Auf der Landstraße war der Frachtfuhrmann sein Freund und Leidensgefährte. Der Reisende nahm es ihm nicht übel, mit „Du“ und „Reiseknecht“ angeredet zu werden, und man tauschte gegenseitig seine Erfahrungen und Meinungen über die Beschaffenheit der Wege, die Entfernungen und über anderes Nützliche aus. Beiden schlug zur Abenddämmerung das Läuten der Glocken mit oft derselben Bestimmung entgegen: „Komm und bleibe auf dem richtigen Wege; bald sollen Dir gastliche Räume winken!“

Dies war nun oft in Wirklichkeit der Fall. Das Städtchen war erreicht und vor dem Gasthause Halt gemacht. Der Hausknecht fiel dem Pferde des Reisenden in die Zügel, und der Wirth zog ehrsam sein Käppchen. Das beste Zimmer wurde ihm gegeben, während die Wirthin einen Stolz dareinsetzte, für ein gutes Abendbrod sorgen zu dürfen. Bevor sich jedoch der Reisende diesem Genusse hingab, ging es in den Stall. Hier sah er nach seinem „Braunen“ und controlirte namentlich mit Sorgfalt, daß dem Thiere nicht eine Zugluft schade oder ein Nagel dasselbe ritze, denn sein Reisefortkommen war zu eng mit dem Wohlbefinden des Rosses verbunden.

Die Kunde von dem Erscheinen des neuen Gastes hatte der Wirth bereits heimlich einigen Bekannten mitgetheilt, und der Musterreiter war nunmehr der Held des Abends. Man wollte etwas Neues von ihm erfahren, wie es in der Welt zugeht, und war gespannt auf seine Erzählungen und seine kurzen und witzigen Anekdoten, die er zum Besten gab. Auch seine Kunden hatten sich inzwischen eingestellt und baten ihn, des andern Tags nur recht bald zu ihnen zu kommen. Von seiner Kundschaft wurde er überhaupt ehrfurchtsvoll begrüßt und als Hausfreund aufgenommen. Er mußte auch hier von seinen Erlebnissen erzählen, und viele Fragen wurden seinem Gutachten unterworfen. Wurde während seines Aufenthaltes zufällig ein Familienfest begangen, so durfte er sich von demselben nicht ausschließen.

Da außerdem in früherer Zeit in der Regel wenige und meist nur respectable Handelshäuser reisen ließen, fiel es ihm nicht schwer, den eigentlichen Zweck seiner Reise: einen neuen Auftrag zu erlangen und für den letzteren das Geld in Empfang zu nehmen, zu erfüllen. Es lag beides in der Regel schon parat da und erforderte eigentlich die wenigste Arbeit. Das Incasso war allerdings etwas beschwerlich; denn es gab viel Courant; alle möglichen Münzen kamen dabei zum Vorschein, und da hieß es aufpassen und vortheilhaft umwechseln. Die Gelegenheit zu letzterem war aber nicht immer vorhanden, und deshalb mußte manchmal eine große Portion Courant auf dem Gaule einige Touren mit fortgeschleppt werden. Der Auftrag war dagegen bei der Offenheit seiner Kunden bald notirt, und nur die Bestimmung über den besten Weg, den die bestellten Waaren nehmen sollten, ob nicht ein Stück Wasserstraße zu benutzen, welchem Fuhrmanne die Ladung zu übergeben sei u. dergl. m., wurden eingehend besprochen und mitnotirt.

Den dritten Tag galt es nun weiter zu kommen; denn bis dahin waren in der Regel die Geschäfte an einem Orte erledigt; der Braune war wieder gesattelt und gepackt, die Rechnung bezahlt, unser Reisender konnte also wieder schwimmen. Nicht selten gab ihm der Wirth eine Begleitung mit. Passirte nämlich der Reisende einen verrufenen Weg oder einen großen Wald, wo man Gefahr für sein Leben befürchtete, so wurde ihm ein berittener Knecht bis über die unsicheren Punkte hinaus mitgegeben, wofür er ein Meilengeld zu zahlen hatte.

Ein Tag in der Woche oder gewöhnlich der Sonntag gehörte dem Reisenden allein, da wurde möglichst kein Besuch gemacht und der Vorschrift gemäß Bericht an das Handelshaus erstattet, sowie die überflüssigen Gelder eingeschickt. Dann wurden die Muster, ein „Heiligthum“ für ihn, einmal gründlich wieder geordnet und glatt gelegt und die übrige Zeit zu persönlichen Angelegenheiten verwendet.

In dieser Weise verging der größere Theil des Jahres. In der langen Zeit wurde manchmal auch das Pferd lahm, und langsam ging es dann vorwärts, oft bei anhaltendem Landregen, wie dies der leider zu früh heimgegangene Meister Fikentscher auf seiner diesem Artikel beigegebenen Abbildung in humoristischer Weise wiedergegeben. Manche hatten als Abwechselung, wenn thunlich, zu einem Markte oder zu einer Messe, welche von dem Geschäftshause etwa besucht wurde, zu erscheinen, diese mit zu machen und von da aus die Tour bis zu ihrem Ende wieder aufzunehmen. Das Weihnachtsfest traf alsdann den Handelsreisenden zu Hause an, um ihm eine wohlverdiente Ruhe zu bescheeren.

Während seiner Abwesenheit vom Hause war er ein „guter Reisender“, gleichzeitig aber auch ein „schlechter Comptoirist“ geworden; das Pult war nicht mehr sein Element. Man wußte aber schon im Voraus, daß sich’s immer so gestaltet, und sah ihm in dieser Beziehung Vieles nach.

Kaum waren vier Wochen verflossen, so regte sich die Reiselust in ihm mächtig, und es zog ihn wie im Fieber hinaus auf die Landstraße. Die Muster wurden zurecht gemacht, das Schuldverhältniß der Kunden aus dem Hauptbuche gezogen, die einzuschlagende Route aufgesetzt, und so ließ man den Ritter gern wieder ziehen.

Mit der Verbesserung der Straßen und Erbauung von Chausseen führte sich das Reisen mit eigenem Geschirr von selbst mehr ein. Man fuhr entweder ein- oder zweispännig und nahm einen Reisekutscher mit. Nur selten fuhr sich der Reisende allein. Einzelne nahmen von Haus aus auch nur den Wagen mit und benutzten von Ort zu Ort Postpferde.

Der Reisende in seinem Geschirr hatte es bequemer als sein College zu Pferde, trotzdem mußte auch er noch genug Püffe aushalten; denn es gab nicht selten ellentiefe Geleise zu pariren.

War die Gegend unsicher, so war auch für ihn eine Waffe nöthig. Bemerkte man des Abends Personen, welche Mißtrauen erweckten, so gebrauchte der kluge Kutscher ein Posthorn, um die Betreffenden zu täuschen. Auch führte der Kutscher in der Regel unter seinem Sitze einen Säbel, für den Fall der Noth, bei sich. Aber alle diese Gefahren wurden überwunden, fand doch der Reisende durch die Hochachtung, die man ihm überall zollte, ein angemessenes Aequivalent. Und wie gemüthlich war es im Hôtel! Man traf da immer alte bekannte Reise-Onkels. Jeder hatte auch sein Klebfleckchen, das heißt einen Platz, wo es ihm besonders gefiel und wo auch die Pferde gut aufgehoben waren. In einem Gasthofe waren Sonntags manchmal zehn Reisende mit ihren eigenen Geschirren beisammen, da schloß sich keiner von einer Spazierfahrt aus und das ganze Städtchen wurde ob der langen Wagenreihe in Aufregung versetzt.

Die Stellung des Reisenden war eine lohnende. Die ihm bewilligten Reisespesen reichten für die gewöhnlichen Ausgaben, sodaß er von seinem [332] Jahresgehalte die größere Hälfte recht gut sparen konnte. Man ließ ihn überhaupt, wenn er sich gut eingerichtet hatte, nicht leicht aus dem Garne, und er wurde später in der Regel Theilhaber des Geschäfts oder hatte doch als Vertrauter des Principals und aus Dankbarkeit einen sorgenfreien Lebensabend.

So war das Reiseleben im Durchschnitt noch bis vor dreißig Jahren. Da kam die Eisenbahn mit ihrer alles nivellirenden Kraft, und man trennte sich von dem alten liebgewordenen Reisefuhrwerke, allerdings nicht, ohne daß auch eine Thräne beim Abschiede des Althergebrachten mit fortgerollt wäre.




Deutsche Zeitungen im fernen Afrika. Vor einigen Wochen erhielten wir mit der überseeischen Post die erste Nummer der „Deutsch-Aegyptischen Presse“, einer in Alexandrien neu gegründeten deutschen Zeitung. Daß in dem alten Culturlande der Pharaonen sich tüchtige Landsleute fanden, welche ein derartiges Unternehmen in’s Leben riefen, war kein Wunder; auch erschienen bekanntlich in Alexandrien schon seit einer Reihe von Jahren englische und französische Journale. Leider ist diese Zeitschrift nach recht kurzem Dasein eingegangen. Vor einigen Tagen aber fanden wir unter den Brief- und Zeitungsstößen auf unserm Pulte einen Zeitungsbogen, welcher uns nicht nur in Erstaunen versetzte, sondern auch uns aufrichtige Freude bereitete. Da stand groß gedruckt auf der ersten Seite: „Das Capland. Deutsche Zeitung für Süd-Afrika.“ Neugierig lasen wir das Programm der jungen Collegin und waren in hohem Grade befriedigt, als wir den Passus fanden: „Was uns zunächst berührt, das sind Beziehungen zu unseren colonialen deutschen Mitbürgern und dem Vaterlande. Wir werden die Interessen der deutschen Einwanderung nach besten Kräften zu schützen suchen. Unser Blatt wird dem Auswanderer als Wegweiser dienen und ihm die gewünschte Belehrung über die hiesigen Verhältnisse bieten. Von hoher Wichtigkeit für uns erkennen wir alsdann die Aufgabe, dem Heimathslande durch eingehende Besprechungen über die hiesigen Verhältnisse neue Verkaufsgebiete zu erschließen. Wir werden es dabei nicht unterlassen, den deutschen Industriellen auf Dasjenige aufmerksam zu machen, was ihm häufig die Gunst des fremden Handels entzieht.“

Schon aus diesen wenigen Zeilen blickt die Macht und die Bedeutung der Presse hervor, die dazu berufen ist, die Nation mit festem Einheitsbande zu umschlingen. Sachverständige Anwälte der deutschen Sache in fernen Ländern sind solche Zeitungen. Wir rufen daher unsern Collegen jenseits des Aequators aus freudigem Herzen zu: „Glück auf!“




Kleiner Briefkasten.

Dem Hülfscomité in Geisa.. Angesichts der Sammlung für die Nothleidenden in der Eifel erkennen Sie, daß wir nicht zugleich für Ihre durch große Feuersnoth geschädigten Mitbürger sammeln können. Aber bitten wollen wir hiermit unsere Leser, auch der Unglücklichen von Geisa zu gedenken und ihre Gaben an Geld, Wäsche, Kleidung oder Nahrungsmitteln direct an das Hülfscomité zu senden.



Für die Nothleidenden in der Eifel

gingen ein: v. Z. in Koburg 20 M.; Gottes Segen in Bautzen 3 M.; M. K. S. und Fräulein F. S. in Eilenburg 10 M.; P. und U. 2 M.; G. Maisenbacher in Straßburg i. Elsaß 20 M.; von Deutschen in Pekin, Illinois, Vereinigte Staaten von Nordamerika, durch Professor Dr. Ludwig Büchner in Darmstadt 100 M.; R. B. in Altona 10 M.; Theodor Egel in Müllheim i. B. 5 M.; Ungenannt in Heidelberg 1,50 M.; Lehrer Friedrich in Rodersdorf bei Wegeleben 3 M.; Ungenannt in Weiden 10 M.; S. Mütze in Pieschen 4 M.; W. F. S. in Bremen 50 M.; M. E. in Sch. 20 M.; M. in Z. 5 M.; L. in Rosenheim 5 M.; W. G. 3 M.; Familie N. 100 M.; E. und C. 3 M.; Julius Stein in Dresden-Neustadt 5 M.; N. in Lingen 2 M.: Ph. A. Wr. in Dr. 20 M.; Emilie 5 M.; G. in K. 10 M.: Ungenannt in Leipzig 3 M.; Wilhelm Herzog 10 M.; R. Schn. in Dresden 1,50 M.; Frau Ottilie Schneider 5 M.; E. F. in Gohlis 2 M.; O. G. in Neusalza 5 M.; Poststempel Brandenburg 10 M.; H. H. in Nürnberg 3 M.; Poststempel Kalen 5 M.; Ungenannt in Löbau 1,50 M.; Poststempel Spremberg 1 M.; von einem Patienten 5 M.; C. D. in Dresden 20 M.; Frau M. Feil in Dresden 6 M.; Poststempel Greiffenberg i. d. Uckermark 5 M.; R. Modes in Bitterfeld 5 M.; H. K. in Frankfurt am Main 3 M.; Dr. G. in Steinhorst 10 M.; Stammtisch bei W. Gelfort in Berlin, 38 Brüderstr., 18 M.; Pfarrer em. Kratzsch in Schmölln 3 M.; Consul J. H. Rutenberg in Bremen 40 M.; Christian Baumann in Homburg 10 M.; Elise S. in Sudenburg-Magdeburg 1 M.; Oberamtsrichter A. Wegelin in Vilbel 5 M.; Frau Ministerialdirector Moser in Berlin 10 M.; F. A. Schumann in Dresden 25,05 M.; Weyhmann in Martkleeberg 10 M.; Wagner in Berlin, Goebenstr., 6 M.; Ungenannt in Grimma: „Bis dat, qui cito dat!“ 20 M.; L. G. in Köstritz 5 M.; P. H. in Waldheim 3 M.; K. S. in Kassel 10 M.; Friedr. Emrich in Hirschberg i. Schl. 5 M.; Christiani in Querfurt 2,62 M.; Ungenannt in W. 1 M.; Poststempel Bremen 5 M.; H. H. in L. 5 M.; A. P. 5 M.; Frau H. verw. Bösenberg 10 M.; S. in Hannover 4 M.; B. in Blagwitz 10 M.; Poststempel Braunschweig 5 M.; A. R. 5 M.; Wittwe P. V. 20 M.; W. 4 M.; Franz König 3 M.; Poststempel Berlin 0 1 M.; W. O. in Gotha 3 M.; N. W. in Bitterfeld 3 M.; G. in Seelow 3 M.; F. in Luckau 15 M.; P. D. in Breslau 5 M.; Poststempel Magdeburg: „Mund zu, Hand auf! 5 M.“; A. L. in Dresden 5 M.: Julius Einhorn in Chemnitz 12 M.; W. Braunsdorf in Plagwitz 5 M.; F. L. S. in Bamberg 5 M.; Dr. Sch. in Gumperda 20 M. und eine Kiste Kleidungsstücke; Ungenannt in Dresden 10 M.; L. H. in Zw. 5,10 M.; E. K. in Mogilno 10,05 M.; C. F. und W. A. in Kükenshagen 20,20 M.; Thiele II in Tennstädt 5 M.; Bernhard Segall in Bromberg 5 M.; Richard Schilling in Grüna 10 M.; E. S. in Lüchow 3 M.; R. Werner in Unruhstadt 2 M.; K. in D. 3 M.; A. W. in Waldau 10 M.; Th. Stamm in Grünberg 20 M.; Postverwalter Dolleschel in Salzbrunn 2 M.; Generalmajor Albrecht in Berlin 10 M.; F. W. in Braunschweig 10 M.; L. Alsberg in Bielefeld 5 M.; Johann Faber in Nürnberg 10 M.; Elsa, Fritz, Martin und Johanna in Waldheim 6 M.; Emma Westhoff in Schönebeck 3 M.; D. St. von Friedberg 8 M.; Ungenannt in Kiel 20 M.; Alb. Hüttig in Camburg 5 M.; Sanitätsrath Mattersdorf in Liegnitz 10 M.; S. v. C. in München 6 M.; Ungenannt in Heidelberg 30 M.; Apotheker Zollfeldt in Freystadt 10 M.; H. Br. in Altena 5 M.; Ad. Schackwitz in Heringsdorf 5 M.; O. B. in Greifswald 5 M.; N. N. in Herborn 5 M.; Otto Ladage in Hamburg 10 M.; Sch. in Osterode 10 M.; R. H. in Karlsruhe 10 M.; Dr. W. in Zittau 3 M.; Marie Rudolph in Breslau 10 M.; J. Scheunert in Fraustadt 6 M.; Ungenannt in Gnölbzig 20 M.; Alexandre Fain in Brüssel 5 M.; Ungenannt in Rudolstadt: „Wenig – jedoch herzlich gern“, 3 M.; Ungenannt in Eilenburg 1 M.; B. in P. 2 M.; F. B. in W. 3 M.; aus einer kleinen Gesellschaft in Zörbig 13,10 M.; Ernst Naumann in Cöthen 3 M.; Debenitz 5 M.; R. Sohmfor in Hamburg 10 M.; Toni, Hans, Udo und Fritz in Prag 2 Gulden ö. W.; A. B. in Tiflis 10 Rubel; aus dem Pfarrhause zu S. bei Königsbrück 6,60 M.; Wilh. Schäfer in Dresden 5,05 M.; bei einer Geburtstagsfeier gesammelt von O. B. in Stettin 6,75 M.; M. E. in Marktbreit 16,50 M; gesammelt von Emil Spiegel in Warnsdorf 5,93 M.; Grabow in Bergen bei Celle 2 M.; P. D. in Altenhagen 3 M.; Doris Müller in Freystadt 3 M.; Mehner in Meißen 3 M.; G. F. H. in A. 3 M.; Elisabeth in Hadersleben 3 M.; H. J. in Oberlangenbielau 3 M.; A. in Bojanowo 3 M.; Matzke in Berlin 3 M.; S. Sch. in Würzburg 3 M.; E. S. in Blankenhain 3 M.; C. N. in Egeln 3 M.; Rechtsanwalt Dörffel in Pirna 3 M.; Geschw. H. in Kreuznach 3 M.; Bagge in Koburg 3 M.; Franz Linz in Gera 3 M.; Heinrich Thiel in Gerdauen 3 M.; N. N. in Uehlingen 3 M.; Lehrer Gutsche in Hartmannsdorf 3 M.; Leser der „Gartenlaube“ in Altona 3 M.; zwei Leserinnen in Krojanke 3 M.; W. K. in Berlin 4 M.; R. H. in Woldenberg 5 M.; J. T. Braun in Greifswald 5 M.; H. Alster in Oberpöllnitz 5 M.; F. Krummel in Arolsen 5 M.; W. S. in Geringswalde 5 M.; Ph. Petsch in Siegen 5 M.; Hinke in Arnstadt 5 M.; A. H. in Niederlößnitz 5 M.; Poststempel Nürnberg 5 M.; G. Behr in Plauen bei Dresden 5 M.; Poststempel Guben: „Quisque pro viribus“ 5 M.; A. V. in Glatz 5 M.; N. N. in D. 5 M.; Frau M. W. in Danzig 5 M.; Rendant Maschke in Argenau 5 M.; B. Bernhardi in Kassel 6 M.; J. J. G. in Edernförde 6 M.; C. Heinrich in Passau 6 M.; Hans Hottenroth in Hamburg 6 M.; H. H. in Hamburg 6 M.; U. in Neugersdorf 6 M.; Reichsbank-Vorsteher Schmidt in Elbing 6 M.; aus der Sparbüchse von Kunz, Willy und Gen. in Schleswig 7 M.; R. T. in Kassel 9 M.; Frau C. S. in Karlsruhe 10 M.; Carl Carthafer in der Ober-Lausitz 10 M.; E. St. in Dresden 10 M.; Alb. Wiedemann in Erfurt 10 M.; A. Brauer in Darmstadt 10 M.; A. K. in Hannover 10 M.; S. G. in Potsdam 10 M.; H. Mentzel in Görlitz 10 M.; Frau Tybusch in Bosen 10 M.; G. von Einem in Reichenbach in Schl. 10 M.; Dr. Feddersen in Bredstedt 10 M.; Ad. Nusser in Itzehoe 10 M.; Dr. Bettinger in Frankenthal 10 M.; August Erich und die kleine Ida in Kiel 11 M.; G. S. in Nieder-Olm 15 M.; Th. G. in Halle an der Saale 15 M.; A. R. in Zeitz 15 M.; H. F. in Bremen 20 M.; Marie Keiler in Neu-Rosenthal 20 M.; Heinrich Scheel in Stralsund 20 M.; Alex. Schönberg in Dresden 20 M.; W. E. in Dresden-Neustadt 20 M.; Bürgerverein zu Netzschkau 24 M.; W. L. B. in C. 25 M.; Frau Kolbe in Potsdam 10 M.; Stadtrath R. K. in Potsdam 20 M.; O. B. in Zell 50 M.; F. Zeyse in Wiesbaden 50 M.; H. N. in Klein-Czyste 50 M.; J. in Hamburg 75 M.; Ungenannt in Halle an der Saale 6,50 M.; aus den Sparbüchsen von Max, Fritz, Felix und Helene in Hamburg 5 M.; H. in Oldenburg 5 M.; J. M. in Breslau 10 M.; Geschwister H. H. in Freiburg in Schl. 3 M.; F. M. in Frankfurt am Main 3 M.; P. H. Lemke in Bremen 10 M.; Steuereinnehmer Jensen in Kaysersberg 5 M.; A. B. in Egeln 20 M.; Ingenieur Engesser in Karlsruhe 10 M.; A. B. in Freiberg in Sachsen 5 M.; G. Kramer in Pforzheim 3 M.; Zimmermeister Sambach in Spandau 3 M.; W. und C. Tiegel in Langenberg 10 M.; K. in Zittau 3 M.; T. in Glogau 3 M.; P. S. in Blankenstein 5 M.; Paul Glendenberg in Chemnitz 2 M.; Ungenannt in Gevelsberg 5 M.; Oehmichen in Probstheida 18 M.; Dr. Feder in Salzmünde 3 M.; aus Alma’s Sparbüchse 2 M.; H. M. in Phn. 7 M.; Gesellschaft „Santane“ in Buchholz 20 M.; C. Herber in Mannheim 5 M.; F. S. und D. in Rügenwalde 15 M.; E. R. in Berlin 2 M.; A. R. S. in Bernau 10 M.; Gg. Pf. in Kassel 15 M.; Frau L. in Stettin 5 M.; Geschwister M. in Greifswald 15 M.; bei einer Geburtstagsfeier gesammelt von Karl Dümmler in Dresden 15 M.; Wendorff in Naulin 20 M.; B. R. in Marienburg 3 M.; Fiscal Ferchland in Genthin 10 M.; einige Freunde des Jünglingsvereins zu Leer durch Cantor Oldenburger 23 M.; Walther Thommen in Hohenheim 2 M.; Jeannette von Bülow in Dobbertin 10 M.; J. J. M. in Königsberg in Pr. 20 M.; Poststempel Landsberg am Lech: „Ein Tropfen Balsam in das Meer des Elends!“ 3 M.; Pfarrer em. Aegidi in Angerburg 3 M.; Holzthien in Tonischewo 10 M.; Apotheker Friedrich Lother in Eppingen 5 M.; J. St. in Sausheim 5 M.; Frau Wessel in Pirna 10 M.; G. J. Ehmer in Memel 10 M.; R. D. in Nauen 3 M.; B. F. in Landsberg a. W. 5 M.; T. in Liebenau in der Neumark 3,50 M.; Wilhelm Fiedler in Neumark 3 M.; Th. Schilasty in Guben 5 M.; Expedition der „Gartenlaube“ 150 M.

(Summa 2604 Mark 45 Pfennig, 2 Gulden österr. Währ., 10 Rubel, 1 Kiste Kleidungsstücke.)



Unter Verantwortlichkeit von Dr. Friedrich Hofmann in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.

  1. Um Wiederholungen und Weitläufigkeiten zu vermeiden, bitten wir unseren Artikel in Nr. 7 dieses Jahrganges über den Augenspiegel zu vergleichen. Fig. 1 daselbst erläutert den Bau des Auges, Fig. 2 zeigt den gelben Fleck; der Text erklärt die Wirkung der Netzhaut. In Fig. 2 müssen die Buchstaben c und d gewechselt werden.
  2. Es ist erstaunlich, wie viele solcher „Optiker“ über Nacht überall auftauchen: nennt sich doch Jedermann, der sich eines schönen Tages zur Anlegung eines Brillenlagers entschlossen hat, sofort auch „Optiker“! Wie wenn dazu schon der Besitz eines Brillengeschäftes genügte!
  3. Wir empfehlen Angesichts des allgemeinen Interesses, welches gegenwärtig die Ereignisse im russischen Reiche beanspruchen, das soeben im Erscheinen begriffene, treffliche Prachtwerk „Rußland, Land und Leute“, herausgegeben von Hermann Roskoschny (Leipzig, Greßner u. Schramm).

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Nkenge-ntandu