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Die Gartenlaube (1886)/Heft 17

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Autor: Verschiedene
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Titel: Die Gartenlaube
Untertitel: Illustrirtes Familienblatt
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Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum: 1886
Erscheinungsdatum: 1886
Verlag: Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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[293]

No. 17.   1886.
Die Gartenlaube.


Illustrirtes Familienblatt.Begründet von Ernst Keil 1853.

Wöchentlich 2 bis 21/2 Bogen. – In Wochennummern vierteljährlich 1 Mark 60 Pfennig. – In Heften à 50 Pfennig oder Halbheften à 30 Pfennig.


Die Lora-Nixe.

Novelle von Stefanie Keyser.
(Fortsetzung.)

In der vierreihigen Kastanienallee, die vom Kurhaus auf die Chaussee nach Himmelgarten leitet, versammelte sich die Gesellschaft. Aus dem großen Eselsstall führten die Eselsbuben in ihren blauen Blousen und rothen Mützen die geduldigen Thiere heran, die mit bunten Quasten und Satteldecken geschmückt waren und von den Damen in Spitzen- und Seidenroben bestiegen wurden. Elegante Equipagen schlossen sich an.

Baron Pölz saß in einem niedrigen mit Scharlachtuch ausgeschlagenen Wagen, den vier roth geschirrte, mit Glöckchen behangene Maulthiere zogen; zwei kleine Vorreiter auf ebenso ausgestatteten Thieren klingelten voraus.

Eine Kammerjungfer, in Seide gekleidet, und ein Diener, der in einer viel zu weiten Livree schlotterte, hoben die Gräfin Scultizka auf einen kleinen Esel mit einem großen Federball zwischen den langen Ohren.

Ravensburgk hielt am Eingang der Allee. Nachlässig auf einem Maulthier sitzend, sein Glas ins Auge geklemmt, schaute er gespannt den von allen Seiten Herzuströmenden entgegen. „Nun, wann kommen denn Ihre Damen?“ fragte er Heino, der aufgeregt hin und her eilte.

„Gar nicht,“ erwiderte dieser zerstreut, während er gespannt nach dem Lora-Flügel hinüber spähte.

Ravensburgk fiel das Glas aus dem Auge. Vera jagte heran. Frau von Blachrieth hatte nicht Unrecht; wie ein Kosak, so sicher und bequem zugleich, saß das kleine sechsjährige Mädchen auf ihrem struppigen Pony. „Ich reite mit Fräulein Paloty voraus,“ rief sie in dem die Worte scharf ausprägenden Accent der Russen und schwang energisch ihre starke Lederpeitsche.

Ravensburgk fing ihre Hand auf. „An dem Ort, nach weichem wir reiten werden, regiert nicht die Knute, sondern das Wort: ‚Die Ersten werden die Letzten sein.‘“ Auf seinen Wink führte ein Diener den kleinen Kosaken unter die Obhut der Gouvernante zurück, die beleidigt auf dem unscheinbarsten Esel hockte.

„Herr von Ravensburgk, welches Malheur!“ rief Frau von Tromsdorf aus einer kleinen Eselskutsche, in welcher sie mit Fifi und den drei Fräulein von Gokel saß. „Wir haben kein Pferd bekommen, und Reiten ist doch Fifi’s ganz specieller Fall.“

„O, trösten Sie sich, meine Gnädigste,“ erwiderte er. „Nach der Gemeine der Heiligen müßten wir eigentlich per pedes apostolorum wallfahrten, was ich Ihnen überhaupt rathen möchte zum Besten ihres Gespanns. Ich empfehle mich unterthänigst. Vielleicht habe ich die Ehre,

Studienkopf.0 Nach dem Oelgemälde von Emil Eismann-Semenowsky.

[294] Ihnen auf dem Rückweg wieder zu begegnen, wenn Sie nicht der Verein gegen Thierquälerei abgefangen hat.“

Endlich sprengte Leonore auf einem prächtigen Schimmel heran, von einem Reitknecht gefolgt.

In einem leichten offenen Wagen langte Frau Paloty an. Ihr zur Seite saß Frau von Giera, welche, die Lorgnette vor den Augen, mit mißbilligendem Blick die kecke Reiterin musterte.

Wie beim Erscheinen einer Fürstin gab Heino sofort das Zeichen zum Aufbruch. Trappelnd und klingelnd bewegte sich der Zug über die zierliche Kettenbrücke, welche den Fluß überspannt, und bog in das Waldthal ein, das durch die Laubhallen des Hainberges sich nach Himmelgarten windet.

„Wie weit sind Sie mit Ihrer Dichtung?“ fragte Leonore Heino, der neben ihr ritt. „Die Gesellschaft spricht von nichts weiter als von Ihrem neuesten Werk, und ich, als eine Ihrer wärmsten Verehrerinnen, habe wohl ein kleines Recht, in Gedanken und Plan desselben eingeweiht zu werden.“

Heino’s Augen hingen mit schwärmerischer Bewunderung an ihr. „Die schöne Lora verleugnet das Element nicht, dem sie entstiegen ist. Wie die Welle wandelt sich ihre Erscheinung. Jetzt sehe ich sie auf milchweißem Roß durch den Wald reiten. Ihr lang hinabwallendes Sammetkleid zeigt nicht den nassen Saum, der die Nixe sonst verräth. Nur ein Wassertropfen ist ihr am Geschmeide hängen geblieben.“ Er deutete auf eine große Perle, die mit goldenem Trinkhörnchen und rubinenbesetztem Hufeisen an ihrer Uhrkette hing. „Aber,“ fuhr er fort, „so reizend sie in jeder Verwandlung ist, erschwert sie mir gerade dadurch meine Dichtung immer von Neuem. Wenn ich eben glaube, sie in ihrer wahren Gestalt gesehen zu haben, so schwebt sie wieder als eine ganz Andere an mir vorüber, und die kaum begonnene Skizze bleibt unvollendet, weil sie ihr nicht mehr gleicht.“ Er seufzte tief auf.

„Bereuen Sie Ihre Wahl?“ fragte Leonore in weichem vorwurfsvollen Tone. „O, dann suchen Sie sich einen anderen Stoff und überlassen Sie die arme Nixe ihrem dunklen Los.“

„Wählen wir uns frei, was wir lieben, anbeten, besingen?“ fragte Heino. „Wir folgen einem geheimnißvollen Zuge, den wir nicht zu erklären vermögen. So muß ich die Lora-Nixensage dichten, ich mag wollen oder nicht, und kann nur sagen: Unheil, nimm deinen Lauf.“

„Ein sehr passender Segensspruch an dieser Stätte,“ lobte Ravensburgk, der dicht hinter dem Paare ritt. „Denn hier hinab geht es zum Höllenschlund.“ Er deutete nach einem engen tiefen Thalkessel hinunter, der in düsterem Schatten lag.

Sie waren am großen Scheidewege angelangt. Eine breite Chaussee führte der nächsten Eisenbahnstation zu; ein Waldpfad zweigte sich nach der Burg Falkeneck ab, deren hoher Bergfried über den Gipfeln der Bäume empor stieg; der Grenzstein der Gemeine Himmelgarten stand am Anfang einer sorgfältig gepflegten Straße, und ein wild überwachsener Weg schlängelte sich in den Höllenschlund hinab.

Wie graue Gespenster von Bäumen drängten sich unten fahle Weiden um ein matt glänzendes Wasserauge. Hohes Schilf starrte empor, und eine weiße Wasserrose schwamm auf dem unheimlich glatten Spiegel. Aus der Luft tönte der wilde Schrei eines Raubvogels, der über dem Grunde seine Kreise zog.

„Warum gab man der Schlucht den furchtbaren Namen?“ fragte Hetno, sein Pferd anhaltend, um sich das Bild einzuprägen.

„Drunten im Grund,“ erzählte Leonore mit gedämpfter Stimme, „hat der Ritter von Falkeneck die Entdeckung gemacht, daß seine Gemahlin ein Wasserweib war, und die Flehende verstoßen. Da ist sie in die Erde gesunken und an der Stelle der Weiher entstanden. Deßhalb wächst auch die Wasserrose dort, die noch heute der Volksmund eine verwandelte Frau nennt. Der Weiher steht wirklich in unterirdischem Zusammenhang mit der Lora. Gegenstände, die man hier in das Wasser geworfen hat, sind draußen im Fluß wieder zum Vorschein gekommen.“

„Eine andere Version lautet,“ warf Ravensburgk ein, „der Name schreibe sich daher, daß die Schlucht wegen der Nähe der Grenze öfters benutzt wird, um Duelle auszufechten, und an der Bank ruinirte Spieler gern den abgelegenen Winkel wählen, um ihrem Leben ein Ende zu machen.“

Ein Schauder schien plötzlich Leonoren zu schütteln. Sie riß wie mit unwillkürlicher Gebärde ihr Pferd zurück, daß es in die Zügel knirschte und schäumte.

Während sie das empfindliche Roß über die brüske Behandlung zu beruhigen suchte, tummelte sich eine Schar muthwilliger Reiterinnen auf ebenso muthwilligen Eselchen an Heino heran.

„Was giebt es zu sehen? Was wurde erzählt?“ Sie nahmen ihn in ihre Mitte, so sehr er sich auch gegen die Umzingelung sträuben mochte.

Als Leonore sich der Gesellschaft wieder zuwandte, bemerkte sie, daß diese am Scheideweg einen Zuwachs erhalten hatte.

Es war ein unscheinbares Einspännerchen, und in demselben saß ein kleines ältliches Frauenzimmer.

Sie trug ein schlichtes dunkles Wollenkleid; über den sehr verwachsenen Rücken fiel ein dünnes schwarzes Seidenmäntelchen herab; ein weit vorreichender Zughut rahmte ein stilles blasses Antlitz ein mit hoher schöner Stirn und klugen ruhigen Augen. Unbekümmert um die neugierigen Blicke, das verwunderte Lächeln der eleganten Gesellschaft hielt sie ihr altmodisches Sonnenschirmchen in den mit Halbhandschuhen bekleideten Händen und fuhr so gelassen zwischen den glänzenden Equipagen und Reitern mit, wie der blasse Neptun neben dem strahlenden Jupiter, der leuchtenden Venus in demselben Sonnensystem dahin zieht.

„Man merkt die Nähe von Himmelgarten,“ sprach Ravensburgk. „Da fährt schon die Weltverachtung neben uns her.“

Leonore hörte es kaum. Ihre Augen wanderten über die Maulbeerpflanzungen, die den Weg nach Himmelgarten umsäumten, wo eifrig Seidenraupenzucht betrieben wurde, über die sorgfältig bebauten Felder und Gärten mit den fleißigen Menschen, die nicht von ihrer Arbeit aufblickten.

Jetzt schallte der Hufschlag der Pferde laut auf dem Pflaster des Ortes. Aber keine neugierigen Gesichter zeigten sich an den Fenstern, die mit weißen Vorhängen sorgfältig geschlossen waren, keine müßigen Leute, keine schreienden Kinder waren in den Straßen zu sehen; Niemand schaute dem glänzenden Zuge nach. Für die Bewohner von Himmelgarten war ja Pracht und Schönheit – „Asche!“ Leonore flüsterte leise das Wort.

Auch am Gasthof war es still. Als einzige Zechbrüder summten nur die Bienen um die mächtige Linde, welche blendend weiße Gartenbänke und Tische überschattete.

Wie die unruhigen Wellen das Felsengestade nicht mit fortzureißen vermögen, wenn sie auch einmal über den hohen Uferrand hinüber lecken, so blieb die Ruhe von Himmelgarten ungestört, mit wie großem Lärm auch die Gäste davon Besitz ergriffen.

Die lebhaften Rufe nach Chokolade und Kaffee wurden von der Wirthin mit vollkommener Ruhe entgegen genommen. Die Dienstmädchen besorgten in der saubern Küche ihre sich häufenden Geschäfte emsig, aber ohne zu rennen und zu klappern. Es war, als sei das weiße Mützchen, das Alle trugen, ein Zauberkäppchen, welches die Gedanken zusammen halte.

Auch der weit und breit berühmte Bäcker verlor den Kopf nicht zwischen den Damen, welche seinen Laden stürmten. In weißer Schürze, mit den Manieren eines feinen Mannes wog er Einer nach der Anderen Anisbrot oder kandirte Früchte zu.

Die laute Schar, welche in das stille Schwesternhaus drängte, wurde höflich empfangen und nach Wunsch herumgeführt, ohne daß man eine Vergütung dafür nahm. Als die Gesellschaft dann in das Zimmer gelangte, wo Arbeiten des Schwesternhauses zum Verkauf niedergelegt waren, und die Fremden etwas davon zu erwerben wünschten, traten die Schwestern, welchen das Geschäft des Handels oblag, hinter die Tische, auf denen Seidenkisschen, mit Samenkörnchen gestickt, aus Tuch verfertigte Erdbeeren, durch die man rostige Nadeln zieht, lagen. Mit vornehmer Ruhe nannten sie ihre hohen Preise, antworteten Mister Montagu in geläufigem Englisch und Frau von Nihiloff in vorzüglichem Französisch. Auch einen Herrn mit pedantisch gezogenem blonden Backenbart redete eine Schwester englisch an; aber als dieser geschmeichelt in der breiten Aussprache, die in Mitteldeutschland zu Hause ist, eine englische Antwort radebrechte, erfolgte sofort in reinem Hochdeutsch die Erwiderung.

Heino ging unstät hin und her. Leonore war ihm aus den Augen gekommen, und was er sah, stieß ihn ab. Nirgends war ein poetisch verwildertes Plätzchen zu sehen.

In den Gärten dehnten sich lange Beete von Kohl und Gurken. Nicht einmal in den Wegen oder zwischen dem Pflaster durfte sich ein kleines Unkraut spreizen.

[295] Endlich drang das Rauschen eines Brunnens an sein Ohr. Das war wenigstens der Rhythmus des Wassers. Leider erschien auch der Steintrog sorgfältig vom Moos gesäubert. Mißmuthig setzte sich Heino auf das Wasserbänkchen unter der Silberpappel, zog sein Notizbuch heraus und begann leise zu skandiren.

Leonore war unterdessen neugierig in die stillen Straßen hinein geschritten.

Sie kam sich wie verzaubert vor. Selbst der Kanarienvogel, dessen blitzend blanker Käfig in einem Fenster stand, sang nur leise mit gedämpfter Stimme. Sie ertappte sich dabei, daß sie vorsichtig auftrat, um mit dem Klappen ihrer spitzen Absätze nicht die Ruhe zu stören.

Kräftig setzte sie nun die zierlichen Fuße auf, um den Bann zu brechen, der sie mit leisen Fäden umspann.

Aber schon hemmte sie wieder ihren Schritt.

Vor einem Haus mit vielen hellen Fenstern hielt das Einspännerchen. Die Reisegefährtin vom Scheidewege stieg aus. Junge Schwestern im Häubchen nahmen ihr das Gepäck ab. Wie gütig war das Lächeln in dem alten welken Gesicht! Dann schloß sich lautlos die Hausthür. Das freundliche Bild war verschwunden.

Wie im Traum ging Leonore weiter.

Ein größeres Gebäude, das ein Thürmchen schmückte, erhob sich am Ende der Straße. Eine weiß getünchte Gartenmauer schloß sich daran. Durch das eiserne Gitterthor schimmerten Blüthendolden. Es war der Eingang zum Friedhof der Brüdergemeine.

Die Pforte war nur angelehnt und that sich unter ihrer Hand geräuschlos auf. Sie schritt hinein. In langen Reihen schloß sich Grab an Grab, jedes ein blühendes duftendes Gartenbeet. Flache weiße Steine lagen auf den Ruhestätten. Das Wort „Heimgegangen“ leuchtete ihr von jedem entgegen.

Nur eine grüne lebendige Hecke trennte den nächsten Garten von dem Gottesacker. Die kleinen blauen Schmetterlinge flogen von dem Garten der Todten zu dem der Lebenden hinüber; der leise Wind trug die Düfte der hohen Lilien, die drüben auf den Rabatten blühten, herüber.

Dicht am Friedhof stand eine Laube, von Jelängerjelieber umrankt.

Leonore bog das Haupt mit dem von Straußfedern überwallten Hütchen durch die Ranken, um hinein zu schauen.

Tief in seine Lektüre versunken, saß drüben ein junger Mann. Sie erkannte ihn sofort wieder. Es war derselbe, der bei ihrer kecken Entschleierung in Jungbrunnen so ernst sie angeschaut und das unheimliche Wort „Asche“ ihr zugerufen hatte. Das waren die tiefen blauen Augen, die klare reine Stirn, der blasse feine Mund.

Da sah er auf. Ein Ausdruck von Ueberraschung spiegelte sich in seinen Zügen; er ließ die Hand mit dem kleinen schwarzen Buch sinken.

Leonore war zusammengeschreckt. Sie empfand es plötzlich als ungehörig, so an diesem ernsten Ort zu stehen, die Schleppe über den Arm geschlagen, in den hohen mit Quasten verzierten Stiefelchen, die so rücksichtslos das Epheugerank niedertraten, welches den Rasen des Friedhofes überspann, mit dem Stulphandschuh an der Hand, in der die Reitgerte sich bog.

Und doch blieb sie wie gebannt von dem Blick des jungen Mannes stehen und schaute ihn hilflos an. Ihre Weltgewandtheit hatte sie gänzlich im Stich gelassen.

Die Ueberraschung des Predigers war aber schon überwunden. Er stand auf und fragte mit ruhiger Stimme: „Haben Sie sich verirrt? Soll ich Sie auf den richtigen Weg weisen?“

„Ja,“ hauchte sie. „Nein,“ widersprach sie sich selbst im nächsten Augenblick, und aufrichtig fügte sie hinzu: „Ich war nur gespannt zu erfahren, wer sich so nahe dem Friedhof ein Ruheplätzchen für seine Mußestunden errichtet habe. Ich hätte mir sagen können: ‚Nur Der, welcher in Allem, was des Lebens sich freut, schon den Zerfall sieht, wenn dieser auch für keines andern Menschen Auge sichtbar ist.‘“

„Vielleicht sieht er auch das Ewige darin,“ erwiderte der Prediger mild, „wenn es auch ebenso noch für keines andern Menschen Auge sichtbar ist.“

Sie schaute ihn staunend an. „Sie glauben Gutes von mir? Ich dachte, Sie würden mich wegen des Uebermuthes, in dem Sie mich zuerst sahen, und wegen meines unberufenen Eindringens hier in Ihr friedliches Asyl verurtheilen.“

Ein stiller Blick sank auf sie herab. „Wie dürfte ein armes Menschenkind Andere richten, da es doch selbst kämpfen und ringen muß, um allezeit lauter und rein erfunden zu werden. Wir verurtheilen nicht, wir lieben nur, auch den strauchelnden Bruder, die irrende Schwester.“

Unwillkürlich wiederholte sie die Worte: „Bruder! Schwester! Heimgegangen. Wie verheißungsvoll klingt das. O, wie bewegt mich Alles so tief, was ich sehe und höre.“

Mit gelassener Zuversicht erwiderte der Prediger. „An jeden Menschen ergeht einmal der Ruf der Gnade.“

Feierliche Posaunenklänge, die in lang gezogenen Tönen einen Choral bliesen, schlossen sich den Worten an; sie schallten von dem thurmgeschmückten Bethaus herüber.

Leonore bebte sichtlich zusammen. „Was bedeutet die Musik?“ fragte sie leise.

„Die Posaunen rufen uns zu unsrem Gottesdienst,“ war die freundliche Antwort.

„Welches Fest feiern Sie heut am Werktage?“ forschte sie weiter.

„Wir feiern den Tag der Gründung von Himmelgarten,“ antwortete der Priester. „Heute vor hundert Jahren ließ der Freiherr von Falkeneck unter seinen Augen den Grenzstein der Flur setzen, welche er der Brüdergemeine schenkte.“

Ein jähes Roth flog über Leonoren’s Antlitz; dan wurde sie todtenblaß; ein paar Augenblicke lang stand sie wortlos.

Dann fragte sie zaghaft: „Darf man Ihrem Gottesdienst beiwohnen?“

„In das Haus des Herrn sind Alle geladen,“ erwiderte er.

„Aber,“ sprach sie stockend, „wird es nicht übel vermerkt, wenn ich in diesem Kleid das Bethaus betrete?“

Er lächelte leise. „Was ist das Kleid vor Gott? Er sieht mit gleicher Liebe auf die Indianerin im bunten Federschmuck wie auf die Nonne im härenen Gewand, wenn die Seele ihm aufrichtig ergeben ist.“

„O, ich danke Ihnen für die Erlaubniß; ich möchte heute so sehr gern der Feier beiwohnen,“ sprach sie in innigem Tone. „Aber nun sagen Sie mir auch, wie darf ich in Gedanken Sie nennen, wenn ich mich Ihrer Güte erinnere?“

„Bruder Johannes,“ erwiderte er.

„Und ich heiße Leonore –“ sie wollte noch einen Namen hinzufügen; aber sie stockte plötzlich. Es zuckte schmerzlich um ihre Lippen. Endlich sagte sie leise: „Wenn Sie meiner gedenken, dann nennen Sie mich Schwester Leonore.“ Ihre Augen standen voll Thränen, als sie sich zum Abschied verneigte und ging.

Als sie die Pforte wieder erreichte, fand sie die Straße von festlich gekleideten Männern und Frauen belebt, welche nach dem Gotteshaus wandelten. Auch mehrere neugierige Damen und Herren der Badegesellschaft befanden sich darunter. Leonore folgte ihnen.

Sie gelangte in einen großen hellen Saal mit weiß getünchten Wänden und weiten lichten Fenstern.

Kein Blick der Gemeine beachtete die Fremden, welchen auf Bänken am Eingang ihr Platz angewiesen wurde.

„Christi Schäflein sind sorgfältig sortirt,“ sagte Ravensburgk, mit den Augen die in verschiedene Chöre getheilte Gemeine überfliegend. „Da kann sich keine junge Wittwe für ein Mädchen ausgeben; die weiße Schleife verräth sie. Am besten gefallen mir die Frauen; die weißen gestickten Schürzen und Tücher auf den schwarzen Kleidern und die blau garnirten Häubchen machen einen recht häuslichen Eindruck,“ Er begab sich auf die Seite der Brüder.

Ein Orgelwerk von seltsam verschleiertem Klang summte an.

Vor der Gemeine, ein paar Stufen höher, saß an einem einfachen, mit einem grünen Tuch bedeckten Tisch der Prediger.

Leonoren’s Augen hingen an seinen blassen Zügen.

Jetzt verstummte die Orgel.

Bruder Johannes erhob sich. Seine ernste Stimme tönte über die Versammlung hin: „Ich habe Dich bei Deinem Namen gerufen, Du bist mein.“

Es war die Losung der Brüdergemeine für den Tag, mit welcher er seine Rede einleitete.

[296] Sanft und eintönig schloß sich der Gesang der Gemeine an:

„Und sprich auch nicht: es ist noch Zeit,
Ich muß erst diese Lust genießen,
Gott wird ja eben nicht gleich heut
Die offnen Gnadenpforten schließen.
Nein, weil er ruft, so höre Du
Und greif mit beiden Händen zu.“

Es entstand plötzlich eine Bewegung unter den fremden Damen; Leonore lag zurück gesunken ohnmächtig an der Lehne der Bank.

Als sie wieder zu sich kam, stand die alte Reisegefährtin neben ihr und rieb ihr die Schläfen mit Eau de Lavande.

„Was war das nur?“ flüsterte Leonore. „Es rauschte um mich immer lauter, immer näher. Dann vergingen mir die Sinne. Verzeihen Sie die Störung.“

„Sie haben durch Ihre Ohnmacht Niemand gestört,“ tröstete die Schwester. „Wie Sie sehen, geht unser Gottesdienst ruhig seinen Gang.“

Eben öffnete sich geräuschlos die Pforte. Schwestern traten ein, die auf großen Platten Thee in Meißner Schälchen und Körbe voll Milchbrötchen trugen. Die Feier des Liebesmahles begann. Mit vornehmer Verneigung boten sie den Trank, den ein feiner Duft von Vanille umschwebte.

Dazu hallte leise Musik vom Chor her, wo Schwestern und Brüder mit musikalischen Instrumenten und Notenblättern standen. Die Gesichter der jungen Mädchen, die sich an die braunen Geigen schmiegten, sahen so regelmäßig und unbewegt aus, wie die der musicirenden Englein auf den Bildern von Albrecht Dürer.

Die alte Schwester, welche Jakobine genannt wurde, reichte Leonoren eine Tasse Thee und ein Brötchen. Dann genoß auch sie, neben ihrem Schützling sich niederlassend, von dem Dargebotenen.

Sie trug gleich den anderen ledigen Schwestern ein weißes Kleid und ein flaches Häubchen, das mit blassen rosa Bändern gebunden war. Aber der Kontrast der festlichen Farben zu dem welken Gesicht und der verkümmerten Gestalt würde durch die auspruchslose Haltung, den harmlosen Ausdruck der Mienen vollkommen getilgt.

„Ebenso könnte ein weißes Sterbekleid unangemessen erscheinen,“ sagte Leonore zu sich selbst.

(Fortsetzung folgt.)




Bilder von der Ostseeküste.
Danzig.
Von Fritz Wernick.0 Mit Originalzeichnungen von Robert Aßmus.

Die „Beischläge“ in Danzig.

Ein langer, einförmiger Weg führt aus dem Herzen des Reiches nach dessen Nordostmark an die Gestade des baltischen Meeres. Noch von der Reichshauptstadt aus fahren wir einen vollen Tag durch ausgedehntes Weideland, über traurige Heiden zwischen Kieferwaldungen in ununterbrochenem Flachland dahin, ohne ein einziges Mal durch freundliche Landschaftsbilder oder interessante Städte angezogen zu werden. Wir wollen nach Danzig, der altberühmten Hansestadt, einer Warte deutscher Kultur auf slavischem Boden. Endlich hebt aus der grasigen Niederungsflur die thurmreiche Stadt sich am Horizonte hervor, ein erstes, ein einziges Bild, welches das Auge fesselt auf der ewig langen Bahnfahrt.

Als historische Stadt, gleich Nürnberg, Prag oder Köln, erscheint Danzig uns schon aus der Ferne. Diese gothischen Thürme, die einen niemals vollendet, die anderen in weit späterer Zeit mit zierlichen Aufsätzen behelmt, diese schlanken Giebel hat schon die gothische, die Zeit der deutschen Ordensritter gekannt, sie hat der Schwede, der vor länger als 200 Jahren die baltischen Provinzen mit Krieg überzogen, gesehen, sie sind heute noch unverändert; die äußere Physiognomie der ehrwürdigen Handelsstadt an der Ostsee wandelt und wechselt nicht in ihren charakteristischen Zügen, ob auch darinnen manches anders geworden im Laufe der Jahrhunderte, anders und besser. Zu den Thürmen gesellen sich bald noch bewimpelte Masten, Segel flattern auf, Dampfschornsteine bringen einen modernen Zug in das ehrwürdige Städtebild, das nun erst ein vollständiges wird, denn nur als Handelsplatz, als Seestadt darf Danzig sich dem Ankömmling zeigen, wenn er es wirklich und gut kennen lernen soll.

Eigentlich gehört auch noch der gelbe, slavische Weichselstrom in dieses Bild und der weite von Höhenzügen umrandete Spiegel der See. Wer an diesem günstigen Punkt des Gestades zuerst sich angesiedelt, ob Wikinger, Dänen, Gothen, ob slavische Völker, Altpreußen, das weiß man kaum genau. Wahrscheinlich

[297]

An der „Langen Brücke“ in Danzig.
Originalzeichnung von Robert Aßmus.

[298] alle zusammen, Fischer und Schiffer, Handelsleute und Seefahrer, die mit einander um den Besitz der sicheren Ankergründe, der Fischerei und der Marktstätten gestritten haben; mischen sich doch alle diese Elemente selbst heute noch kenntlich in dem festen Stamm der deutschen Bevölkerung, welche sie sämmtlich aufgesogen und verarbeitet hat.

Schon mit den Heeren des deutschen Ordens ist die Gothik in das Land gekommen. Das Höchste, was sie hier geschaffen, zeigt uns die Marienburg, der großartige Einzelbau. Danzig aber ist damals als gothische Stadt erbaut worden, die einzige im alten Preußen, eine der wenigen im ganzen deutschen Reiche. Was vorher gewesen, ist zerstört, verschwunden, oder es ist von einer Kümmerlichkeit, welche auf den Baucharakter der Stadt ohne Einfluß geblieben. Wohl mögen noch Häuser mit schweren Rundbogen derben Pfeilern, breiter Giebelung, wie das am Pfarrhof, zu finden sein, die dem früheren mittelalterlich romanischen Baustil angehören, doch mögen bei deren Erbauung wohl mehr Sonderzwecke oder Neigungen des Bauherrn bestimmend gewesen sein.

Altes romanisches Haus am Pfarrhof in Danzig.

Aus vorgothischer Zeit ist also sehr wenig in Danzig erhalten geblieben. Und doch hat schon Erzbischof Adalbert von Prag, als er um die Scheide des ersten Jahrtausends am Ausfluß der Weichsel das Kreuz aufpflanzte, eine slavische Burg, umgeben von einem Haufen Häuser, hier vorgefunden. Noch 300 Jahre aber mußten wohl vergehen, ehe der Deutschorden von Marienburg her hier neben der unregelmäßigen slawischen „alten“ die „rechte“ Stadt gegründet hat, jenes gothische Danzig, das wir heute noch um seiner imposanten Schönheit willen bewundern. Da entstanden regelmäßige Straßen mit hohen Giebelhäusern, spitzbogig gegliedert, schlank und schmal, hohe Fenster, knappe Pfeiler, da wuchsen die Monumentalbauten der baltischen Gothik aus dem Boden: Kirchen, Rathhäuser, Zunfthallen, Klöster. Ernst und massig war diese baltische Gothik, sie ermangelte, weil der gemeißelte natürliche Haustein ihr fehlte, der phantastischen Leichtigkeit und Grazie. Dafür war diese Rechtstadt wie aus einem Gusse, in kaum 50 Jahren vollendet. Das Deutschthum hatte sich hier einen festen Stützpunkt im eroberten Lande gegründet, ein bürgerliches Gemeinwesen erblühte schnell und kräftig. Alle Gaue des Ordenslandes wurden verwaltet und beherrscht von Gebietigern, Komturen, Landmeistern, die, von Marienburg entsendet, in eigenen Burgen oder Schlössern residirten. Die Rechtstadt Danzig besitzt bürgerliche Gemeindehallen, Kirchen, Klöster, die zu den erhabensten Schöpfungen der gothischen Zeit gehören, sie besitzt aber kein Schloß, keine Burg, die Vertreter des Ordensstaats residirten auf der Burg der ehemaligen slavischen Herzöge, die erst gründlich zerstört worden, als das Bürgerthum die Herrschaft der entarteten Deutschritter brach.

Wir würden aber wohl kaum an dieser ernsten gothischen Stadt so großes Gefallen finden, wenn nicht eine spätere Zeit hier umgestaltend und schmückend gewirkt hätte. Wieder ist da der Anstoß von Deutschland hergekommen. Fast drei Jahrhunderte hatte das gothische Danzig der Ordenszeit sich unverändert erhalten. In den engen, tiefen Häusern wohnten die Handelsherren nicht allein, dort war Raum vorhanden zu Waaren, Lagern und Handelsgütern. Ein enges Stübchen zur Seite des weiten, durch mehrere Stockwerke gehenden Hausflurs, eine Hinterstube fürs Geschäft, im Zwischengeschoß, das sich wie eine Altane nach dem Flur öffnete, einige niedrige Räume, darüber die „Saaletage“ als Lokal für Festmahlzeiten, Familientage, Gelage – das genügte den alten Patriciern der mächtigen Hansestadt an der Ostsee. Der weite Flur ward mit Waaren vollgestaut, die Braupfanne, die von einem der mit Braugerechtigkeit ausgestatteten Häuser zum andern wanderte, ward hier aufgestellt, wenn das Bier gesotten werden sollte, und in den Speicherkammern der höchsten Stockwerke lagerte der Kaufherr seine Waaren. Das änderte sich nun freilich nicht mit der neuen Zeit, wohl aber gewann da die Stadt ein freundlicheres Ansehen, manchen prachtvollen Schmuck.

Schnell hat die Lehre Luther’s Eingang gefunden in die altpreußischen Städte. Als dann Deutschland sich zu zerfleischen begann in blutigen Glaubenskämpfen, herrschte hier im äußersten Nordosten Ruhe und Frieden. Handel und Gewerbe, im Herzen des Reiches vernichtet, blühten damals hier kräftig, der Reichthum wuchs und damit die Prachtliebe der Patriciergeschlechter. Die düstere gothische Stadt wollte ihnen nicht mehr gefallen. Sie waren weit umhergekommen, ihre Schiffe hatten sie in die herrlich mit stolzen Architekturen, mit Festungswerken aller Art ausgestatteten holländischen Städte geführt, hatten in Genua, in Venedig gelandet, hatten wohl selbst die Erzeugnisse des Landes, den goldigen Bernstein bis nach Byzanz und in den Orient gebracht. Dort überall ward das Auge geblendet von märchenhafter Pracht, von einer Schönheit, die seltsam kontrastirte mit den bescheidenen Reizen der kalten Heimath. Das sollte anders werden, denn an Geld mangelte es ja nicht. Und es ward anders in Danzig. Ganz deutlich verrathen sich bei dieser am Ende des 16. Jahrhunderts begonnenen Umwandlung holländische, venetianische, selbst orientalische Einflüsse, die zusammenwirken zu malerischen Wirkungen, wie kaum eine andere alte Stadt sie bietet.

Ueberall ward heiterer Schein über die alte Spitzbogen-Architektur gebreitet. Auf den kräftigen Rathhausthurm setzte man eine zierlich durchbrochene Haube mit Glockenspiel, kleine Thürmchen, Statuen, Fähnchen. Die mit wundervollen gothischen Wölbungen geschmückte Gildenhalle, in welcher die Patricier ihre Verhandlungen hielten, ihre Gelage feierten, der „Artushof“, ward völlig überkleidet mit Friesen, Konsolen, Voluten, Medaillons, schmückenden Gliedern, auf denen Imperatoren, Helden der Mythe und der Bibel, stark vergoldet standen; große Wandmalereien, Jagdscenen, Mythologisches, christliche Legenden bedeckten die Felder im Innern; eine Bühne für die Spielleute, ein ungeheurer Kachelofen kamen hinzu, um ein prächtiges Durcheinander von bezaubernd malerischer Wirkung zu schaffen. Glücklicherweise wußte man damals nichts von stilistischer Strenge und Korrektheit, überall trieb die neue, fromme und farbenfröhliche Zeit ihre schönsten [299] Blüthen. Die Rathsstuben der städtischen Regenten wurden mit Holzskulpturen an Decken, Thürbrüstungen, Fenstersturz, mit Malereien, Wandbekleidungen ausgestattet, die offenbar die Prachträume im venetianischen Dogenpalaste zum Abbild genommen hatten, und zu allen diesen Verschönerungen des Alten kam mancher stolze Neubau. Da waren die Motive fast ausschließlich den Rathspalästen, Gildenhäusern, Monumentalbauten der Holländer in Leyden, Harlem, Delft entlehnt. Das Zeughaus, einige Thore sind wundervolle Schöpfungen aus der Zeit der üppigsten Hochrenaissance.

Die Privathäuser haben aber nicht zurückbleiben wollen, vielleicht ist durch sie sogar die Umwandelung begonnen worden. Da sehen wir nun ein interessantes, völlig eigenartiges, ungemein reizvolles Bild entstehen. Der mittelalterliche Hauscharakter der Stadt bleibt unverändert, keinem der Bürger ist es eingefallen, sein Haus ähnlich dem venetianischen oder holländischen umzubauen. Ueber die spitzen Giebel, die schmalen Pfeiler, die enge Façade des dreifensterigen Hauses wird aber ein Gewand des kostbarsten Schmuckes gebracht. Blüthen schwellen in den Regentraufen hervor; Statuen, Reiter zu Pferde, Thiergestalten, Obelisken beleben den Giebel; die Fenster und Thüren werden mit Reliefs von Stein, mit Medaillons und Schnörkeln, Alles reich mit Gold durchblickt, umschlungen: unter Trophäen, Waffenbündeln, schmiedeeisernen Blumenranken kam die gothische Hausarchitektur kaum mehr zur Geltung. Einzelne der reichen Patricier ließen damals in Italien ein vollständiges Kleid aus gemeißeltem Stein mit antiken Heldengestalten, Rittern und allerlei Schnörkel, wie der Zeitgeschmack sie liebte, für ihr Haus nach Maß anfertigen, und dieses ist dann dem mittelalterlichen Bau vorgelegt worden. Damals wurden auch die „Beischläge“ mit in diese Umgestaltung hineingezogen. Von den etwas hoch gelegenen Hausthüren hatten in frühester Zeit offenbar Stege durch den Straßenkoth hinab auf den Fahrdamm geführt. Diese mögen später erweitert, befestigt, endlich eine altanartige Basis des Hauses geworden sein, auf der die Familie Blumen zog, Kaffee trank, frische Luft schöpfte, Ersatz fand für den gänzlichen Mangel an Hof oder Gärtchen hinter dem Hause. Eine Treppe führte dann von der Plattform hinab auf die Straße. In der geschilderten Zeit nun sind diese Beischläge ebenfalls reich geschmückt worden. Mächtige Kugeln von Stein, Gitter von Schmiede-Eisen, Steinschranken ganz mit Reliefs bedeckt, Balustraden, Alles hübsch durch Vergoldung gehoben, ließ diese Beischläge als harmonischen Abschluß, eigentlich als breit ausladende Basis der Häuser erscheinen. Die malerischen Straßenperspektiven, welche so viele der alten Gassen Danzigs uns bieten, würden zerstört werden, wenn man diese Beischläge entfernen wollte. In einigen der Hauptstraßen hat dies leider aus Rücksicht auf den stark angewachsenen Verkehr geschehen müssen.

Danzig behält bei allen diesen Wandlungen immer den Charakter einer Seestadt, durchzogen von breiten Wasserstraßen, welche die Schiffe bis mitten ins Herz derselben tragen. Zwar berührt der Weichselstrom dieselbe nicht, er rollt sein gelbes Wasser eine Stunde ostwärts an ihr vorüber, aber ein stilles, fast stromloses Wasser, das alle Abflüsse des weiten Niederungslandes in sein Bett aufnimmt und sie weiter abwärts in den Hauptstrom trägt, dient als sichere und bequeme Kanalstraße. An seinen Ufern münden die Hauptstraßen der Rechtstadt aus, da erheben sich alterthümliche hochbethürmte Thore, da sehen wir noch runde Cylinderthürme, wohl Reste früherer Befestigungen. Da wachsen die Giebel steiler an, da drängt aber auch das Leben sich dichter zusammen. Auf dem Bollwerk, das dieser Wasserstraße entlang läuft und die „Lange Brücke“ heißt, finden die Schiffer und Seefahrer nicht nur Kneipen, in denen sie sich den fetten Aal, die geräucherte Flunder, den marinirten Hering munden lassen, Rum oder Wachholderschnaps trinken, da machen sie auch ihre Einkäufe an wollenen Hemden, blauen Jacken, rothen Leibbinden und Südwestern. Hier strömen ebenfalls die Lustfahrer zusammen, die im Dampfboot zum Ausfluge den nahen Badestrand aufsuchen, hier an der langen Brücke weilt auch der fremde Besucher gern, denn eine malerischere Straßenperspektive findet er kaum als den Blick auf das von Segeln, Dampfern, Booten und Kähnen belebte Wasser, umrahmt von alterthümlichen Häuserfronten. Das ist etwas, das nur allein Danzig zu bieten vermag.

(Schluß folgt.)

Gewitter und Blitzgefahr.

Es ist eine nicht mehr zu bestreitende Thatsache, daß in Deutschland eine stetige Zunahme der Blitzschäden stattfindet und zwar eine Zunahme, die sehr erheblich, ja bedenklich groß ist. Aus den Untersuchungen von Bezold’s ergiebt sich für Bayern, daß, während im Laufe der dreißiger und Anfangs der vierziger Jahre von einer Million Gebäude im Durchschnitt jährlich 32 vom Blitze beschädigt wurden, zu Anfang der achtziger Jahre unter einer Million durchschnittlich 97 diesem Schicksale anheim fielen. Die Gefährdung der Gebäude durch den Blitz hat sich also innerhalb des angegebenen Zeitraums geradezu verdreifacht! Für das Königreich Sachsen ist die Zunahme der Blitzschläge ebenfalls konstatirt. In dem dreißigjährigen Zeiträume von 1841 bis 1870 fielen nach Freyberg in Sachsen 2140 Blitzschläge auf Hochbauwerke aller Art, so daß durchschnittlich 72 Blitzschläge in einem Jahre vorkamen. Für den zwölfjährigen Zeitraum von 1871 bis 1882 findet sich eine Gesammtzahl von 1826 Blitzschlägen, im Durchschnitt jährlich also 152, mithin auch hier eine enorme Zunahme. Ueberhaupt gehört Sachsen zu den am meisten durch den Blitz gefährdeten Theilen Deutschlands, wird jedoch noch von einigen westdeutschen Distrikten, z. B. Theilen der Provinz Westfalen, übertroffen. Wie für Bayern und Sachsen, so zeigt sich nach den Zusammenstellungen von Holtz überhaupt in West-, Nord- und Ostdeutschland eine Zunahme der Blitzgefahr für Gebäude, die wenigstens bis zum Jahre 1854 hinaufreicht. Diese Zunahme ist jedoch keineswegs für Stadt und Land gleich groß, vielmehr ergiebt sich, daß ländliche Gebäude zunehmend mehr vom Blitze bedroht werden, als städtische.

Merkwürdig ist, daß die Zunahme der Blitzgefahr sich auch bezüglich der Forstbäume zeigt. Herr Forstmeister Feye in Detmold hat in den fürstlich Lippe’schen Oberförstereien seit 1874 in umfassender Weise Beobachtungen an Waldbäumen anstellen lassen. Hiernach fanden in den drei Jahren 1874 bis 1876 im Ganzen 91 Blitzschläge gegen 110 Bäume statt, in den drei Jahren 1878 bis 1880 dagegen 106 Blitzschläge gegen 129 Bäume, außerdem traf ein Blitz das Hermannsdenkmal. Am meisten den Blitzschlägen ausgesetzt erwies sich die Eiche, etwa ein Drittel so häufig wurden sonstige Laubhölzer, noch seltener Nadelhölzer getroffen, am seltensten Buchen. „Der trockene Kalkboden,“ sagt Dr. Häpke, dem ich diese Thatsachen entnehme, „den die Buche am meisten bevorzugt, hat von den Bodenarten die geringste Anziehungsfähigkeit für den Blitz, weßhalb dieser Baum am seltensten getroffen wird. Thatsächlich liegt also doch der von Alters her bekannten Sage, die Buche sei vor dem Blitze gefeit, etwas Wahres zu Grunde. Die geringe Blitzgefahr für Gebäude etc. in Göttingen, Halle etc. läßt sich somit genügend aus dem in diesen Gegenden vorherrschenden Kalkboden erklären. Alle Bodenarten übertrifft an Anziehungsfähigkeit für den Blitz der Lehm, der besonders mit sandiger Beimengung der Eiche zusagt. Diese ist daher unter allen Bäumen am meisten dem Blitzstrahl ausgesetzt. Vielleicht liegt hierin auch der Grund, warum schon die alten Germanen die Eiche als Sitz des Donnergottes verehrten.“

Was die Ursache der zunehmenden Häufigkeit der Blitzschläge anbetrifft, so ist sie wesentlich in den durch die fortschreitende Kultur und Industrie geschaffenen Veränderungen zu suchen, weit weniger oder gar nicht in einer Zunahme der Häufigkeit und Heftigkeit der Gewitter an und für sich. Dr. Holtz, dem die Wissenschaft eine sehr eingehende Untersuchung über den in Rede stehenden Gegenstand verdankt, weist sehr richtig darauf hin, daß sich der Zug des Gewitters wesentlich nach dem Laufe von Flüssen und dem Bestande von Waldungen richtet. Nun liegen die bei weitem meisten Gebäude mehr in der Nähe von Flüssen als von Wäldern, und hieraus folgt, daß die Blitzgefahr für Gebäude sowohl von der Reichhaltigkeit der Flüsse, als von der Reichhaltigkeit der Wälder abhängig ist, und daß sie wachsen muß, wenn unter sonst gleichen Verhältnissen die Reichhaltigkeit der Wälder eine Abnahme erfährt. „Neben der Entwaldung,“ so betont [300] Dr. Holtz mit Recht, „bewirkten aber wohl noch andere Faktoren gleichzeitig, daß sich der Lauf der Gewitter mehr und mehr nach bewohnten Orten zog, nämlich die Vermehrung der Eisenbahnen, Telegraphen, vielleicht auch der Chausséen, sofern man sie mit hohen Bäumen bepflanzte. Es ist wahrscheinlich wenigstens, daß Gewitter theilweise, wie Flüssen und Wäldern, so auch diesen Anziehungspunkten folgen, und geschieht dies, so gelangen sie natürlich nach Orten, welche durchschnittlich bewohnter als andere Orte sind. Wurde auf solche Weise voraussichtlich die Gewitterwolke schon im Verlaufe der Zeit mehr und mehr nach Gebäuden hingelenkt, so trugen weitere Maßnahmen dazu bei, daß sie den Blitz mit immer größerer Sicherheit vorzugsweise auf Gebäude fallen ließ. Die erste der hierher gehörigen Maßnahmen bestand in der successiven Fortnahme der Bäume aus der Nachbarschaft der Gebäude. Sie datirt vorzugsweise jedenfalls aus neuerer Zeit, seit sich Grund und Boden besser verwerthen ließ, und seit man sorgfältiger auf trockene Räume hielt. Da Bäume aber in Ansehung ihrer Höhe und ihrer leitenden Beschaffenheit zu verhältnißmäßig guten Blitzableitern gehören, so entzog man den Gebäuden hiermit einen wesentlichen Schutz, ohne doch gleichzeitig die nöthige Ergänzung zu beschaffen. Die zweite jener Maßnahmen bestand in der Einführung der mannigfachsten metallischen Stücke in die innere oder äußere Einrichtung der Gebäude. Auch diese Maßnahme datirt vorzugsweise aus neuerer Zeit, seit die Fabriken in ihrem Aufblühen die betreffenden Stücke billiger liefern konnten. Man schuf solchergestalt gewissermaßen Zuleiter des Blitzes, ohne auch hier für ein entsprechendes Gegenmittel zu sorgen, man schuf sie vielmehr, während man den Gebäuden gleichzeitig durch erstere Maßnahme ihr einziges Schutzmittel nahm.“

Was läßt sich unter solchen Verhältnissen gegen die Blitzgefahr thun? Es giebt kein anderes Mittel, als die Vermehrung der Anlage von richtig konstruirten Blitzableitern. Allerdings werden diese sichersten Schutzmittel vor dem Wetterstrahle gegenwärtig häufiger gefunden, als in den früheren Jahrzehnten, allein wie viel in dieser Hinsicht noch zu wünschen übrig bleibt, mag die Thatsache lehren, daß, nach der Zählung von 1881 von 706 781 Gebäuden des Königreichs Sachsen nur 34 748 „vorschriftsmäßige“ Blitzableiter besaßen. Das ist noch nicht ein Zwanzigstel aller Gebäude. Aber noch mehr. Nach den Erfahrungen, die ich über die Konstruktion „vorschriftsmäßiger“ Blitzableiter habe machen können, sowie auf Grund der meisten experimentellen Untersuchungen, darf man dreist behaupten, daß von 3 Blitzableitern 2 sicher mehr oder minder mangelhaft oder doch wenigstens nicht so konstruirt sind, daß sie den möglich sichersten Schutz gewähren. Die Ansichten des Publikums und vieler Blitzableiterfabrikanten über Wirkung und Schutz der Ableiter sind nämlich oft genug völlig falsch. Man glaubt, es genüge, einfach eine oben zugespitzte Metallstange über dem Dache anzubringen, diese ununterbrochen fortlaufend bis an die Erde zu führen und im Boden entweder in Brunnenwasser oder feuchtem Grunde endigen zu lassen. Es ist wahr, eine derartige Vorrichtung hat man früher als hinreichend erachtet, um einem Gebäude Schutz vor Blitzschlägen zu verleihen, aber nach den neueren Erfahrungen und unter den gegenwärtigen Verhältnissen kann sie nicht als genügend angesehen werden.

Heute treffen wir in allen größeren und selbst vielen kleineren Städten ausgedehnte Netze von ober- und unterirdischen Telegraphenleitungen, von Gas- und Wasserröhren an, Einrichtungen, welche ebenso viele Zielpunkte für den Blitz sind und die in ungleich größerem Maße seine Bahn bestimmen, als ein kleiner Draht oder ein Eisenstab, den man in den ersten besten, gerade zur Hand befindlichen Brunnen steckt. Man muß daher auf diese veränderten Verhältnisse Rücksicht nehmen; was früher unter Umständen ausreichend war, ist es heute nicht mehr, ja es kann geradezu schädlich wirken. Man darf niemals aus dem Auge lassen, daß der Haupttheil eines Blitzableiters nicht eben die Spitze ist, die über das Dach hinaus in die Luft ragt, auch nicht einmal die oberirdische Leitung, vorausgesetzt, daß man Sorge trägt sie ohne Unterbrechung fortzuführen, sondern die unterirdische oder Bodenleitung. Diese ist es, welche den eigentlichen Schutz verleiht, indem sie den Blitz im Erdboden verschwinden läßt. Der elektrische Strahl, der aus den Wolken herniederzuckt, sucht stets und unter allen Umständen allein nur die im Erdinnern befindlichen Wasser zu erreichen und schlägt den Weg ein, der ihm zu diesem Ziele hin den geringsten Widerstand leistet.

Er wird also die beste Leitung nach dem Boden hin wählen, und die Haupteigenschaft des Blitzableiters soll eben diejenige sein, dem elektrischen Strahle die beste Straße zu den unterirdischen Wassermassen zu bieten, so daß er nur sie und keine andere einschlägt. Aus diesem Grunde läßt man den Blitzableiter im Boden sogleich in Wasser endigen, allein in vielen Fällen ist die Menge des letzteren nicht genügend, um einen ungehinderten Abfluß des Blitzes in die Erde zu gestatten. Keinesfalls ist es ausreichend, den Blitzableiter in eine kleine ausgemauerte, dichte Cisterne zu führen, denn die Wassermenge genügt in diesem Falle nicht, den Blitz zu neutralisiren. Die vorzüglichste Bodenleitung, welche überhaupt denkbar ist, bildet das Netz der Wasserleitungsröhren großer Städte, ihm am nächsten kommt die Gasleitung. Es hat lange gedauert, ehe sich die Techniker davon überzeugen konnten, daß es nicht allein nützlich, sondern geradezu geboten sei, die Blitzableiter mit den Verzweigungen der Wasserleitungen in leitende Verbindung zu bringen. Man befürchtete, es könnten dadurch bei Blitzschlägen Zerstörungen in den Wasserröhren, ja bei den Gasröhren sogar Explosionen verursacht werden. Dawider habe ich schon vor Jahren hervorgehoben, daß, wenn einmal, wie doch unbestreitbar, die unterirdischen Rohrnetze unserer Städte sehr gute Leiter des Blitzes bilden, letzterer ohnehin seinen Lauf auf dieselben zu richten wird, gleichgültig, ob sie an einen Blitzableiter angeschlossen sind oder nicht. Der Blitz wird in diesem Falle einfach den Ableiter verlassen und auf die Rohrleitungen überspringen, wobei es natürlich nicht ohne Zerstörungen abgehen kann. Diese meine Ansichten haben in den letzten Jahren immer mehr Boden gewonnen, und man kann wohl die Frage jetzt als durchaus entschieden betrachten.

Uebrigens scheint es Melsens gewesen zu sein, der zuerst, und zwar schon 1865 bei den großen Blitzableiteranlagen am Brüsseler Stadthause, die Erdleitung direkt mit dem ausgedehnten unterirdischen Rohrnetze der Stadt in Verbindung brachte. Daß dieses Verfahren bis jetzt noch so wenig Nachahmung fand, beweist, wie gedankenlos meistens bei Anlage von Blitzableitern verfahren wird, trotz der durch viele Beobachtungen konstatirten Thatsache, daß bei Blitzschlägen der elektrische Strahl vorzugsweise nach den Gas- und Wasserleitungen strebt. Die gewaltige Ausdehnung dieser letztern im feuchten Erdboden bietet dem Blitze eine so vorzügliche, ja unübertreffbare Straße zur Neutralisirung im Erdinnern, daß derselbe, einmal auf diesem Wege, keinerlei schädliche Einwirkung auf benachbarte Gegenstände äußert. Daß dieses thatsächlich beim Blitzschlag der Fall ist, habe ich Gelegenheit gehabt, an meinem eigenen Observatorium konstatiren zu können. Der Drehthurm, welcher das Hauptfernrohr umschließt, ist in Folge seiner Lage und der Metallmassen, die er enthält, dem Blitze sehr ausgesetzt. Ich ließ daher die Bodenleitung gleich bei der Anlage mit den Röhren der städtischen Wasserleitung in metallische Verbindung bringen. Diese Vorsicht erwies sich sehr am Platze, denn wenige Monate nach Vollendung der Anlage wurde dieselbe bei einem ungewöhnlich heftigen Gewitter vom Blitze getroffen. Der Schlag war so heftig, daß in einem engen Hofe westlich unter dem Thurme die Fensterscheiben sprangen, auch zeigte sich bei der Revision die Spitze des Ableiters gebogen; die Bodenleitung that dagegen völlig ihre Schuldigkeit, der Blitz folgte der Leitung auf einer Strecke von etwa 120 Fuß und ging ohne jede Beschädigung auf das unterirdische Rohrsystem über, um dort zu verschwinden.

Es kann überhaupt keinem Zweifel unterliegen, daß in Städten mit ausgedehnten Rohrsystemen für Gas- und Wasserleitung Blitzableiter unwirksam, ja geradezu gefährlich sind, welche nicht mit diesen Rohrnetzen in metallische Verbindung gebracht werden. Ist dies aber der Fall, so bedarf es gar keiner anderen Bodenleitung mehr, wodurch also die Anlage nicht allein sicher wirkend, sondern auch noch billiger wird. Die Höhe der Auffangstangen ist von geringer Bedeutung, doch ist hierbei zu beachten, daß es weit besser ist, mehrere niedrige Auffangstangen anzubringen, statt einer einzigen hohen. Ich kann Allen, welche ihre Gebäude mit Blitzableitern versehen ließen, nur dringend rathen, in Städten, welche Gas- und Wasserleitung besitzen, die Bodenleitung durch ein Seil von Kupferdraht mit dem Rohrnetze in Verbindung bringen zu lassen; nur wenn dieses der Fall ist, wird der Blitzableiter wirklichen Schutz gewähren, andernfalls kann er unter Umständen sogar gefährlich werden. Dr. J. Klein.     


[301]

Was will das werden?

Roman von Friedrich Spielhagen.
(Fortsetzung.)

Baron von Renten, das in Gegenwart seines Gebieters so klug schweigsame Herrchen, war mir gegenüber von einer unerschöpflichen Redseligkeit und jeden Augenblick bereit, über irgend etwas, das in seinem Bereiche lag, einen längeren Vortrag zu halten, der leider nur nie zu Ende kam. Denn da er von den vielen kleinen Dingen, mit denen er hantirte wie ein spielendes Kind, keines länger als eine Minute festhalten konnte, um sofort nach einem andern zu greifen, gerieth er immer von dem Hundertsten in das Tausendste: fing mit der Beschreibung einer von ihm verbesserten Brennscheere an und endigte bei der Schlacht von Sedan. Nicht mit einer Schilderung der Schlacht, die in weiter Ferne vergrollen mochte, während er im Vordergrunde an der Seite seines gnädigen Herrn zu Pferde auf einem Hügel hielt und seufzend seinen linken Stulpstiefel betrachtete, mit dem er, ich weiß nicht wie, in einen Morast gerathen und der in Folge dessen bis an den Rand mit einer grauen Schlammkruste bedeckt war, während der rechte „blitzblank“ geblieben – „wie ein Kanonenrohr – auf mein Wort! wie ein blitzblankes Kanonenrohr! Und dabei konnten jeden Augenblick die anderen höchsten und allerhöchsten Herrschaften kommen! Es war ridicule! Moltke, der mit seinem Stabe vorbeikam und ein paar Minuten bei uns hielt, hat so gelacht!“

Herr von Renten mußte bei dieser tragikomischen Erinnerung selbst wieder lachen, wobei er unter dem blonden, an den Ecken in die Höhe gezogenen Schnurrbärtchen zwei Reihen blendend weißer Zähne nicht ungern zeigte. Alle Rentens hatten blendend weiße Zähne, ein Spiel der Natur, das in so fern sehr scherzhaft war, als die „von Renten“ von ihren Renten eben nicht leben könnten, und Einer und der Andere für seine Zähne sozusagen nichts zu beißen habe. Aber dann hatte er, Fredo von Renten, ein Zahnpulver erfunden, ein aromatisches, alle Damen und Herren vom Hofe bedienten sich desselben, auch der Herzog! „Haben Sie seine prachtvollen Zähne nicht bewundert? Ich erinnere mich bei einer Hirschjagd im letzten Herbst – à propos! Wissen Sie, weßhalb Hoheit heute Morgen in so ungnädiger Laune war? Denn, entre nous, er war es und in einem hohen Grade. Haben Sie gesehen, wie er in den Trüffelpastetchen stocherte? Das ist immer ein schlimmes Zeichen. Gerade diese Pastetchen! Ich habe das Recept davon an die Gräfin Gernsrode geben müssen. Sie behauptet, sie würde wieder jung bei den Pastetchen! Notabene, sie kann es brauchen – entre nous! Aber Sie sagten mir noch immer nicht, ob Sie Jäger sind? Nein? schade! aber das lernt sich – bei uns! Ich gestehe, ich bin selbst kein guter Schütze. Aber Sie reiten doch? Nein? nun, Sie sind noch nicht zu alt dazu, es zu lernen. Allerdings: reiten und Billard! Man ist entweder dazu geboren, oder man ist es nicht. Aber Sie sind’s! auf mein Wort! wollen Sie pariren?“

Himmel! in welche Hände war ich gerathen? Was hatte sich der Herzog dabei gedacht, als er in dem Labyrinth mir völlig fremder Verhältnisse, in welchem ich mich orientiren sollte, mir diesen zum Führer gab, unter dessen Händen mit den perlgrauen Handschuhen der leitende Faden in jedem Augenblick zerriß? War es da ein Wunder, daß ich bei den vier oder fünf Besuchen, die ich mit ihm machen mußte, niemals recht wußte, bei wem wir uns denn nun eigentlich befanden: ob bei Excellenz von Wallenfels, dem Oberhofmarschall; oder bei Excellenz von Brixen, dem Oberhofjägermeister; oder bei dem Herrn Geheimen Kabinetsrath Iffelberger; oder bei dem Herrn Geheimen so und so von Kniffling? Ich wußte so wenig, warum er mich zu dem einen, als warum er mich zu dem andern brachte. Aber der eine dieser Herren war so höflich und zuvorkommend gegen mich wie der andere, und auf dem Wege von einem zum andern kamen wir durch so interessante Straßen mit so altersgrauen Häusern; durch so hübsche Gärten mit schönen Blumen, ein paarmal auch durch den Park mit seinen weiten Wiesenflächen und den prachtvollen Bäumen; dazu schien die Vormittagssonne so hell vom blauen Sommerhimmel, an dem hier und da schneeweiße Wolken unbeweglich standen; schließlich war die ganze Lage, in die ich mich so plötzlich versetzt sah, so völlig anders, als ich sie mir gedacht hatte, so – Alles in Allem – wundersam, das Gemüth mit seltsamen Eindrücken und noch seltsameren Ahnungen füllend – ich hätte wahrlich weniger jung sein müssen und meine Vergangenheit weniger dunkel, wenn ich mich der Gegenwart nicht hätte freuen und der Zukunft mit einer keineswegs unerfreulichen Spannung hätte entgegensehen sollen.

Wieder einmal waren wir in ein Stück des Parkes gelangt und schritten auf eine Villa zu, die ich schon längere Zeit durch die Bäume hatte schimmern sehen und von der uns nur noch ein breiterer Vorgarten trennte.

„Zu wem diesmal?“ fragte ich heiter.

„Aber zu Frau von Trümmnau!“ erwiderte mein Mentor, die Klingel an der Pforte ziehend und erstaunt die blauen Puppenaugen auf mich heftend.

„Ja so, Frau von Trümmnau!“ sagte ich. „Wenn ich nicht irre, hat der Herzog mir von ihr gesprochen.“

„Wenn Sie nicht irren!“ rief mein Mentor ganz erschrocken, „Aber, Bester, wie kann man in solchen Dingen irren! Natürlich hat Hoheit zu Ihnen von Frau von Trümmnau gesprochen.“

„Und wer ist Frau von Trümmnau?“

Herr von Renten antwortete nicht sogleich, sondern betrachtete den etwas bestaubten Lackstiefel, auf dessen Spitze er mit dem Elfenbeinstöckchen leise klopfte, höchst nachdenklich, als wäre es der famose Kanonenstiefel aus der Sedaner Schlacht. Plötzlich hob er den Kopf und blickte mich so forschend ausdrucksvoll an, wie blaue Puppenaugen nur immer blicken können.

„Sie wissen es also nicht?“

„Was?“

„Weißfisch hat nichts gesagt?“

„Wenn Sie nur die Güte haben wollten, anzudeuten, was er gesagt haben soll!“

„Hier ist andeuten so viel wie Alles sagen. Ich habe es nicht in meiner Instruktion – ich muß es auf meine eigene Verantwortung nehmen – indessen, da Sie es von Jedermann erfahren können, zweifellos an einem der nächsten Tage erfahren würden – es ist vielleicht besser, Sie erfahren es von mir. Aber bitte, Ihr Wort, daß Sie es nicht von mir erfahren haben!“

„Ich versichere Sie –“

„Gut. Also Frau von Trümmnau ist die Gemahlin unseres früheren Gesandten in Petersburg; er ist jetzt im Süden – seine Gesundheit ist sehr angegriffen; sie wird den Sommer über bei uns bleiben.“

„Das ist doch nichts so Merkwürdiges,“ erwiderte ich. „Viel interessanter ist mir, was mir jetzt einfällt, daß der Herzog mir befohlen hat, ich solle, was mir die Dame, die sein volles Vertrauen habe, sagen würde, als von ihm selbst gesagt betrachten.“

„Haben Hoheit das befohlen?“ rief mein Mentor, dessen Augen jetzt wirklich kreisrund waren. „Nun, dann darf ich es wohl wagen.“

Er ließ die Blicke nach allen Seiten schweifen, obgleich kein Mensch in unserer Nähe war, neigte seinen blonden Schnurrbart dicht an mein Ohr und sagte flüsternd:

„Frau von Trümmnau ist seine Tochter.“

Ich gestehe, daß mir bei dieser Mittheilung das Lächeln, mit welchem ich der geheimnißvollen Offenbarung entgegen gesehen hatte, auf den Lippen erstarb. Glücklicher Weise blieb zu einer Erwiderung meinerseits keine Zeit, denn in diesem Momente erschien auf der Veranda der Villa eine Dame in weißem Kleide, die sich mit beiden Armen auf die Brüstung lehnte und mit heller lustiger Stimme herüberrief:

„Aber Renten, sind Sie denn da festgewachsen? Ich beobachte Sie nun schon seit einer Viertelstunde. Wollen Sie wohl machen, daß Sie hereinkommen!“




4.

Wir schritten durch den Vorgarten; Renten, welchen der Ruf der Dame zur Eile angetrieben, etwas schneller als ich, der ich im Gegentheil nach der seltsamen Mittheilung am liebsten umgekehrt wäre, ohne daß ich zu sagen gewußt hätte, warum. Die [302] Dame war, uns erwartend, jetzt auf die oberste Stufe des Treppchens getreten, welches an der Schmalseite zur Veranda führte, und das Renten bereits hinaufgehüpft war, als ich am Fuße anlangte. Er küßte ihr lebhaft die Hand, was sie geschehen ließ, ohne sich zu ihm zu wenden, oder auf seine Bitte um Entschuldigung, daß er die gnädige Frau nicht sofort bemerkt habe, etwas zu erwidern. Der Blick ihrer dunklen Augen war fest auf mich gerichtet, der ich langsam die Stufen hinaufstieg, mich bereits dicht vor ihr befand und nun, da sie weder Miene noch Haltung veränderte, ein paar Stufen unter ihr stehen blieb, verlegen und verwundert über diesen Empfang, dessen ich nach dem lustig und freundlich klingenden Anrufe von vorhin nicht gewärtig war. So blickten wir uns ein paar Momente einander an, ich so regungslos wie die Dame, mit jedem Momente verlegener und verwunderter. Auf einmal war der Ausdruck des Gesichtes da vor mir verwandelt, wie wenn die Sonne über einen Garten scheint, der eben noch in ernstem Schauen lag, und die Blumen auf den Beeten erglänzen, den Rasen schimmern, die Vögel in den Bosketts singen macht. So lieblich erhellten sich die braunen Augen; so reizend spielte ein Lächeln über die rosigen Wangen, in denen zwei Grübchen sich vertieften, um die schwellenden Lippen, zwischen denen die Perlenzähne schimmerten; so freundlich klang die helle Stimme, mit der sie mich „schönstens willkommen“ hieß, indem sie mir zugleich eine kleine, weiße, reich beringte Hand reichte.

Der Uebergang war so plötzlich gewesen, daß ich meinen Gleichmuth noch keineswegs wieder erlangt hatte. Als wir bereits in dem Salon, aus dem sich die breite Fensterthür nach der Veranda öffnete, auf niedrigen Fauteuils behaglich plaudernd saßen. Renten gab in seiner Weise eine Relation unserer morgendlichen Erlebnisse, welche dadurch noch konfuser wurde, daß Frau von Trümmnau ihn alle Augenblicke lachend unterbrach. Mir blieb so glücklicher Weise die Zeit, mich in die Situation zu finden und vor Allem die reizende junge Dame – sie mochte wenig über zwanzig sein – immer wieder und mit erhöhter Lust zu betrachten. Ja, es war eine Lust; schon um der Lustigkeit willen, die ihr ganzes Wesen zu durchdringen schien, wie die Sonne einen Thautropfen, und in bunten, schimmernden, immer wechselnden und immer gleich reizenden Farben von ihr ausstrahlte. Man brauchte nicht zu wissen, worüber sie ihr kurzes silberhelles Lachen aufschlug – man mußte mit fröhlich werden. Und wenn sie nun selbst das Wort nahm und zu plaudern begann, so klang das wieder so silberhell und fröhlich, wie das Plätschern des Baches, der den Wiesenrain hinabhüpft. Zu dem freudigen Leben, das in ihr pulsirte und an dem man unwillkürlich seinen bescheiden frohen Antheil nehmen mußte, stimmte ihre Erscheinung, als sei auch sie nur ein Akkord in der fröhlichen Melodie: der Kopf nicht klein, aber von herrlich reinster Form, Hals, Hüfte, Arme bei aller augenscheinlich gesunden Kraft und Fülle von herrlichstem Ebenmaß; die ganze kaum mittelgroße Figur wohlgefügt und in allen Gliedern beisammen, daß keine Bewegung vereinzelt, sondern immer das ganze entzückende Geschöpf sich mit zu regen und zu bewegen schien, wie ein durch das Wasser gleitender Fisch.

Ich merke, daß ich, um meine Empfindung zu erläutern, aus einem Gebiete der Natur in das andere gerathe. Aesthetisch ist das wohl nicht berechtigt, aber verzeihlich für Jemand, der zu schildern versucht, was ihm in dem Augenblick als eine Offenbarung der schönen Natur, ja als die Quintessenz aller schönen Natur erschien und so in seiner dankbaren Seele geblieben ist.

Und während das in jenem Augenblick immer klarer in meiner Seele aufging und ich mich ohne Widerstand (der auch schwerlich genutzt haben würde) einem Eindrucke, wie ich ihn nie empfunden, hingab, vergaß ich darüber völlig die inhaltschwere Mittheilung, welche mir Herr von Renten beim Betreten des Gartens gemacht hatte; oder, wenn ich daran dachte, war es nur ein Ferment mehr in dem Sonderbaren, das da in meinem Herzen vorging und von mir, ohne daß ich ihm einen Namen geben konnte oder auch nur wollte, als etwas ganz einzig Köstliches empfunden wurde. Wenn sie einen Herzog zum Vater hatte, was lag daran? vor Allem, was lag mir daran, der ich gestern in dem Herzog nur den geistvollen Menschen verehrt, und heute Morgen, als sich in dem Menschen der Herzog aufreckte, nur eine Abminderung der Verehrung verspürt hatte! Und daß des Herzogs Tochter, wie ganz augenscheinlich, in der Fülle des Glückes und des Reichthums lebte, auf Höhen der Gesellschaft, in denen ich immer nur ein verflatterter Vogel sein würde – ich gönnte der Schönen, Lieben von Herzen die Sternenpracht, die ich nie begehrt hatte, und die je zu begehren mein guter Genius mich in Gnaden behüten mochte!

In solche Betrachtungen und Empfindungen war ich so versunken, daß ich verwundert aufblickte, als Renten sich plötzlich erhob. Vermuthlich hatte ich den letzten, in der That leiser geführten Theil ihrer Unterhaltung gar nicht mehr gehört, denn die schöne Frau sagte:

„Also, es bleibt dabei! Sie machen jetzt Ihre anderen Besuche, bei denen Sie unseren jungen Freund nicht brauchen, und er bleibt, wenn es ihm recht ist, so lange bei mir, bis Sie ihn wieder abzuholen kommen. Ich bitte mir aber aus, daß das nicht vor einer Stunde geschieht – wenn ich bis dahin mit den verschiedenen Anliegen, die ich an ihn habe, fertig werde.“

Mein blonder Mentor war davongetänzelt, nachdem er seiner „gnädigen Gönnerin“ ehrfurchtsvoll die Hand geküßt und mir von der Verandathür aus einen verbindlichen Gruß mit den Fingerspitzen zugeweht hatte. Ich stand noch vor meinem Stuhle; die schöne Frau, die sitzen geblieben war, spielte, in den Schoß blickend, mit ihren Ringen. Ein lebhafteres Roth, als ich es vorher bemerkt, lag auf ihren sammetnen Wangen, über welche die langen dunklen Lider fielen. Der liebliche Busen hob und senkte sich. Es mußte sie irgend etwas innerlich lebhaft beschäftigen; es war, als hätte sie meine Gegenwart gänzlich vergessen. Die Verlegenheit, welche ich glücklich überwinden zu haben glaubte, wollte sich wieder in mir regen; aber ich erschrak ernstlich, als sie, die Augen langsam aufschlagend, mich mit einem Blick ansah, dessen warme, liebevolle und doch, wie mir schien, von Wehmuth oder Trauer umflorte Herzlichkeit unmöglich mir gelten konnte. Aber wem? da doch Niemand sonst im Zimmer war? Und jetzt sahen die schönen Augen auch schon niederwärts, und sie sagte, während die Gluth auf ihren Wangen erblich, mit bebender Stimme:

„Der Herzog hat mir so viel Gutes von Ihnen gesagt, mir so viel Interessantes und Rührendes aus Ihrem Leben erzählt. Ich freue mich wirklich recht sehr, daß Sie bei uns sind.“

Ich stammelte etwas von allzu großer Güte, und daß mein Leben bis jetzt so arm und einsam gewesen sei – ich könnte nicht begreifen, wie der Herzog, wie sie selbst daran ein Interesse nehmen könnte.

Sie athmete tief auf und erhob sich plötzlich.

„Kommen Sie,“ sagte sie; „wir wollen ein wenig in den Garten gehen. Es ist da um diese Stunde so schön und es plaudert sich da so gut. Ich möchte gern mit Ihnen so recht von Herzen plaudern.“

Sie schritt mir voran durch einen zweiten Salon, der sich nach dem hinter dem Hause gelegenen Garten öffnete, welcher bedeutend größer war, als der vordere: zuerst ein offenes Rondel mit vielen schönen Blumenrabatten und einem von großen Blattpflanzen umgebenen Springbrunnen in der Mitte; dann Bosketts, durch die verschlungene Pfade zu einem Wäldchen leiteten, dessen dichtbelaubte breitkronige Bäume selbst in dieser Mittagsstunde den köstlichsten kühlsten Schatten spendeten.

Hier ließ die holde Frau meinen Arm los und bat mich, auf einem bequemen Gartenstuhle Platz zu nehmen, während sie sich mir gegenüber auf eine Bank setzte, neben der ein Tischchen mit einem Arbeitskörbchen stand, aus welchem sie eine feine Stickerei nahm.

„Es plaudert sich besser so,“ sagte sie.

Und sie begann zu plaudern, ich weiß nicht mehr recht über was, das im Grunde auch nur „Chiffons“ sein mochte, aber mir aus diesem reizenden Munde gar nicht so erschien. Und dann, ich weiß wieder nicht wie, waren wir aus der Plauderei in ein ernsthaftes Gespräch gerathen; oder vielmehr, ich war es, der eigentlich allein sprach und ihr erzählte von meinem vergangenen Leben, von dem alten Hause in der alten Stadt und dem lieben Vater und von meiner Mutter und meinen Freunden. Und wenn ich einmal aufhören wollte und meinte, das könne sie doch gar nicht interessiren, sah sie mich mit den klaren braunen Augen treuherzig an und sagte eifrig: „Doch, doch! es interessirt mich! Alles! weiter, weiter!“ Und ich erzählte weiter, weiter, so daß nach einer Stunde – es kann aber auch länger gewährt haben, ich weiß es nicht; mir war, als träumte ich das Alles, was ich [303] erzählte – das Buch meines Lebens – ein paar Kapitel ausgenommen – offener vor ihr lag, als es wohl jemals vor mir gelegen hatte. Und auch was jene Kapitel betraf, die ich geflissentlich überschlagen, so fiel mir allmählich auf, daß sie aus denselben – der letzten Zeit: von dem Aufenthalt in Nonnendorf an bis zu meiner Flucht – nicht den intimen Zusammenhang, aber doch Manches wußte, wovon ich nicht begreifen konnte, wie sie es wissen könne, bis ich sie zuletzt geradezu danach fragte. Sie erröthete und lachte und wollte nicht recht mit der Sprache heraus, und endlich: „Nun, es ist besser, wenn ich es Ihnen sage. Sie haben in der ganzen letzten Zeit nicht einen, sondern zwei Spione um sich gehabt: einen Oberspion, den Weißfisch selbstverständlich, der in seinem Solde einen Unterspion hatte, einen Geigenmacher – einen gewissen Streben, wenn ich nicht irre.“

„Ganz recht,“ sagte ich, „Ernst Streben. Er hatte von Herrn Israel, der mich großmüthig in meiner alten Stube gelassen hatte, die Parterreräume des sonst leer stehendem Hauses und die Werkstatt des Vaters abgemietet: ein Mensch, dem ich immer sorgsam aus dem Wege gegangen bin, wie er denn auch sonst in der ganzen Stadt verrufen war, obgleich ich ihn freilich immer mehr für verrückt als für schlecht gehalten habe.“

„Und der doch gar nicht so verrüekt sein kann,“ sagte die schöne Frau lächelnd, „wenigstens hat er seinen Auftraggeber, den Weißfisch, so ziemlich au courant gehalten. Ich will Ihnen nur gestehen, Weißfisch hatte schon von Nonnendorf aus an den Herzog geschrieben, daß er ein ausgezeichnetes Theatertalent entdeckt habe, und vom Herzog den Auftrag bekommen, Alles daran zu wenden, daß uns diese Acquisition nicht entgehe. Sie hatten in Nonnendorf Weißfisch auf seine Insinuationen und Lockungen mit einem so entschiedenen Nein geantwortet, daß er vor der Hand abbrechen zu müssen glaubte, bis er zu gelegener Zeit seine Künste wieder spielen lassen könnte. So ließ er Sie denn durch den Streben, mit dem er in seinem vielbewegten Leben früher zusammengetroffen und immer in Verbindung geblieben war, beobachten. Von Ihrem Kriegsfieber hat er wirklich nichts erfahren, oder er würde schon damals einen verzweifenen Versuch gemacht haben, der jedenfalls an Ihrem festen Entschluß, ins Feld zu ziehen, kläglich gescheitert wäre. Dann kam Ihre Verwundung, und alles schien verloren, bis der Streben schrieb, die Sache sei gar nicht so schlimm, dafür aber Ihre Situation der Art, daß er sicher glaube, Weißfisch könne es jetzt wagen.“

„Aber das ist empörend!“ rief ich in keineswegs gespielter Aufregung.

„Ich finde es eigentlich auch,“ sagte die liebe Frau mit einem Erröthen, für das ich bereitwillig den Antheil, den sie möglicherweise an dieser Intrigue gehabt hatte, im Voraus vergab. „Aber was wollen Sie? Wenn der Herzog sich einmal Etwas in den Kopf gesetzt hat, so muß das ausgeführt werden, mag’s nun biegen oder brechen. Und die Lorbeeren, die man in unserer Nachbarresidenz auf dem Theater pfückt, lassen ihn schon lange nicht schlafen, obgleich er die ganze Kunstwirthschaft dort mit dem grausamsten Spott verfolgt. Mit drei oder vier guten Künstlern, wenn ich sie nur hätte, pflegt er zu sagen, wollte ich den ganzen dortigen Blechkram aufwiegen. Nun kommt Weißfisch, dem er unbedingt vertraut, und sagt: ich habe wenigstens Einen. Das Uebrige können Sie denken. Wenn Sie zu den Zeiten jenes Preußenkönigs – wie hieß er doch nur gleich? – gelebt hätten, würden Sie mit Ihrer langen und schlanken Figur vielleicht für die Potsdamer Garde gepreßt sein. Da ist es denn doch besser, daß Sie zu uns gekommen sind. Gelt?“

Und sie streckte mir, nun wieder mit dem alten herzerquickenden Lachen, die kleine feste Hand entgegen, die ich in meiner erregten Stimmung kräftiger drückte, als es meine Absicht war.

„Was ist denn groß an mir gelegen!“ rief ich. „Ich wußte längst, daß mein Lebenslos außerhalb des Kreises gefallen ist, in welchem die Menschen in hergebrachter Weise ruhig und behaglich wohnen, und auf einen Umweg oder Irrweg mehr kommt es nun schon gar nicht an, zumal ich eben in jenem Augenblick keinen Ausweg aus der Verstrickung und dem Wirrsal meiner Lage sah. Nein, das ist es nicht, was mich jetzt bedrückt und quält. Wohl aber die Möglichkeit und, wie mir in trüben Stunden vorkommen will, Gewißheit, daß Weißfisch sich doch geirrt, mich weit übertaxirt, dem Herzog ein Stuck Glas anstatt eines Edelsteines geboten hat, und bei der ganzen Sache nichts herauskommt, als für den Herzog der Aerger, sich getäuscht und nebenbei das schöne Geld zwecklos verthan zu sehen, für mich eine grenzenlose Beschämung.“

Die schöne Frau saß da, in den Schoß blickend und mit ihren Ringen spielend, was, wie ich schon herausgefunden hatte, ihre Weise war, wenn eine schwierige Frage aufs Tapet kam und ihr Nachdenken herausforderte. Sie sah aber dabei nicht eigentlich nachdenklich aus, sondern eher erschrocken und verlegen, wie ein Kind, dem das Kartenhaus eingefallen ist. Nun hob sie die Augen wieder, mit einem Ausdruck, als wenn sie mir etwas abzubitten habe, und sagte mit schüchterner Stimme:

„Ich sehe, ich muß schon versuchen, Sie zu beruhigen; und ich hoffe, daß es mir gelingen wird, wenn ich Ihnen sage, was ich gestern von dem Herzog gehört habe. Er war, nachdem Sie ihn verlassen hatten, noch über zwei Stunden bei mir und hat die ganze Zeit nur von Ihnen gesprochen. Sehen Sie, Sie kennen den Herzog nicht; und wie sollten Sie auch nach den paar kurzen Begegnungen, und wenn Sie der größte Menschenkenner wären. Und auch dem würde der Herzog zu rathen geben. Es kennt ihn keiner, außer – ach! und ich stehe noch oft vor ihm wie vor einem Räthsel, obgleich er mir mehr vertraut, als irgend einem Anderen. Er ist der beste Mensch und der edelste Mensch, wenn er auch leicht aufbraust und zornig wird, sobald die Anderen seine guten Absichten nicht einsehen wollen oder können, was denn leider nur zu oft vorkommt und ihm das Leben verbittert, daß er zu Zeiten ganz oerzweifelt ist und am liebsten mit der Welt gar nichts zu thun hätte. Aber dann braucht ihm nur wieder ein Mensch zu begegnen, der ihm sympathisch ist, und er ist wieder ganz Vertrauen und Zuversicht und kann sich begeistern und schwärmen, wie ein Jüngling. Und sehen Sie, so ist ihm das nun mit Ihnen ergangen. Daß Weißfisch ihm einen guten Schauspieler versprach, war ihm schon ganz recht; aber unendlich viel mehr werth ist ihm, daß er in Ihnen einen jener Menschen gefunden hat, wie er sie braucht, nach denen er sich sehnt, von denen er sagt, daß sie ihm die Jugend wiederbringen, die er das einzige wahre Gluck des Lebens nennt, und um deren Verlust er immer trauert, wenn er auch kein Wort darüber verliert. Nun können Sie sich wohl, oder doch wohl schon eher denken, daß ihm ein solcher Mensch, der ihm das Herz neu belebt, viel zu kostbar und schade für – nun ja, für einen Schauspieler ist. So große Stücke er auf die Schauspielkunst hält, so wenig hoch denkt er von den Schauspielern. Lieber Himmel, er wird wohl seine Gründe dazu haben! Ein gut Theil Eifersucht mag in Ihrem Falle auch ins Spiel kommen: wer möchte denn nicht gern, was er schätzt, möglichst für sich behalten, anstatt es mit aller Welt zu theilen! Mit einem Worte: der Gedanke, daß Sie Schauspieler werden könnten, werden wollten, ist ihm jetzt entsetzlich. Und warum will er Schauspieler werden, hat er gestern einmal über das andere gesagt, wenn er alles mögliche Andere ebenso gut und zehnmal besser werden kann, und was denn doch auch etwas zehnmal Besseres ist! zum Beispiel –“

Die schöne Frau begann das Spiel mit den Ringen wieder, diesmal aber nur für ein paar Momente; dann fuhr sie entschlossen fort:

„Habe ich so viel gesagt, kann ich das auch noch sagen. Aber unter einer Bedingung: Sie müssen mir zuvor Ihre Bismarck- Gedichte recitiren.“

Ich war starr vor Schreck, und zugleich befiel mich in Erinnerung gewisser Bemerkungen gestern Abend aus dem Munde des Herzogs eine schauerliche Ahnung.

„Hat der Herzog – kennt der Herzog –“ vermochte ich endlich zu stammeln.

„Ja, ja!“ unterbrach sie mich. „Der Herzog kennt die Gedichte. Weißfisch hat heimlich eine Abschrift davon genommen und sie ihm gesandt.“

„Das ist wiederum abscheulich!“ rief ich.

„Ganz gewiß,“ sagte sie; „aber geschehen ist nun einmal geschehen. Und der Herzog, obgleich er, wie Sie wissen, ganz anders über den Mann denkt, dessen Namen er, wenn irgend möglich, nicht nennt, sagt, die Gedichte seien nichts desto weniger sehr schön. Ich weiß nicht, warum er sie mir nicht geben will. Also, bitte, bitte, sagen Sie sie mir. Sie kennen sie doch gewiß auswendig.“

„Das wohl,“ erwiderte ich. „Aber einmal kann ich mich jetzt zu dem Inhalt der Gedichte, welche in der Zeit entstanden [304] sind, als ich, so zu sagen, im Kriegsfieber lag, nicht mehr voll bekennen; ja, ich sehe in denselben etwas wie eine Apostasie meiner republikanischen Ueberzeugungen; und überdies knüpft sich gerade an diese Gedichte eine der schmerzlichsten Erinnerungen aus der traurigsten Zeit meines Lebens.“

„Davon nachher!“ rief die schöne Frau ungeduldig; „aber erst die Gedichte, bitte, bitte!“

Wie hätte ich dem widerstehen können! In meinem eitlen Herzen hielt ich die Gedichte trotz alledem für wirklich gut. Und wann hätte jemals ein junger Dichter Nein gesagt, wenn ihn eine schöne Frau um ein Kleinod aus seinem unermeßlichen Schatze bat!

„Die Gedichte,“ begann ich – „es sind Sonette, drei an der Zahl – betiteln sich ,Goethe und Bismarck‘.“

Sie nickte, als ob sie sagen wollte: so viel weiß ich bereits – weiter!

Und ich drückte die Augen ein, so weit es dem begeisterten Sänger ziemt (wenn er dabei doch noch sein schönes Auditorium im Auge behalten will), und recitirte:

„Der Deutschen höchstes Dichten, tiefstes Denken,
In Goethe fand den Meister es der Meister.
Er herrschte, zeusgleich, in dem Reich der Geister,
Und Wonne war’s, vor ihm die Stirn zu senken.

Nur Alles konnt’ er seinem Volk nicht schenken.
O heilig römisch Reich, verpappt vom Kleister
Der Diplomaten, während dreist und dreister
Fremdmäuse tanzten auf den heim’schen Bänken!

O Goethe’s Volk! o Goldstück, halb gepräget,
Halb nur geachtet auf dem Markt des Lebens,
Zu leicht befunden in der Völker Rath!

Den vollen Kurs schuf er dir unentweget,
Er, Bismarck, er, der Revers deines Strebens,
Des idealen; er, der Mann der That!“

„Herrlich, herrlich!“ rief die schöne Frau. „Weiter!“

Und ich recitirte weiter, mit Mühe das klopfende Herz bändigend:

„Giganten Beid’ im Planen und Vollbringen;
und Beide deutsch bis zu der Seele Grunde,
Des wirren Menschentreibens reichster Kunde
Voll; nie am Scheine haftend; nach den Ringen

Den Baum des Lebens schätzend; stets den Dingen
Schauend ins Herz: mit Adlerblick die Runde
Der weiten Welt durchschweifend; jede Stunde
Bereit, zu lüften die gewalt’gen Schwingen.

O, zweier Kön’ge ungemessnes Erbe!
Glückselig Volk, dem solche Doppelgüter
Zum stolzen Eigen gnädiglich gewährt!

Wohlan! was dir Fortuna gab, erwerbe!
Sei beider Krösusschätze treuer Hüter!
Sei ewig eines wie des andern werth!“

„Köstlich! weiter! weiter!“ murmelte die schöne Frau.

Und ich mit tönender Stimme, während mir die Wangen glühten:

„O Faust! o Deutscher! Daß in deiner Brust
Die beiden Seelen nun und nie sich trennen!
Dann wird man dich das Salz der Erde nennen,
in höherm Sinn, als man es je gewußt.

Schwelgst du nur in des einen Zieles Lust,
Willst gierig nur nach Pluto’s Schätzen rennen,
Nur für Apollo’s Lorbeerkranz entbrennen,
Versinken wirst du in der Völker Wust.

Nie, seit die Erde ziehet ihre Kreise,
Ward einem Volk so schwerer Kampf entboten,
Ward ihm so hehrer Siegespreis gestellt.

So sei denn tapfer! sei denn gut und weise!
Begraben laß die Todten ihre Todten,
Du, alle Zeit ‚ein Sänger und ein Held‘!“

Ich hob verstohlen die Augen, die ich denn doch zuletzt wirklich zugedrückt haben mochte. Aber jetzt hatte sie die ihren gesenkt, und sie war es jetzt, deren Wangen glühten.

„Der Herzog hat wahrlich Recht,“ murmelte sie.

„Worin, gnädige Frau?“

„Hernach. Zuerst die Erinnerung, die sich für Sie an die Sonette knüpft!“

„Ich sagte Ihnen, gnädige Frau, es sei eine sehr schmerzliche.“

„Und eben deßhalb will ich sie wissen. Oder sind Sie Einer von Denen, welche mit den Freunden wohl ihre Freuden theilen mögen, aber nicht ihre Schmerzen?“

„Ich gehöre allerdings, gnädige Frau,“ erwiderte ich, „zu dieser egoistischen Sekte und mache nur Ausnahmen von der Regel, wenn es mir, wie in diesem Falle, befohlen wird. Auch werde ich leider zu diesem Zweck etwas weit ausholen müssen.“

„Es kann für mich nicht zu weit sein,“ entgegnete sie lebhaft. „Ich habe vorhin ganz gut bemerkt, daß Sie die betreffende Episode, über die wir durch unsre Gewährsmänner – nun wohl: Spione, Sie ironischer Mensch! – nur sehr unvollkommen unterrichtet sind, ganz überschlagen haben. Sie brachen da ab, wo Sie erwähnten, daß Sie sich nach dem Wiederbeginn der Schule vergeblich bemüht hätten, zwischen Ihren beiden Freunden ein wenigstens leidliches Verhältniß herzustellen.“

„Es war unmöglich,“ sagte ich. „Schlagododro – ich darf ihn doch weiter so nennen? – war in seinem heißen Löwenherzen zu tief verwundet. Maria, die nach meiner Entfernung nur noch wenige Tage in Nonnendorf geblieben war, hatte ihm geschrieben, daß ihre Liebe zu ihm doch wohl nicht die rechte gewesen sei. Die rechte Liebe wäge nicht, prüfe und wähle nicht. Ihre Liebe habe geprüft und erwogen, daß die schwerste Scheidung die der Gedanken und Ueberzeugungen sei, wie sie eben zwischen ihnen existire, und so bleibe ihr keine Wahl, als die, ihn zu bitten, sie frei zu geben und, wo möglich, zu vergessen. Schlagododro beschuldigte Adalbert, daß er es sei, der in erster Linie zwischen ihm und der Geliebten stehe, was ja auch in gewissem Sinne richtig war; und weiter auch veranlaßt habe, daß Mutter und Tochter mit einer allerdings verdächtigen Eile um eben diese Zeit unsre Stadt verließen, nach Berlin überzusiedeln, wohin ihnen Adalbert nach zurückgelegtem Abiturexamen folgen wollte. Adalbert hüllte sich, auch mir gegenüber, betreff der ganzen Angelegenheit in sein gewohntes kühles Schweigen, das er erst in letzter Stunde brach: auf dem Fest, welches die Abiturienten mit den Zurückbleibenden feierten. Man nennt das einen Kommers, gnädige Frau. Da, als alle die Anderen schon mehr oder weniger bezecht waren, nahm er mich auf die Seite und sagte mir: ja, er habe gethan, was in seinen Kräften gestanden, die Beiden zu trennen. Die Tochter seiner Mutter, die Schwester des Republikaners, solle und werde sich das Bild des Gefolgsmannes, des Fürstendieners aus dem Herzen reißen. Und fügte noch Manches hinzu von der Gefahr der Trennung, die auch für ihn und mich hereindrohe, wenn ich nun wirklich in den Krieg wollte und über der Kriegsleidenschaft und dem patriotischen Pathos der Freiheitsideale vergäße, zu denen ich mich doch bekenne, und die für alle Völker identisch seien und durch einen Krieg, wie dieser, und durch alle Kriege nur geschädigt würden, da dieselben nur Hochwasser für die Mühle der Reaktion, die in letzter Zeit schon bedenklich leer geklappert habe. Verzeihen Sie, gnädige Frau, daß ich da Dinge berühre, die scheinbar nicht hierher gehören; in Wahrheit stehen sie mit dem Folgenden in engstem Zusammenhang. Denn Schlagododro, obgleich er natürlich kein Wort von dem Allen gehört hatte, ahnte, wußte doch Alles, was wir da in der Ecke sprachen, und daß der Verhaßte, der ihn von der Geliebten getrennt, die letzte Stunde benutzte, eine Scheidemauer aufzurichten zwischen ihm und dem Freunde. Die doppelte Eifersucht hatte sein Löwenherz mit wüthendem Zorn erfüllt, und als nun gar eben jene Gedichte, die ich Ihnen vorhin recitirt, und die abschriftlich unter den Kommilitonen umgingen, von einem Indiskreten vorgelesen, von den anderen jubelnd begrüßt wurden, Hochs auf den Krieg, auf Graf Bismark erschallten, alle Gläser sich hoben, nur Adalbert’s nicht – gnädige Frau, erlassen Sie mir die Schilderung einer Scene, auf deren Einzelheiten, wie auf die eines wüsten Traumes, ich mich nur selbst mühsam besinne. Das Ende war, daß ich mich zwischen die Todfeinde warf in dem Augenblicke, als Adalbert mit einem Schläger, welchen wir zu dem ,Landesvater‘ benutzt hatten, gegen Schlagododro ausfiel, der ihm mit hochgeschwungenem Sessel den Kopf zerschmettern wollte und zerschmettert hätte, wäre der dem Andern zugedachte Todesstoß nicht durch meinen Arm und meine Brust gegangen, und ich so für todt zwischen den Rasenden zusammengebrochen.“

„O, mein Gott!“ murmelte die schöne Frau.

Ich blickte sie an und die herzliche Theilnahme, die sich auf dem lieblichen Gesicht gar rührend ausprägte, schien mir ein reichlicher Entgelt für all das ausgestandene Leid.

[305]

„Guten Morgen, mein Liebchen!“
Originalzeichnung von R. Wehle.

[306] „Nun, gnädige Frau,“ sagte ich heiter; „ich bin ja mit dem Leben davongekommen. Aber, nicht wahr, jetzt kein Wort mehr von so leidigen Dingen, und zur Belohnung für meinen schwatzhaften Gehorsam das, was Sie mir vorhin sagen wollten, wenn ich Ihnen zuvor die Gedichte recitirt hätte. Das, wovon der Herzog meint, ich könne es werden, anstatt eines Schauspielers, und das etwas zehnmal Besseres sei, als Schauspieler.“

Sie sah mir voll mit den lieben, schönen Augen ins Gesicht und erwiderte mit köstlichem Lächeln:

„Es ist dasselbe, was ich Ihnen bereits selbst gesagt habe.“

„Ich bitte um Verzeihung – ich erinnere mich nicht: was war es?“

„Daß Sie ein Dichter werden müssen; vielmehr: daß Sie es schon sind.“

„Und das sagt der Herzog?“ rief ich mit freudigem Schrecken.

„Nicht einmal, zehnmal hat er es gesagt, gestern Abend. ,Laßt den nur erst die Welt kennen,‘ rief er einmal über das andere; ,der wird euch noch ganz andere Dinge zu Stande bringen, als seine Sonette auf‘ – nun, Sie wissen ja, daß er den Namen nicht gern über die Lippen bringt. Und der Herzog versteht sich darauf, glauben Sie mir. Er ist selbst Dichter, und sein großer Kummer ist, daß er sich nicht ganz der Poesie widmen darf. Er meint, Herzog und Dichter könne man nicht in einer Person sein, wenigstens nicht vor der Welt. Er mag ja wohl Recht haben. So dichtet er nur in seinen Mußestunden und läßt keinen Menschen etwas davon sehen, außer daß er dann und wann mir ein paar Verse bringt. Ich habe ihn so oft gebeten, er solle die Blätter, die überall herumfahren, sammeln und, wenn auch nur für den nächsten Kreis, drucken lassen. Und er will es jetzt auch, und Sie sollen ihm dabei helfen.“

„Ja so!“ sagte ich in etwas gedehntem Tone.

„Gar nicht ,ja so!‘“ rief die schöne Frau. „Gar nicht, als ob er Sie deßhalb kommen lassen! sich deßhalb nur für Sie interessire, damit er Jemand habe, der ihm dabei helfen kann! Das ist ihm gestern Abend erst eingefallen, oder vielmehr mir. Sie verkennen ihn vollständig und die guten Absichten, die er mit Ihnen hat: wie er Ihr Talent fördern will und Sie in eine Lage bringen, daß Sie jede gute Stunde ohne alle Sorge Ihrer Poesie widmen können. Und wie er Ihnen viele, viele solcher guten Stunden und Tage bereiten will an seiner Seite, in seiner Nähe, so daß Sie doch völlig Freiheit hätten, zu kommen und zu gehen, die Welt zu sehen auf Reisen mit ihm oder allein – mein Gott, das findet sich ja Alles, das macht sich ja hernach Alles ganz von selbst. Nein, nein! Sie hatten kein Recht zu Ihrem ,Ja so!‘ und ich bin Ihnen deßhalb bös, ernstlich bös. Wenn Sie wüßten –“

Das Spiel mit den Ringen war wieder in vollem Gange, aber diesmal war der Ausdruck des Gesichtes nicht der des erschrocken-verlegenen Kindes – es lag ein wirklicher Schmerz auf den sonst so lachenden Zügen, und aus den gesenkten Wimpern tropften ein paar Thränen auf die funkelnden Ringe. Ich hatte nur eine Regung: der schönen Frau zu Füßen zu stürzen und sie um Verzeihung anzuflehen. Es war mir ja nur herausgefahren, das leidige: Ja so! – das unschickliche, ungeschickte Wort, bei dem ich mir gar nichts Rechtes gedacht hatte, da meine Gedanken bei etwas ganz Anderem waren, das ich ihr hatte sagen wollen und jetzt sagen mußte, sollte ich nun nicht auch in Thränen ausbrechen, die mir bereits die Augen heiß machten. Aber hier galt es, mich – mein eigen Selbst zu schützen; das in mir zu wahren, wofür zu leben mich einzig des Lebens werth dünkte.

Und so sagte ich denn, mit Mühe mein Schluchzen unterdrückend:

„Stoßen Sie mich von sich, und der gütige Herzog! Ich weiß, Sie werden, er wird es thun, wenn ich es sage; aber es ist besser so. Besser, in mein altes Elend zurück, als in Herrlichkeit und Freuden leben um diesen Preis! Ich kann nicht von der Gnade Anderer leben. Ich habe schon die Abhängigkeit von meiner Mutter schmerzlich empfunden; aber es war doch meine Mutter, wenn sie mich auch nicht liebte. Und es war kein Wohlleben und kein Reichthum, was sie mir bot. Als sie mir das bot, durch den Priester bieten ließ, habe ich Nein gesagt, und als sie ihre Hand von mir gezogen und ich im die Abhängigkeit von Fremden fiel, trotzdem es gute Menschen waren und mir es gern gegeben hätten, habe ich es wieder nicht angeommen und bin davongegangen und dem Weißfisch gefolgt, weil er mir einredete, ich werde das Alles wieder bezahlen müssen und auch können, wenn ich erst ein tüchtiger Schauspieler geworden sei. Nun soll ich das nicht werden, sondern, ich weiß nicht was, und von der Gnade des Herzogs leben, ohne daß ich ihm irgend Etwas dafür zu bieten vermöchte. Und was ich ihm etwa bieten könnte – er ist gewiß sehr klug und hat so große, freie Ideen, aber er ist doch immer ein Fürst, was ich gestern Abend gar nicht empfunden habe. Heute Morgen war das schon anders und wird, fürchte ich, noch ganz anders kommen. Und in meinem ,Münzer‘ – ich schreibe nämlich an einem ,Thomas Münzer, Trauerspiel in fünf Akten‘ – da spielen die Fürsten eine böse, eine fürchterliche Rolle – es tritt freilich auch ein guter und milder auf, denn man muß gerecht sein, auch gegen seine Feinde –“

Ein lustiges Lachen ließ mich jäh abbrechen – und als ich aus den Baumwipfeln, in denen meine Blicke geschwärmt hatten, nieder- und seitwärts schaute, sah ich die schöne Lacherin, die sich ihr Spitzentaschentuch vor den Mund drückte. Jetzt war die Reihe, erzürnt zu sein, an mir, und ich war erzürnt. Ich hatte ihr mein Innerstes offenbaren wollen, meine heiligsten Ueberzeugungen, und sie lachte, daß ihr wieder Thränen in die Augen kamen. Schweigend erhob ich mich von meinem Sitze.

Sie stand in demselben Moment auf den Füßen, hatte meine beiden Hände ergriffen und rief: „Sie Tollkopf, Sie Wilder, Sie – wollen Sie wohl bleiben! wollen Sie sich wohl gleich wieder hinsetzen! Wenn die Leute immer fortlaufen wollten, wenn ich lache – Und da soll Einer nicht lachen, wenn Sie so feierlich Ihr Recht vertheidigen, in Ihrem ,Thomas Münzer‘ böse Dinge über die Fürsten sagen zu dürfen, und der Herzog selbst sich mit einem ,Thomas Münzer, Trauerspiel in fünf Akten‘, trägt! Schon seit Jahren. Ich wüßte gar nicht, wer der Mann gewesen ist, wenn er es mir nicht gesagt hätte, und daß der Mann viel hochsinniger und großherziger als Luther gewesen und nur das Unglück gehabt habe, drei oder vier Jahrhunderte zu früh geboren zu sein. Und das Andere, das von der Gnade, für die Sie nichts zu bieten hätten, oder wie Sie sich ausdrückten! Ist denn das nichts, wenn Sie Jemand, der sich so tief unglücklich fühlt, wie er hoch im Leben steht und nicht zum Wenigsten deßhalb, weil er so hoch steht und nicht sein darf wie andere Menschen, und keine wahren Freunde hat, die er lieben darf und die ihn wieder lieben – wenn Sie dem das Leben verschönen, und wäre es nur durch Ihre Gegenwart, nur dadurch, daß Sie um ihn sind, ein Mensch, dem er sein Herz öffnen darf? Und der in ihm nicht immer, wie die Anderen, den Herrn sieht, sondern einen Freund, einen väterlichen Freund natürlich, da er so viel älter ist, wenn sein Herz auch jung geblieben, wie das des jüngsten Mannes?“

Sie hatte sich so in Eifer hineingesprochen, und der Eifer stand ihr so schön, schöner fast als ihre goldige Lustigkeit. Ihre Wangen brannten, die braunen Augen leuchteten und, wie sie jetzt schwieg, bebten die vollen Lippen, wie eine Saite nachvibrirt, nachdem der Ton bereits verklungen. Mir aber, während meine Blicke starr auf sie gerichtet blieben, zitterte das Herz. Ich hätte weinen mögen und hätte jauchzen und lachen mögen und ihr sagen: Was redest Du denn, Du schönes Weib? Weißt Du denn nicht, daß Du von mir fordern könntest, was Du wolltest? Daß ich für Dich durchs Feuer gehen und Deinen Vater, und wenn’s der Teufel wäre, lieben würde um Deinethalben?

Ich weiß nicht, was ich gesagt oder gethan hätte, wäre nicht auf dem Kieswege zwischen den Bosketts ein rascher Schritt erklungen und alsbald auch Herr von Renten sichtbar geworden, der stehen geblieben war, das Köpfchen nach allen Seiten drehend, und nun, uns erblickend, schon von Weitem mit der Hand winkend, eilig auf uns zukam. Ich wollte mich erheben und fühlte die Hand der schönen Frau auf der meinen.

„Was zwischen uns geredet, kein Wort. Sie versprechen es mir. Und wenn Sie über irgend Etwas in Zweifel sind, Sie kommen zuerst zu mir und sagen mir Alles – Alles! Gut, gut! ich weiß, Sie halten Wort. – Ah, Herr von Renten! Schon zurück?“

Der schöne Traum war aus; in Gegenwart der blauen Puppenaugen meines Mentors konnte man nicht träumen. Und doch hätte ich den kleinen Mann umarmen, ich hätte die ganze Welt umarmen mögen.

(Fortsetzung folgt.)

[307]

Noch heute „das geheimnißvolle Grab“.

Neue Studien und alte Erinnerungen von Friedrich Hofmann.
(Fortsetzung.)

Anfangs galt der Graf nur als ungeheuer reicher und unter höchstem Schutz stehender Sonderling, der sammt seiner Dienerschaft Jedermann die Scheu vor Unheimlichem einflößte. Dieses Gefühl verwischte sich nie ganz, auch nachdem der Graf sich den Ruf eines großen Wohlthäters erworben hatte. Man muß anerkennen, daß er seine Gaben mit weiser Wahl vertheilte, indem er die wahre Noth ebenso eifrig zu erspähen suchte, wie die verschämte Armuth; das Angebetteltwerden aber war ihm zuwider, „denn,“ sagte er, „nur die freiwillige Gabe hat Werth.“ Zu Festzeiten bedachte er fast jedes Haus mit irgend einer Zusendung von Reis, Fleisch, Weißbrot, Pfefferkuchen u. dergl.; jährlich kleidete er zwölf Konfirmanden und unterstützte reichlich arme Studirende. Ebenso unterstützte er viele Familien in Hildburghausen. Ich selbst nahm brieflich seine Wohlthätigkeit dreimal (1842 bis 1844) in Anspruch zum Besten der mit Hilfe des „Weihnachtsbaumes“ veranstalteten Christbescherungen für arme Kinder, und alle drei Male mit reichlichem Erfolg. Auch Schulen genossen seine Unterstützung, so namentlich die Industrieschule zu Hildburghausen, welcher er auf die Bitte der Erbprinzessin seine Gunst zuwandte. Als dieselbe von einem Vorsteher der Anstalt gefragt wurde, auf welchen Namen die Bescheinigung der empfangenen Gabe ausgestellt werden solle, sagte sie mit glücklichem Takt: „Schreiben Sie nur: Von einem Mann, der unserem Lande nur durch seine Wohlthaten bekannt ist.“ Diese Anerkennung ist sein bester Ruhm und Schutz in und außer dem Schlosse gewesen, dessen Ruhe von Seiten der Bevölkerung nie wieder gestört worden ist. Aber eben so wenig von Seiten des Hofs. Einmal hatte die Herzogin Charlotte eine Annäherung versucht, indem sie dem Grafen in elegantem Französisch im Namen des Herzogs die Gewährung eines Wunsches zusagte, den er durch seinen Geschäftsträger hatte aussprechen lassen. Der Graf antwortete, ebenfalls in der Sprache der Diplomatie, aber in aalglattester Manier, indem er mit seinem Dank die Hoffnung verband, daß die günstige Zeit kommen werde, wo er den hohen Herrschaften selbst näher treten könne. Diese Zeit kam jedoch nie. So oft auch die herzogliche Familie bei dem Pfarrer, welcher der Erzieher der Prinzen und Prinzessinnen gewesen, zu Gaste war, wurde doch nie die geringste Störung des Schloßfriedens gewagt oder geduldet. Die Herzogin starb 1818, der Herzog ertheilte noch 1824 dem Grafen einen besonderen Schutzbrief, und als das herzogliche Haus 1826 nach Altenburg abgezogen und der Graf auch von der neuen Meiningischen Regierung unbehelligt gelassen worden war, ertheilte die Stadt Hildburghausen ihm (am 24. Mai 1827) ihr Ehrenbürgerrecht. Das Geheimniß und die Abgesperrtheit vor aller Welt stand nun vollkommen gesichert da.

In desto innigerer, rein geistiger Beziehung stand das Schloß mit dem Pfarrhaus von 1812 bis 1827. Durch den Kammerdiener Squarre wußte man, und namentlich der Pfarrer, längst, daß der Graf nicht nur im Besitz einer bedeutenden Bibliothek war, sondern daß er fortwährend neue Büchersendungen aus Frankfurt am Main und ebenso viele und namentlich Zeitschriften aller Art, von der Meusel’schen Buchhandlung in Koburg erhielt, die meisten unter der Adresse: „Philipp Squarre in Hildburghausen“, Sendungen, welche, wie ich bereits angab, auch nach Squarres Tode ihren ungestörten Fortgang hatten. Der Graf arbeitete jeden Morgen von drei Uhr an, und wie stark seine Korrespondenz war, dafür zeugten die Velin- und Postpapierpackete nebst Stangen grünen Siegellacks, welche der Hildburghauser Fuhrmann Lürtzing und der Koburger Bote Amberg allwöchentlich im Schloß abzuliefern hatten. Weß Inhalts aber diese Bücher, Zeitschriften und Studien des Grafen waren, darüber gewann den gründlichsten Aufschluß der Pfarrer Heinrich Kühner, der Vater des Verfassers der ersten Quellenschrift über die Geheimnißvollen.

Die Verbindung zwischen Schloß und Pfarrhaus gestaltete sich folgendermaßen. Im Jahre 1812 fand der Pfarrer eines Morgens durch eine Spalte unten an der Hausthür hereingeschoben und sorgfältig kouvertirt mehrere französische und englische Zeitungen, welche später von der Botin des Grafen, und zwar mit weißen Glacéhandschuhen, wieder abgeholt wurden. Nicht lange, so lagen kouvertirte Zettelchen bei den Zeitungen, durch welche der Graf sich Bücher aus des Pfarrers oder der herzoglichen Bibliothek erbat; diese Zettelchen wurden in gleicher Weise wieder abgeholt. Bald vergrößerten die Zettel sich zu Blättern, auf welchen der Graf Urtheile und Ansichten über Gegenstände der Tageslektüre ausspricht und deren Rückseite der Pfarrer zu seinen Gegenbemerkungen benutzt. So entsteht ein Ideenaustausch über Litteratur, Kunst, Politik, Tagesneuigkeiten und Familienverhältnisse in Stadt und Dorf, der die beiden Männer oft so in Eifer bringt, daß die Botin an manchem Tag sechs- bis zehnmal zwischen Schloß und Pfarrhaus hin und her eilen muß. Beide schrieben mit lateinischen Buchstaben, ohne Anrede, Unterschrift und Ortsbezeichnung, nur das Datum setzte der Graf oft an den Kopf seiner Notiz. Das Siegel zeigte mir zwei Male drei Lilien im Felde. Von des Grafen Handschrift blieb keine Zeile im Besitz des Pfarrers. Ueber den außerordentlich reichen und umfassenden Inhalt dieser Korrespondenz müssen die Leser Human’s Buch (Theil I, S. 64 ff.) selbst nachlesen. Für unseren Zweck genügt es, drei Stellen anzuführen. Einmal schreibt der Graf: „Zur katholischen Religion erzogen, wurden doch in meiner Jugend deren Grundpfeiler schon so erschüttert, daß sie nie wieder feststanden“; – ein andermal: „Können Sie eine Vorstellung davon haben, welches Glück ich auch in meiner Einsamkeit genossen habe? Wo hätte ich sonst diesen stillen Frieden genossen, wo sonst die Muße gefunden, die Klassiker von vier Nationen der Reihe nach zwei- und dreimal zu lesen!“ – Und als die Verbündeten siegreich in Frankreich einzogen, schrieb der Graf: „Wenn Friede wird, werde ich das Vergnügen Ihrer persönlichen Bekanntschaft suchen.“ Der Friede ward geschlossen, noch elf Jahre spann sich der intimste geistige Austausch fort, aber gesprochen haben beide Männer, die sich oft auf den Spazierfahrten begegneten, nie ein Wort mit einander. Heinrich Kühner starb am 9. Februar 1827, 54 Jahre alt. Das sein Grab im Friedhofe von Eishausen schmückende Denkmal ist „dankbar gewidmet ihrem unvergeßlichen Lehrer von Therese, Königin von Bayern.“

Diesem Schwelgen des Grafen im Vollgenuß der edelsten Schätze des geistigen Lebens gegenüber – wie steht das schöne Weib da, das dieselbe Zimmerreihe mit ihm bewohnt, dieselbe Luft mit ihm athmet? – Leiblich wird die Dame gehalten und gepflegt mit fast fürstlichem Luxus. Wohnung, Tafel- und Kleiderfreuden lassen nichts zu wünschen übrig. Die Gräfin bewohnte das große Eckzimmer mit zwei Fenstern nach Osten und drei nach Norden, während der Graf ein anderes Eckzimmer mit zwei Fenstern nach Westen und einem nach Norden als Arbeitsstube inne hatte. Das Zimmer der Dame war mit grüngoldenen Tuchtapeten ausgeschlagen, alle übrigen neun Zimmer zeigten einfache grüngelbe, gelbgestreifte oder grüngesprenkelte Tapezierung. Die Möblirung war natürlich den Ansprüchen so hoher Herrschaften angemessen.

Die Köchin hantirte nur in ihrem unteren Bereich, alle Speisen und Getränke trug der Kammerdiener ins Vorzimmer und dort nahm sie der Graf in Empfang, um sie ins Zimmer der Gräfin zu tragen. Man speiste, nach Human, der uns sogar Einiges vom Küchenzettel und über die Bedürfnisse und Vorräthe von Küche und Keller mittheilt, sehr vornehm; die feinsten Backwerke und die edelsten französischen Weine, vorzüglich Haut Sauterne und Porter, schmückten die Tafel. Zu Mittag gab es abwechselnd Semmelklößchen, Lendenbraten, Kapaunen, junge Hähnchen, Feldhühner, Hasen, Hecht und Aal, Semmel- und Reispudding, Radieschen aus Bamberger Gärtnereien etc. Alle Braten mußten in Tiegeln über Kohlenfeuer bereitet werden. Abends aß der Graf stets kalte Küche und trank starken Wein, die Dame aber erhielt jeden Abend eine Kanne voll Haferschleim, offenbar aus Gesundheitsrücksichten. Zur Bouillon, welche früh sieben Uhr servirt wurde, mußte die Köchin zwei Pfund Rindfleisch und ein Pfund Kalbsknochen verwenden; allwöchentlich verbrauchte sie zwölf Pfund Butter und zwei Schock Eier. Seit 1811 kam von F. J. Goullet in Frankfurt am Main regelmäßig alle vierzehn Tage eine Kiste mit sechs Flaschen Likör, feinster Punschessenz und fünf bis sechs Pfund feinstem Mokkakaffee unter der Adresse: „Herrn Vavel de Versay, Hochwohlgeboren in Eishausen bei Hildburghausen“ an. Man wird schwerlich irren, wenn man glaubt, daß diese Herrlichkeiten von Küche und Keller nicht bloß der Herrschaft, sondern auch der Dienerschaft das harte Los der Einsamkeit wesentlich erleichterten.

Das wichtigste Kapitel im äußeren Frauenleben betreffend, so trug die Gräfin im Hause meist lange Frisurschürze und ein feines weißes Jäckchen, mit orangegelben Bändern besetzt, einen rothen, meist zurückgeschlagenen Shawl und ein weißes Spitzenhäubchen. – Zu den Ausfahrten aber schmückte sie sich stets mit den feinsten Kleidern nach der neuesten Pariser Mode. Ebenfalls durch das Frankfurter Haus kamen die Kleider- und Schmucksendungen aus Paris an. Da die Dame mit Niemand in Berührung kam, so konnte sie von den unnöthig gewordenen Vorräthen nichts verschenken, und so fand man denn in ihrem Nachlaß eine Sammlung der prachtvollsten Anzüge aller Modejahrgänge, die ins Erstaunen versetzte, und eben so mehrere Kisten voll seidener Schuhe, die immer zu den Kleidern paßten, welche sie eben trug. Entsprechend war der Frauenschmuck an Gold und Edelsteinen vertreten. Kein Aufwand wurde offenbar für die Befriedigung aller Wünsche gescheut, welche auf diesem kostspieligen Gebiete einem Frauenherzen möglich waren.

Die Spazierfahrten geschahen mit eigenem Wagen und Geschirr und wurden von Eishausen Jahre lang bis vor das Thor des Koburgischen Städtchens Rodach ausgedehnt. Als aber einmal der Chausseegeld-Einnehmer am Thor sich darüber beklagte, daß der Graf immer vor seinem Schlagbaum umkehre und niemals Chausseegeld bezahle, wurde er großartig abgelohnt, die Fahrt aber nie wieder auf die Koburger Chaussee ausgedehnt, sondern nur bis an die Landesgrenze hinter dem Dorf Adelhausen. Später schaffte der Graf die eigenen Pferde ab und benutzte, namentlich zu den Spazierfahrten zu den Besitzungen bei Hildburghausen Postpferde, und zwar fuhr er stets vierspännig.

Bei diesen Fahrten war es, daß ein Chausséewärter die Wahrnehmung gemacht haben wollte, daß zwei Damen im Schlosse wohnen müßten: eine junge und eine alte, und an diese Aussage knüpfte sich der Verdacht, daß wohl noch schlimmere Geheimnisse hinsichtlich des Sittlichkeitsverhältnisses des Grafen zur Dame im Schlosse verborgen sein möchten. Dieser Verdacht war es auch, welcher den seiner Zeit als Polizeigenie allbekannten Polizeirath Eberhardt in Koburg veranlaßte, den Nürnberger Findling Kaspar Hauser nach Eishausen zu bringen und um das Schloß herumzuführen, um etwaige Kindheitserinnerungen in ihm zu erwecken. War auch dieser Enthüllungsversuch erfolglos, war Hauser aus den Kellerlöchern dieses Schlosses nicht hervorgekommen, so schwebte das ganze Geheimniß einem Eberhardt gegenüber doch in äußerster Gefahr, der Graf soll in die größte Unruhe versetzt worden sein, bis ein fürstlicher Befehl der Spürkraft des Polizeimanns nach dieser Richtung Halt gebot.

Auch dieses Zwei-Damen-Geheimniß blieb ungelöst; man suchte es durch eine behauptete Augentäuschung der betreffenden Beobachter zu beseitigen.

(Fortsetzung folgt.)

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Blätter und Blüthen.

Der erste Skatkongreß in Altenburg. Wir leben jetzt im Zeitalter der Kongresse, und da darf es nicht Wunder nehmen, wenn neben den Turnern und Schützen, Keglern und Schachspielern auch die Skatspieler ihren Kongreß haben wollen. Das edle Skatspiel, das mit der Kraft eines nationalen Spieles seinen Siegeszug durch ganz Deutschland gehalten hat, das die Nacht überwindet und den Tag nicht scheut, in welchem viel gesündigt und viel vergeben wird, verdient es auch, daß ihm zu seinem Rechte, dem Rechte eines Kongresses, verholfen werde. Wo anders aber könnte ein Skatkongreß tagen, als in Altenburg, wo einst die Wiege des Skatspieles gestanden hat! Dort also werden zu den Festtagen vom 7. bis 9. August d. J. die Skatspieler aus allen Gauen des deutschen Reiches zusammenströmen; auch aus den Nachbarländern, ja sogar über den Ocean werden sie kommen, denn jetzt schon haben sich Delegirte von deutschen Skatvereinen in Chicago und San Francisko angemeldet.

Der Zweck des Kongresses ist ein doppelter. Vor Allem soll es ein Friedenskongreß werden, denn in erster Linie handelt es sich um Festsetzung einer allgemeinen deutschen Skatordnung, durch welche die Zerfahrenheit in den Skatgesetzen und die mannigfachen Irrthümer und Mißbräuche, welche sich im Laufe der Zeiten beim Skatspiel eingeschlichen haben, beseitigt werden sollen. In allen Fällen skathafter Noth und Zweifel werden in Zukunft die einschlagenden Paragraphen der deutschen Skatordnung den Ausschlag geben. Diese wird künftig auf keinem Skattische fehlen dürfen, und sie allein ist zu citiren an Stelle jener mehr oder weniger beliebten Redensarten, wie sie in Komplimentirbüchern niemals zu finden sind. Der Entwurf der Skatordnung ist schon von Anfang Mai ab durch das Skatkomité in Altenburg gegen Einsendung von 40 Pfennig zu beziehen.

Das Hauptinteresse wird aber das große Skatturnier in Anspruch nehmen. Da ist endlich einmal auch den von ewigem Pech verfolgten Skatern Gelegenheit geboten, sehr viel zu gewinnen und nichts zu verlieren. Um die Thaler darf diesmal nicht gespielt werden, und der biedere Altenburger Bauer, wenn er durchaus Pferd und Wagen verspielen will, muß sein Vorhaben auf den nächsten Roßmarkt verschieben. Der Turnierplan enthält über 100 Preise, welche theils für das Spiel, theils für das Gegenspiel bestimmt und so mannigfach vertheilt sind, daß das Interesse der Theilnehmer von Anfang bis Ende gefesselt wird; auch ist dafür gesorgt, daß nicht nur das Glück, sondern hauptsächlich das feine Spiel zur Geltung kommt. An jedem der Spieltische, deren Zahl wahrscheinlich 300 übersteigen wird, sollen eine bestimmte Anzahl von Spielen (100 bis 120) gespielt und Protokolle darüber, zu welchen gedruckte Formulare geliefert werden, von den Mitspielern selbst geführt und kontrollirt werden. Die Höhe des Hauptpreises ist noch nicht fest bestimmt, sie schwankt noch zwischen 500 und 1000 Mark; darauf folgen Preise zu 300 Mark, 200 Mark, 100 Mark und absteigend bis zu 20 Mark. Bei einer sehr großen Betheiligung ist eine Vermehrung, beziehentlich Erhöhung der Preise in Aussicht genommen. Voraussichtlich werden auch Ehrenpreise von Skatvereinen und bemittelten Skatfreunden gestiftet werden. Für die Aufrechterhaltung der Ordnung bürgt schon der Umstand, daß Juristen an der Spitze des Komités stehen. Bei diesem Riesenskat, wie solcher bis jetzt noch niemals gesehen wurde, werden alle Gesellschaftsklassen, Kaufleute, Beamte, Gewerbetreibende, Studenten, vertreten sein, und daß der Altenburger Bauer, das Urbild eines echten Skaters, nicht fehlen darf, versteht sich von selbst. Am Turnier können nur Kongreßmitglieder theilnehmen. Die Kongreßkarte kostet 3 Mark und für die Turnierkarte sind extra 5 Mark zu zahlen. Mit der Anmeldung, für welche als Endtermin der 15. Juni festgesetzt werden soll, darf man nicht säumen, weil mit Rücksicht auf die vorhandenen Räumlichkeiten sich möglicherweise ein früherer Schluß der Mitgliederliste nöthig machen kann. K. B.     


Thiere der Heimath. Deutschlands Säugethiere und Vögel, geschildert von Adolf und Karl Müller. (Verlag von Theodor Fischer, Kassel u. Berlin.) Nach Brehm’s Thierleben noch ein Thierleben? so fragte sich wohl Mancher, als das Werk der Gebrüder Müller auftauchte. War auch der Name der Verfasser schon längst durch vorangegangene ähnliche Bücher, durch zahlreiche Abhandlungen und Aufsätze über Biologie höherer Thiere bekannt und im besten Rufe, so schien trotzdem auf den ersten Blick hin der Wurf gewagt. Anders stand es mit der Ansicht der Kenner des heimathlichen Thierlebens, sowie Derer, welche nach einem Buche verlangten, welches über das Leben unserer deutschen Thiere in Wald und Feld, Heide und Wasser genauen und ausführlichen Aufschluß zu geben vermöchte. Berufenere Bearbeiter derselben könnte man wohl schwerlich finden, als die Specialisten auf diesem Gebiete, die Gebrüder Müller. Sie haben ein Werk geschaffen, auf welches der Deutsche mit nationalem Stolze blicken darf, sind doch aufs Innigste hier Schärfe der Beobachtung, Klarheit des Urtheils und künstlerisch-meisterhafte Zeichnung verknüpft. Der allgemeine Theil schildert die vorzüglichsten Lebenserscheinungen unserer Thierwelt mit seltener Beherrschung dieses schwierigsten aller Gebiete. Die Gebrüder Müller haben, das ist als ihre größte Errungenschaft zu erachten, die Thiere überall als solche (und nicht als philosophirende Menschen, wie es meist üblich, oder als Maschinen) zu schildern gewußt, daher kommt es auch, daß uns im speciellen Theile, welcher von den einzelnen Arten handelt, stets ihre auf eigener Beobachtung basirenden Schilderungen besser gefallen, als das glücklicherweise Wenige, was sie von anderer Seite zusammenzutragen sich genöthigt fanden. Vorurtheilsfrei und wahrheitsgetreu, oft bis zu poetischer Wärme emporgeschwungen, entrollt sich uns Bild auf Bild. Welcher Thierfreund möchte das Werk von sich weisen können, der z. B. die Abhandlungen über die Schnepfe, den Wasserschmätzer etc. gelesen? Und die Zeichnungen! Abgesehen von den Deiker’schen Bildern, wie „der Wildkater“ und andere mehr, deren Vorzüglichkeit meist schon von ähnlichen Arbeiten her bekannt ist, hat Adolf Müller in der idyllischen Auffassung schwer zu erlangender Naturvorlagen Herrliches geleistet. Es seien besonders erwähnt die unübertrefflichen Abbildungen: brütende Bastardnachtigall, kleine Haselmaus im Winternest, Wasserschmätzer, Turteltaube, Pirole im Kampfe.

Wir können allen Freunden heimischen Naturlebens das Werk nur aufs Wärmste empfehlen, dessen Schilderungen uns mit gespanntem, Schritt für Schritt gesteigertem Interesse einführen in die rauschenden heiligen Hallen unserer grünen Wälder, worin sich, sei es laut und freudvoll, sei es geheimnißvoll und nächtlicher Weile, ein reiches Thierleben abspielt. Die Sänger unserer lachenden Fluren, das Häslein im Korn – sie alle finden wir wieder, meisterhaft gezeichnet in dem wahren Wesen ihres Daseins. W. v. Reichenau.     


Fridolin im Volkslied. Wer kennt nicht das bekannte, aus dem Italienischen stammende Volkslied:

„Das Schiff streicht durch die Wellen. Fridolin!“

Die Meisten, welche das Lied singen, wissen gewiß nicht, was der Verehrer der Gräfin von Savern, der fromme Knecht Fridolin, in diesem Schifferlied zu suchen hat. Hin und wieder findet sich auch die richtige Lesart „Fidelin“, womit aber die deutschen Sänger jedenfalls noch weniger anzufangen wissen. Jetzt hat Woldemar Kaden in seiner Schrift: „Neue Welschlandsbilder und Historien“, welche, wie sich von diesem hervorragenden Kenner Italiens erwarten läßt, viel Interessantes bringt, die Erklärung des unverständlichen Refrains gegeben, eine etwas prosaische Erklärung, die uns aus Schiller’s „Eisenhammer“ direkt in die italienische Küche führt. „Fidelin“ ist nämlich eine Art von Makkaroni, und dies Lieblingsgericht der Italiener und natürlich auch der italienischen Schiffer schwebt ihnen als höchster Lebensgenuß so lebendig vor Augen, daß sie sich bei der Arbeit ermuntern durch einen Zuruf, welcher den freudigen Hinweis auf die ihnen nachher winkende Delikatesse enthält. So ist das Wort: „Fidelin“ auch der Refrain der Schifferlieder geworden, ein sehr materialistischer Refrain, der mit der frommen Idealgestalt der Schiller’schen Dichtung nicht das Geringste gemein hat. G.     

Zur Geschichte der Strümpfe. Vor etwa zweihundert Jahren besaß kaum eine Person unter tausend ein Paar Strümpfe, jetzt ist das Verhältniß umgekehrt, so daß unter tausend Personen kaum eine keine Strümpfe hat. Den Strumpfwirkerstuhl, eine der komplicirtesten Maschinen, erfand im Jahre 1589 der englische Geistliche William Lee in Cambridge und hatte die Ehre, vor König Jakob I. (1603–1625) einen Strumpf zu weben. Aber das Vorurtheil der damaligen Zeit spottete dieser Erfindung, und Lee begab sich nach Frankreich. Hier hatte er keinen bessern Erfolg und starb zu Paris in größter Dürftigkeit. Seine Maschine aber fand allmählich Beifall und war zwei und ein halbes Jahrhundert in Anwendung, bis sie in neuester Zeit durch den Cirkularstuhl ersetzt wurde. Ein einziges denselben bedienendes Mädchen kann in einem Tage das Material für 240 Paar Strümpfe herstellen. R.     



Allerlei Kurzweil.


Skataufgabe Nr. 1.
Von K. Buhle.

Nach den ersten vier Stichen:

konnte der Spieler seine Karten offen hinlegen, weil er alle übrigen Stiche bekommen mußte.

Welcher von den Dreien war der Spieler und welches Spiel spielte er? Was lag im Skat und wie waren die übrigen Karten vertheilt?


Inhalt: Die Lora-Nixe. Novelle von Stefanie Keyser. (Fortsetzung). S. 293 – Studienkopf. Illustration. S. 293. Bilder von der Ostseeküste. Danzig. Von Fritz Wernick. S. 296. Mit Illustrationen S. 296, 297 und 298. – Gewitter und Blitzgefahr. Von Dr. J. Klein. S. 299. – Was will das werden? Roman von Friedrich Spielhagen (Fortsetzung). S. 301. – „Guten Morgen, mein Liebchen!“ Illustration. S. 305. – Noch heute „das geheimnißvolle Grab“. Neue Studien und alte Erinnerungen von Friedrich Hofmann (Fortsetzung). S. 307. – Blätter und Blüthen: Der erste Skatkongreß in Altenburg. – Thiere der Heimath. Von W. v. Reichenau. – Fridolin im Volkslied. – Zur Geschichte der Strümpfe. – Allerlei Kurzweil: Skataufgabe Nr. 1. Von K. Buhle. S. 308.


Verantwortlicher Herausgeber Adolf Kröner in Stuttgart. Redakteur Dr. Fr. Hofmann, Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger, Druck von A. Wiede, sämmtlich in Leipzig.