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Die Wetterlochhöhlen auf dem Gipfel des Schafbergs

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Textdaten
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Autor: Robert Aßmus
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Titel: Die Wetterlochhöhlen auf dem Gipfel des Schafbergs
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 37, S. 625, 628
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1896
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originaltitel:
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[625]

In den Wetterlochhöhlen auf dem Gipfel des Schafbergs.
Nach einer Originalzeichnung von Rob. Aßmus.

[628] Die Wetterlochhöhlen auf dem Gipfel des Schafbergs. (Zu dem Bilde S. 625.) Hoch über dem blaugrünen Spiegel des St. Wolfgang-Sees, einer der herrlichsten Perlen des Salzkammerguts, erhebt sich der 1780 Meter hohe, imposante, weithin sichtbare Gebirgsstock des Schafbergs mit seiner jäh abfallenden Felswand. Den „österreichischen Rigi“ nennen ihn die Touristen, wegen der umfassenden Rundschau, welche sich oben darbietet. Rastloser Menschengeist baute eine kühne Zahnradbahn dort hinauf, bis in den Wolkensitz des Gipfels. Aber auch dem Innern des altehrwürdigen Berges wurden die Fortschritte der Technik zu teil. Der Unternehmungsgeist begabter Ingenieure erschloß die im Gipfel am südlichen Bergabhange befindlichen „Wetterlochhöhlen“, welche den Bewohnern der Umgegend schon seit vielen Jahren bekannt waren.

Es geht die Sage, daß vor alten Zeiten Leute bis aus Italien herüberkamen, um in diesen Höhlen Gold zu suchen. Im Jahr 1865 wurden dieselben von dem früheren Besitzer des Schafberghotels W. Grömmer und dem Hotelier Paul Peter in St. Wolfgang erforscht, die sich beide angeseilt in den dreißig Meter tiefen Schacht hinabließen. Das gleiche thaten die Ingenieure Stern und Hafferl in Begleitung des Oberingenieurs Himly aus Wien im Jahre 1894, um festzustellen, ob es möglich sei, die höchst interessanten Höhlen dem allgemeinen Besuch zugänglich zu machen. Es war eine schwierige Aufgabe, die aber schließlich von den Genannten mit großen Geldopfern durch einen seitlich in die Höhlen eingesprengten Stollen vorzüglich gelöst wurde.

Am Abhang des Schafberggipfels, kurz vor dessen Eisenbahntunnel, zieht sich der neuangelegte, mit kräftigem Geländer versehene, gefahrlose Weg, welcher eine Fülle landschaftlicher Schönheiten bietet, in rauher alpiner Wildnis und von einer großartigen Gebirgswelt umgeben, zwanzig Minuten entlang. Ein kleines Blockhaus empfängt uns, und der Höhlenwächter „Hansl“, ein hübscher, hochgewachsener Bauernbursche in der malerischen Landestracht, übernimmt die Führung.

Wir steigen den mäßig steilen, mit sehr guten Holzstufen und Geländer versehenen Stollen hinab in die Tiefe und sind in hohem Grade überrascht: elektrisches Licht beleuchtet die nackten Felswände! Je tiefer wir steigen, um so kälter wird die Temperatur, so daß ich mir die erklammten Finger warm reiben mußte, um beim Zeichnen den Bleistift halten zu können.

Endlich sind wir am Fuße des Schachtes. In blauen Tönen, welche an die blaue Grotte in Capri erinnern, schimmert der ernste, felsige Raum, der durch einen schmalen Streifen Tageslicht aus riesiger Höhe magisch beleuchtet wird. Nun überschreiten wir eine hölzerne Ueberbrückung, während der Schacht sich in eine weitere Tiefe von zwanzig Metern verliert, welche aber vollständig mit ewigem Schnee, der sich durch einfallende Lawinen ergänzt, bis zur Brücke gefüllt ist.

Weiter führen Treppen abwärts, die Felswände sind rechts und links von teils noch nicht erforschten, teils noch nicht gangbar gemachten Gängen und Stollen unterbrochen, bis man auf ebenem Wege wieder zu einer Brücke gelangt. Man überschreitet dieselbe, und wie im Sonnenglanze erstrahlt hier die trichterförmig sich ins Ungemessene erhebende sogenannte „Kugelgrotte“, welche unsere Abbildung darstellt und deren Felswände aus hervorragenden, teils überhängenden, phantastisch geformten Felsblöcken bestehen, die stellenweise mit rosenförmigem, weißem Kalksinter bedeckt sind. Eine große Bogenlampe beleuchtet diese wild romantische Grotte. Links über der Treppe wirft in eine portalartige Felsöffnung eine andere Bogenlampe ihr Licht hinein. Feierliche Stille umgiebt uns in dem imposanten unterirdischen Raume! Nur leise mit gleichmäßigen Pausen tropft unterirdisches Sickerwasser von oben herab, gleichmäßig tickend wie der Pendel einer großen Uhr.

Wir gehen weiter und kommen in die kleinere „Beingrotte,“ von den ersten Erforschern so genannt, weil hier eine Menge vorweltlicher Tierknochen vorgefunden wurde. Nun geht es aufwärts. Die Felswände bilden förmliche Spitzbogen, und wir betreten die große „Steingrotte“ mit mächtigem, domartigem Aufbau, zackigen, zerklüfteten Wänden, die sich in nicht mehr sichtbarer Höhe, in immer mehr sich verengendem Schlunde verliert. Ueberwältigend ist auch hier die Wirkung des elektrischen Lichtes zweier Bogenlampen. Seitwärts von der Grotte fällt der „Panznerschacht,“ auch „Teufelshöhle“ genannt, jäh ab. In ungemessener Entfernung blickt man beim grellen Lichte einer unten hängenden Bogenlampe in den schauerlich tiefen, endlosen Felsschlund hinab.

Neue Höhlen und Grotten mit Tropfsteinbildungen sind bereits inzwischen entdeckt. Die jetzt zugänglichen Höhlen, deren Richtung von Süd nach Nord läuft, sollen in nächster Zeit nach der vom Schafberg in senkrechter Richtung abfallenden 200 Meter hohen Nordwand weitergeführt werden. Die Wand wird dann durchbrochen und hier eine Balustrade errichtet, so daß die Besucher über sich die riesige, senkrecht emporragende Felswand haben werden und vor sich eine entzückende, lachende Aussicht über die üppigen, grünen Wiesen der Eismauer-Alpe, den Grünsee und tief unten den Mondsee und den Attersee.

Und fahren die Züge der Zahnradbahn jetzt schon alljährlich an die 50 000 lebensfrohe Menschenkinder hinauf zu der herrlichen Aussicht des Schafberggipfels und zu den schauerlichen Tiefen der Wetterlochhöhlen, so wird dann die Schar sich verdoppeln und Ruhm und Preis jener Wunderwelt hinaustragen in alle Lande! Robert Aßmus.