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Ein Sturm in Ostindien

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Textdaten
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Autor: unbekannt
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Titel: Ein Sturm in Ostindien
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 40, S. 479
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1854
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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Bearbeitungsstand
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[479] Ein Sturm in Ostindien. Eine englisch-ostindische Zeitung (Calcutta Englishman) schildert einen Sturm, der am 10. April die Umgegend von Calcutta verwüstete, in seinen Wirkungen folgendermaßen. Da zwei Tage seit dem schrecklichen Ereignisse vergangen waren, fand ich es schon unmöglich, durch das Chaos von Ruinen weiter vorzudringen, da die schnelle Verwesung der umgekommenen Thiere und Menschen die Luft auf das Entsetzlichste verpestete. Ein Augenzeuge erzählte mir, daß während eines starken Südwestwindes sich eine kohlschwarze Wolke säulenartig und beinahe den Boden berührend genähert und mit beschleunigter Geschwindigkeit auf eine von entgegengesetzter Richtung, dem Wind entgegen eilende, ähnliche Wolke zugestürzt sei. Beide Wolken drehten sich nun mit furchtbarer Geschwindigkeit um einander, während die Hitze plötzlich zum Ersticken und Sengen zunahm und Alles, was sie in ihrem schwarzen Tanze berührten, in ihren Strudel hineinrissen: Häuser, Bäume, Menschen, Thiere, die durcheinander und gegeneinander geschleudert bald nach allen Seiten als Regen von Bäumen, Aesten, Häuserruinen, zerrissenen Gliedern von Thieren und Menschen und verstümmelten Leichen herabgeschleudert wurden. Auf beiden Seiten des Weges, welchen der elektrische Orcan zurückgelegt hatte, fand man außerdem ungeheuere Hagel- und Eiskrystalle bis zur Größe eines Mauersteins. Der Weg der Zerstörung war etwa 800 Yards breit, die Länge ist noch nicht bekannt, eben so wenig der Umfang der Verwüstungen, die nach dem, was ich sah, eben so entsetzlich als unberechnenbar sein müssen. In meiner nächsten Umgebung wurden allein sechzig todte und verunstaltete Menschenkörper gezählt, fünfzehn Personen hatte man unmittelbar nach dem Sturme zerrissen und mit zerbrochenen Gliedern in’s Hospital gebracht. Von den Bewohnern Calcutta’s wurden mindestens dreihundert Personen getödtet, Unzählige verwundet und noch mehr ihrer Häuser beraubt. Die Menge des in der Luft zerschmetterten Viehs ist nicht zu zählen. Furchtbare Massen durcheinander getriebener und hingeschleuderter Haufen von Wald und Häusern und Vieh und Menschen geben die Richtung an, in welcher der entsetzliche Sturm über das Land hin wüthete. Ueber den Haufen von Zerstörung und Leichen schweben und kreischen Adler und Geier, oder sie hacken in dieselben hinein, um Menschen, Ziegen, Pferde, Kühe, Jakals u. s. w. ihres verwesenden Fleisches zu entkleiden. Der entsetzlichste Anblick war mir bis zuletzt vorbehalten. Ein leichenfarbiges, zerlumptes Wesen mit verbundenem Kopfe und zerbrochenen Gliedern arbeitete sich kreischend aus Trümmern heraus und flehte mich um ein Stück Brot an. Er erzählte mir, daß er hier Tage und Nächte gegraben und gesucht, so gut es seine zerrütteten und geschundenen Glieder zuließen, um die Leichen von Vater, Mutter, Weib und Kindern, die hier in einem Hause friedlich bei einander gewohnt und plötzlich in die schwarze Wolke hineingerissen und zerschmettert worden seien, aufzufinden.“