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Die neue städtische Sparkasse in Berlin

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Textdaten
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Titel: Die neue städtische Sparkasse in Berlin
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 40, S. 681, 688
Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1894
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[681]

In der neuen städtischen Sparkasse zu Berlin.
Nach dem Leben gezeichnet von A. Kiekebusch.

[688] Die neue städtische Sparkasse in Berlin. (Zu dem Bilde S. 681.) Seit dem Jahre 1892 erhebt sich in Berlin auf den Grundmauern der alten städtischen Wassermühlen an dem seither wesentlich erweiterten Mühlendamme ein stattlicher Neubau. Zwar etwas kasernenartig nüchtern, aber doch recht eindrucksvoll schaut er über die neue breite Spreebrücke hinweg, zu deren Verbreiterung die alten Häuserbaracken des Mühlendammes mit ihren berühmten Trödelgeschäften fallen mußten. Jenes Gebäude ist die neue städtische Sparkasse, eine der segensreichsten Schöpfungen der an gemeinnützigen Anstalten gewiß nicht armen Reichshauptstadt.

Von ihrer Volkstümlichkeit kann sich derjenige eine Vorstellung machen, der am Ersten eines Quartals, etwa am 1. Januar oder 1. April, die Sparkasse besucht. Dichtgefüllt sind die weiten Räume mit Männern und Frauen jeglichen Alters und jeglichen Standes, die meisten den kleinbürgerlichen Familien, Handwerkern, Subalternbeamten, Handlungsgehilfen angehörend. Sie sind gekommen, um einen Teil ihrer Spareinlagen zu erheben, da ja am Quartalsersten zu Hause größere Geldbeträge gebraucht werden. Oft ist an solchen Tagen der Andrang zu den Zahlstellen so groß, daß die Leute nur truppweise eingelassen werden können, so geräumig das neue Gebäude auch ist. Es giebt da bereits zehn Zahlstellen, binnen kurzem soll eine neue eingerichtet werden. Denn die Anzahl der ausgegebenen Sparkassenbücher hat die 600 000 bereits überschritten. Die Gesamtsumme der Spareinlagen erreicht die Höhe von 165 Millionen Mark! Und jeder Erste des Monats zeigt, daß auch dauernd gespart wird, nicht bloß von einem Monat zum andern oder von Vierteljahr zu Vierteljahr; denn ein wesentlicher Teil der eingezahlten Ersparnisse bleibt in der Regel unerhoben.

Die Sparkasse nimmt von ein und derselben Person Einlagen bis zum Gesamtbetrage von 1000 Mark an, und schon von einer Mark ab, und verzinst sie zu einem Zinsfuß, der gegenwärtig 3% beträgt. Ueber die gemachte Spareinlage erhält der Zahler ein Sparkassenbuch, das er vorlegt, wenn er Geld zurückhaben will. Aber er bekommt nur bis zu 100 Mark innerhalb des ersten Monats ohne vorherige Aufkündigung zurück. Bei Erhebung eines Betrages bis zu 500 Mark ist eine zweimonatige, über 500 Mark hinaus eine vierteljährige Kündigung erforderlich. Doch werden, wenn der Besitzer eines Sparkassenbuchs die Dringlichkeit einer größeren Abhebung darthut, auch ohne vorherige Kündigung größere Beträge sofort bei der Vorlage des Sparkassenbuchs ausgezahlt. Mit dieser entgegenkommenden Handhabung der Paragraphen über die Rückzahlungsbedingungen will man es vermeiden, daß der Sparkassenbuchbesitzer im Falle einer augenblicklichen Notlage sich gezwungen sieht, sein Buch vielleicht mit Verlust einem dritten zu verkaufen oder zu versetzen. Daß die ganze Einrichtung vorzüglich dem minder Bemittelten zugute kommen soll, geht aus der Bestimmung hervor, daß in demselben Monat auf ein Sparkassenbuch nur höchstens zusammen 300 Mark zur Einzahlung gelangen können, und daß die Kasse größere Summen als 1000 Mark nicht mehr verzinst, sondern nur noch zinslos in Verwahrung nimmt. Andererseits hat der Sparende nicht die geringsten Unkosten, nicht die mindesten Gebühren oder dgl. zu bezahlen. Einzig wenn er das Sparen aufgiebt, den ganzen ersparten Betrag erhebt und sein Buch abliefert, werden ihm – 10 Pfennig abgezogen. An etwas muß er doch merken, daß er nicht recht daran thut, die Tugend der Sparsamkeit nicht mehr länger üben zu wollen.

Die Einzahlungen können außer in dem Gebäude der Sparkasse selbst auch an einer der 75 über ganz Berlin verteilten Annahmestellen erfolgen. Zwei der Kasse gehörige Fuhrwerke holen die Gelder von dort zweimal in der Woche ab. So finden auf der Sparkasse am Mühlendamm fast nur die Auszahlungen statt. Das charakteristische Treiben, das sich dort täglich von 9 bis 2 Uhr entwickelt, ist auf unserem Bilde von dem Maler Kiekebusch anschaulich wiedergegeben.