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MKL1888:Baudissin

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Baudissin“ in Meyers Konversations-Lexikon
Seite mit dem Stichwort „Baudissin“ in Meyers Konversations-Lexikon
Band 2 (1885), Seite 460461
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Baudissin. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 2, Seite 460–461. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Baudissin (Version vom 24.03.2022)

[460] Baudissin, 1) Wolf Heinrich von, General des Dreißigjährigen Kriegs, geb. 1597 aus einem alten Geschlecht der Oberlausitz, trat in dänische Dienste, ward 1625 Oberst, focht unter Ernst von Mansfeld und übernahm nach dessen Tod 1626 den Oberbefehl über seine Truppen. Nach dem Lübecker Frieden trat er als General in die schwedische Armee ein und kämpfte 1633 mit Erfolg in den Rheinlanden. 1634 [461] aber veruneinigte er sich mit dem schwedischen Reichsrat und ward sächsischer Generalfeldmarschall, mußte aber, 1636 bei der Belagerung von Magdeburg schwerverwundet, seinen Abschied nehmen und ging als sächsischer Gesandter nach Kopenhagen. Er starb 1646. Durch seine Vermählung mit Sophie v. Rantzau 1635 ward er Mitglied der schleswig-holsteinischen Ritterschaft, und während die Familie B. in der Lausitz 1682 erlosch, gelangte sie in Holstein zu reichem Besitz u. wurde auch 1741 in den Reichsgrafenstand erhoben.

2) Wolf Heinrich Friedrich Karl, Graf von, Schriftsteller, geb. 30. Jan. 1789 zu Rantzau, trat nach Ablauf seiner Universitätsstudien als Legationssekretär in dänischen Staatsdienst, erhielt 1810–14 Missionen nach Stockholm, Wien und Paris und büßte im Sommer 1813 für seine deutsche Gesinnung durch halbjährige Haft auf der Festung Friedrichsort. Später machte er Reisen nach Italien, Frankreich und Griechenland und nahm 1827 seinen dauernden Aufenthalt in Dresden, wo er bald in ein inniges Verhältnis zu Tieck trat und an dessen Shakespeare-Übersetzung einen hervorragenden Anteil nahm. Er starb daselbst 4. April 1878. Von seiner Hand sind in der sogen. Schlegel-Tieckschen Übersetzung folgende Stücke: „Viel Lärmen um nichts“; „Der Widerspenstigen Zähmung“; „Die Komödie der Irrungen“; „Maß für Maß“; „Ende gut, alles gut“; „Antonius und Kleopatra“; „Troilus und Cressida“; „Die lustigen Weiber von Windsor“; „Verlorne Liebesmüh’“; „Titus Andronicus“; „Heinrich VIII.“; „Othello“ und „Lear“. Auch übertrug B. die vier von Tieck herausgegebenen vermeintlichen Jugendarbeiten Shakespeares: „Vier historische Schauspiele Shakespeares“ (Stuttg. 1836). Ferner veröffentlichte er unter dem Titel: „Ben Jonson und seine Schule, mit Anmerkungen und einem historischen Überblick über die Geschichte der englischen Bühne“ (Leipz. 1836, 2 Bde.) Übersetzungen älterer englischer Dramen und versuchte sich später auch auf dem Felde der mittelhochdeutschen Litteratur, indem er Übertragungen des „Iwein mit dem Löwen“ von Hartmann von Aue (Berl. 1845) und des „Wigalois“ von Wirnt von Gravenberg (Leipz. 1848) herausgab. Seine spätere Thätigkeit als poetischer Übersetzer galt der französischen und italienischen Dichtung; seine Hauptleistung war hier die ausgezeichnete Übertragung von Molières sämtlichen Lustspielen (Leipz. 1865–67, 4 Bde.), worin die Alexandriner des Originals in fünffüßigen reimlosen Iamben wiedergegeben sind. Ihr schließen sich an: „Zwei dramatische Dichtungen von Fr. v. Coppée“ (Leipz. 1874), „Carmontels und Leclerques dramatische Sprichwörter“ (das. 1875) und „Italienisches Theater“ (das. 1877), Dramen von Gozzi und Goldoni enthaltend.

3) Otto Friedrich Magnus, Bruder des vorigen, geb. 5. Juni 1792 zu Rantzau, trat in dänische Militärdienste und stieg bis zum Major. In der schleswig-holsteinischen Bewegung stand er auf der Seite seiner Landsleute und trug namentlich viel zum Anschluß der Truppen an die Landessache bei. Zum Obersten ernannt, hielt er sich in dem unglücklichen Gefecht bei Bau zwei Stunden lang gegen eine dreifache Überzahl und erleichterte dadurch den Rückzug der Hauptarmee. Im Sommer 1849 ward er in der Schlacht bei Kolding und 1850 bei Idstedt, wo seine Brigade tapfer standgehalten, schwer verwundet. Im Februar 1851 erhielt er mit den übrigen Offizieren seinen Abschied und lebte seitdem, mit Kunststudien beschäftigt, in Hamburg und Dresden. Er starb in Teplitz 25. Juni 1865.

Verwandt mit den Genannten sind Ulrich von B., geb. 22. Febr. 1816, dän. Major a. D., Verfasser mehrerer Romane: „Ronneburger Mysterien“ (Stuttg. 1869), „Das Damenstift“ (das. 1875), und einer Reihe von Lustspielen, gesammelt in „Kleinigkeiten für das Theater“ (Altona 1863, am besten die originelle Posse „Ein Abenteuer auf der Eisenbahn“), und dessen Bruder Adelbert, Graf von B., geb. 25. Jan. 1820. Letzterer, früher schleswig-holsteinischer Leutnant, lieferte mehrere Schriften über Schleswig-Holstein, z. B. „Geschichte des schleswig-holsteinischen Kriegs“ (Hannov. 1862), sowie historische Romane („Christian VII. und sein Hof“, „Philippine Welser“ etc.) und novellistische Arbeiten, die sich jedoch nur wenig über das Niveau gewöhnlicher Unterhaltungslektüre erheben. Während des deutsch-französischen Kriegs brachte er acht Monate auf dem Kriegsschauplatz zu. Auf der Rückreise in Wiesbaden erkrankt, starb er daselbst 28. März 1871.

4) Wolf Wilhelm Friedrich, Graf, Theolog, geb. 26. Sept. 1847 zu Sophienhof bei Kiel, habilitierte sich 1874 an der theologischen Fakultät in Leipzig und folgte 1876 einem Ruf nach Straßburg, wo er 1880 ordentlicher Professor wurde. In gleicher Eigenschaft ging er 1881 nach Marburg. Von seinen Veröffentlichungen nennen wir: „Translationis antiquae libri Jobi quae supersunt“ (Leipz. 1870); „Eulogius und Alvar“ (das. 1872); „Studien zur semitischen Religionsgeschichte“ (das. 1876–78, 2 Bde.).