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Gefahren im Umgang mit Petroleum und verwandten Stoffen

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Textdaten
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Autor: Friedrich Dornblüth
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Titel: Gefahren im Umgang mit Petroleum und verwandten Stoffen
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 47, S. 783–784
Herausgeber: Ernst Ziel
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1879
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[783]
Gefahren im Umgang mit Petroleum und verwandten Stoffen.
Von Dr. Fr. Dornblüth.


Die seit längerer Zeit über die Verschlechterung des amerikanischen Petroleums laut gewordenen Klagen, die sich zunächst hauptsächlich auf geringere Leuchtkraft und rascheres Wegbrennen in den Lampen bezogen, haben in vielfachen Unglücksfällen von denen einige der schlimmsten auch in den Tageszeitungen beschrieben worden sind, schreckliche Unterstützung gefunden. In der Regel handelte es sich um plötzliche Entzündungen und Explosionen beim Eingießen von Petroleum in eine noch brennende Lampe oder bei allzu nahem Leuchten mit einem Lichte; hin und wieder scheint auch das Petroleum einer umfallenden, einer umhergetragenen oder selbst einer stillstehenden brennenden Lampe sich entzündet zu haben. Von den letztaufgeführten Fällen sind mir keine sicher bekannt. Häufiger sind Explosionen beim Eingießen von Erdöl – gewöhnlich von Resten – aus der Flasche oder Blechkanne in Küchenherde und Oefen, was leichtsinniger Weise außerordentlich häufig, und zwar nicht blos von einfältigen Dienstboten, geschieht, um die vorhandene Gluth oder Kohlenreste rasch zu hellem Brennen zu bringen.

Das rohe Petroleum, wie es von der Natur geliefert wird, besteht bekanntlich aus einem Gemenge von Körpern, welche nicht in gleicher Weise die Wärme vertragen. Seine Destillation oder Reinigung besteht darin, daß das rohe Petroleum stufenweise höher erwärmt wird und die auf jeder Stufe entweichenden Dämpfe in einer abgekühlten Vorlage aufgefangen und wieder in flüssigen Zustand übergeführt werden; von den zuerst ausgeschiedenen Körpern wird das Ligroin bekanntlich als Leuchtstoff, der Petroleumäther unter Anderm zu Einreibungen bei allerlei schmerzhaften Krankheitszuständen, das Benzin als Fleckenwasser zur Auflösung von fettigen, harzigen und anderen Stoffen verwendet. Nach Entfernung dieser flüchtigeren Körper geht das [784] Petroleum in die Vorlage, während noch ein ölartiger Stoff, das Vulcanöl, zurückbleibt. Wenn nun das Petroleum nicht genügend von den flüchtigern Bestandtheilen befreit, also nicht genügend gereinigt worden ist, brennt es weniger hell und weiß, rußt leicht und entwickelt schon bei mäßiger Erwärmung, zuweilen sogar schon in der Zimmerwärme brennbare Dämpfe, die sich bei stärkerer Erwärmung, also namentlich auch, sobald sie mit glühenden Kohlen oder einer Flamme in Berührung kommen, plötzlich entzünden. Da sich dieselben hierbei stark und mit bedeutender Gewalt ausdehnen, zerstören sie explosionsartig die Behälter und wirken durch ihre große Hitzeentwickelung in weitem Umkreise verbrennend und entzündend.

Die außerordentliche Entzündbarkeit der Ligroindämpfe, welche man an den Ligroinlampen beobachten kann, hat schon zu vielen Unglücksfällen Veranlassung gegeben. Nicht minder gefährlich ist das Benzin. Bekanntlich werden Handschuhe, seidene Bänder u. a. m. in Benzin (auch Fleckenwasser genannt, obschon es kein Wasser enthält) gewaschen, weil dies alle Fett-, Schweißflecken etc. wegnimmt, ohne die Farben zu zerstören. Die Benzindämpfe verbreiten sich, wie der Geruch lehrt, mit großer Geschwindigkeit in der Luft und können sich an irgend einem in der Nähe befindlichen Lichte und selbst an glühenden Kohlen entzünden. Dies kommt sehr häufig vor, wenn Handschuhe bei Licht in Benzin gewaschen werden, wobei die Wäscherinnen, welche die Handschuhe dabei an den Händen haben, sich sehr bösartig verbrennen; ebenso wenn die gewaschenen Handschuhe oder andere auf diese Art gereinigte Stoffe über Kohlen getrocknet oder vermittelst des Kohleneisens geplättet werden sollen.

Gut gereinigtes Petroleum oder Erdöl entwickelt erst bei höherer Temperatur brennbare Dämpfe, und ein amerikanisches Gesetz schreibt vor, daß kein Petroleum in den Handel kommen soll, welches bei einer Temperatur unter 100° F. = 38° C. = 30,2° R. brennbare Dämpfe entwickelt. Trotz dieses Gesetzes kommen aber auch schlechtere Sorten nach Deutschland, und da das Petroleum obendrein nachträglich durch Zusatz billigerer, leichter siedender und entflammbarer Oele verfälscht werden kann, so kommen in Deutschland, wo ein Gesetz über einen bestimmten Entflammungspunkt des Petroleums bis jetzt nicht besteht, thatsächlich viele Petroleumsorten vor, welche den amerikanischen Anforderungen nicht entsprechen. Nach Meyer und Finckelnburg (Gesetz, betreffend den Verkehr mit Nahrungsmitteln etc.. Mit Erläuterungen. Berlin. Springer, 1880) ist neuerdings Petroleum untersucht worden, das schon bei 13°, 15°, 22° C. entzündliche Dämpfe entwickelte. Von achtzehn Petroleumsorten entsprach nur eine dem amerikanischen Gesetz.

Abgesehen von der geringeren Leuchtkraft, wodurch das schlechtere Petroleum den Augen nachtheilig wird, von dem Ruß und anderen der Luft sich beimengenden Stoffen, welche die Gesundheit beeinträchtigen, bedingen diese leicht flüchtigen und entflammbaren Beimengungen die Gefahr der Explosionen und Verbrennungen, welche nicht bestanden, so lange man es nur mit gut rectificirtem Petroleum zu thun hatte. Damals durfte man also mit dem Petroleum dreister umgehen als jetzt, und that es immer häufiger, je mehr man in Folge des täglichen Umgangs die im Anfang noch beobachtete Vorsicht allmählich außer Acht ließ.

So wurde täglich unzählige Male aus Flaschen und Kannen Erdöl auf die im Herd oder Ofen glimmenden Kohlen gegossen, ohne daß man danach etwas Anderes gesehen hätte, als ein rascheres und lebhafteres Anbrennen der Feuerung. In neuerer Zeit aber kommt es öfters vor, daß hierbei mit plötzlichem Aufflammen das Gefäß fortgeschleudert und zersprengt wird, wobei es dann Verletzungen und Verbrennungen giebt.

Obwohl es ferner auch früher an vielen Orten ausdrücklich geboten war, Petroleum nur bei Tageslicht vom Faß zu holen, und es in jedem geordneten Hausstande für selbstverständlich galt, daß die Erdöllampen nur bei Tage gefüllt wurden, so ist doch gegen beide Gebote, namentlich gegen das letztere, so unzählige Male ohne Schaden gesündigt worden, daß das Petroleum schließlich kaum noch als feuergefährlicher Körper angesehen wurde. Jetzt aber liest man oft genug von einem schrecklichen Unglück durch Auffüllen einer Petroleumlampe oder eines Petroleumkochers, und ein solches ist selbst bei gelöschten Apparaten möglich; es genügt, daß nur ein Licht in der Nähe brennt. Die Kocher sind in dieser Beziehung viel gefährlicher, als die Lampen, weil bei letzteren der Oelbehälter nicht so bedeutend erwärmt wird, wie der ganz metallene Kocher, und weil auch oft im Kocher schlechtere Erdölsorten verbraucht werden, die wegen ihrer geringen Leuchtkraft und rußenden Flamme für Lampen nicht taugen.

Die in Folge der Wärme entwickelten, entzündlichen Gase entweichen aus den offenen Oelbehältern, sobald dieselbe neu gefüllt worden sind, entzünden sich blitzartig schnell in ihrer ganzen Masse, zersprengen gewöhnlich die Gefäße, schleudern das Erdöl nach allen Richtungen umher und entflammen vermöge ihrer großen Hitze alle brennbaren Stoffe, die dann wegen ihrer Tränkung mit Erdöl fast unlöschbar und mit außerordentlicher Hitze brennen, sodaß es dabei in der Regel die schlimmsten Verletzungen giebt. Denn selbst wenn es wegen raschen Ausbrennens gar nicht oder nur an einzelnen Körperstellen zu tieferen Brandwunden kommt, kann die hochgradige Hitze, ähnlich wie Verbrühungen durch heißen Wasserdampf von Dampfkesseln, große Flächen der Haut mit dem in ihnen enthaltenen Blute derartig zerstören, daß das Leben dabei nicht erhalten werden kann. Das Alles geht aber so blitzschnell, daß selbst das rascheste Löschen durch festes Einhüllen in Decken u. dergl. m. zu spät kommt, um das Unglück zu verhüten oder auch nur wesentlich zu vermindern.

So dringend wünschenswerth es nun ist, daß auch in Deutschland der Verkauf von minderwerthigem Erdöl bei hoher Strafe verboten und zum Zwecke der Durchführung der gesetzlichen Bestimmungen ein niedrigster Entflammungspunkt vorgeschrieben werde, so ist doch unreines, leicht brennbare Stoffe enthaltendes Petroleum jetzt so verbreitet, daß noch außerordentlich viel Unglück geschehen kann, ehe der gesetzliche Schutz eine durchgreifende Wirkung auszuüben vermag. Da andrerseits nicht jeder Privatmann sich einen Apparat zur Untersuchung von Petroleum anschaffen, noch die Untersuchung selbst anstellen kann, so wäre es gut, wenn in jeder Stadt durch Anschaffung geeigneter Apparate und Bestellung vereidigter Sachverständiger Gelegenheit zur Untersuchung von Petroleum geboten würde.

So lange man aber noch, wie es jetzt der Fall ist, der Gefahr ausgesetzt bleibt, feuergefährliches und leicht entzündliches Petroleum unwissentlich zu kaufen und in Gebrauch zu nehmen, gebietet die Vorsicht, jedes Petroleum so zu behandeln, als ob es höchst feuergefährlich sei. Man darf es also nur an Orten aufbewahren, an welchen es vor Entzündung nach Möglichkeit gesichert ist; man darf ferner Lampen und Kocher unter keiner Bedingung bei Licht füllen, noch Kinder oder andere nicht durchaus zuverlässige Personen mit Petroleum selbst, mit den Lampen und Kochern hantieren lassen. Vorsicht ist auch beim Umhertragen dieser Apparate zu beobachten; für Kinderstuben und andere Gelegenheiten, wo die Gefahr des Umstürzens nahe liegt, sollten ausschließlich Hängelampen gebraucht werden.

Schutzvorrichtungen, die z. B. die Flamme auslöschen, sobald eine Lampe in’s Umfallen kommt, vermag ich keinen großen Werth beizulegen: einmal ist dies, wie die Erfahrung zeigt, bei weitem die seltenste Ursache von Unglücksfällen, die bei Kochern kaum vorkommen kann; zweitens erlischt die Flamme von selbst, wenn das Erdöl gut ist, oder bedingt wenigstens keine Gefahr, während brennbare Dämpfe dadurch nicht verhindert werden, sich an einer andern Flamme zu entzünden. Dagegen wird die Industrie es sich angelegen sein lassen müssen, sowohl die Beleuchtungslampen wie die Kochapparate so einzurichten, daß die Erwärmung der Petroleumbehälter und ihres Inhalts möglichst vermieden wird, wozu angemessene Höhe der Brenner und Dochthülsen, sowie Durchbohrung der Behälter zwecks Durchleitung eines abkühlenden Luftstroms zur Speisung der Flamme nach Art der von Wollenberg erfundenen, in der „Leipziger Illustrirten Zeitung“ Nr. 1804, 26. Januar 1878 beschriebenen Petroleumbrenner am besten beitragen.

Es versteht sich von selbst, daß die höchst feuergefährlichen und leicht entflammbaren Dünste entwickelnden Destillationsproducte des rohen Erdöls, also namentlich Benzin oder Fleckwasser, Ligroin, Petroleumäther etc. mit noch größerer Vorsicht aufbewahrt und behandelt werden müssen, als das Petroleum selbst. Sie sollten auch niemals anders als mit einer gedruckten, jeder Flasche aufzuklebenden Warnung vor ihrer leichten Entflammbarkeit und der großen Feuergefährlichkeit ihrer Dämpfe verkauft werden.