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MKL1888:Agricŏla

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Agricŏla“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 1 (1885), Seite 202203
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Agricŏla. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 1, Seite 202–203. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Agric%C5%8Fla (Version vom 11.04.2021)

[202] Agricŏla, Ackermaus, s. Wühlmaus.

Agricŏla, Gnäus Julius, röm. Staatsmann und Feldherr, des Geschichtschreibers Tacitus Schwiegervater, geb. 39 n. Chr. zu Forum Julium (Fréjus) im narbonensischen Gallien, that zuerst Kriegsdienste in Britannien, war dann Quästor in Asien, hierauf Volkstribun und Prätor in Rom. Unter Kaiser Vespasian befehligte er mit Auszeichnung die 20. Legion in Britannien, wurde daher in den Patrizierstand und zum Statthalter von Aquitanien erhoben. Nach drei Jahren wurde er Konsul und 77–83 Statthalter in Britannien. Dort stellte er die vielfach gestörte Ruhe her, beseitigte mit Gerechtigkeit und Klugheit die Ursachen der Unzufriedenheit und gewann die Briten nach und nach für römische Sitten. In glücklichen Kämpfen eroberte A. das Land bis an die schottischen Gebirge, wurde aber von dem mißtrauischen und neidischen Kaiser Domitian abberufen und starb 93. Tacitus hat ihm in der berühmten Biographie (deutsch von Bacmeister, Stuttg. 1871) ein unvergängliches Denkmal gesetzt.

Agricŏla, 1) Rudolf, eigentlich Roelof Huysmann, einer der berühmtesten deutschen Humanisten, geboren im August 1442 oder 1443 zu Baflo bei Groningen (daher Frisius genannt), vorgebildet in Groningen, studierte in Löwen, ging dann nach Paris, wo er mit Reuchlin Freundschaft schloß, und hielt sich hierauf sieben Jahre in Italien auf. Trotz aller Ehre, die er hier fand, kehrte er Ende 1480 in die Heimat zurück, um Deutschland auch in den Wissenschaften die erste Stelle erringen zu helfen. Im J. 1482 war er im Auftrag Groningens zur Erledigung eines Rechtsstreits ein halbes Jahr am Hof Maximilians I. in Brüssel. Doch um seine volle Unabhängigkeit zu wahren, lehnte er die Übernahme eines bestimmten Amtes ab. Erst Johann von Dalberg, kurpfälzischem Kanzler und seit 1482 Bischof von Worms, seinem Freund von Italien her, gelang es, ihn für den Kurfürsten Philipp II. von der Pfalz zu gewinnen. Seit Frühjahr 1483 lebte er nun in freierer Stellung bald in Heidelberg, bald in Worms, nach den verschiedensten Seiten hin anregend. Als er 1485 mit Dalberg eine zweite Reise nach Italien gemacht hatte, starb er bald nach seiner Rückkehr 28. Okt. 1485 in Heidelberg. A. ist ausgezeichnet durch den deutsch-nationalen Zug seines Wesens; doch hat er mehr durch persönliches Wirken die klassische Bildung in Deutschland gefördert als durch seine Schriften. Insbesondere trug er viel bei zur Beseitigung des barbarischen Lateins und verbreitete die Kenntnis des Griechischen. In den letzten Jahren seines Lebens lernte er noch das Hebräische; auch in der Theologie sowie in der Musik und Malerei war er erfahren. Sein Hauptwerk ist: „De inventione dialectica“, d. h. über die Kunst, jeden Gegenstand nach seinen verschiedenen Beziehungen zu untersuchen und darzustellen. Außerdem verfaßte A. lateinische Übersetzungen griechischer Werke, z. B. von Reden des Demosthenes, Äschines, Isokrates, viele Briefe, Reden und Gedichte. Sie sind größtenteils gesammelt von Alard aus Amsterdam in „R. Agricolae lucubrationes aliquot etc.“ (Köln 1539, 2 Bde.). Vgl. Tresling, Vita et merita R. Agricolae (Groning. 1830).

2) Martin, namhafter Gelehrter, insbesondere in der Musik einer der ersten Meister seiner Zeit, wurde um 1486 zu Sorau geboren, bekleidete in Magdeburg das Amt eines Kantors und Musikdirektors, starb 10. Juni 1556. Von seinen zahlreichen Werken in vielen Teilen des Wissens sind vorzüglich die musikalischen, z. B. „Ein kurz deudsch Musica“ (Wittenb. 1528), die „Musica figuralis deudsch“ (das. 1529, 2. Bearbeitung 1545), zu erwähnen, besonders auch deshalb, weil hier mit zuerst an Stelle der Tabulatur die moderne Notation erscheint. A. gehörte zu der „großen Kantorei“ Luthers, wie dieser seine musikalischen Freunde in der Ferne, den Kapellmeister Walther in Dresden an der Spitze, bezeichnete und sie von der „kleinen Kantorei“, den Sängern und Spielern, die sich in seinem Haus zu versammeln pflegten, unterschied.

3) Georg, eigentlich Bauer, der Begründer der neuern Mineralogie und Metallurgie, geb. 24. März 1490 zu Glauchau, studierte, nachdem er schon 1518–1522 Rektor in Zwickau gewesen, in Leipzig Medizin, ging dann nach Italien und wurde 1527 praktischer Arzt zu Joachimsthal. Aus Liebe zur Bergwerkskunde durchwanderte er in allen Richtungen das sächsische Erzgebirge und legte der sächsischen Regierung verschiedene Projekte zur Verbesserung des Bergbaus vor; seit 1531 aber nahm er, vom Kurfürsten Moritz mit einer Pension beschenkt, seinen Wohnsitz zu Chemnitz, wo er nachher auch Stadtphysikus und Bürgermeister wurde und 21. Nov. 1555 starb. A. hat als Mineralog den Weg zu einer auf äußere Merkmale gegründeten Unterscheidung der Mineralien gebahnt. Über seine chemischen Untersuchungen der Erdarten kam man bis in die Mitte des 18. Jahrh. nicht hinaus. Ebenso ist A. der Schöpfer des rationellen deutschen Bergbaus und der erste, welcher von der Theorie zur Praxis mit Glück überging. Seine mineralogischen Schriften erschienen gesammelt unter dem Titel: „De natura fossilium“ (Bas. 1657; deutsch von Lehmann, Freiberg 1806–13, 4 Bde.). Vgl. Laube in „Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Deutschen in Böhmen“, Bd. 9 (Leipz. 1872).

4) Johann, eigentlich Schnitter, auch nach seinem Geburtsort Eisleben Magister Islebius genannt, geb. 1492, studierte und lehrte in Wittenberg, wo er sich eng an Luther anschloß, den er 1519 nach Leipzig begleitete. Im J. 1525 richtete er die Kirche zu Frankfurt a. M. ein, und 1526–36 war er Prediger und Lehrer zu Eisleben. Im J. 1540 ging er als Hofprediger Joachims II. und Generalsuperintendent der Mark nach Berlin, wo er nach einer langen, ausgebreiteten Wirksamkeit 22. Sept. 1566 starb. In einen heftigen (den sogen. antinomistischen) Streit mit Luther und Melanchthon verwickelte ihn seine Behauptung, daß im Neuen Bunde das Gesetz nicht mehr gepredigt werden dürfe, weil die rechte Buße aus dem Glauben kommen müsse. Er hatte dieselbe schon 1527 gegen Melanchthons Visitationsartikel ausgesprochen, jedoch auf Luthers Zureden [203] in Torgau fallen lassen, erneuerte sie aber 1535 und wurde zum Widerruf genötigt. Noch größern Anstoß gab er durch das Augsburger Interim (s. d.). Anderseits war A. ein ausgezeichneter Prediger, trefflicher Liederdichter, tüchtiger akademischer Lehrer und fleißiger Schriftsteller. Er verfaßte eine noch ungedruckte harmonistische Auslegung der vier Evangelien u. a. Seine Sammlung von deutschen Sprichwörtern mit Erklärung (zuerst in plattdeutscher Mundart, Magdeb. 1528; dann hochdeutsch 1529) sichert ihm auch in der deutschen Litteraturgeschichte einen Platz. Vgl. Kawerau, Johann A. (Berl. 1881); Latendorf, Agricolas Sprichwörter (Schwer. 1862).

5) Johann Friedrich, Musiker und Musikschriftsteller, geb. 4. Jan. 1720 zu Dobitschen bei Altenburg, studierte in Leipzig anfangs die Rechte, machte dann 1738–41 unter Seb. Bach gründliche musikalische Studien, die er in Berlin bei Quantz fortsetzte, wurde 1750 infolge des von ihm komponierten Intermezzo „Il filosofo convinto“ zum Hofkomponisten am Potsdamer Theater, 1759 nach Grauns Tod zum Direktor der Kapelle Friedrichs II. ernannt und starb 12. Nov. 1774. Mehr denn als Komponist hat sich A. als tüchtiger Orgelspieler und Musiktheoretiker einen Namen gemacht. Sein Hauptwerk ist die Bearbeitung von Tosis „Osservazioni sopra il canto fermo“ („Anleitung zur Singekunst“, Berl. 1757). – Seine Gattin Emilia, geborne Molteni (geb. 1722 zu Modena, gest. 1780 in Berlin), war eine der beliebtesten Sängerinnen an der damals vortrefflichen Italienischen Oper zu Berlin.


Jahres-Supplement 1890–1891
Band 18 (1891), Seite 6
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[6] Agricola, 1) Rudolf, Humanist. Vgl. F. v. Bezold, Rudolf A., ein deutscher Vertreter der italienischen Renaissance (Münch. 1884).

5) Georg, Mineralog. Vgl. Jacobi, Der Mineralog Georg A. und sein Verhältnis zur Wissenschaft seiner Zeit (Werdau 1889).