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John Charles Fremont

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Autor: unbekannt
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Titel: John Charles Fremont
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 35, S. 472–475
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
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Erscheinungsdatum: 1856
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung: Fremont, Präsidentschaftskandidat 1856 in USA
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[528]

John Fremont.

Indem wir heute das in Nr. 35 versprochene authentische Portrait Fremont’s liefern (nach einem newyorker Original gefertigt), verweisen wir bezüglich des Abconterfeiten auf den ausführlichen Artikel der bezeichneten Nummer.


[472]
John Charles Fremont.[1]
„Nominirter“ Präsident der Freimänner in den vereinigten Staaten.

In Nordamerika ist jetzt eine interessante Zeit. In allen Städten und Flecken, in allen Landgemeinden und in jedem Farmhause herrscht das regste politische Leben. Ueberall werden die großen Streitfragen des Landes discutirt und wird für die verschiedenen Parteien geworben; die Zeitungen liegen gegen einander zu Felde und in den Centralorten werden Volksversammlungen abgehalten, denn es gilt, sich für die große Schlacht zu rüsten, die im Herbst bei der Präsidentenwahl geschlagen werden soll und deren Ausfall bedeutungsvoller für die Zukunft Amerikas ist, als je.

Hie Buchanan, hie Fremont, hie Fillmore!“ schallt es durch das ganze Land, und jede der dadurch bezeichneten Parteien glaubt den Sieg davon tragen zu können. Die Einstimmigkeit, welche bei der vorläufigen Ernennung dieser drei Kandidaten geherrscht hat, zeigt bereits, wie concentrirt ihr Interesse ist, und wie scharf sie auf ihr Ziel hindrängen.

Wie sollte es aber auch anders sein? Ist doch die Geschichte in der jüngsten Zeit schon thätig gewesen, und hat Jedem, der sehen will, die Augen geöffnet über die Krisis, welcher Amerika entgegengeht, wenn es sich nicht dazu aufrafft, sie kräftig zu bestehen!

Der Bürgerkrieg in Kansas und die revolutionäre Nothwehr, zu welcher das Volk in Californien gezwungen wurde, hat allen ehrlichen Leuten, denen es um das zukünftige Wohl Amerika’s zu thun ist, gezeigt, daß sie die Hände nicht länger in den Schooß legen, sondern dazu helfen müssen, den ihnen drohenden Zustand abzuwehren. Die Demokratie des Südens hat den Gipfel ihrer Macht und ihres Uebermuths erreicht, und wenn es ihr jetzt gelingt, durch Kansas die Zahl der Sclavenstaaten zu vermehren, so ist der Norden in Gefahr, vollends unterjocht zu werden, und die Errungenschaften seiner Entwickelung in Frage gestellt zu sehen.

Es zeigt sich jetzt, wie unrecht der Norden daran gethan hat, dem Süden nachzugeben und sich zu enthalten, die Sclaverei als Prinzip anzugreifen. Der Süden hat ihm das Sclavenfanggesetz aufgedrängt, welches jeden freien Staat zum Schauplatz der nichtswürdigsten Sclavenhetzerei macht, welche die Humanität tödtet und die Bewohner Amerika’s zu der niedrigsten Stufe wilder Völkerstämme herabwürdigt. Die daraus erwachsene Rohheit greift jetzt auf das brutalste nach der Herrschaft, so daß sie sich selbst nicht schämt, im Senat von Washington mit Stockprügeln zu agiren, und unbewehrte Greise zu überfallen, weil sie gegen die Sclaverei gesprochen haben.

Dieselbe Rohheit streckt ihre Hand zur Eroberung des ganzen amerikanischen Kontinents aus, und will es dabei selbst auf einen Krieg mit Europa ankommen lassen, während sie im Innern die fremden Einwanderer von allen Staatsämtern auszuschließen und ihnen für die Duldung amerikanische Sitten und amerikanische Glaubensheuchelei aufzuzwingen trachtet.

Alles dies gehört zum Wesen der amerikanischen Demokratie. Mit der vollständigen Entfaltung desselben hat aber auch dessen Verleben begonnen. Dem Norden muß jetzt der Beruf zu Theil werden, den Süden zu überwinden. Selbst wenn es ihm auch jetzt noch nicht gelänge, den Sieg bei der Präsidentenwahl zu erringen, muß er ihm zu Theil werden, wenn er in seiner feindlichen Stellung beharrt und dasselbe Mittel der Drohung, die Union aufzulösen, anwendet, durch das bisher der Süden seine Zwecke durchsetzte.

Der Süden hat den großen Vortheil, einig zu sein, während der Norden gespalten ist. Selbst jetzt ist er es noch. Ein Theil desselben geht mit den Demokraten und obwohl die Whigs längst die Aussicht verloren haben, eine herrschende Partei zu bilden, klammern sie sich noch einmal an Fillmore an, der in ruhigeren Zeiten auf den Präsidentenstuhl gelangte, und suchen ihn mit Hülfe des Restes der als eigene Partei völlig zerstobenen Know-nothings (der exclusiven Amerikaner, die von nichts etwas wissen wollen, als von sich und ihren Rechten) emporzuheben. Daß sie nicht siegen können, steht bereits fest, denn alle energievollen Männer des Nordens haben sich der Partei zugewandt, die entschlossen sind, Amerika endlich zu einem wirklich republikanischen Lande zu machen, und ihm deshalb vor Allem die Grundfreiheit zu erkämpfen, deren es bedarf, um in sich frei zu werden.

Die Republikaner Nordamerikas sind die Vertreter der Neuzeit, und ihnen muß deshalb auch die Zukunft gehören. Die Demokraten des Südens haben ihre Staaten verwildern und entarten lassen, so daß Amerika in sich zu Grunde gehen müßte, wie einst Griechenland und das römische Reich an der Sclaverei [473] zu Grunde gingen, wenn nicht zugleich eine andere, bessere Kraft auf dem amerikanischen Boden erwachsen wäre. Sie tritt erst jetzt wahrhaft auf den Schauplatz, und zum ersten Mal wird die Präsidentenwahl zu einer Entscheidungsschlacht über das Sklavereiprinzip werden.

Ein nicht geringes Gewicht hat dabei die deutsche Emigration in die Wagschale gelegt. Der gesammte jüngere Theil derselben, alle Männer von 1848 stehen auf Seiten der Republikaner und die Festigkeit, mit der sie für dieselben auftreten, und zwar nicht nur im Norden, sondern auch im Süden, hat den größten Eindruck hervorgebracht. Die 60,000 Turner in der Union, welche unter einander in Verbindung stehen, sind allein im Stande, wenn es darauf ankäme, ein Heer zu liefern, vor dem der Süden bald erbangen würde, falls seine Herrschsucht es bis zum Bürgerkriege kommen ließe.

So energievoll die Republikaner sich als Partei hingestellt haben, so charakteristisch sind sie auch in der Wahl ihres Präsidentschaftskandidaten zu Werke gegangen.

Sie haben einen Mann gewählt, der es verdient, der Held der Zukunft zu werden, weil er eben so viel Geist als Charakterkraft besitzt und bewiesen hat, daß er die letztere anzuwenden versteht.

Der 43jährige John Charles Fremont ist vielleicht der jüngste Kandidat, der für die Präsidentschaft aufgestellt worden ist, aber nichts desto weniger einer der Würdigsten, welche dazu erkoren wurden. Der „Pfadfinder“ Fremont, der Mann, dem Amerika den Besitz von Californien verdankt, ist der trefflichste Kandidat, den sie dem alten, schlauen, mit allen Listen vertrauten Diplomaten Buchanan gegenüberstellen konnten, und schon in diesem Gegensatze drückt sich eine historische Kraft aus.

Es liegt etwas Schicksalsvolles in Fremont’s bisheriger Wirksamkeit, und so erscheint auch das plötzliche Aufstellen seiner Kandidatur, die darum wieder nur um so magischer gewirkt hat. Er ist ein Mann, den das Glück emporgetragen hat, wie nicht bald einen Sterblichen, und doch ist es ihm auch nur wieder zum Theil geworden, weil er es zu benutzen wußte, und größer noch als das Verdienst, das er sich dabei erwarb, erscheint das ruhige, kühle Ablehnen dargebotener Herrschaft nach der Erreichung des ersten Zieles, dem Volk einen Dienst zu leisten. Und nichts desto weniger oder vielmehr gerade deshalb trägt ihn die Geschichte wieder empor, und er weigert sich nicht, ihr zu gehorchen.

Dies ist eine der interessantesten Erscheinungen der neuern Zeit, und wir können uns nicht enthalten, unsere Leser darauf hinzuweisen, indem wir ihnen ein Bild von Fremont’s bisheriger Wirksamkeit, so weit diese bisher durch amerikanische Zeitungen bekannt geworden ist, entwerfen.

Fremont ist der Sohn eines französischen Emigranten, den die Revolutionsstürme aus seiner Heimath trieben, und der nach vielfachem Umherirren eine Heimath in Virginien fand, wo er das Herz einer jungen schönen Waise mit einigem Vermögen errang. John Charles wurde im Jahre 1813 als erster Sohn dieser Ehe geboren. Wenige Jahre darauf starb der Vater und die Wittwe zog nach Charleston, um ihre Kinder dort besser erziehen zu können. John Charles wurde früh in ein Advokaturgeschäft gegeben; die Fähigkeiten, welche der Knabe dort zeigte, veranlaßte seine Verwandten jedoch, ihn zum Studiren auf das Charleston-College zu schicken.

Dort widmete er sich vorzüglich dem Studium der Mathematik; in seinem sechzehnten Jahre hätte aber beinahe die Liebe seinem Studium ein Ende gemacht. Ein schönes, junges, westindisches Mädchen mit „Rabenhaar und sanften, schwarzen Augen“ that es ihm an, und er vergaß über ihren Reizen nicht nur das Studiren, sondern verlor auch die Lust, die Vorlesungen zu besuchen, und als die Professoren ihn darüber zur Rede stellten – und er so kühn war, sein Recht, verliebt zu sein, zu behaupten, kam es zur Relegation.

Das war freilich ein böses Ereigniß für Fremont; ein amerikanischer Jüngling von sechzehn Jahren läßt sich indessen so bald nicht beugen. Er verließ das College und setzte sich als Lehrer der Mathematik in Charleston fest. Diese Thätigkeit sowie der Tod seiner Schwester und seines Bruders führten ihn wieder ernsteren Lebensanschauungen zu, er entsagte seiner jungen Liebe.

Nach einigen Jahren erhielt er eine Stelle als Lehrer der Mathematik auf der Kriegsschaluppe „Natchez“, mit der er eine zweieinhalbjährige Kreuzfahrt auf den amerikanischen Gewässern machte. Diese Reise weckte seinen Forschungsdrang und er beschloß, denselben auf das Festland zu übertragen. Nachdem er ein Jahr lang als Ingenieur für die Eisenbahn von Charleston nach Cincinnati eine noch unbetretene Gebirgsstrecke vermessen hatte, schloß er sich dem französischen Ingenieur Nicollet an, welcher das Gebiet zwischen dem Missouri und der britischen Nordwestgrenze zu durchforschen hatte. Nach der Rückkehr von dieser Reise wurde er zum Seconde-Lieutenant in dem topographischen Korps ernannt.

Während er mit Nicollet in Washington die Reiseergebnisse ausarbeitete, wurde er mit der Familie des Senators Benton bekannt, und dessen zweite Tochter, Jessie, fesselte sein Herz. Sie erwiederte seine Liebe und er warb um sie. Die Eltern wollten aber nichts von dem armen Lieutenant wissen, und er erhielt gleich darauf einen Regierungsauftrag zur Durchforschung des Moisnes-Flusses. Er führte ihn aus, kehrte aber nach Washington zurück, und erneuerte seine Werbung um Jessie Benton so ernst, daß die Eltern endlich nachgaben. Die Verbindung mit dem berühmten Staatsmanne förderte natürlich seine Laufbahn. Nachdem er dem Kabinet einen Plan zur Verbindung des Mississippi mit dem stillen Ocean vorgelegt, erhielt er den Auftrag, die westlichen Grenzgebiete nebst den „Felsengebirgen“ zu bereisen, und ging im Mai 1842 von Washington dahin ab. Seine Reisegesellschaft bestand aus 21 Mann, meistentheils canadischen Pelzjägern, die mit dem Prairieleben vertraut waren, und einem Deutschen, Preuß, als Assistenz-Ingenieur.

Die Feindseligkeit der Indianer gegen die Weißen legte ihm häufig Schwierigkeiten in den Weg; die Festigkeit, mit der er den Wilden entgegentrat, schüchterte sie jedoch so ein, daß sie ihn ungehindert ziehen ließen. Es gelang ihm, den Südpaß nach den mexikanischen Gebirgen aufzufinden, und den höchsten Gipfel der Felsengebirge, 13,570 Fuß über dem Golf von Mexico, zu ersteigen.

Der Bericht, den er nach seiner Rückkehr in Washington abstattete, enthielt so viel Neues, und eröffnete eine so günstige Aussicht auf den Erwerb der Westküste, daß die Regierung sofort beschloß, Fremont zu einer zweiten Expedition auszusenden.

Als er im Jahre 1843 von Kansas auszog, wußte man noch so viel wie Nichts von Californien. Die darüber vorhandenen Karten enthielten z. B. einen Fluß, der sich in die Bai von San Francisco ergießen sollte, und den sie Bona-Ventura nannten, der aber gar nicht existirt. Fremont war der erste wissenschaftliche Reisende, der diese Gebiete betrat.

Am Salzsee, wo jetzt die Mormonen leben, war damals eine Wüste, die Sierra Nevada, in der jetzt zahlreiche Amerikaner angesiedelt sind, eine große Schneeeinsamkeit und die schönen Thäler von Sacramento und San Joaquin, welche jetzt lachende Gefilde amerikanischer Kultur sind, waren damals nur von wilden Pferden, Hirschen und Eulen bewohnt. Fremont durchforschte den großen Thalkessel und die „drei Parks“ und bestimmte den Lauf der drei großen im Centrum der Felsengebirge entspringenden Flüsse, die nach Osten und Westen fließen.

Nach der Rückkehr von dieser Reise wurde Fremont zum Kapitain ernannt, und ihm gleichzeitig der Auftrag zu einer dritten Expedition ertheilt, deren Zweck die Durchforschung des großen Thalkessels und der Uferländer sein sollte. Je nähere Nachrichten Fremont über das Land gebracht hatte, desto begieriger wurde man auch in Washington nach dem Besitz desselben.

Fremont zog im Jahre 1844 zum dritten Male aus. Nach Untersuchung der Stromquellen eilte Fremont durch die Wüste, um die Sierra Nevada vor Hereinbrechen des Winterschnees zu erreichen. Damit waren schwere Entbehrungen verbunden. Tage lang fanden die Reisenden kein Wasser, und waren daher oft der Gefahr des Verschmachtens ausgesetzt. Dazu gesellten sich die Gefahren, welche die feindlichen Indianer brachten. Mehr als einmal mußte Fremont ihnen eine Schlacht liefern, und mehrere seiner Gefährten kamen dabei um’s Leben. Er selbst trotzte jedoch allen Gefahren, und schoß selbst einmal einen Indianer nieder, der einem seiner Freunde den tödtlichen Pfeil in’s Herz senden wollte.

In den Schneemassen der Sierra Nevada ging der Expedition ferner sämmtliches Rindfleisch verloren, und als Fremont nach Monterey am stillen Ocean eilte, um sich mit den mexikanischen Behörden in Einvernehmen zu setzen, kamen ihm Dragoner [474] des Gouverneurs der Provinz, General Castro, entgegen, welche ihm dessen Befehl brachten, augenblicklich das Land zu verlassen.

Fremont war in schlimmer Lage. Seine Expedition bedurfte der Stärkung, wenn sie nicht zu Grunde gehen sollte, und dazu gesellte sich noch die Beleidigung, welche der mexicanische General der amerikanischen Nation zufügte, während Fremont die Kraft fehlte, sie abzuwehren. Dennoch beschloß er, auch dieser Gefahr zu trotzen. Er erklärte, daß der Zustand seiner Expedition es ihm unmöglich mache, dem Befehle zu gehorchen, und bezog ein Lager auf einer Höhe bei Monterey, das er befestigen ließ.

Der General Castro rückte mit Truppen und Kanonen dagegen an und drohte, die Amerikaner zu vernichten, wagte aber nicht, anzugreifen. Fremont blieb ruhig stehen, bis eine Botschaft des amerikanischen Konsuls aus Monterey ihn veranlaßte, fortzuziehen, woran man ihn nicht hinderte.

Er wandte sich Oregon zu, und hatte bald darauf die Freude, zwei seiner frühern Reisegefährten zu treffen, welche ihm eine Verstärkung von neun Mann zuführten. Die Depesche der Regierung, welche sie ihm überbrachten, bestand nur aus einem Empfehlungsschreiben des Staatssekretairs Buchanan, dem der mündliche Auftrag hinzugefügt war, Alles zu thun, was die Bewohner des Landes für die vereinigten Staaten gewinnen könne.

„Das ist verdammt allgemein,“ sagte Fremont, als er diese Botschaft vernahm, „doch wir wollen sehen, was sich thun läßt.“

Im Mai 1846 kam er nach dem Sacramento Thale und fand das Land in der größten Aufregung. General Castro war, auf dem Marsche gegen die Ansiedler, und die Indianer warteten nur auf die trockne Jahreszeit, um sie anzugreifen und ihre Farmen niederzubrennen. Juntas waren versammelt, um das Land unter britischen Schutz zu stellen und hatten bereits große Länderstrecken an Engländer verschenkt, eine britische Flotte wurde an der Küste erwartet und der britische Vicekonsul Forbes hatte die Zügel der Herrschaft in der Hand. Der Krieg zwischen den vereinigten Staaten und Mexico war ausgebrochen; davon wußte Fremont indessen noch nichts, und er war ganz auf seine eigne Faust angewiesen, als er zu handeln begann. Die Lage war so kritisch, daß rasches Handeln nöthig war, und deshalb beschloß Fremont sofort, sich an die Spitze der Bewegung zu stellen und das Laud für unabhängig zu erklären, um es vor den Mexicanern zu retten. Die amerikanischen Ansiedler eilten von allen Seiten in Fremont’s Lager mit Waffen, Pferden und Munition, wurden in Bataillone formirt und unter dem Banner des Eisbären – als Symbols des hartnäckigsten Widerstandes – führte sie Fremont gegen Castro. Dieser wich, wurde geschlagen und in dreißig Tagen war Nordcalifornien frei.

Castro floh dem Süden zu, Fremont erklärte das Land für unabhängig.

Während dieser Zeit hatte der Kommodore Sloat auf die Kunde von Fremont’s Auftreten in Californien mit einem Geschwader der amerikanischen Flotte so geschickt manövrirt, daß er den englischen Admiral Seymour über seinen Cours täuschte und plötzlich vor Monterey erschien. Sobald Fremont dies hörte, ließ er die Stadt besetzen. Wie erstaunte der Kommodore aber, als er hörte, daß Fremont auf eigne Hand handle. Da wurde ihm die Sache zu gefährlich, und er beschloß erst nach Washington zu reisen, um sich Befehle einzuholen.

Das Geschwader ließ er jedoch da und übertrug den Befehl über dasselbe dem Kommodore Strekton.

Noch mehr als Sloat gestaunt hatte, erstaunte der englische Admiral Seymour, als er die amerikanische Flotte in Monterey fand. Die Engländer hatten die Westküste immer halb und halb als ihr Eigenthum angesehen, weil Drake sie betreten und Neualbion getauft hatte, und der Krieg zwischen Mexico und der Union schien ihnen die passende Gelegenheit, sich auch faktisch in den Besitz des Landes zu setzen – da sahen sie mit Schrecken, daß die Amerikaner ihnen schon zuvorgekommen waren.

Fremont verlor auch jetzt keinen Augenblick. Er ließ das Sternenbanner aufziehen, Californien gehörte von da ab der Union und die Engländer wagten keinen Angriff, da ein solcher sie in einen Krieg mit den vereinigten Staaten verwickelt hätte.

Fremont ist daher der wahre Eroberer Californiens und er ist sicherlich einer der kühnsten, den die Geschichte aufzuweisen hat. Nach Vollendung dieser Aufgabe zeigte er aber auch sogleich, daß es ihm nicht um das Herrschen zu thun ist und daß er etwas Höheres kennt, als dieses.

Die Regierung von Washington sandte ihm die Ernennung zum Oberstlieutenant und er führte als natürlicher Gouverneur des Landes den Kampf desselben mit den Mexicanern fort, neben ihm war aber auch Strekton Gouverneur und mit dem General Kearney, welcher mit dem Auftrag, Californien zu erobern, aus Mexico einrückte, erschien ein Dritter. Beide ertheilten ihm Befehle, und da diese häufig widersprechend waren, mußte Fremont sich weigern, ihnen zu gehorchen, bis entschieden sei, wem der Oberbefehl gebühre.

Kearney war damit jedoch so wenig zufrieden, daß er Fremont verhaften und vor ein Kriegsgericht stellen ließ. Fremont entwickelte diesem seine triftigen Gründe, ein Kriegsgericht urtheilt jedoch immer im Sinne dessen, der es beruft, und so hatte auch Fremont das Vergnügen, von ihm als Rebell verurtheilt zu werden. Es war jedoch zugleich so gütig, ihn mit Rücksicht auf seinen Patriotismns der Gnade des Präsidenten Polk zu empfehlen.

Diese wurde ihm natürlich auch zu Theil. Polk gab ihm seinen Degen zurück, bestätigte ihn in Rang und Amt und erklärte, daß er, obwohl das Urtheil des Kriegsgerichtes formell begründet sei, eher Anspruch auf Belohnung, als auf Strafe habe.

Polk bot ihm demgemäß die Gouverneurstelle an, Fremont lehnte sie jedoch ab und zog es vor, als Privatmann in Californien zu bleiben.

Erst nach einigen Jahren ließ er sich bewegen, als Vertreter des Staates Californien in den Senat der Union einzutreten. –

Die Zeit, welche er in Californien zubrachte, benutzte er so gut, wie es nur geschehen konnte. Er kaufte dort so viel Land an, daß er dadurch einer der reichsten Leute Amerika’s wurde, und schrieb zugleich ein treffliches Buch über seine Expedition, das ihm die Bewunderung und Hochachtung der gesammten wissenschaftlichen Welt eintrug und dem namentlich Alex. von Humboldt Beifall schenkte. Es ist eben so reich an neuen Beobachtungen und Naturschilderungen, als fesselnd durch die Ausführung, so daß es sich fast wie ein Roman liest, und wesentlich dazu beigetragen hat, das Interesse für Californien zu wecken und zu erhöhen.

In politischer Beziehung galt Fremont bis dahin für einen Anhänger seines Schwiegervaters Benton, der ein Demokrat im Sinne des Missouri-Compromisses, d. h. ein solcher ist, welcher die Sklaverei auf das Gebiet des Südens beschränkt wissen will und der das Sklavenfanggesetz und die Nebraska-Bill verwirft.

Trotz der Verwandtschaft mit Benton hat Fremont aber auch keinen Anstand genommen, sich von diesem zu trennen und auf die Seite der Republikaner zu treten, als es sich darum handelte, einen entscheidenden Schritt zum Wohle des Landes zu thun.

Er sieht ein, daß es von nun an einer Bekämpfung der Sklaverei als Prinzip bedarf.

Die Republikaner sind natürlich auch die Gegner des Knownothing-Treibens, und wollen die volle Freiheit der Einwanderung aufrecht erhalten. Drittens verwerfen sie die Annexationsgelüste der Demokratie, weil diese zu leicht in einen Krieg mit Europa verwickeln würden. Fremont hat diese Grundsätze gleichfalls angenommen. So kühn er für den Erwerb Californiens handelte, als dieses durch die Kraft des amerikanischen Volkes erworben werden durfte, so entschieden verwarf er alle ungerechten Eroberungskriege.

In Bezug auf die Sklavenfrage hat er das Jedem einleuchtende Prinzip hingestellt, daß das Recht der freien Arbeit verlangt, daß ihr kein neu erworbenes Gebiet der Union entzogen werden darf. Es hieße ihr die natürliche Frucht ihres Fleißes nehmen, wenn man sie zwinge, in Koncurrenz mit Sklavenarbeit zu treten und sich dadurch selbst zur Sklaverei zu erniedrigen.

Wenn das Glück Fremont auch jetzt begünstigte und ihn auf den Präsidentenstuhl höbe, so wäre dies für die Zukunft Amerikas von unnennbarer Wichtigkeit.

Kansas würde für das Freistaatsprinzip gerettet und es wäre eine Gesetzgebung in Bezug auf die Sklaverei zu erwarten, welcher den Norden völlig vor ihr sicher stellen und damit dem Süden auch die Aussicht nehmen würde, sein Prinzip jemals wieder zur Herrschaft zu bringen.

[475] Nicht minder wichtig wäre Fremont’s Wahl für Europa, da sie die Gefahr, welche England von einem Kriege mit Amerika droht, sofort und wahrscheinlich für lange Zeit beseitigen würde.

Eben dieser günstigen Aussicht wegen dürfen wir jedoch kaum darauf hoffen, Fremont jetzt schon gewählt zu sehen. Die Demokratie ist noch zu mächtig, sowohl durch ihren Reichthum, als durch die Furcht des Nordens vor einer Trennung von dem Süden, als daß es den Republikanern schon gelingen könnte, die Demokratie zu überwinden. Sie hoffen es freilich, aber wir können ihre Hoffnung nicht theilen.

Müßte Fremont indessen jetzt noch Buchanan weichen, so bliebe er doch als Mann der Zukunft bestehn und ihm würde immer eine wichtige politische Rolle zu Theil werden, weil die Republikaner Alles anzuwenden haben, zu verhindern, daß Kansas zum Sklavenstaate gemacht werde, und daraus leicht ein Krieg zwischen dem Norden und Süden entstehen kann, der die Union faktisch aufhöbe.[2] – „Old Buck“ (Buchanan) würde freilich, sobald er gewählt wäre, sich bemühen, diese Gefahr zu beseitigen, indem er zu vermitteln suchte, aber die Dinge sind so weit gediehen, daß nur die Vermittlung möglich ist, welche die Demokraten zum Nachgeben veranlaßt.

Die Republikaner werden ihnen daher fortan ihre Gesetze vorschreiben, und ihr Führer Fremont ist der Mann, der die Gestaltung der Zukunft in der Hand hat, sobald er ihre Forderungen mit der rechten Energie verfolgt.

Die Wahl des Präsidenten geschieht, wollen wir noch erwähnen, durch Wahlmänner, welche die Wahlstimmen des Staates vertreten und der Verfassung gemäß theils von der Gesetzgebung der einzelnen Staaten, theils vom Volke gewählt werden können, in der jüngsten Zeit aber durchweg vom Volke erwählt wurden, so daß die Wahl ebensowohl eine direkte, als eine indirekte ist, denn indem Jeder den Wahlmann nach seiner Partei wählt, stimmt er damit zugleich für den Präsidenten,und sobald die Wahlmänner erwählt sind, weiß man, wie das Resultat der Wahl ausfallen wird. Formell treten die Wahlmänner am ersten Mittwoch des December zusammen und geben ihre Stimmen in jedem Staate ab, welche der Congreß entgegennimmt.

Äm Fall keiner der Kandidaten eine absolute Majorität hat, bestimmt der Congreß den Präsidenten und Vicepräsidenten nach der Mehrheit der Stimmenanzahl.

Die Union enthält 16 freie und 15 Sklavenstaaten, und die Wahlstimmen sind folgendermaßen vertheilt: 1) freie Staaten: Maine 8, New-Hampshire 5, Vermont 5, Massachusets 13, Rhode Island 4, Connecticut 6, New-York 35, New-Jersey 7, Pennsylvania 27, Ohio 23, Indiana 13, Illinois 11, Michigan 6, Wisconsin 5, Iova 4, California 4, zusammen 176. 2) Sklavenstaaten: Delaware 3, Maryland 8, Virginia 15, North-Carolina 10, South-Carolina 8, Georgia 10, Florida 3, Alabama 9, Mississippi 7, Louisiana 6. Texas 4, Tennessee 12, Kentucky 12, Missouri 9, Arkansas 4, zusammen 120. Gesammtsumme 296. Zur Erwählung sind somit nöthig 149 Stimmen. Ueber die Stimmen der Staaten entscheidet die einfache Majorität derselben. Wenn von Neu-Yorks 35 Stimmen z. B. 20 für Fremont, 8 für Buchanan und 7 für Fillmore gehn, so hat New-York für Fremont entschieden. Jeder Wahlmann ist gehalten, streng für das Ticket (den Wahlzettel) zu stimmen, für das er gewählt ist, und ein Betrug oder eine Täuschung der Urwähler durch die Wahlmänner ist nicht möglich.

Von der Persönlichkeit Fremont’s wäre noch Manches zu sagen. Doch darüber herrschen noch verschiedene Urtheile, die sich erst später consolidiren werden. Nur so viel ist sicher bekannt, daß er ein gedrungener, energischer Mann mit freiem Bartwuchse in ziemlich germanisch aussehendem, ausdrucksvollem Gesichte, ein Mann von großer Vorliebe für deutsche Bildung ist, Deutsch spricht und sich eben so sehr auf die Deutschen verläßt, wie diese, namentlich die 60,000 Turner, auf ihn. Man darf hoffen, daß er diesmal oder über 4 Jahre mit Hülfe derselben siegen wird. Damit ist dann auch ein wirkliches transatlantisches Deutschland gewonnen, um so mehr, als sich Amerika selbst nur dadurch aus Verwilderung und nacktem Materialismus retten kann, daß es sich seiner ursprünglichen Kraft und Größe, welche in den anglosächsischen, altgermanischen Institutionen liegt, erinnert und sich wieder aus dieser alten Quelle erfrischt. Die alten germanischen Institutionen, von Parlamentsakten in England überwuchert, flohen nach Amerika und entwickelten sich dort mit Urwaldskraft. Mit den von Geld- und Habgier ausgerotteten Urwäldern sank auch diese Kraft und wurde kahle, trockne, verspekulirte Ebene. Fremont ist mit seiner deutschen Bildung und seinem deutschen Heere von 60,000 Turnern Persönlichkeit und Repräsentant der alten germanischen Freiheitsinstitutionen gegenüber dem verspekulirten, versklavten Yankeeismus.


  1. Ein authentisches Portrait dieses jetzt so wichtigen Mannes, welches noch nicht in unsern Händen ist, liefern wir in einer der spätern Nummern.
  2. Er ist, wenn auch in der Minorität bei der Präsidentenwahl, erst recht der Mann der Zukunft, weil die Freimänner, die in ihm einen Kopf gefunden, dann auch sehen, wie viele Glieder und Organe dazu gehören. Deren sind so viele und gesunde, daß sie mit Zuversicht den Sieg bei der nächsten Wahl darauf sichern können.