Zum Inhalt springen

Med. Topographie Gmuend:083

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Franz Joseph Werfer
Versuch einer medizinischen Topographie der Stadt Gmünd
« Zurück Vorwärts »
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.


[158]

Bewegungen der Hände und Finger, die mit jedem Tag heftiger wurden, sich nach und nach über die meisten mit willkührlicher Bewegung begabten Theile verbreiteten, und 14 Tage lang mußte sie sich im Bette sitzend mit dem ganzen Unterleib unter beständigen Kopfschütteln schnell und heftig vor- und rückwärts werfen, ohne dabey Schmerzen oder mehr Eingenommenheit des Kopfes zu fühlen. Nach diesen machte sie 8 Tage lang abwechselnd verschiedene oft künstliche Bewegungen mit den Händen und Füssen, klatschte bald mit den Händen, bald spielte sie mit den Fingern und wendete und drehete die Arme wieder nach allen Seiten, während dem der Kopf niemal ruhete. Die Nächte waren abwechselnd ruhig mit und ohne Schlaf; die Gestikulationen dauerten immer nur den Tag über und zwar von Aufgang der Sonne anfangend bis zum Niedergang derselben an; empfindlich fiel ihr jede Trübung am Himmel und jeder Wechsel der Witterung, so wie auch jede Mondveränderung mehr oder weniger fühlbaren Eindruck auf sie machte; denn daß Sonne und Mond, und nicht ganz unwahrscheinlich auch andere Planeten in ihren Veränderungen und verschiedenen Ständen gegen die Erde, so wie sie einen großen und verschiedentlich bestimmten Einfluß sowohl auf die Attractiv- als Repulsivkräfte der Erdoberfläche überhaupt haben, auch auf den menschlichen Körper ins besondere, und vorzugsweise unter gewissen krankhaften Zuständen desselben eigenthümliche Wirkungen zu äussern, und wohl selbst die Nervenreizbarkeit bey nervenschwachen Menschen in verschiedenen Graden zu alterieren, und mancherley in das Gebiet anomalisch-magnetischer

[159]

oder galvanischer Neurosen und Spasmalgien fallende Erscheinungen zu erzeugen und zu verstärken vermögen, daran ist wohl nicht zu zweifeln. Zu Anfang der dritten Woche kamen neue, bisher nicht gekannte Gestikulationen bey ihr zum Vorschein, die sie aber von jetzt an theils im Bette stehend, theils außer demselben machen mußte. Zuerst fieng sie an noch im Bette sitzend mit dem Kopf zu schütteln, die Hände mit anhaltender Heftigkeit hin und her zu werfen und in verschiedenen Richtungen und Manieren an den Kopf zu schlagen; dann stand sie auf, sprang vom Bette herab mitten in das Zimmer – was sie immer einige Minuten vorher sagte, so wie sie auch jede neue kommende Bewegung auf den Augenblick vorher bestimmen konnte, ohne jedoch im Stande zu seyn eine oder die andere früher machen zu können – spielte anfänglich mit den Händen und Aermen bald nach unten, bald nach oben dieselben windend und drehend, beugte sich rück- dann wieder vorwärts mit dem ganzen Körper bey stets anhaltenden Kopfschütteln; nun krümmte sie sich auf einmal stark seitwärts eine Hand und einem Fuß auf den Boden stützend, und die entgegengesetzten in die Höhe haltend, während dem sie unaufhörlich mit den Fingern schnalzte und spielte, und einen nicht widrig pfeifenden Ton ohne die geringste Zungen- und Lippenbewegung hören ließ; die nämliche Gestikulationen wiederholte sie auch auf der entgegengesetzten Seite. Hierauf warf sie sich kräftig auf die Knie nieder, drückte die Stirn, die Nase, den Mund, die beyden Schläfen nach einander auf den Boden, und schlug den Kopf öfters mit Heftigkeit