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Im Mai

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
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Autor: Heinrich Heine
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Titel: Im Mai
Untertitel:
aus: Vermischte Schriften.
Erster Band
.
S. 127–128
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Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1854
Verlag: Hoffmann und Campe
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Erscheinungsort: Hamburg
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Quelle: Heinrich-Heine-Portal und Scans auf Commons
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[127]
II.
Im Mai.


     Die Freunde, die ich geküßt und geliebt,
Die haben das Schlimmste an mir verübt.
Mein Herze bricht; doch droben die Sonne,
Lachend begrüßt sie den Monat der Wonne.

5
     Es blüht der Lenz. Im grünen Wald

Der lustige Vogelgesang erschallt,
Und Mädchen und Blumen, sie lächeln jungfräulich –
O schöne Welt, du bist abscheulich!

     Da lob’ ich mir den Orcus fast;

10
Dort kränkt uns nirgends ein schnöder Contrast;

Für leidende Herzen ist es viel besser
Dort unten am stygischen Nachtgewässer.

[128]

     Sein melancholisches Geräusch,
Der Stymphaliden ödes Gekreisch,

15
Der Furien Singsang, so schrill und grell,

Dazwischen des Cerberus’ Gebell –

     Das paßt verdrießlich zu Unglück und Qual –
Im Schattenreich, dem traurigen Thal,
In Proserpinens verdammten Domainen,

20
Ist alles im Einklang mit unseren Thränen.


     Hier oben aber, wie grausamlich
Sonne und Rosen stechen sie mich!
Mich höhnt der Himmel, der bläulich und mailich –
O schöne Welt, du bist abscheulich!